Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 3644/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4004/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. August 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und RF streitig.
Bei dem 1966 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des Versorgungsamts Heidelberg (VA) vom 18.04.2002 unter Berücksichtigung eines Residualzustandes nach seelischer Krankheit und einer Alkoholkrankheit ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 ab 01.01.1996 anerkannt. Die Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche wurden verneint. Sein Widerspruch, mit dem er im Wesentlichen den Nachteilsausgleich G geltend machte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.08.2002). Klage (S 5 SB 2149/02) und Berufung hatten ebenfalls keinen Erfolg.
Der Neufeststellungsantrag des Klägers vom April 2004, mit dem er eine Erhöhung des GdB und den Nachteilsausgleich G geltend machte und zu dessen Begründung er das im Auftrag des Sozialgerichts Mannheim (SG) im Rentenrechtsstreit S 10 RJ 1510/03 von Dr. Sch., Chefarzt am Psychiatrischen Zentrum N., erstattete psychiatrische Gutachten vom 09.03.2004 vorlegte, wurde vom VA mit Bescheid vom 03.05.2004 abgelehnt. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch hatte teilweise Erfolg. Mit Teilabhilfebescheid vom 04.08.2004 stellte das VA einen GdB von 70 seit 07.04.2004 fest. Im Übrigen wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004). Im sich hieran anschließenden Klageverfahren (S 5 SB 3955/04) erließ das SG am 01.08.2005 einen Gerichtsbescheid, mit dem der Beklagte unter Änderung der angegriffenen Bescheide verurteilt wurde, beim Kläger für die Zeit ab 07.04.2003 einen GdB von 100 festzustellen. Im Übrigen, dh soweit der Kläger die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G geltend gemacht hatte, wies es die Klage ab. Am 12.09.2005 erließ der Beklagte den Ausführungsbescheid zu diesem Urteil.
Schon mit Schreiben an das SG vom 17.06.2005 hatte der Kläger auch die Feststellung der Nachteilsausgleiche G und RF beantragt. In der eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde die seelische Krankheit des Klägers mit einem GdB von 90 sowie die Alkoholkrankheit und das Anfallsleiden mit einem GdB von 50 bei einem Gesamt-GdB von 100 bewertet. Die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und RF wurden verneint. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr liege nicht vor und eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei in nennenswertem Umfang zumutbar. Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag auf Feststellung dieser Nachteilsausgleiche mit Bescheid vom 21.10.2005 ab.
Dagegen legte der Kläger am 27.10.2005 Widerspruch ein und machte geltend, er habe Anspruch auf den Nachteilsausgleich G, da er wegen seiner Krampfanfälle und neuerdings wegen seines krankhaften Übergewichts Wegstrecken im Ortsverkehr nicht mehr ohne erhebliche Schwierigkeiten zurücklegen könne. Der geltend gemachte Anspruch auf den Nachteilsausgleich RF folge aus seinem krankheitsbedingten sozialen Rückzug, der es ihm unmöglich mache, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Hierzu legte er den für das SG (S 4 KR 1666/05) von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.-W. erstatteten Bericht vom 22.04.2005 vor, in dem ein schizophrenes Residuum bei paranoider schizophrener Psychose, ein Alkoholabhängigkeitssyndrom, ein Zustand nach Entzugskrampfanfällen und eine Adipositas als Diagnosen genannt sind. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, nach der eine - für den Nachteilsausgleich G erforderliche - "mittlere Anfallshäufigkeit" nicht belegt und die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen in nennenswertem Umfang zumutbar sei, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2005 zurück.
Am 12.12.2005 erhob der Kläger Klage zum SG, mit der er seine Ziele (Nachteilsausgleiche G und RF) weiterverfolgte. Er betonte, dass er krankheitsbedingt (sozialer Rückzug) an keinen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne. Er telefoniere ja nicht einmal. Im Übrigen würde ihm jeder Arzt bescheinigen, dass er keine 2 km ohne erhebliche Schwierigkeiten zurücklegen könne. Dies liege an seinem krankhaften Übergewicht.
