L 6 SB 92/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 4288/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 92/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger seit 19. Juli 2004 zutreffend mit 50 festgestellt wurde und ob die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" seither erfüllt sind.

Auf den Erstantrag des Klägers, geboren 1946, stellte das frühere Versorgungsamt Karlsruhe (VA) den GdB ab 2. Oktober 2000 mit 20 fest (Bescheid vom 20. Oktober 2000). Dieser Bewertung lagen die nachfolgenden Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und des linken Ellenbogens Teil-GdB 20 Chronische Magenschleimhautentzündung Teil-GdB 10.

Der gegen diesen Bescheid ohne Begründung eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2001 zurückgewiesen. Die dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage (S 3 SB 392/01) wurde mit Gerichtsbescheid vom 18. März 2002 abgewiesen, die hiergegen zum Landessozialgericht eingelegte Berufung (L 11 SB 1279/02) mit Urteil vom 28. Januar 2003 zurückgewiesen.

Am 19. Juli 2004 beantragte der Kläger wegen Verschlimmerung seiner "Bandscheibenschäden" und wegen einer zwischenzeitlich erfolgten Halswirbelsäulen(HWS)-Operation im Bereich der Wirbelkörper C5/6 und C6/7 die Erhöhung des GdB sowie darüber hinaus die Feststellung gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen. Das VA zog den Entlassungsbericht der Klinik F. in Bad H. vom 9. Juli 2004 bei, wo der Kläger im Rahmen einer stationären Maßnahme zur Rehabilitation (Reha) vom 8. bis 29. Juni 2004 behandelt worden war. Es veranlasste sodann die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 23. Oktober 2004, der die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und des linken Ellenbogens, einen operierten Bandscheibenvorfall und eine Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten mit einem Teil-GdB von 50 bewertete und unter Berücksichtigung der chronischen Magenschleimhautentzündung (Teil-GdB 10) einen Gesamt-GdB von 50 vorschlug. Die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" sah er nicht als erfüllt an. Mit Bescheid vom 3. November 2004 stellte das VA den GdB gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ab 19. Juli 2004 gestützt auf diese Beurteilung dann mit 50 fest und lehnte gleichzeitig die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für das Merkzeichen "G" ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, ohne diesen zu begründen. Zum Widerspruch des Klägers führte der Facharzt für innere Medizin Dr. F. in seinem an das VA gerichteten Schreiben vom 3. Dezember 2004 aus, der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, er habe in den letzten Monaten lediglich 300 bis 500 m am Stück laufen können und habe dann schmerzbedingt stehen bleiben müssen. Die Symptomatik betreffe die Lumbalregion und den Schulter-Nackengürtel. Bei der körperlichen Untersuchung sei aufgefallen, dass ein Vornüberneigen nicht möglich gewesen sei. Schmerzbedingt sei zudem keinerlei Flexion möglich gewesen. In den Alltagstätigkeiten sei der Kläger seinen Angaben zufolge massiv eingeschränkt und könne beispielsweise seine Schuhe nicht binden. Dr. F. fügte seinem Schreiben den Arztbrief des Orthopäden Dr. H. vom 23. Juli 2004 sowie den Befund der am 28. Juli 2004 durchgeführten Computertomographie (CT) der Lendenwirbelsäule (LWS) des Radiologen Dr. M. bei, nach dem weder ein Bandscheibenvorfall noch eine Spinalkanal- oder Foramenstenose objektiviert werden konnte. Das zwischenzeitlich zuständig gewordene Landratsamt Rastatt (LRA) veranlasste eine nochmalige versorgungsärztliche Stellungnahme, nach der die vorgelegten Unterlagen, insbesondere das CT der LWS keinen Befund erkennen ließen, der dauerhaft eine erhebliche Behinderung der Gehfähigkeit verursache. Die beschriebene Bandscheibenprotrusion habe keine kompressive Wirkung und eine Spinalkanalstenose liege nicht vor. Der zuletzt festgestellte Teil-GdB von 50 für die Wirbelsäule sei nicht nachvollziehbar, zumal zwei Jahre zuvor ein Klageverfahren durchgeführt worden sei, durch das ein GdB von 20 bestätigt worden sei. Das LRA holte den Befundbericht des Dr. H. (ohne Datum) ein, der in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12. Juli 2005 dahingehend ausgewertet wurde, dass die Funktionsbeeinträchtigungen beim Kläger wie folgt zu bewerten seien:

Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten, operierter Bandscheibenschaden Teil-GdB 30 Funktionsbehinderung des linken Ellenbogengelenks Teil-GdB 10 Chronische Magenschleimhautentzündung Teil-GdB 10.

