L 4 KR 3302/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 2404/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3302/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Anspruch auf Krankengeld vom 26. Mai bis 22. Juli 2005.

Die am 1949 geborene Klägerin war vom 13. Dezember 2004 bis 31. Mai 2005, 23. Juli 2005 bis 30. Juni 2006 sowie 05. Juli 2006 bis 13. Februar 2007 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Vom 01. Juni bis 22. Juli 2005, 01. bis 04. Juli 2006 und 14. Februar bis 31. Mai 2007 war sie über ihren Ehemann familienversichertes Mitglied der Beklagten, was sie wiederum seit 01. Juli 2007 ist. Sie stellte sich - den Angaben der Beklagten zufolge - der Arbeitsvermittlung für eine Teilzeitbeschäftigung zur Verfügung. Seit 13. Dezember 2004 bezog sie von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld.

Orthopäde und Chirurg Dr. K. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wie folgt: am 14. April 2005 bis einschließlich 24. April 2005, am 28. April 2005 bis einschließlich 08. Mai 2005, am 12. Mai 2005 bis einschließlich 16. Mai 2005, am ??? Mai 2005 (genaues Datum unleserlich) bis einschließlich 23. Mai 2005, am 25. Mai 2005 bis einschließlich 05. Juni 2005, am 06. Juni 2005 bis einschließlich 12. Juni 2005, am 13. Juni 2005 bis einschließlich 19. Juni 2005. Da die Klägerin sich nur mit einer Versichertenkarte vorgestellt hatte, die den Versicherungsstatus 3 (Familienversicherung) auswies und Dr. K. deshalb davon ausging, die Klägerin sei nicht pflichtversichert, sondern familienversichert, verwendete er nicht die für die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit vorgeschriebenen vertragsärztlichen Vordrucke, sondern stellte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf dem Vordruck für Privatrezepte aus. Die Klägerin legte die ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der zuständigen Agentur für Arbeit B., nicht aber der Beklagten vor. Erst mit Telefax vom 14. Juli 2005 gingen der Beklagten Kopien dieser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu. Die Agentur für Arbeit bezahlte Arbeitslosengeld bis 31. Mai 2005, hob jedoch durch Bescheid vom 17. Juni 2005 die Bewilligungsentscheidung ab 26. Mai 2005 (nach Ende der sechswöchigen Leistungsfortzahlung, § 126 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB III]) auf und forderte die Erstattung des vom 26. bis 31. Mai 2005 noch geleisteten Betrags von EUR 103,70. Sie machte gegenüber der Beklagten auch einen Erstattungsanspruch in dieser Höhe geltend.

Am 25. Juni 2005 ging bei der Beklagten der erste formularmäßige Auszahlschein des Arztes Dr. K. vom 23. Juni 2005 für eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis 26. Juni 2005 ein. Des Weiteren stellte Dr. K. folgende Auszahlscheine für Krankengeld aus: am 27. Juni 2005 für eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis 03. Juli 2005, am 07. Juli 2005 für eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis 10. Juli 2005, am 12. Juli 2005 für eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis 17. Juli 2005, am 18. Juli 2005 für eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis 22. Juli 2005. Der Auszahlungsschein vom 12. Juli 2005 enthält die ICD-Diagnosen S 46.9 (Verletzung nicht näher bezeichneter Muskeln und Sehnen in Höhe der Schulter und des Oberarms); M 23.9 (Binnenschädigung des Kniegelenks nicht näher bezeichnet), die übrigen Auszahlungsscheine insoweit den Vermerk "bekannt". Gegenüber der Beklagten gab die Klägerin unter dem 28. Juni 2005 an, sie sei jetzt mitversichert bei ihrem Ehemann.

Die Beklagte wies Dr. K. auf eine Neufassung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) ab 01. Januar 2004 hin, wonach Arbeitslose arbeitsunfähig seien, wenn sie auf Grund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage seien, leichte Tätigkeiten an mindestens 15 Wochenstunden zu verrichten, wobei unerheblich sei, welcher Tätigkeit der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachgegangen sei (Schreiben vom 29. Juni 2005). In einem ihm von der Beklagten zugesandten Fragebogen gab Dr. K. unter dem 14. Juli 2005 an, Arbeitsunfähigkeit bestehe wegen Cervikalsyndromen sowie Lumboischialgien bei Bandscheibenläsion. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten auf dem gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von vier Stunden täglich verrichten.

