L 6 U 1114/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1114/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Anhörungsrüge des Antragsstellers wird das Beschwerdeverfahren L 6 U 5379/07 ER-B fortgesetzt.

Der Beschluss vom 21.02.2008 wird aufrecht erhalten.

Gründe:

I.

Im Beschwerdeverfahren L 6 U 5379/07 ER-B gab der Senat dem Antragsteller (Ast.) mit Schreiben vom 09.01.2008 einen rechtlichen Hinweis und forderte ihn auf, die Fragen zu beantworten, wie lange er Verletztengeld erhalten und wovon er seither seinen Lebensunterhalt bestritten habe, welche Vermögenswerte er besitze und warum er im Klageverfahren und im ER-Verfahren keine Prozesskostenhilfe beantragt habe. Außerdem wurde der Ast. aufgefordert, den ablehnenden Bescheid des Jobcenters betreffend ALG II sowie Nachweise über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seiner Ehefrau vorzulegen. Da der Ast. darauf nicht reagierte, forderte ihn der Senat mit Schreiben vom 05.02.2008 auf, die Anfrage vom 09.01.2008 binnen zwei Wochen zu beantworten, um die Einschätzung zu vermeiden, dass kein Anordnungsgrund für den Erlass einer allein möglichen einstweiligen Anordnung vorliege. Das dem Schreiben vom 05.02.2008 beigefügte Empfangsbekenntnis schickte der Prozessbevollmächtigte des Ast. zunächst nicht zurück.

Mit Beschluss vom 21.02.2008, der am 22.02.2008 zur Post gegeben wurde, hob der Senat auf die Beschwerde der Antragsgegnerin (Ag.) den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 02.10.2007 auf und lehnte den Antrag des Ast. auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage sowie seinen Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.

Am 25.02.2008 ging mit Fernkopie der Schriftsatz des Ast. vom selben Tag ein, mit welchem dieser auf seiner Rechtsauffassung beharrte, der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei das richtige Rechtsmittel. Auf die Fragen des Senats gab er an, er habe bis zum 13.06.2007 Verletztengeld bezogen. Anschließend habe er sich von Bekannten Geld geliehen, seine Konten überzogen und damit Schulden gemacht. Die Geldverleiher wünschten unbekannt zu bleiben, da es in seiner Landsmannschaft üblich sei, sich zu helfen, ohne dass dies bekannt werde. Seit 03.12.2007 bezögen er und seine Ehefrau ALG II. Vermögenswerte besitze er keine, da sich seine Eigentumswohnung in der Zwangsversteigerung befinde. Prozesskostenhilfe habe er nicht beantragt, weil er Rechtsschutz durch seine Rechtsschutzversicherung erhalte. Beigefügt war unter anderem das am 11.02.2008 unterzeichnete Empfangsbekenntnis bezüglich des Schreibens vom 05.02.2008.

Am 05.03.2008 hat der Ast. gegen den Beschluss vom 21.02.2008 Anhörungsrüge erhoben. Er trägt vor, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei in erheblichem Maße verletzt worden, weil er habe davon ausgehen dürfen, dass die gesetzte Frist erst mit der Zustellung am 11.02.2008 zu laufen beginnen werde. Danach wäre die Frist am 25.02.2008 abgelaufen. Genau an diesem Datum habe er jedoch seine Stellungnahme an das Gericht gefaxt. Im angegriffenen Beschluss vom 21.02.2008 hätten seine Argumente aus dem Schriftsatz vom 25.02.2008 nicht berücksichtigt werden können. Zwar sei es richtig, dass das Empfangsbekenntnis am 21.02.2008 noch nicht bei Gericht vorgelegen habe, jedoch hätte ein Anruf bei seinem Prozessbevollmächtigten hier sofort Aufklärung gebracht.

Die Ag. hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

II.

Die nach § 178 a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Anhörungsrüge ist zulässig, insbesondere innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben. Sie ist auch begründet. Durch die Vorlage des am 11.02.2008 unterzeichneten Empfangsbekenntnisses hat der Prozessbevollmächtigte des Ast. dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 178 Abs. 1 Nr. 2 SGG vorliegen. Er konnte nämlich davon ausgehen, dass die ihm gesetzte Zweiwochenfrist erst am 25.02.2008 ablaufen werde. Gemäß § 178 a Abs. 5 SGG hat der Senat deshalb der Rüge abgeholfen, indem er das Verfahren in der Lage fortgeführt hat, in der es sich vor Erlass des Beschlusses vom 21.02.2008 befunden hat.

Gemäß § 178 a Abs. 5 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 343 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) war auszusprechen, dass der Beschluss vom 21.02.2008 aufrecht erhalten wird. Der Vortrag des Ast. vom 25.02.2008 rechtfertigt nämlich keine abweichende Entscheidung. Das wiederholte Vorbringen des Klägers, der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei das richtige Rechtsmittel, überzeugt den Senat nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 21.02.2008 Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, Ende des 1. Absatzes, Bezug genommen.

Auch nach Kenntnisnahme vom Schriftsatz des Ast. vom 25.02.2008 hält der Senat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht für glaubhaft gemacht. Es leuchtet nicht ein, dass die Bekannten, die dem Ast. Geld geliehen haben sollen, Wert darauf legen sollten, unbekannt zu bleiben. Schließlich hätten sie durch eine finanzielle Unterstützung des Ast. nichts Verbotenes getan, sondern möglicherweise sogar einer sittlichen Verpflichtung entsprochen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass es sich insoweit lediglich um eine Schutzbehauptung des Ast. handelt.

Davon abgesehen spricht der folgende, im Beschluss vom 21.02.2008 noch nicht abgehandelte Gesichtspunkt gegen einen Anspruch des Ast. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren ist nämlich der Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde. In der Regel besteht deshalb kein Anordnungsgrund, wenn lediglich um Geldleistungen für die Vergangenheit gestritten wird (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 8. Auflage, Randziffer 28 zu § 86 b m. N.). Letztlich folgt dies daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen die Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit ausschließlich vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt. Das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar (LSG Berlin-Brandenburg vom 19.09.2006 - L 9 B 302/06 KR ER, zitiert nach Juris).

Im vorliegenden Fall richtet sich die Beendigung des Anspruchs auf Verletztengeld bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Betrachtungsweise nach der Vorschrift des § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Danach endet das Verletztengeld, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung. Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss vom 02.10.2007 (Seite 7, 2. Absatz) deshalb ausgeführt, Verletztengeldzahlungen seien noch bis längstens 12.11.2007 zu erbringen. Hiergegen hat im Beschwerdeverfahren keiner der Beteiligten Einwendungen erhoben. Auch der Senat hält es für unwahrscheinlich, dass das Hauptsacheverfahren zu dem Ergebnis führen wird, dem Ast. stehe auch für einen Zeitraum nach der vorliegenden Beschwerdeentscheidung noch Verletztengeld zu. Mithin fehlt es im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung sowohl am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved