L 8 AS 3136/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 4309/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 3136/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. April 2007 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für Kosten der Unterkunft streitig.

Der 1963 geborene Kläger ist allein stehend. Er bewohnt eine 1988 bezugsfertig gewordene Wohnung mit einer Wohnfläche von 50 m². Die Miete beträgt monatlich 340 EUR (Kaltmiete 320 EUR, Stellplatzmiete 20 EUR). Hinzu kommen Nebenkosten von monatlich 85 EUR. Über eigenes Einkommen oder einzusetzendes Vermögen verfügt der Kläger nicht.

Auf Antrag vom 19.12.2005 wurden dem Kläger vom Beklagten mit Bescheid vom 14.02.2006 ab dem 19.12.2005 Leistungen nach dem SGB II zunächst bis 31.05.2006 bewilligt. Mit Bescheid vom 31.05.2006 erfolgte eine Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.06.2006 bis 30.11.2006 in Höhe von monatlich 745,67 EUR (Regelleistung monatlich 345 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung (KUuH) monatlich 400,67 EUR). Im Bewilligungsbescheid vom 14.02.2006 wurde der Kläger u. a. darauf hingewiesen, dass die angemessene Miete am Wohnort lediglich 230 EUR betrage und aufgefordert, eine günstigere Wohnung zu suchen bzw. monatlich Nachweise über die Wohnungssuche zu erbringen, sollte er keine günstigere Wohnung finden. Weiter wurde in diesem Bescheid angekündigt, ab 01.08.2006 nur noch die angemessene Höchstmiete zu berücksichtigen, falls bis zum 09.07.2006 vom Kläger nichts vorgelegt werde.

Mit Änderungsbescheid vom 14.07.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.08.2006 bis 30.11.2006 Leistungen nur noch in Höhe von monatlich 635,67 EUR. Dabei berücksichtigte die Beklagte Kosten der Unterkunft und Heizung lediglich in Höhe von monatlich 290,67 EUR (davon Kaltmiete monatlich 230 EUR).

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 08.08.2006 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, die auf das Wohngeldgesetz gestützte Kürzung der Miete auf 230 EUR sei rechtswidrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2006 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.07.2006 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 21.11.2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er machte zur Begründung geltend, für seinen Wohnort sei von einer ortsüblichen Miete von 299,93 EUR auszugehen. Zusammen mit der Stellplatzmiete seien dies dann monatlich 319,93 EUR. Die von ihm gezahlte Miete liege somit nur geringfügig über der ortsüblichen Miete seines Wohnortes und sei ab dem 01.08.2006 in Höhe von 340 EUR vom Beklagten in vollem Umfang in die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II einzubeziehen. Wohnraum zu von der Beklagten für angemessen erachteten Bedingungen stehe auf dem Markt nicht zur Verfügung. Ob er eine Wohnung mit oder ohne Stellplatz anmiete, könne er sich nicht aussuchen. Hilfsweise sei eine Leistung von 319,93 EUR ab dem 01.08.2006 zu erbringen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 24.04.2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2006 (gemeint ist nach dem Klageantrag des Klägers 14.07.2006) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2006 sei rechtmäßig. Im Ergebnis bestünden keine Bedenken gegen die von der Beklagten zur Grundlage ihrer Bescheide gemachten Annahme, dass im Falle des Klägers nur ein Kaltmietzins von monatlich 230 EUR angemessen sei. Der Kläger sei auf seine Obliegenheit, sich um kostengünstigeren Wohnraum zu bemühen, vom Beklagten ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die angefochtenen Bescheide genügten auch den Voraussetzungen des § 45 SGB X.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 24.05.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 25.06.2007 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung sein erstinstanzliches Vorbringen ergänzt und vertieft.

Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens wurden dem Kläger Leistungen nach dem SGB II mit Bescheiden vom 27.11.2006 für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis 31.05.2007 in Höhe von monatlich 635,67 EUR und vom 26.04.2007 für den Zeitraum vom 01.06.2007 bis 30.11.2007 in Höhe von monatlich 635,37 EUR (KUuH jeweils monatlich 290,37 EUR) weiterbewilligt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist mit Schreiben des Berichterstatters vom 29.11.2007 darauf hingewiesen worden, dass Zweifel bestünden, ob die Berufungssumme erreicht sei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hierzu vorgetragen, zwar sei für den Zeitraum des Bescheides lediglich ein Beschwerdewert von 440 EUR gegeben. Dieser sei jedoch nicht maßgeblich, da die Grundlagen des Bescheides sich für den Kläger auch in den folgenden Bescheiden ab 01.12.2006 und ab 01.06.2007 niedergeschlagen hätten, so dass der Beschwerdewert sich auch für die nachfolgende Zeit auswirke. Werde der Bescheid der Beklagten abgeändert, habe dies auch für die nachfolgende Zeit Bedeutung, da dann den Folgebescheiden insoweit die Grundlage entzogen werde. Dies werde auch gestützt durch § 9 Satz 1 ZPO, der auf den 3 1/2 fachen Jahresbetrag abstelle. Aufgrund der über den Bewilligungszeitraum hinausgehenden Fortwirkung bei der Bemessung der Unterkunftskosten sei die Berufungssumme erreicht bzw. überschritten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. April 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die von ihm beantragten Unterkunftskosten auch ab dem 1. August 2006 in voller Höhe von 340 EUR zu gewähren, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. August 2006 monatliche Unterkunftskosten in Höhe von 319,93 EUR zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für nicht statthaft und auch für nicht begründet.

Die Beteiligten sind mit Senatsschreiben vom 12.02.2008 darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 158 SGG ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen und ihnen Gelegenheit gegeben worden, sich hierzu bis 10.03.2008 zu äußern.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist nicht statthaft, da die Berufungssumme von mehr als 500 EUR nicht erreicht wird und die Berufung vom SG auch nicht zugelassen worden ist, weshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen ist.

Gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Vorliegend ist die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht. Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist nur der Bescheid der Beklagten vom 14.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2006, über die vom SG - auf Anfechtungsklage des Klägers - entschieden wurde. Soweit der Kläger beim SG außerdem beantragt hat, ihm ab 01.08.2006 Unterkunftskosten in voller Höhe von monatlich 340 EUR zu gewähren, hätte es eines solchen Antrags nicht bedurft, denn durch die Aufhebung der genannten Bescheide wäre der ursprüngliche, mit den angefochtenen Bescheiden abgeänderte Bewilligungsbescheid vom 31.05.2006 für den Zeitraum vom 01.08.2006 bis 30.11.2006 automatisch wieder zum Tragen gekommen. Streitiger Zeitraum ist weiter nur die Zeit vom 01.08.2006 bis 30.11.2006. Denn die vom Kläger angefochtenen Bescheide sind für diesen Zeitraum ergangen. Diese Festlegung des Bewilligungszeitraumes, an die die Verwaltung und die Gerichte gebunden sind, führt zu einer Begrenzung des Streitgegenstandes. Entsprechendes gilt für den beim SG gestellten Hilfsantrag. Damit beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes insgesamt lediglich 439,92 EUR (745,65 EUR abzüglich 635,67 EUR = 109,98EUR x 4 Monate).

Die ergangenen Folgebescheide für den Zeitraum ab 01.12.2006 sind - entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Klägers - bei der Berechnung des Wertes des Beschwerdegegen-standes nicht zu berücksichtigen. Sie sind nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites geworden und können deshalb nicht berücksichtigt werden.

Eine direkte Anwendung des § 96 SGG scheidet aus, weil die Folgebescheide die den Zeitraum vom 01.08.2006 bis 30.11.2006 betreffenden Bescheide nicht abändern, sondern die Leistungen für einen anderen Bewilligungszeitraum ab 01.12.2006 regeln.

