Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2902/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 6445/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 09.11.2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt höhere Verletztenrente.
Dem im Jahre1961 geborenen Kläger wurde am 05.06.2002 im Rahmen seiner Beschäftigung als Molkereiarbeiter für die Firma Z. GmbH & Co. KG durch eine Förderschnecke die linke Hand im Bereich der Handwurzelknochen abgetrennt. Noch am Unfalltage erfolgte eine chirurgische Replantation der Hand, ohne dass sich deren Gebrauchsfähigkeit wieder herstellen ließ. Bei der anschließenden intensivmedizinischen Versorgung erlitt der Kläger u. a. ein Kreislauf- und respiratorisches Versagen. Darüber hinaus bildete sich ein Dekubital-Ulcus im Bereich der linken Kreuzbeinseite aus, das mehrmals operiert werden musste.
Im Verlaufe der anschließenden ambulanten Behandlung durch den Chirurgen Dr. E. wurde der Kläger im November 2002 zweimal vom Neurologen und Psychiater Dr. Schm. untersucht. Dieser beschrieb den Kläger von der psychiatrischen Seite als voll orientiert, bewusstseinsklar und mit situationsadäquatem Verhalten, ohne Hinweis auf ein akutes hirnorganisches Psychosyndrom oder Aggravation der Beschwerden.
Von Ende Februar bis April 2003 befand sich der Kläger zur stationären Handrehabilitation in der Rehabilitationsklinik W. Im Zwischenbericht vom 15.04.2003 wurden als Unfalldiagnosen eine traumatische Handamputation links im Mediocarpalgelenk, einen Glutealabszess links und eine posttraumatische Belastungsstörung aufgeführt. Der Kläger habe erhebliche Probleme bei der Unfallbewältigung. Es bestünden typische Zeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit intrusiven Erinnerungen, Flashbaks, einhergehend mit hohem Arousal. In sieben psychotherapeutischen Einzelgesprächen habe die posttraumatische Belastungsstörung effektiv behandelt werden können. Die emotionale Belastung durch den Unfall habe massiv reduziert werden können, was zu einer ausgeprägten emotionalen Erleichterung für den Kläger geführt habe. Bis zur Abschlussuntersuchung seien diese positiven Veränderungen stabil geblieben, Intrusionen hätten nicht mehr vorgelegen. Während der Rehabilitationsmaßnahme nahm der Kläger im psychologischen Testzentrum D. und Partner an einer Begutachtung zur Feststellung seiner beruflichen Eignung teil. Im daraufhin erstatteten Gutachten wurde seine psychische Konstitution als stark emotional stabil und eher stark unter Stress belastbar mit eher stark ausgeprägtem Selbstbewusstsein beschrieben. In der Folgezeit bewilligte ihm die Beklagte eine zum 01.09.2003 aufgenommene (zwischenzeitlich erfolgreich abgeschlossene) Umschulung zum Industriekaufmann.
Der Chirurg Dr. E. beschrieb im ersten Rentengutachten als Unfallfolgen einen kompletten Funktionsverlust mit kompletter Asensibilität der linken Hand, eine Bewegungseinschränkung auch im linken Ellbogengelenk und eine verminderte Gebrauchs- und Belastungsfähigkeit der unteren Lendenwirbelsäule durch Narbenbildung nach Dekubital-Ulcus über dem linken Kreuzbeinanteil mit ischiasähnlichen Beschwerden bis zur Mitte des linken Oberschenkels. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 80 v. H.
Im von der Beklagten daraufhin beigezogenen, den Kläger betreffenden Vorerkrankungsverzeichnis der Innungskrankenkasse B. sind keine Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule aufgeführt.
Der anschließend mit der Erstattung eines unfallchirurgischen Gutachtens beauftragte Chefarzt der B. Unfallklinik T., Prof. Dr. K., diagnostizierte die bereits von Dr. E. mitgeteilten Verletzungsfolgen im Bereich der linken Hand sowie ein narbig abgeheiltes Dekubital-Ulcus im Bereich des linken Kreuzbeines. Unfallunabhängig bestünden im Bereich der Wirbelsäule Deckplatten-Unregelmäßigkeiten im Sinne eines abortiven Scheuermann, eine Spondylarthrose L 4/5 sowie L 5/S 1 und eine pseudoradikuläre Schmerzsymtomatik. Die MdE für den funktionellen Handverlust schätzte er auf 60 v. H., diejenige für kosmetische Veränderungen infolge der Narbenbildung nach Dekubital-Ulcus auf weniger als 10 v. H.