Das SG hörte die Psychiaterin M.-W. sowie den Hausarzt und Internisten Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen. Frau M.-W. gab am 10.01.2006 an, die Gehfähigkeit des Klägers sei durch die psychische Erkrankung nicht eingeschränkt. Auch seine Orientierungsfähigkeit sei außerhalb akuter schizophrener Episoden nicht beeinträchtigt. Auch während eines akuten Schubs sei die Orientierungsfähigkeit nicht zwangsläufig eingeschränkt; es bestehe jedoch in dieser Zeit theoretisch die Möglichkeit, dass der Kläger wahnbedingt nicht in der Lage sei, sich ausreichend zu orientieren. Im Zusammenhang mit der chronischen schizophrenen Erkrankung bestünden beim Kläger Kontaktstörungen mit Rückzugstendenzen, eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Außenreizen und eine geringe soziale Kompetenz, was ihn hinsichtlich der Teilnahme am sozialen Leben erheblich einschränke. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, die meist mit einer hohen Reizdichte (z.B. Geräuschpegel, Menschenmenge) einherginge, stelle deswegen oft eine hohe, für einzelne Patienten immer wieder unüberwindbare Hürde dar; auch der Kläger sei durch diese Situationen überfordert. Dr. B. schilderte am 17.01.2006 den Krankheits- und Behandlungsverlauf und diagnostizierte zusätzlich eine obstruktive Bronchitis bei massivem chronischen Nikotinabusus. Bei der letzten gründlichen Untersuchung am 02.09.2005 habe sich bei dem 1,66 m großen und 128 kg schweren Kläger ein aktiv und passiv beweglicher Bewegungsapparat gefunden. Die koordinativen Funktionen seien regelrecht gewesen. Eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bestehe durch die starke Adipositas, die erhebliche obstruktive Ventilationsstörung und zuletzt auch durch die Neigung zu hypertoner Regulation mit Tachykardieneigung. Insofern sei zu konzedieren, dass der Kläger eine Wegstrecke von etwa 2 km innerhalb einer halben Stunde wegen der infolge der obstruktiven Ventilationsstörung und hypertonen Regulation verminderten kardiopulmonalen Belastbarkeit, die durch die Adipositas natürlich noch erheblich verstärkt werde, zu Fuß nicht bewältigen könne. Es sei ihm aber unbenommen, durch Einstellen des Nikotinabusus und Trainingsmaßnahmen, wozu auch das Gehen gehöre, seine Belastbarkeit, seine bronchiale Funktion und auch sein Gewicht zu bessern. Aufgrund seiner körperlichen Verfassung könne er in vollem Umfang an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen.
Anschließend holte das SG von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. ein fachärztliches Gutachten ein. Dieser gelangte am 16.06.2006 nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, es läge beim Kläger eine schizophrene Psychose vor, die jetzt anhaltend frei von produktiv-psychotischer Symptomatik und auch ohne Hinweise für eine richtungweisende Residualsymptomatik sei. Außerdem bestehe ein Zustand nach langjährigem Alkoholabusus ohne Anhalt für chronische äthyltoxische Folgeschäden; jetzt liege glaubwürdig Alkoholkarenz seit 2004 vor. Hinsichtlich der angegebenen Lendenwirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden liege kein Anhalt für neurologische Komplikationen und für eine richtungweisende Einschränkung des Gehvermögens vor. Ferner bestehe eine Adipositas permagna (130 kg/166 cm). Es bestünden keine psychischen oder neurologischen Störungen, die dauernd zu einer richtungweisenden Einschränkung der Bewegungs- und Orientierungsfähigkeit im Straßenverkehr oder der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen führten. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Aber auch der psychische Befund ergebe keine Störungen, die eine Einschränkung der Bewegungs- und Orientierungsfähigkeit oder eine richtungweisende Einschränkung der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen zur Folge hätten.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.08.2006 wies das SG die Klage ab. Im Wesentlichen gestützt auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. Br. hielt es die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und RF nicht für gegeben.
Dagegen hat der Kläger am 09.08.2006 Berufung eingelegt, mit der er an seinen Zielen festhält. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche G und RF seien bei ihm gegeben. Er könne keinesfalls - und darauf komme es bezüglich des Nachteilsausgleiches G allein an - eine Wegstrecke von 2 km zu Fuß zurücklegen. Das sei bei einem Übergewicht von 70 kg auch logisch. Außerdem sei er starker Raucher. Er könne allenfalls 100 m gehen und dann müsse er eine Pause machen, da er keine Luft mehr bekomme. Zudem sei bei ihm inzwischen eine Herzerkrankung festgestellt worden. Sein Gehvermögen sei aufgrund des bei ihm vorliegenden kardiovaskulären Risikoprofils außerordentlich eingeschränkt. An öffentlichen Veranstaltungen könne er aus psychischen Gründen nicht teilnehmen. Er sei ein absoluter Einzelgänger und müsse jegliche Art von Veranstaltungen und größeren Menschenansammlungen meiden, da er andernfalls schlimme Panikattacken bekomme. Der Kläger verweist auf die Beurteilungen seiner vom SG gehörten behandelnden Ärzte, die die Voraussetzungen der geltend gemachten Nachteilsausgleiche, nämlich Dr. B. die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G und Frau M.-W. die des Nachteilsausgleiches RF, bestätigt hätten. Das Gutachten von Dr. Br. sei hingegen nicht verwertbar. Der Kläger legt die schriftliche Äußerung seines jetzigen Hausarztes und Internisten B. gegenüber dem SG vom 30.10.2007 im Rechtsstreit S 8 KR 2221/07 vor, in der dieser zu Fragen der Gewichtsreduktion des Klägers Stellung nimmt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. August 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 21. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und RF festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den Bericht des Psychiatrischen Zentrums N. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 21.02. bis 28.02.2007 beigezogen. Ferner hat er die Pneumologin W.-D. schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat am 02.10.2007 den Behandlungsverlauf seit 13.08.2007 geschildert und angegeben, die Lungenfunktionsprüfung habe eine grenzwertige Atemwegsobstruktion ergeben. Insgesamt bestünden außer einem Verdacht auf eine Schlafapnoe keine gravierenden Befunde. Das Gehvermögen des Klägers werde hierdurch nicht beeinträchtigt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Nachteilsausgleiche G und RF.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX).