Nach Anhörung des Klägers, der sich allerdings nicht äußerte, hob das LRA mit Bescheid vom 2. September 2005 den Bescheid vom 3. November 2004 gemäß § 45 SGB X mit Wirkung für die Zukunft auf und stellte den GdB ab 8. September 2005 lediglich noch mit 30 fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2005 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. November 2004 in der Fassung des Rücknahmebescheids vom 2. September 2005 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 26. Oktober 2005 beim SG Klage und machte geltend, der GdB sei mit Bescheid vom 3. November 2004 zutreffend mit 50 festgestellt worden, weshalb die spätere Herabsetzung rechtswidrig sei. Er verwies auf das in dem Rentenrechtsstreit S 15 R 4868/04 vom SG eingeholte orthopädische Gutachten des Dr. M., in dem ein HWS-Syndrom nach operativer Versteifung der Wirbel C5/6 und C6/7 nach Ausräumung von Bandscheibenvorfällen (derzeit ohne neurologische Ausfälle der Arme), Funktionsstörungen der LWS ohne Hinweis auf Wurzelreizbefunde und das altersübliche Maß übersteigende Degenerationszeichen, ein Brustwirbelsäulen(BWS)-Syndrom bei segmentaler reversibler Funktionsstörung D7/8 sowie eine Sehnenansatzreizung am großen Rollhügel links ohne Funktionsstörung der Hüftgelenke diagnostiziert worden seien. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" seien erfüllt, da er ohne Stock nicht gehen könne und bereits nach kurzer Wegstrecke eine längere Pause einlegen müsse. Insoweit verwies er auf den Arztbrief des Dr. F. vom 3. Dezember 2004. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Er legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 11. August 2006 vor. Das SG zog neben den Akten des Verfahrens S 3 SB 392/01 die Akten des erwähnten Rentenverfahrens bei und nahm Mehrfertigungen der dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge des Dr. F. vom 1. August 2005 sowie des orthopädischen Gutachtens des Dr. M. vom 18. Oktober 2005 zur Akte. Mit Gerichtsbescheid vom 24. November 2006 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, in den Verhältnissen, wie sie dem Bescheid vom 16. Januar 2001 zugrunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung dahingehend eingetreten, als der GdB ab dem Zeitpunkt des Verschlimmerungsantrags mit 30 festzustellen gewesen wäre, nicht jedoch mit 50. Vor diesem Hintergrund sei der Bescheid vom 3. November 2004 mit Bescheid vom 2. September 2005 zu Recht aufgehoben und der GdB ab 8. September 2005 mit 30 festgestellt worden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 4. Dezember 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 4. Januar 2007 beim LSG Berufung eingelegt und die ärztliche Bescheinigung des Dr. F. vom 24. November 2007 vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. November 2006 sowie den Bescheid vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 3. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2005 zu verurteilen, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" ab 19. Juli 2004 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Neue Gesichtspunkte seien der vorgelegten Bescheinigung des Dr. F. nicht zu entnehmen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten der Verfahren S 3 SB 392/01 und L 11 SB 1279/02 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Beklagte hat es mit Bescheid vom 3. November 2004 zu Recht abgelehnt, beim Kläger die gesundheitlichen Merkmale für den Nachteilsausgleich "G" festzustellen. Im Hinblick auf die mit diesem Bescheid vorgenommene Festsetzung des GdB mit 50, ist im Übrigen nicht zu beanstanden, dass diese Entscheidung durch Bescheid vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2005 mit Wirkung für die Zukunft wiederum zurückgenommen und der GdB lediglich noch mit 30 festgesetzt wurde. Denn die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers, insbesondere dessen Wirbelsäulenbeschwerden rechtfertigen seit 19. Juli 2004 weder die Bewertung mit einem GdB von 50 noch die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Insoweit kommt allenfalls ein GdB von 30 in Betracht, wie er mit dem angefochtenen Bescheid für die Zeit ab 8. September 2005 festgestellt wurde.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger angefochtenen Bescheid vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2005 ist § 45 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Abs. 2 Satz 1 und 2 der Regelung darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden.

Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Regelung hat der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht bejaht und dementsprechend den GdB mit Wirkung für die Zukunft, d.h. ab 8. September 2005 lediglich noch mit dem zutreffenden GdB von 30 bewertet. Denn soweit der GdB beim Kläger mit Bescheid vom 3. November 2004 mit 50 festgestellt wurde, war diese Entscheidung rechtswidrig und im Rahmen des § 45 SGB X aufhebbar.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger mit seinem Antrag vom 19. Juli 2004 geltend gemachte Neufeststellung war § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinne ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er bei der letzten bindenden Feststellung einerseits und im Zeitpunkt der begehrten Neufeststellung andererseits vorgelegen hat.

Demnach ist vorliegend zu prüfen, ob im Gesundheitszustand des Klägers, wie er dem Bescheid vom 20. Oktober 2000 bzw. dem Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2001 zugrunde gelegen hat, eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten war, die es gerechtfertigt hat, anstelle des zuvor festgestellten GdB von 20 einen solchen von 50 festzustellen, wie dies mit Bescheid vom 3. November 2004 für den Zeitraum ab 19. Juli 2004 verfügt worden war.

Nach Überzeugung des Senats rechtfertigte die beim Kläger eingetretene Verschlimmerung nicht die Bewertung mit einem GdB von 50. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Beklagten an, wonach sich die Beeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule als Folge der Versteifungsoperation im Bereich der Halswirbelkörper C5/6 und C6/7 im Vergleich zu dem Zustand, wie er noch im Zeitpunkt der letzten maßgeblichen Entscheidung am 16. Januar 2001 vorgelegen hat, zwar verschlechtert haben, jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, dass der entsprechende Zustand im November 2004 die Bewertung mit einem GdB von 50 gerechtfertigt hätte. Nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2008 (AHP), die vom Senat im Interesse der Gleichbehandlung der Behinderten zur Beurteilung des GdB in ständiger Rechtsprechung herangezogen werden, kommt bei Wirbelsäulenschäden eine Bewertung mit einem GdB von 50 erst dann in Betracht, wenn diese mit besonders schweren Auswirkungen verbunden sind, wie dies beispielsweise bei der Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, bei anhaltender Ruhigstellung durch eine Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst oder bei einer schweren Skoliose ab ca. 70° nach Cobb der Fall ist. Dafür, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung im November 2004 derart beeinträchtigt war, liegen keine Anhaltspunkte vor. Entsprechendes lässt sich insbesondere auch nicht dem Entlassungsbericht der Klinik F. vom 9. Juli 2004 entnehmen, wo der Kläger im Anschluss an die operative Behandlung vom 17. Mai 2004 im Juni 2004 stationär behandelt worden war. So wurde darin bereits zum Entlassungszeitpunkt eine aktive HWS-Beweglichkeit für die Rotation links/rechts von 20/0/30 , die Flexion von 20 sowie die Schulterabduktion links bis 90 dokumentiert. Wie dem aus dem Rentenverfahren beigezogenen Gutachten des Dr. M. zu entnehmen ist, zeigte sich zu dessen Untersuchungszeitpunkt am 17. Oktober 2005 dann im Bereich der HWS lediglich noch eine mäßiggradige Funktionsstörung ohne Nervenwurzelkompressionserscheinungen, sodass davon ausgegangen werden kann, dass sich der in der Klinik F. bei Entlassung erhobene Befund in der Folgezeit zunehmend verbessert hat. Damit kann aber für den Zeitpunkt November 2004 nicht von einem mit besonders schweren Auswirkungen einhergehenden und einen GdB von 50 rechtfertigenden Zustand ausgegangen werden. Vor dem Hintergrund des weiteren Umstandes, dass zum damaligen Zeitpunkt, insbesondere durch die am 28. Juli 2004 durchgeführte CT der LWS auch im Bereich von L3/4, L4/5 und L5/S1 lediglich unauffällige Befunde ohne Nachweis von Bandscheibenvorfällen oder Wirbelkanalstenosen objektiviert wurden, lässt sich der mit Bescheid vom 3. November 2004 festgestellte GdB von 50 auch nicht unter Berücksichtigung von Wirbelsäulenschäden im Bereich der LWS rechtfertigen. Im Hinblick auf die dargelegte Befundsituation ist demgegenüber nicht zu beanstanden, dass der Beklagte für den Bereich der Wirbelsäule lediglich eine Bewertung mit einem GdB von 30 für angemessen erachtet hat, wie dies nach den AHP bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgeschlagen wird.