Unter dem 14. Juli 2005 unterrichtete die Beklagte die Klägerin darüber, da sie (die Beklagte) bis zum heutigen Tage keinerlei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einer aktuellen Arbeitsunfähigkeit von ihr (der Klägerin) erhalten habe, könne sie (die Beklagte) keinen Anspruch auf Krankengeld feststellen. Trotz telefonischen Hinweises vom 08. Juli 2005 sei sie (die Klägerin) mit der ungültigen Versicherungskarte (Status Familienversicherung) zur weiteren ärztlichen Behandlung am 12. Juli 2005 gegangen. Die Agentur für Arbeit habe sie (die Klägerin) bei ihr (der Beklagten) zum 31. Mai 2005 abgemeldet, sodass für sie (die Klägerin) im Moment keine gültige Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld bestehe. Nach der ärztlichen Anfrage betrage ihr tägliches Leistungsvermögen vier Stunden, sodass sie (die Klägerin) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als vermittelbar gelte. Die Klägerin wurde ferner aufgefordert, sich bei der Agentur für Arbeit zu melden und ihre weitere Versicherung zu klären. Durch Bescheid vom 22. Juli 2005, überschrieben mit "Ihre Mitgliedschaft" und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, wiederholte die Beklagte sinngemäß die Angaben im Schreiben vom 14. Juli 2005 und erklärte, es könne keine Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld festgestellt werden. Zugleich übersandte sie der Klägerin einen Antrag auf Familienversicherung. Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 12. September 2005, bei der Beklagten eingegangen am 14. September 2005, Widerspruch. Sie gab als Betreff "Krankengeldanspruch ... für die Zeit vom 26. Mai bis 22. Juli 2005" an und führte weiter aus, der Bescheid könne nicht als Ablehnung der Gewährung von Krankengeld verstanden werden, weil er sich im Wesentlichen mit der Frage der Familienversicherung befasse. Falls der Bescheid die Ablehnung eines Krankengeldanspruchs beinhalte, sei nicht ersichtlich, für welchen Zeitraum diese Entscheidung getroffen worden sei sowie nicht nachvollziehbar, worauf sich das vom behandelnden Arzt eingeschätzte tägliche Leistungsvermögen von vier Stunden beziehe. Dass der behandelnde Arzt nicht das vorgesehene Formular verwendet habe, dürfe den Krankengeldanspruch nicht beeinträchtigen. Die Beklagte müsse ihr (der Klägerin) aufzeigen, wie sie für den streitigen Zeitraum Krankengeld erhalten könne. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin "gegen die Ablehnung von Krankengeld" zurück (Widerspruchsbescheid vom 09. März 2006). Er sah den Widerspruch als form- und fristgerecht und damit zulässig an und führte weiter aus, da sie (die Beklagte) von der Arbeitsunfähigkeit erst am 25. Juni 2005 erfahren habe, habe der Anspruch auf Krankengeld für die Arbeitsunfähigkeit ab 14. April 2005 unabhängig von der Leistungsfortzahlung der Agentur für Arbeit auf Grund der versäumten Meldung gegenüber ihr bis zum 25. Juni 2005 geruht. Dr. K. habe am 14. Juli 2005 angegeben, dass die Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für vier Stunden der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe und diese ausüben könne. Da die Klägerin vor der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitsvermittlung für eine Teilzeitbeschäftigung zur Verfügung gestanden habe, sei sie arbeitsfähig gewesen und habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 07. April 2006 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage und begehrte, "antragsgemäß Krankengeld zu bewilligen". Eine Begründung wurde nicht vorgetragen. Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Durch Gerichtsbescheid vom 30. Mai 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, bei Beziehern von Arbeitslosengeld bestehe Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung, wenn Arbeiten nicht mehr in dem zeitlichen Umfang verrichtet werden könnten, für den sich die Versicherten der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hätten. Nach den Feststellungen im Widerspruchsbescheid, denen die Klägerin nicht widersprochen habe, habe sie sich bereits vor dem Beginn der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vom 14. April 2005 nur für eine Teilzeitbeschäftigung zur Verfügung gestellt. Ob sie für eine solche ab 14. April 2005 arbeitsunfähig gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, weil zumindest bis zum 24. Juni 2006 wegen fehlender Meldung gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Krankengeld nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) geruht habe. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit sei erst mit Vorlage des Auszahlungsscheins vom 23. Juni 2005 am 25. Juni 2005 erfolgt. Die Wirkung der Ausschlussfrist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V entfalle nicht unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Rechtsmissbräuchlichkeit, weil sich die Klägerin lediglich mit einer Versichertenkarte betreffend eine Familienversicherung vorgestellt habe. Demgemäß sei es für den Arzt nicht ersichtlich gewesen, dass ein Anspruch auf Krankengeld bestehe und eine Meldung an die Beklagte erforderlich sei. Ab 25. Juni 2005 sei eine Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen, nachdem Dr. K. am 24. Juli 2005 ein Leistungsvermögen von vier Stunden bescheinigt habe und eine Verfügbarkeit der Klägerin über diesen zeitlichen Rahmen hinaus nicht vorgebracht worden sei. Auch eine wesentliche Änderung in der Zeit vom 25. Juni bis 14. Juli 2005 sei nicht vorgetragen oder ersichtlich.