Mit Bescheid vom 04.05.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 60 v. H. ab 01.09.2003 bis auf Weiteres. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden ein kompletter Funktionsverlust der linken Hand nach Amputationsverletzung mit Replantationsversuch, eine komplette Asensibilität der gesamten linken Hand, eine Bewegungseinschränkung im linken Ellenbogengelenk und ein narbig abgeheiltes Dekubital-Ulcus im Bereich des linken Kreuzbeines anerkannt.
Den vom Kläger hiergegen erhobenen und mit Beschwerden am Kreuzbein begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2004 zurück.
Am 30.09.2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben und die Bewilligung von Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. begehrt. Zur Begründung hat er erneut auf bei ihm bestehende ischalgieforme Beschwerden am Kreuzbein verwiesen.
Dr. E. hat in seiner vom Sozialgericht eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage ausgeführt, einen Gesundheitsstörungen von mehr als sechsmonatiger Dauer liege derzeit beim Kläger eine Amputationsverletzung im Bereich der linken Hand mit gescheitertem Replantationsversuch vor. In ihrem auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten haben die Chirurgen Dr. Km. und Prof. Dr. H. unter Berücksichtigung eines radiologischen Fachgutachtens von Prof. Dr. Ar. als Unfallfolgen neben der funktionslosen und asensiblen linken Hand deutliche Narbenbildungen links gluteal nach Dekubital-Ulcus und myokutaner Schwenkkappenplastik angenommen. Die vom Kläger berichteten Beschwerden im linken Bein könnten der Narbenbildung nicht zugeordnet werden. Sie beruhten eher auf den unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule bzw. an den Bandscheiben. Die MdE bezüglich der linken Hand schätzten sie auf 60 v. H., diejenige für das narbig abgeheilte Dekubital-Ulcus auf unter 10 v. H. Bezüglich der Wirbelsäulenbeschwerden haben sie die Einholung eines neurologischen Zusatzgutachtens empfohlen. Das dem Gutachten beigefügte weitere fachchirurgische Gutachten von Dr. E. für die private Unfallversicherung des Klägers entspricht im wesentlichen dem von der Beklagten eingeholten ersten Rentengutachten. Der Neurologe und Psychiater Dr. Schm. hat sodann in dem ebenfalls auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG erstatteten Gutachten einen Zustand nach Reimplantation der linken Hand, eine chronisch posttraumatische Schmerzsymptomatik im linken Oberschenkel und Glutealbereich und eine anhaltende posttraumatische Belastungsstörung beschrieben. Im Bereich der ehemaligen Fistel liege eine Defektheilung vor. Der Muskelverschiebelappen sei narbig auf dem Sacrum fixiert und kaum verschieblich, das subkutane Fettgewebe sei ausgedünnt. Das Periost des Os Sacrum sei äußerst schmerzempfindlich. Dies führe zu dauerhaften Beschwerden insbesondere bei längerem Sitzen und bei Zugbelastung. Durch die Muskelverschiebelappenplastik sei außerdem eine Imbalance der Gesäßmuskulatur linksseitig eingetreten, die für die in den linken Oberschenkel und in den Rücken ausstrahlenden Schmerzen verantwortlich sei. Der Kläger wirke im Zusammenhang mit der Schmerzschilderung und den entsprechenden Beeinträchtigungen verstimmt und äußere immer wieder mangelnde Hoffnung. Er sehe sich durch die Schmerzattacken nicht leistungsfähig. Die Ausgeglichenheit sei beeinträchtigt, die Stimmung niedergeschlagen. Er leide unter mangelndem Antrieb, Konzentrationsschwäche und einer Aufmerksamkeitsbeeinträchtigung. Die MdE bezogen auf die linke Hand betrage 60 v. H., hinsichtlich des abgeheilten Dekubital Ulcus 10 v. H. und für die posttraumatische Belastungsstörung wenigstens 10 v. H. Die Schmerzsensation und die posttraumatische Belastungsstörung mache insgesamt 10 v. H. aus. Die MdE sei um 10 v. H. zu erhöhen.
Mit Urteil vom 09.11.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente nach einer MdE um 70 v.H. ab dem 01.09.2003 zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Beim Kläger liege neben der Funktionsbeeinträchtigung der linken Hand auch eine von der Beklagten bereits anerkannte Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Ellenbogengelenkes vor für die eine MdE von 10 v.H. angemessen sei. Zusätzlich sei die chronische Schmerzreaktion über dem Os Sacrum mit Ausstrahlung ebenfalls mit einer MdE um 10 v.H. zu berücksichtigen, so dass eine Gesamt-MdE um 70 v.H. für angemessen erachtet werde. Eine posttraumatische Belastungsstörung könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden. Eine konkrete Gesundheitsstörung stehe nicht fest. Eine posttraumatische Belastungsstörung trete in der Regel als akute Belastungsreaktion unmittelbar nach einer ungewöhnlichen Belastung auf und klinge gewöhnlich innerhalb kurzer Zeit wieder ab. Typisch seien anhaltende Erinnerungen oder das Wiedererleben der Belastung. Solche Indizien/Befunde beschreibe Dr. Schm. nicht. Auch zeitnah nach dem Unfall seien psychische Befunde nicht dokumentiert. Diese Entscheidung ist dem Kläger am 27.11.2006 zugestellt worden.
Am 22.12.2006 hat der Kläger Berufung eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Unter Berücksichtigung einer MdE um mindestens 60 % für die linke Hand und um jeweils 10 v. H. für die Bewegungseinschränkung im Ellenbogen, die chronische Schmerzreaktion über dem Os Sacrum sowie eine posttraumatische Belastungsstörung ergebe sich eine Gesamt-MdE um 80 v. H.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 09.11.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 05.06.2002 eine Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. ab dem 01.09.2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Gesamt-MdE des Klägers sei unter Berücksichtigung der chronischen Schmerzreaktion über dem Os Sacrum mit 70 v. H. zutreffend bewertet. Die festgestellte Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Ellenbogengelenkes gehe unter Betrachtung der Gesamtfunktion des betroffenen Körperapparates/Abschnitts vollständig in der aus dem Funktionsverlust der linken Hand resultierenden Teil-MdE um 60 v. H. auf. Eine posttraumatische Belastungsstörung lasse sich beim Kläger nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Ulm sowie die beigezogenen Unfallakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht das vom Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgte Klagebegehren abgewiesen. Denn er hat bezogen auf den Versicherungsfall vom 05.06.2002 keinen Anspruch auf Bewilligung von Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 70 v. H.
Wegen der rechtlichen Voraussetzungen der auf der Grundlage des § 56 Abs. 1, Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu treffenden Entscheidung sowie der bei der Beurteilung der unfallbedingten MdE anzuwendenden Maßstäbe verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
In Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst der unfallbedingte Funktionsverlust der linken Hand des Klägers mit einer MdE um 60 v. H. zu bewerten.
Zwar wurde die Hand des Klägers durch Replantation erhalten und liegt damit ein die Zuerkennung der genannten MdE ohne weiteres rechtfertigender (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Nr. 8.13.5, S. 759) Verlust derselben in tatsächlicher Hinsicht nicht vor. Indes ist der hier ärztlicherseits übereinstimmend festgestellte komplette Funktionsausfall einem gänzlichen Verlust der Hand bei der MdE-Bewertung gleichzustellen.
Begründet mithin (erst) der völlige funktionelle Verlust der Hand eine Teil-MdE um 60 v. H., so lässt sich allerdings eine Erhöhung der MdE nicht durch (nochmalige) Berücksichtigung von Teilaspekten des Ausfalls der Handfunktion, hier insbesondere der von Dr. E. im ersten Rentengutachten angeführten Asensibilität der Hand, rechtfertigen. Dem entsprechend haben auch Prof. Dr. K. im Verwaltungsverfahren sowie die Chirurgen Dr. Km. und Prof. Dr. H. und der Neurologe und Psychiater Dr. Schm. in den erstinstanzlich auf Antrag des Klägers erstatteten Gutachten die durch den Funktionsverlust der linken Hand insgesamt hervorgerufene MdE übereinstimmend mit 60 v. H. bewertet.