Da der Bescheid vom 3. September 2004, soweit damit der GdB mit 50 festgestellt worden war, somit rechtswidrig war, ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diesen mit Bescheid vom 2. September 2005 mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen und den GdB ab 8. September 2005 lediglich noch mit 30 festgesetzt hat. Denn zum Rücknahmezeitpunkt war darüber hinaus weder die Rücknahmefrist abgelaufen, noch lässt die von dem Beklagten durchgeführte Ermessensprüfung einen rechtlichen Fehler erkennen. Das SG hat die Klage insoweit daher zu Recht abgewiesen.

Soweit der Kläger die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 3. November 2004 damit begründet, dass der Beklagte die Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" zu Unrecht verneint habe, vermag der Senat der Rechtsauffassung des Klägers ebenfalls nicht zu folgen. Denn es ist weder festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung die entsprechenden Voraussetzungen vorgelegen haben, noch dass diese zwischenzeitlich vorliegen und nunmehr die Zuerkennung dieses Nachteilsausgleichs gerechtfertigt wäre.

Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.

Auch bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den AHP niedergelegt sind.

Als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, gelten solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2). Nach den AHP kann eine derartige Einschränkung des Gehvermögens angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (AHP, 30 Abs. 3 Satz 1, S. 137). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (AHP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 137). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AHP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 137, 138 i. V. m. AHP 26.9, S. 71) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AHP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AHP 26.8, S. 68) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (AHP, 30 Abs. 3 Satz 4, S. 138 i. V. m. AHP 26.8, S. 89).

Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind nach den AHP bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr - Beendigung der Gehörlosenschule) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (AHP, 30 Abs. 5 Satz 1 und 2, S. 138).

Bei geistig Behinderten sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn sich die Behinderten im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (AHP, 30 Abs. 5 Satz 3 bis 5, S. 138).

Unter Berücksichtigung dessen hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs "G". Denn beim Kläger sind weder Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen oder der LWS festzustellen, die für sich betrachtet einen GdB von wenigstens 50 bedingen, noch sonstige Beeinträchtigungen der oben dargelegten Art. Dies ergibt sich für den Zeitpunkt der Bescheiderteilung im November 2004 aus den obigen Darlegungen, wonach computertomographisch im Bereich der LWS keine die Gehfähigkeit beeinträchtigende Befunde erhoben wurden. Auch dem Gutachten des Dr. M. vom 18. Oktober 2005 lassen sich keine Hinweise auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit entnehmen. Entsprechendes gilt auch für die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Dr. F. vom 24. November 2007. Darin wird - wie zuvor schon in dem Arztbrief des Dr. F. vom 3. Dezember 2004 - zwar ausgeführt, dass der Kläger seinen Angaben zufolge lediglich 300 bis 500 m am Stück langsam laufen könne und schmerzbedingt dann stehen bleiben müsse. Er subjektive Schilderung des Klägers rechtfertigt vor dem Hintergrund der bereits dargelegten Befundsituation jedoch nicht die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Gehfähigkeit. Denn die insoweit beschriebene Problematik, die nach den weiteren Ausführungen des Dr. F. bereits seit mindestens 2000 bestehe, vermochte bereits Dr. M. in seinem Gutachten vom Oktober 2005 nicht nachzuvollziehen. Darin führte er aus, dass sich die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden, die im linken Bein nach einer gewissen Gehstrecke aufträten, aus orthopädischer Sicht seitens der LWS nicht erklären ließen. Er erwog zwar ein sogenanntes intermittierendes wirbelsäulenbedingtes Hinken im Sinne der claudicatio intermittens spinalis, vermochte einen hierzu passenden Befund jedoch weder anamnestisch zu erheben, noch waren computertomographisch Hinweise auf eine Einengung des lumbalen Spinalkanals zu objektivieren. Dr. M. erwog vor diesen Hintergrund und der festgestellten Abschwächung des Fußrückenpulses bei bekanntem Nikotinabusus zwar eine arterielle Verschlusskrankeit des linken Beines, eine derartige Erkrankung wurde - wie der Bescheinigung des Dr. F. vom 24. November 2007 zu entnehmen ist - nach dem ihm vorliegenden Arztbrief des Kardiologen Dr. L. vom 13. Juli 2007 jedoch zwischenzeitlich ausgeschlossen.

Da nach alledem auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" zu Recht verneint wurde, ist der Bescheid vom 3. November 2004 insoweit nicht zu beanstanden.

Da die Berufung nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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