Gem. § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 2004/2008 (AHP) niedergelegt sind (vgl. BSG in SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4, SozR 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 19; BSG Urt. vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 = SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2). Die AHP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind aber (in der Regel) im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSGE 72, 285, 286; BSG Urt. vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; BSG Urt. vom 15.07.2004- B 9 SB 46/03 B).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG in SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 = SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) gelten als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten. Die AHP haben diesen Maßstab übernommen und geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die AHP dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen (vgl. Gebauer, MedSach 1995, 350). Von diesen Faktoren filtern die AHP all jene heraus, die nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des Schwerbehinderten im Straßenverkehr nicht in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die AHP beschreiben dazu in Abschnitt 30 Abs. 3 bis 5 solche Fälle, bei denen nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (vgl. BSG SozR 3 3870 § 60 Nr. 2).
Danach kann eine Einschränkung des Gehvermögens angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AHP Nr. 26.9) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AHP Nr. 26.8) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie (AHP 26.12), sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit (AHP 26.3) zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten.
Hiervon ausgehend liegt beim Kläger keine erhebliche Beeinträchtigung seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX iVm den Bewertungsmaßstäben der AHP 2008 vor. Das hierfür in Betracht kommende Anfallsleiden des Klägers hat nicht das Ausmaß, um die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G als erfüllt ansehen zu können. Eine mittlere Anfallshäufigkeit - wie nach Nr. 26.3 der AHP erforderlich - liegt bei ihm nicht vor und ist von ihm auch während des gesamten Verfahrens nie geltend gemacht worden. Auch Störungen der Orientierungsfähigkeit, die ebenfalls die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G zu begründen vermögen, liegen beim Kläger nicht - jedenfalls nicht in der erforderlichen Intensität - vor. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Fachärztin für Psychiatrie M.-W. vom 10.01.2006 gegenüber dem SG, wonach der Kläger durch seine psychische Erkrankung nicht in seiner Orientierungsfähigkeit eingeschränkt ist. Auch während eines akuten Schubs ist nach der Einschätzung der genannten Fachärztin seine Orientierungsfähigkeit nicht zwangsläufig eingeschränkt.
Ein Lungenleiden, auf das sich der Kläger zur Begründung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G im Berufungsverfahren erstmals gestützt hat, ist nicht belegt. Die Pneumologin W.-D. hat gegenüber dem Senat am 02.10.2007 angegeben, das Ergebnis der im August 2007 erfolgten Lungenfunktionsprüfung sei grenzwertig gewesen. Der Befund dürfte - abhängig von Medikation und Nikotinkonsum - variabel sein. Das Gehvermögen sah sie - auch unter Berücksichtigung des bestehenden Verdachts auf eine Schlafapnoe - nicht beeinträchtigt. Aus der variablen Atemwegsobstruktion resultiere (nur) eine leichtgradige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Damit sind auch die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G infolge Atembehinderungen, die mit einer dauernden Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (Nr. 26.8 der AHP) verbunden sein müssten, nicht erfüllt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch sein Übergewicht (zuletzt 130,5 kg bei 1,66 m Körpergröße) nicht geeignet, die erforderlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G annehmen zu können. Unabhängig davon, ob das beim Kläger bestehende Übergewicht als Behinderung bzw. Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX anzusehen ist, rechtfertigt es die Anerkennung des Nachteilsausgleiches G nicht. Menschen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX behindert, wenn u.a. ihre körperliche Funktion mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gegen eine Behinderung spricht, dass die körperlichen Funktionen durch das Übergewicht an sich nicht beeinträchtigt sind. Ob bei einem die körperliche Funktionen unmittelbar beeinträchtigenden Ausmaß des Übergewichts eine andere Sichtweise geboten ist, kann der Senat dahingestellt lassen. Das beim Kläger vorliegende starke Übergewicht hindert ihn nämlich nicht, Wegstrecken von 2 km zu Fuß zurückzulegen. Dass dies - wie der Internist Dr. B. gegenüber dem SG am 17.01.2006 angegeben hat - ihm nicht innerhalb einer halben Stunde möglich ist, ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht allein entscheidend. Vielmehr sind die Regelbeispiele der Nr. 30 der AHP ebenso zu beachten. Das beim Kläger ohnehin nicht als Funktionsbeeinträchtigung anerkannte Übergewicht ist aber nicht von einer solchen gravierenden Bedeutung, als dass es den Funktionsbeeinträchtigungen, die nach Nr. 30, S. 136 ff der AHP eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr bedingen (z.B. Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von wenigstens 50, Herzkrankheiten mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung), gleichzustellen ist.