Nichts anderes gilt im Ergebnis mit Blick auf die Bewegungseinschränkung im linken Ellenbogengelenk. Zum einen wirkt sich die beim Kläger bestehende Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit angesichts des völligen Ausfalls sämtlicher Funktionen seiner Hand nicht in hier erheblichen Maße aus. Zum anderen ließ sich die darüber hinaus von Dr. E. im Verwaltungsverfahren beobachtete geringgradige Einschränkung der Beugefähigkeit um 20 Grad bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. Km. und Prof. Dr. H. im Verfahren vor dem Sozialgericht nicht bestätigen. Während nämlich Dr. E. eine Beugefähigkeit von 160 Grad rechts und 140 Grad links berichtet hatte, sind im auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten von Dr. Km. und Prof. Dr. H. rechts und links identische Messwerte 140 Grad aufgeführt.
Schließlich vermögen die von Dr. Schm. auf den Arbeitsunfall zurückgeführten Schmerzen auf Grund des Dekubital-Ulcus und dessen Folgen sowie die von ihm diagnostizierte und gleichfalls als unfallbedingt gewertete posttraumatische Belastungsstörung eine Erhöhung der Gesamt-MdE auf mehr als 70 v. H. nicht zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine posttraumatische Belastungsstörung des Klägers tatsächlich vorliegt und - was angesichts des Umstandes, dass eine solche im Rahmen der zweimaligen Untersuchung durch Dr. Schm. im November 2002 nicht festgestellt wurde und die psychische Konstitution des Klägers im vom psychologischen Testzentrum D. und Partner noch im März 2003 erstatteten Gutachten als stark emotional stabil und eher stark unter Stress belastbar mit eher stark ausgeprägtem Selbstbewusstsein beschrieben fraglich erscheint - durch den Arbeitsunfall verursacht wurde. Denn eine Erhöhung der Teil-MdE um 60 v. H. für den Handverlust um mehr als 10 v. H. ergibt sich auch aus dem Gutachten von Dr. Schm. nicht. Vielmehr hat dieser die MdE für die Schmerzsensation und die posttraumatische Belastungsstörung auf insgesamt 10 v. H. geschätzt und eine Erhöhung der MdE um (lediglich) 10 v. H. vorgeschlagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt höhere Verletztenrente.
Dem im Jahre1961 geborenen Kläger wurde am 05.06.2002 im Rahmen seiner Beschäftigung als Molkereiarbeiter für die Firma Z. GmbH & Co. KG durch eine Förderschnecke die linke Hand im Bereich der Handwurzelknochen abgetrennt. Noch am Unfalltage erfolgte eine chirurgische Replantation der Hand, ohne dass sich deren Gebrauchsfähigkeit wieder herstellen ließ. Bei der anschließenden intensivmedizinischen Versorgung erlitt der Kläger u. a. ein Kreislauf- und respiratorisches Versagen. Darüber hinaus bildete sich ein Dekubital-Ulcus im Bereich der linken Kreuzbeinseite aus, das mehrmals operiert werden musste.
Im Verlaufe der anschließenden ambulanten Behandlung durch den Chirurgen Dr. E. wurde der Kläger im November 2002 zweimal vom Neurologen und Psychiater Dr. Schm. untersucht. Dieser beschrieb den Kläger von der psychiatrischen Seite als voll orientiert, bewusstseinsklar und mit situationsadäquatem Verhalten, ohne Hinweis auf ein akutes hirnorganisches Psychosyndrom oder Aggravation der Beschwerden.
Von Ende Februar bis April 2003 befand sich der Kläger zur stationären Handrehabilitation in der Rehabilitationsklinik W. Im Zwischenbericht vom 15.04.2003 wurden als Unfalldiagnosen eine traumatische Handamputation links im Mediocarpalgelenk, einen Glutealabszess links und eine posttraumatische Belastungsstörung aufgeführt. Der Kläger habe erhebliche Probleme bei der Unfallbewältigung. Es bestünden typische Zeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit intrusiven Erinnerungen, Flashbaks, einhergehend mit hohem Arousal. In sieben psychotherapeutischen Einzelgesprächen habe die posttraumatische Belastungsstörung effektiv behandelt werden können. Die emotionale Belastung durch den Unfall habe massiv reduziert werden können, was zu einer ausgeprägten emotionalen Erleichterung für den Kläger geführt habe. Bis zur Abschlussuntersuchung seien diese positiven Veränderungen stabil geblieben, Intrusionen hätten nicht mehr vorgelegen. Während der Rehabilitationsmaßnahme nahm der Kläger im psychologischen Testzentrum D. und Partner an einer Begutachtung zur Feststellung seiner beruflichen Eignung teil. Im daraufhin erstatteten Gutachten wurde seine psychische Konstitution als stark emotional stabil und eher stark unter Stress belastbar mit eher stark ausgeprägtem Selbstbewusstsein beschrieben. In der Folgezeit bewilligte ihm die Beklagte eine zum 01.09.2003 aufgenommene (zwischenzeitlich erfolgreich abgeschlossene) Umschulung zum Industriekaufmann.