Auch eine analoge Anwendung des § 96 SGG ist bei Klagen auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II regelmäßig nicht möglich. Es fehlt in diesen Verfahren bereits an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) konnte der Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Träger der Sozialhilfe den Hilfefall geregelt hat. Das war regelmäßig der Zeitraum bis zur letzten Verwaltungsentscheidung, also bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides (vgl. BVerwGE 25, 307 (308 f.); 39, 261 (264 ff.)), und galt grundsätzlich auch für (wiederkehrende) Leistungen der Eingliederungshilfe (siehe Urteile vom 16. Januar 1986 - BVerwG 5 C 36.84 - (Buchholz 436.0 Nr. 5) und vom 30. April 1992 - BVerwG 5 C 1.88 - (Buchholz 436.0 Nr. 12). Aus dieser zeitlichen Begrenzung des sozialhilferechtlichen Streitgegenstandes folgte, dass für die gerichtliche Überprüfung ablehnender Leistungsbescheide in der Regel die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist (siehe etwa BVerwGE 90, 160 (162); 96, 152 (154); st. Rspr.). Diese zeitliche Fixierung galt jedoch nicht uneingeschränkt. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung durch die Zeit bis zum Erlass des letzten Behördenbescheides begrenzt ist, besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann, wenn die Behörde den Hilfefall für einen längeren Zeitraum geregelt hat (vgl. BVerwGE 39, 261 (265); 89, 81 (85); siehe ferner Urteile vom 16. Januar 1986 und 30. April 1992 a.a.O. S. 11 f. und S. 4 f.). Dies trifft vorliegend zu, weil die Beklagte mit den Bescheiden vom 31.05.2006 und dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 14.07.2006 über den Zeitraum vom 01.06.2006 bis 30.11.2006 entschieden hat. Diese zum Sozialhilferecht ergangene Rechtsprechung des BVerwG ist auf Ansprüche nach dem SGB II zu übertragen. Die Einbeziehung des Zeitraums bis zum 30.11.2006 ist folglich nur deshalb möglich, weil die Beklagte selbst hierüber eine Entscheidung getroffen hat. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 41 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB II deutlich gemacht hat, dass der Bewilligungszeitraum im Regelfall 6 Monate und unter bestimmten Voraussetzungen 12 Monate betragen kann. Die Festlegung von Bewilligungszeiträumen, an die die Verwaltung und die Gerichte gebunden sind, führt auch zu einer Begrenzung des Streitgegenstandes. Für eine analoge Anwendung des § 96 SGG auf nachfolgende Bewilligungszeiträume ist von vornherein kein Raum. Im Übrigen ist im Hinblick auf die sich häufig wechselnden Bedarfssituationen eine Einbeziehung weiterer Bescheide alles andere als prozessökonomisch (Urteil des erkennenden Senats vom 16.03.2007 - L 8 AS 6504/06 -; vgl. auch BSG Urteile vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - und - B 7b AS 14/06 R -, Urteil vom 05.09.2007 - B 11b AS 15/06 R - und vom 30.10.2007 - B 14 AS 30/07 R -; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 19.03.2007 - L 7 AS 2511/06 - und vom 17.08.2007 - L 12 AS 5375/06 -).

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Übrigen davon ausgeht, die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites habe für Folgezeiträume deshalb Bedeutung, weil durch sie den Folgebescheiden die Grundlage entzogen werde, trifft dies vorliegend nicht zu. Der angefochtene Bescheid ist kein Grundlagenbescheid, auf dem die nachfolgenden Bescheide aufbauen. Die Folgebescheide treffen vielmehr eigenständige Regelungen für spätere Bewilligungszeiträume. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger - entsprechend der ihm in den Folgebescheiden erteilten Rechtsmittelbelehrung - gegen diese Bescheide Widerspruch eingelegt hat, so dass diese Bescheide bestandskräftig sind.

Das SG hat die Berufung auch nicht zugelassen. Allein die im Urteil erteilte Rechtsmittelbelehrung stellt keine Berufungszulassung dar.

Die Berufung ist folglich als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG). Dies konnte gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss des Senats erfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen vor allem im Hinblick auf die gefestigte Rechtsprechung des BSG, von der der Senat nicht abweicht, nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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