Die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF erfüllt der Kläger ebenfalls nicht. Streitgegenstand des Verfahrens ist insoweit nicht die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, sondern die Feststellung ihrer gesundheitlichen Voraussetzungen, die dann für die Rundfunkanstalt, die über eine Befreiung zu entscheiden hat, bindend ist (BSGE 52, 168, 170ff = SozR 3870 § 3 Nr 13 S 31 ff). Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 69 Abs 4 SGB IX. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Hierzu gehören auch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, bei deren Erfüllung in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "RF" einzutragen ist (§ 3 Abs 1 Nr 5 SchwbAwV)
Für den in Baden-Württemberg wohnhaften Kläger war - für die Zeit bis zum 31.3.2005 - als einschlägige landesrechtliche Vorschrift § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Landesregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21.07.1992 des Landes Baden-Württemberg (GBl 1992, 578) heranzuziehen. An deren Stelle trat mit Wirkung ab 01.04.2005 Art 5 § 6 Abs 1 Nr. 8 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 8. bis 15.10.2004 idF des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.3.2005 (GBl 2005, 189). Diese Normen regeln inhaltsgleich die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Sie sind grundsätzlich für die inhaltliche Beurteilung, ob dem Kläger die begehrte Feststellung zusteht, zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 08.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R, juris). Danach werden behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit.
Beim Kläger ist zwar ein GdB von 100 festgestellt; er ist jedoch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Unter öffentlichen Veranstaltungen in diesem Sinne sind alle Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (BSG, Urt. v. 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 -, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2; Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 -, SozR 3-3780 § 4 Nr. 7). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom BSG vertretenen Auslegung muss der behinderte Mensch praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.11.2003 - L 10 SB 113/02). Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich RF tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird, und ob es sozial geboten erscheint, bestimmten finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung solcher gewöhnlichen Geräte zu finanzieren. Diese Frage - so das BSG - bedürfe keiner abschließenden Klärung, verdeutliche aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen RF festgehalten werde (BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 - a.a.O.).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zumindest mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann. Daher können die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF nicht festgestellt werden (vgl. BSG Urteil vom 09.08.1995 - 9 RVs 3/95). Die vom Kläger insoweit als Begründung angegebenen psychischen Beschwerden - andere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die die Fähigkeit zur Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen beeinflussen könnten, liegen bei ihm nicht vor - rechtfertigen die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches RF nicht. Abgesehen davon, dass der Kläger zu keiner der Fallgruppen gehört, die nach Nr. 33, S. 141 f der AHP 2004 die gesundheitlichen Voraussetzungen dieses Nachteilsausgleichs erfüllt, steht für den Senat auch fest, dass er noch an öffentlichen Veranstaltungen in nennenswertem Umfang teilnehmen kann. Nach Nr. 33 Abs. 2 Buchst. c der AHP 2004 gehören zum berechtigten Personenkreis u.a. geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht. Eine psychische Überforderung durch den Besuch öffentlicher Veranstaltungen kann nicht in dem Maße angenommen werden, dass der Kläger öffentliche Veranstaltungen ständig nicht besuchen kann. Dies folgt aus dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. Br., der zu dem überzeugend begründeten Ergebnis gekommen ist, aus Psychopathologie, Selbstbeschreibung und den weiteren Angaben des Klägers zu seiner Alltags- und Freizeitgestaltung sei sicherlich nicht auf psychische Störungen zu schließen, die die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllten. Sowohl seine Mobilität (Motorroller, Straßenbahn Spaziergänge, Einkaufen) als auch seine geplanten Unternehmungen (Busreise nach Berlin einschließlich Stadtbesichtigung) und Ausflug nach Weinheim (inklusive Besichtigungen usw.) werden vom Sachverständigen zu Recht als wesentliche Begründung für seine Beurteilung angeführt. Hinzu kommt, dass auch die Einschätzung der vom SG gehörten Fachärztin für Psychiatrie M.-W. nicht dafür spricht, dass der Kläger allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen ist. Zwar hat sie angegeben, dass der Kläger aufgrund der mit seiner chronischen schizophrenen Erkrankung verbundenen Kontaktstörungen mit Rückzugstendenzen, erhöhter Empfindlichkeit gegenüber Außenreizen und geringe resozialer Kompetenz durch die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, die meist mit einer hohen Reizdichte (z.B. Geräuschpegel, Menschenmenge) einhergingen, psychisch überfordert werde. Damit wäre für den Kläger aber auch nur der Besuch von Veranstaltungen solcher Art nicht möglich. Andere Veranstaltungen, die diese Reizdichte nicht aufweisen (Museen, Ausstellungen, Kino), können vom Kläger jedenfalls noch besucht werden. Hinzu kommt, dass der Kläger mit Hilfe einer Begleitperson - wie es bei ihm stellenweise anklingt - auch noch an weiteren öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und RF streitig.