Der Chirurg Dr. E. beschrieb im ersten Rentengutachten als Unfallfolgen einen kompletten Funktionsverlust mit kompletter Asensibilität der linken Hand, eine Bewegungseinschränkung auch im linken Ellbogengelenk und eine verminderte Gebrauchs- und Belastungsfähigkeit der unteren Lendenwirbelsäule durch Narbenbildung nach Dekubital-Ulcus über dem linken Kreuzbeinanteil mit ischiasähnlichen Beschwerden bis zur Mitte des linken Oberschenkels. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 80 v. H.
Im von der Beklagten daraufhin beigezogenen, den Kläger betreffenden Vorerkrankungsverzeichnis der Innungskrankenkasse B. sind keine Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule aufgeführt.
Der anschließend mit der Erstattung eines unfallchirurgischen Gutachtens beauftragte Chefarzt der B. Unfallklinik T., Prof. Dr. K., diagnostizierte die bereits von Dr. E. mitgeteilten Verletzungsfolgen im Bereich der linken Hand sowie ein narbig abgeheiltes Dekubital-Ulcus im Bereich des linken Kreuzbeines. Unfallunabhängig bestünden im Bereich der Wirbelsäule Deckplatten-Unregelmäßigkeiten im Sinne eines abortiven Scheuermann, eine Spondylarthrose L 4/5 sowie L 5/S 1 und eine pseudoradikuläre Schmerzsymtomatik. Die MdE für den funktionellen Handverlust schätzte er auf 60 v. H., diejenige für kosmetische Veränderungen infolge der Narbenbildung nach Dekubital-Ulcus auf weniger als 10 v. H.
Mit Bescheid vom 04.05.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 60 v. H. ab 01.09.2003 bis auf Weiteres. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden ein kompletter Funktionsverlust der linken Hand nach Amputationsverletzung mit Replantationsversuch, eine komplette Asensibilität der gesamten linken Hand, eine Bewegungseinschränkung im linken Ellenbogengelenk und ein narbig abgeheiltes Dekubital-Ulcus im Bereich des linken Kreuzbeines anerkannt.
Den vom Kläger hiergegen erhobenen und mit Beschwerden am Kreuzbein begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2004 zurück.
Am 30.09.2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben und die Bewilligung von Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. begehrt. Zur Begründung hat er erneut auf bei ihm bestehende ischalgieforme Beschwerden am Kreuzbein verwiesen.