Gegen den ihren Bevollmächtigten am 04. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04. Juli 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Eine Begründung hat sie nicht vorgetragen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. März 2006 zu verurteilen, ihr vom 26. Mai bis 22. Juli 2005 Krankengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung, die, da die Berufung vor dem 01. April 2008 eingelegt worden ist, hier noch maßgeblich ist, ist nicht gegeben. Der Beschwerdewert von EUR 500,00 ist überschritten. Nachdem die von der Bundesagentur für Arbeit vom 26. bis 31. Mai 2005 zur Erstattung geforderte Überzahlung EUR 103,70 betragen hat, hat die Klägerin ein tägliches Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 17,28 erhalten. Da das Krankengeld in der gleichen Höhe wie das Arbeitslosengeld gewährt wird (vgl. § 47b Abs. 1 SGB V) und der streitige Zeitraum (26. Mai bis 22. Juli 2005) 58 Tage umfasst, ergibt sich ein Anspruch auf Krankengeld in Höhe von EUR 1.002,24.

Die zulässige Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 153 Abs. 2 SGG in vollem Umfang auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug.

Ergänzend ist noch hinzuzufügen: Der Widerspruch der Klägerin war zwar verspätet. Dies war aber unschädlich, da die Beklagte den Widerspruch nicht als verfristet behandelt hat, sondern ihn ausdrücklich als form- und fristgerecht angesehen und in der Sache entschieden hat.

Gegenüber der Einschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. K. vom 14. Juli 2005, übermittelt auf Anfrage der Beklagten bereits vom 29. Juni 2005, die Klägerin sei aufgrund der Diagnosen "Cervikalsyndrom, Lumboischialgie bei Bandscheibenläsion" noch vier Stunden täglich verfügbar, bestehen keine durchgreifenden Zweifel, nachdem substantiierte Einwände hiergegen weiterhin nicht vorgetragen sind. Offenkundig ist der Arzt nicht von Verfügbarkeit für Teilzeitarbeit, sondern für vollschichtige ausgegangen und hat dementsprechend eine zeitliche Leistungseinschränkung dokumentieren wollen. Es kann nicht angenommen werden, dass der behandelnde Orthopäde eine seiner Patientin zu ungünstige Auffassung vertreten wollte. Die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit ist dann auch zeitnah zum 22. Juli 2005 beendet worden.

Da Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nur die Vermittlung in eine Teilzeitbeschäftigung ist, ist es für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich, ob die Auffassung der Beklagten zu § 2 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien in der seit 01. Januar 2004 geltenden Fassung, die sie im Bescheid vom 22. Juli 2005 sowie im Schreiben vom 29. Juni 2005 an Dr. K. geäußert hat, zutreffend ist (vgl. dazu Urteil des Senats vom 20. April 2007 - L 4 KR 3445/06 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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