Bei dem 1966 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des Versorgungsamts Heidelberg (VA) vom 18.04.2002 unter Berücksichtigung eines Residualzustandes nach seelischer Krankheit und einer Alkoholkrankheit ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 ab 01.01.1996 anerkannt. Die Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche wurden verneint. Sein Widerspruch, mit dem er im Wesentlichen den Nachteilsausgleich G geltend machte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.08.2002). Klage (S 5 SB 2149/02) und Berufung hatten ebenfalls keinen Erfolg.
Der Neufeststellungsantrag des Klägers vom April 2004, mit dem er eine Erhöhung des GdB und den Nachteilsausgleich G geltend machte und zu dessen Begründung er das im Auftrag des Sozialgerichts Mannheim (SG) im Rentenrechtsstreit S 10 RJ 1510/03 von Dr. Sch., Chefarzt am Psychiatrischen Zentrum N., erstattete psychiatrische Gutachten vom 09.03.2004 vorlegte, wurde vom VA mit Bescheid vom 03.05.2004 abgelehnt. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch hatte teilweise Erfolg. Mit Teilabhilfebescheid vom 04.08.2004 stellte das VA einen GdB von 70 seit 07.04.2004 fest. Im Übrigen wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004). Im sich hieran anschließenden Klageverfahren (S 5 SB 3955/04) erließ das SG am 01.08.2005 einen Gerichtsbescheid, mit dem der Beklagte unter Änderung der angegriffenen Bescheide verurteilt wurde, beim Kläger für die Zeit ab 07.04.2003 einen GdB von 100 festzustellen. Im Übrigen, dh soweit der Kläger die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G geltend gemacht hatte, wies es die Klage ab. Am 12.09.2005 erließ der Beklagte den Ausführungsbescheid zu diesem Urteil.
Schon mit Schreiben an das SG vom 17.06.2005 hatte der Kläger auch die Feststellung der Nachteilsausgleiche G und RF beantragt. In der eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde die seelische Krankheit des Klägers mit einem GdB von 90 sowie die Alkoholkrankheit und das Anfallsleiden mit einem GdB von 50 bei einem Gesamt-GdB von 100 bewertet. Die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und RF wurden verneint. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr liege nicht vor und eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei in nennenswertem Umfang zumutbar. Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag auf Feststellung dieser Nachteilsausgleiche mit Bescheid vom 21.10.2005 ab.
Dagegen legte der Kläger am 27.10.2005 Widerspruch ein und machte geltend, er habe Anspruch auf den Nachteilsausgleich G, da er wegen seiner Krampfanfälle und neuerdings wegen seines krankhaften Übergewichts Wegstrecken im Ortsverkehr nicht mehr ohne erhebliche Schwierigkeiten zurücklegen könne. Der geltend gemachte Anspruch auf den Nachteilsausgleich RF folge aus seinem krankheitsbedingten sozialen Rückzug, der es ihm unmöglich mache, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Hierzu legte er den für das SG (S 4 KR 1666/05) von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.-W. erstatteten Bericht vom 22.04.2005 vor, in dem ein schizophrenes Residuum bei paranoider schizophrener Psychose, ein Alkoholabhängigkeitssyndrom, ein Zustand nach Entzugskrampfanfällen und eine Adipositas als Diagnosen genannt sind. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, nach der eine - für den Nachteilsausgleich G erforderliche - "mittlere Anfallshäufigkeit" nicht belegt und die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen in nennenswertem Umfang zumutbar sei, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2005 zurück.
Am 12.12.2005 erhob der Kläger Klage zum SG, mit der er seine Ziele (Nachteilsausgleiche G und RF) weiterverfolgte. Er betonte, dass er krankheitsbedingt (sozialer Rückzug) an keinen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne. Er telefoniere ja nicht einmal. Im Übrigen würde ihm jeder Arzt bescheinigen, dass er keine 2 km ohne erhebliche Schwierigkeiten zurücklegen könne. Dies liege an seinem krankhaften Übergewicht.