Dr. E. hat in seiner vom Sozialgericht eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage ausgeführt, einen Gesundheitsstörungen von mehr als sechsmonatiger Dauer liege derzeit beim Kläger eine Amputationsverletzung im Bereich der linken Hand mit gescheitertem Replantationsversuch vor. In ihrem auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten haben die Chirurgen Dr. Km. und Prof. Dr. H. unter Berücksichtigung eines radiologischen Fachgutachtens von Prof. Dr. Ar. als Unfallfolgen neben der funktionslosen und asensiblen linken Hand deutliche Narbenbildungen links gluteal nach Dekubital-Ulcus und myokutaner Schwenkkappenplastik angenommen. Die vom Kläger berichteten Beschwerden im linken Bein könnten der Narbenbildung nicht zugeordnet werden. Sie beruhten eher auf den unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule bzw. an den Bandscheiben. Die MdE bezüglich der linken Hand schätzten sie auf 60 v. H., diejenige für das narbig abgeheilte Dekubital-Ulcus auf unter 10 v. H. Bezüglich der Wirbelsäulenbeschwerden haben sie die Einholung eines neurologischen Zusatzgutachtens empfohlen. Das dem Gutachten beigefügte weitere fachchirurgische Gutachten von Dr. E. für die private Unfallversicherung des Klägers entspricht im wesentlichen dem von der Beklagten eingeholten ersten Rentengutachten. Der Neurologe und Psychiater Dr. Schm. hat sodann in dem ebenfalls auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG erstatteten Gutachten einen Zustand nach Reimplantation der linken Hand, eine chronisch posttraumatische Schmerzsymptomatik im linken Oberschenkel und Glutealbereich und eine anhaltende posttraumatische Belastungsstörung beschrieben. Im Bereich der ehemaligen Fistel liege eine Defektheilung vor. Der Muskelverschiebelappen sei narbig auf dem Sacrum fixiert und kaum verschieblich, das subkutane Fettgewebe sei ausgedünnt. Das Periost des Os Sacrum sei äußerst schmerzempfindlich. Dies führe zu dauerhaften Beschwerden insbesondere bei längerem Sitzen und bei Zugbelastung. Durch die Muskelverschiebelappenplastik sei außerdem eine Imbalance der Gesäßmuskulatur linksseitig eingetreten, die für die in den linken Oberschenkel und in den Rücken ausstrahlenden Schmerzen verantwortlich sei. Der Kläger wirke im Zusammenhang mit der Schmerzschilderung und den entsprechenden Beeinträchtigungen verstimmt und äußere immer wieder mangelnde Hoffnung. Er sehe sich durch die Schmerzattacken nicht leistungsfähig. Die Ausgeglichenheit sei beeinträchtigt, die Stimmung niedergeschlagen. Er leide unter mangelndem Antrieb, Konzentrationsschwäche und einer Aufmerksamkeitsbeeinträchtigung. Die MdE bezogen auf die linke Hand betrage 60 v. H., hinsichtlich des abgeheilten Dekubital Ulcus 10 v. H. und für die posttraumatische Belastungsstörung wenigstens 10 v. H. Die Schmerzsensation und die posttraumatische Belastungsstörung mache insgesamt 10 v. H. aus. Die MdE sei um 10 v. H. zu erhöhen.
Mit Urteil vom 09.11.2006 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente nach einer MdE um 70 v.H. ab dem 01.09.2003 zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Beim Kläger liege neben der Funktionsbeeinträchtigung der linken Hand auch eine von der Beklagten bereits anerkannte Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Ellenbogengelenkes vor für die eine MdE von 10 v.H. angemessen sei. Zusätzlich sei die chronische Schmerzreaktion über dem Os Sacrum mit Ausstrahlung ebenfalls mit einer MdE um 10 v.H. zu berücksichtigen, so dass eine Gesamt-MdE um 70 v.H. für angemessen erachtet werde. Eine posttraumatische Belastungsstörung könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden. Eine konkrete Gesundheitsstörung stehe nicht fest. Eine posttraumatische Belastungsstörung trete in der Regel als akute Belastungsreaktion unmittelbar nach einer ungewöhnlichen Belastung auf und klinge gewöhnlich innerhalb kurzer Zeit wieder ab. Typisch seien anhaltende Erinnerungen oder das Wiedererleben der Belastung. Solche Indizien/Befunde beschreibe Dr. Schm. nicht. Auch zeitnah nach dem Unfall seien psychische Befunde nicht dokumentiert. Diese Entscheidung ist dem Kläger am 27.11.2006 zugestellt worden.
Am 22.12.2006 hat der Kläger Berufung eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Unter Berücksichtigung einer MdE um mindestens 60 % für die linke Hand und um jeweils 10 v. H. für die Bewegungseinschränkung im Ellenbogen, die chronische Schmerzreaktion über dem Os Sacrum sowie eine posttraumatische Belastungsstörung ergebe sich eine Gesamt-MdE um 80 v. H.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 09.11.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 05.06.2002 eine Verletztenrente nach einer MdE um 80 v. H. ab dem 01.09.2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Gesamt-MdE des Klägers sei unter Berücksichtigung der chronischen Schmerzreaktion über dem Os Sacrum mit 70 v. H. zutreffend bewertet. Die festgestellte Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Ellenbogengelenkes gehe unter Betrachtung der Gesamtfunktion des betroffenen Körperapparates/Abschnitts vollständig in der aus dem Funktionsverlust der linken Hand resultierenden Teil-MdE um 60 v. H. auf. Eine posttraumatische Belastungsstörung lasse sich beim Kläger nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Ulm sowie die beigezogenen Unfallakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht das vom Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgte Klagebegehren abgewiesen. Denn er hat bezogen auf den Versicherungsfall vom 05.06.2002 keinen Anspruch auf Bewilligung von Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 70 v. H.
Wegen der rechtlichen Voraussetzungen der auf der Grundlage des § 56 Abs. 1, Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu treffenden Entscheidung sowie der bei der Beurteilung der unfallbedingten MdE anzuwendenden Maßstäbe verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
In Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst der unfallbedingte Funktionsverlust der linken Hand des Klägers mit einer MdE um 60 v. H. zu bewerten.
Zwar wurde die Hand des Klägers durch Replantation erhalten und liegt damit ein die Zuerkennung der genannten MdE ohne weiteres rechtfertigender (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Nr. 8.13.5, S. 759) Verlust derselben in tatsächlicher Hinsicht nicht vor. Indes ist der hier ärztlicherseits übereinstimmend festgestellte komplette Funktionsausfall einem gänzlichen Verlust der Hand bei der MdE-Bewertung gleichzustellen.
Begründet mithin (erst) der völlige funktionelle Verlust der Hand eine Teil-MdE um 60 v. H., so lässt sich allerdings eine Erhöhung der MdE nicht durch (nochmalige) Berücksichtigung von Teilaspekten des Ausfalls der Handfunktion, hier insbesondere der von Dr. E. im ersten Rentengutachten angeführten Asensibilität der Hand, rechtfertigen. Dem entsprechend haben auch Prof. Dr. K. im Verwaltungsverfahren sowie die Chirurgen Dr. Km. und Prof. Dr. H. und der Neurologe und Psychiater Dr. Schm. in den erstinstanzlich auf Antrag des Klägers erstatteten Gutachten die durch den Funktionsverlust der linken Hand insgesamt hervorgerufene MdE übereinstimmend mit 60 v. H. bewertet.
Nichts anderes gilt im Ergebnis mit Blick auf die Bewegungseinschränkung im linken Ellenbogengelenk. Zum einen wirkt sich die beim Kläger bestehende Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit angesichts des völligen Ausfalls sämtlicher Funktionen seiner Hand nicht in hier erheblichen Maße aus. Zum anderen ließ sich die darüber hinaus von Dr. E. im Verwaltungsverfahren beobachtete geringgradige Einschränkung der Beugefähigkeit um 20 Grad bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. Km. und Prof. Dr. H. im Verfahren vor dem Sozialgericht nicht bestätigen. Während nämlich Dr. E. eine Beugefähigkeit von 160 Grad rechts und 140 Grad links berichtet hatte, sind im auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten von Dr. Km. und Prof. Dr. H. rechts und links identische Messwerte 140 Grad aufgeführt.
Schließlich vermögen die von Dr. Schm. auf den Arbeitsunfall zurückgeführten Schmerzen auf Grund des Dekubital-Ulcus und dessen Folgen sowie die von ihm diagnostizierte und gleichfalls als unfallbedingt gewertete posttraumatische Belastungsstörung eine Erhöhung der Gesamt-MdE auf mehr als 70 v. H. nicht zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine posttraumatische Belastungsstörung des Klägers tatsächlich vorliegt und - was angesichts des Umstandes, dass eine solche im Rahmen der zweimaligen Untersuchung durch Dr. Schm. im November 2002 nicht festgestellt wurde und die psychische Konstitution des Klägers im vom psychologischen Testzentrum D. und Partner noch im März 2003 erstatteten Gutachten als stark emotional stabil und eher stark unter Stress belastbar mit eher stark ausgeprägtem Selbstbewusstsein beschrieben fraglich erscheint - durch den Arbeitsunfall verursacht wurde. Denn eine Erhöhung der Teil-MdE um 60 v. H. für den Handverlust um mehr als 10 v. H. ergibt sich auch aus dem Gutachten von Dr. Schm. nicht. Vielmehr hat dieser die MdE für die Schmerzsensation und die posttraumatische Belastungsstörung auf insgesamt 10 v. H. geschätzt und eine Erhöhung der MdE um (lediglich) 10 v. H. vorgeschlagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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