Das SG hörte die Psychiaterin M.-W. sowie den Hausarzt und Internisten Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen. Frau M.-W. gab am 10.01.2006 an, die Gehfähigkeit des Klägers sei durch die psychische Erkrankung nicht eingeschränkt. Auch seine Orientierungsfähigkeit sei außerhalb akuter schizophrener Episoden nicht beeinträchtigt. Auch während eines akuten Schubs sei die Orientierungsfähigkeit nicht zwangsläufig eingeschränkt; es bestehe jedoch in dieser Zeit theoretisch die Möglichkeit, dass der Kläger wahnbedingt nicht in der Lage sei, sich ausreichend zu orientieren. Im Zusammenhang mit der chronischen schizophrenen Erkrankung bestünden beim Kläger Kontaktstörungen mit Rückzugstendenzen, eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Außenreizen und eine geringe soziale Kompetenz, was ihn hinsichtlich der Teilnahme am sozialen Leben erheblich einschränke. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, die meist mit einer hohen Reizdichte (z.B. Geräuschpegel, Menschenmenge) einherginge, stelle deswegen oft eine hohe, für einzelne Patienten immer wieder unüberwindbare Hürde dar; auch der Kläger sei durch diese Situationen überfordert. Dr. B. schilderte am 17.01.2006 den Krankheits- und Behandlungsverlauf und diagnostizierte zusätzlich eine obstruktive Bronchitis bei massivem chronischen Nikotinabusus. Bei der letzten gründlichen Untersuchung am 02.09.2005 habe sich bei dem 1,66 m großen und 128 kg schweren Kläger ein aktiv und passiv beweglicher Bewegungsapparat gefunden. Die koordinativen Funktionen seien regelrecht gewesen. Eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bestehe durch die starke Adipositas, die erhebliche obstruktive Ventilationsstörung und zuletzt auch durch die Neigung zu hypertoner Regulation mit Tachykardieneigung. Insofern sei zu konzedieren, dass der Kläger eine Wegstrecke von etwa 2 km innerhalb einer halben Stunde wegen der infolge der obstruktiven Ventilationsstörung und hypertonen Regulation verminderten kardiopulmonalen Belastbarkeit, die durch die Adipositas natürlich noch erheblich verstärkt werde, zu Fuß nicht bewältigen könne. Es sei ihm aber unbenommen, durch Einstellen des Nikotinabusus und Trainingsmaßnahmen, wozu auch das Gehen gehöre, seine Belastbarkeit, seine bronchiale Funktion und auch sein Gewicht zu bessern. Aufgrund seiner körperlichen Verfassung könne er in vollem Umfang an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen.
Anschließend holte das SG von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. ein fachärztliches Gutachten ein. Dieser gelangte am 16.06.2006 nach ambulanter Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, es läge beim Kläger eine schizophrene Psychose vor, die jetzt anhaltend frei von produktiv-psychotischer Symptomatik und auch ohne Hinweise für eine richtungweisende Residualsymptomatik sei. Außerdem bestehe ein Zustand nach langjährigem Alkoholabusus ohne Anhalt für chronische äthyltoxische Folgeschäden; jetzt liege glaubwürdig Alkoholkarenz seit 2004 vor. Hinsichtlich der angegebenen Lendenwirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden liege kein Anhalt für neurologische Komplikationen und für eine richtungweisende Einschränkung des Gehvermögens vor. Ferner bestehe eine Adipositas permagna (130 kg/166 cm). Es bestünden keine psychischen oder neurologischen Störungen, die dauernd zu einer richtungweisenden Einschränkung der Bewegungs- und Orientierungsfähigkeit im Straßenverkehr oder der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen führten. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Aber auch der psychische Befund ergebe keine Störungen, die eine Einschränkung der Bewegungs- und Orientierungsfähigkeit oder eine richtungweisende Einschränkung der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen zur Folge hätten.
Mit Gerichtsbescheid vom 01.08.2006 wies das SG die Klage ab. Im Wesentlichen gestützt auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. Br. hielt es die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und RF nicht für gegeben.
Dagegen hat der Kläger am 09.08.2006 Berufung eingelegt, mit der er an seinen Zielen festhält. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche G und RF seien bei ihm gegeben. Er könne keinesfalls - und darauf komme es bezüglich des Nachteilsausgleiches G allein an - eine Wegstrecke von 2 km zu Fuß zurücklegen. Das sei bei einem Übergewicht von 70 kg auch logisch. Außerdem sei er starker Raucher. Er könne allenfalls 100 m gehen und dann müsse er eine Pause machen, da er keine Luft mehr bekomme. Zudem sei bei ihm inzwischen eine Herzerkrankung festgestellt worden. Sein Gehvermögen sei aufgrund des bei ihm vorliegenden kardiovaskulären Risikoprofils außerordentlich eingeschränkt. An öffentlichen Veranstaltungen könne er aus psychischen Gründen nicht teilnehmen. Er sei ein absoluter Einzelgänger und müsse jegliche Art von Veranstaltungen und größeren Menschenansammlungen meiden, da er andernfalls schlimme Panikattacken bekomme. Der Kläger verweist auf die Beurteilungen seiner vom SG gehörten behandelnden Ärzte, die die Voraussetzungen der geltend gemachten Nachteilsausgleiche, nämlich Dr. B. die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G und Frau M.-W. die des Nachteilsausgleiches RF, bestätigt hätten. Das Gutachten von Dr. Br. sei hingegen nicht verwertbar. Der Kläger legt die schriftliche Äußerung seines jetzigen Hausarztes und Internisten B. gegenüber dem SG vom 30.10.2007 im Rechtsstreit S 8 KR 2221/07 vor, in der dieser zu Fragen der Gewichtsreduktion des Klägers Stellung nimmt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. August 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 21. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und RF festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den Bericht des Psychiatrischen Zentrums N. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 21.02. bis 28.02.2007 beigezogen. Ferner hat er die Pneumologin W.-D. schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat am 02.10.2007 den Behandlungsverlauf seit 13.08.2007 geschildert und angegeben, die Lungenfunktionsprüfung habe eine grenzwertige Atemwegsobstruktion ergeben. Insgesamt bestünden außer einem Verdacht auf eine Schlafapnoe keine gravierenden Befunde. Das Gehvermögen des Klägers werde hierdurch nicht beeinträchtigt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Nachteilsausgleiche G und RF.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX).
Gem. § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 2004/2008 (AHP) niedergelegt sind (vgl. BSG in SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4, SozR 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 19; BSG Urt. vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 = SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2). Die AHP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind aber (in der Regel) im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSGE 72, 285, 286; BSG Urt. vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; BSG Urt. vom 15.07.2004- B 9 SB 46/03 B).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG in SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 = SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) gelten als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten. Die AHP haben diesen Maßstab übernommen und geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die AHP dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen (vgl. Gebauer, MedSach 1995, 350). Von diesen Faktoren filtern die AHP all jene heraus, die nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des Schwerbehinderten im Straßenverkehr nicht in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die AHP beschreiben dazu in Abschnitt 30 Abs. 3 bis 5 solche Fälle, bei denen nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (vgl. BSG SozR 3 3870 § 60 Nr. 2).
Danach kann eine Einschränkung des Gehvermögens angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AHP Nr. 26.9) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AHP Nr. 26.8) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie (AHP 26.12), sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit (AHP 26.3) zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten.
Hiervon ausgehend liegt beim Kläger keine erhebliche Beeinträchtigung seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX iVm den Bewertungsmaßstäben der AHP 2008 vor. Das hierfür in Betracht kommende Anfallsleiden des Klägers hat nicht das Ausmaß, um die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G als erfüllt ansehen zu können. Eine mittlere Anfallshäufigkeit - wie nach Nr. 26.3 der AHP erforderlich - liegt bei ihm nicht vor und ist von ihm auch während des gesamten Verfahrens nie geltend gemacht worden. Auch Störungen der Orientierungsfähigkeit, die ebenfalls die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G zu begründen vermögen, liegen beim Kläger nicht - jedenfalls nicht in der erforderlichen Intensität - vor. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Fachärztin für Psychiatrie M.-W. vom 10.01.2006 gegenüber dem SG, wonach der Kläger durch seine psychische Erkrankung nicht in seiner Orientierungsfähigkeit eingeschränkt ist. Auch während eines akuten Schubs ist nach der Einschätzung der genannten Fachärztin seine Orientierungsfähigkeit nicht zwangsläufig eingeschränkt.
Ein Lungenleiden, auf das sich der Kläger zur Begründung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G im Berufungsverfahren erstmals gestützt hat, ist nicht belegt. Die Pneumologin W.-D. hat gegenüber dem Senat am 02.10.2007 angegeben, das Ergebnis der im August 2007 erfolgten Lungenfunktionsprüfung sei grenzwertig gewesen. Der Befund dürfte - abhängig von Medikation und Nikotinkonsum - variabel sein. Das Gehvermögen sah sie - auch unter Berücksichtigung des bestehenden Verdachts auf eine Schlafapnoe - nicht beeinträchtigt. Aus der variablen Atemwegsobstruktion resultiere (nur) eine leichtgradige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Damit sind auch die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G infolge Atembehinderungen, die mit einer dauernden Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (Nr. 26.8 der AHP) verbunden sein müssten, nicht erfüllt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch sein Übergewicht (zuletzt 130,5 kg bei 1,66 m Körpergröße) nicht geeignet, die erforderlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G annehmen zu können. Unabhängig davon, ob das beim Kläger bestehende Übergewicht als Behinderung bzw. Funktionsbeeinträchtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX anzusehen ist, rechtfertigt es die Anerkennung des Nachteilsausgleiches G nicht. Menschen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX behindert, wenn u.a. ihre körperliche Funktion mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gegen eine Behinderung spricht, dass die körperlichen Funktionen durch das Übergewicht an sich nicht beeinträchtigt sind. Ob bei einem die körperliche Funktionen unmittelbar beeinträchtigenden Ausmaß des Übergewichts eine andere Sichtweise geboten ist, kann der Senat dahingestellt lassen. Das beim Kläger vorliegende starke Übergewicht hindert ihn nämlich nicht, Wegstrecken von 2 km zu Fuß zurückzulegen. Dass dies - wie der Internist Dr. B. gegenüber dem SG am 17.01.2006 angegeben hat - ihm nicht innerhalb einer halben Stunde möglich ist, ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht allein entscheidend. Vielmehr sind die Regelbeispiele der Nr. 30 der AHP ebenso zu beachten. Das beim Kläger ohnehin nicht als Funktionsbeeinträchtigung anerkannte Übergewicht ist aber nicht von einer solchen gravierenden Bedeutung, als dass es den Funktionsbeeinträchtigungen, die nach Nr. 30, S. 136 ff der AHP eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr bedingen (z.B. Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von wenigstens 50, Herzkrankheiten mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung), gleichzustellen ist.
Die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF erfüllt der Kläger ebenfalls nicht. Streitgegenstand des Verfahrens ist insoweit nicht die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, sondern die Feststellung ihrer gesundheitlichen Voraussetzungen, die dann für die Rundfunkanstalt, die über eine Befreiung zu entscheiden hat, bindend ist (BSGE 52, 168, 170ff = SozR 3870 § 3 Nr 13 S 31 ff). Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 69 Abs 4 SGB IX. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Hierzu gehören auch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, bei deren Erfüllung in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "RF" einzutragen ist (§ 3 Abs 1 Nr 5 SchwbAwV)
Für den in Baden-Württemberg wohnhaften Kläger war - für die Zeit bis zum 31.3.2005 - als einschlägige landesrechtliche Vorschrift § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Landesregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21.07.1992 des Landes Baden-Württemberg (GBl 1992, 578) heranzuziehen. An deren Stelle trat mit Wirkung ab 01.04.2005 Art 5 § 6 Abs 1 Nr. 8 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 8. bis 15.10.2004 idF des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.3.2005 (GBl 2005, 189). Diese Normen regeln inhaltsgleich die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Sie sind grundsätzlich für die inhaltliche Beurteilung, ob dem Kläger die begehrte Feststellung zusteht, zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 08.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R, juris). Danach werden behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit.
Beim Kläger ist zwar ein GdB von 100 festgestellt; er ist jedoch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Unter öffentlichen Veranstaltungen in diesem Sinne sind alle Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (BSG, Urt. v. 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 -, SozR 3-3870 § 48 Nr. 2; Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 -, SozR 3-3780 § 4 Nr. 7). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom BSG vertretenen Auslegung muss der behinderte Mensch praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 12.11.2003 - L 10 SB 113/02). Das BSG hält es zunehmend für zweifelhaft, ob durch den Nachteilsausgleich RF tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird, und ob es sozial geboten erscheint, bestimmten finanziell nicht bedürftigen Personengruppen die Benutzung solcher gewöhnlichen Geräte zu finanzieren. Diese Frage - so das BSG - bedürfe keiner abschließenden Klärung, verdeutliche aber, dass an einer engen Auslegung für das Merkzeichen RF festgehalten werde (BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 - a.a.O.).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zumindest mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann. Daher können die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF nicht festgestellt werden (vgl. BSG Urteil vom 09.08.1995 - 9 RVs 3/95). Die vom Kläger insoweit als Begründung angegebenen psychischen Beschwerden - andere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die die Fähigkeit zur Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen beeinflussen könnten, liegen bei ihm nicht vor - rechtfertigen die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches RF nicht. Abgesehen davon, dass der Kläger zu keiner der Fallgruppen gehört, die nach Nr. 33, S. 141 f der AHP 2004 die gesundheitlichen Voraussetzungen dieses Nachteilsausgleichs erfüllt, steht für den Senat auch fest, dass er noch an öffentlichen Veranstaltungen in nennenswertem Umfang teilnehmen kann. Nach Nr. 33 Abs. 2 Buchst. c der AHP 2004 gehören zum berechtigten Personenkreis u.a. geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht. Eine psychische Überforderung durch den Besuch öffentlicher Veranstaltungen kann nicht in dem Maße angenommen werden, dass der Kläger öffentliche Veranstaltungen ständig nicht besuchen kann. Dies folgt aus dem vom SG eingeholten Gutachten von Dr. Br., der zu dem überzeugend begründeten Ergebnis gekommen ist, aus Psychopathologie, Selbstbeschreibung und den weiteren Angaben des Klägers zu seiner Alltags- und Freizeitgestaltung sei sicherlich nicht auf psychische Störungen zu schließen, die die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllten. Sowohl seine Mobilität (Motorroller, Straßenbahn Spaziergänge, Einkaufen) als auch seine geplanten Unternehmungen (Busreise nach Berlin einschließlich Stadtbesichtigung) und Ausflug nach Weinheim (inklusive Besichtigungen usw.) werden vom Sachverständigen zu Recht als wesentliche Begründung für seine Beurteilung angeführt. Hinzu kommt, dass auch die Einschätzung der vom SG gehörten Fachärztin für Psychiatrie M.-W. nicht dafür spricht, dass der Kläger allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen ist. Zwar hat sie angegeben, dass der Kläger aufgrund der mit seiner chronischen schizophrenen Erkrankung verbundenen Kontaktstörungen mit Rückzugstendenzen, erhöhter Empfindlichkeit gegenüber Außenreizen und geringe resozialer Kompetenz durch die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, die meist mit einer hohen Reizdichte (z.B. Geräuschpegel, Menschenmenge) einhergingen, psychisch überfordert werde. Damit wäre für den Kläger aber auch nur der Besuch von Veranstaltungen solcher Art nicht möglich. Andere Veranstaltungen, die diese Reizdichte nicht aufweisen (Museen, Ausstellungen, Kino), können vom Kläger jedenfalls noch besucht werden. Hinzu kommt, dass der Kläger mit Hilfe einer Begleitperson - wie es bei ihm stellenweise anklingt - auch noch an weiteren öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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