Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2172/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 76/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 09. Dezember 2005 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. September 2004 verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 40 ab dem 01. Dezember 2003 festzustellen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderte.
Die 1953 geborene Klägerin stellte am 01.12.2003 den Antrag auf Feststellung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen des HNO-Arztes Dr. H., des Orthopäden Dr. B., des Neurologen und Psychiaters Dr. H. und des Bodenseekreis-Krankenhauses Tettnang stellte der Beklagte mit Bescheid vom 02.03.2004 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit 01.12.2003 fest. Hierbei legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
- Seelische Störung Teil-GdB 30 - Schwerhörigkeit links mit Ohrgeräuschen Teil-GdB 10 - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule Teil-GdB 10.
Die Unterleibserkrankungen bedingten keinen Teil-GdB von mindestens 10.
Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, die seelischen Störungen und die Erkrankungen der Wirbelsäule seien nicht zureichend berücksichtigt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2004, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.09.2004 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört und bei Dr. K. ein orthopädisches Gutachten eingeholt.
Dr. H. hat angegeben, er habe die Klägerin wegen eines Hörsturzes linksseitig und Tinnitus behandelt. Bei der letztmaligen Behandlung am 15.12.2003 habe rechtsseitig ein Hörverlust von 10 % und damit Normalhörigkeit, linksseitig ein Hörverlust von 35 % und damit eine geringgradige Schwerhörigkeit bestanden. Ein Tinnitus habe nur noch rechtsseitig vorgelegen. Er schätze den GdB auf seinem Fachgebiet auf Null.
Der Orthopäde Dr. B. hat ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine Funktionsbeeinträchtigung der Hals- und Brustwirbelsäule. Er schätze den GdB auf seinem Fachgebiet mit 30 ein.
Dr. H. hat mitgeteilt, er habe die Klägerin von September 2003 bis März 2004 in mehrwöchigem Abstand behandelt. Es habe eine anhaltend manifeste mittelgradige depressive Störung überlagert durch chronische Schmerzstörung im Rahmen eines Dorsalsyndroms sowie Magen-Darmbeschwerden vorgelegen. Durch eine stationäre Reha-Maßnahme Anfang des Jahres 2004 sei es zu einer deutlichen Besserung gekommen. Derzeit bestehe keine mittelgradige soziale Anpassungsstörung mehr. Den GdB auf seinem Fachgebiet schätze er auf 40.
Der Prüfarzt des Beklagten D. hat hierzu ausgeführt, der von Dr. H. angegebene GdB 40 sei nicht nachvollziehbar, zumal der bisherige GdB 30 für die seelische Störung bereits eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit berücksichtige.
Dr. K. hat im fachorthopädischen Gutachten vom 19.06.2005 die Diagnosen eines chronisch rezidivierenden cervikocephalen und cervikobrachialen Wirbelsäulensyndroms bei Osteochondrose C 4/ C 5, eines Dorsolumbalsyndroms bei degenerativen Veränderungen (Spondylosis deformans) der BWS und LWS, eines Flachrückens sowie eines Hallux valgus beidseits bei Spreizfüßen gestellt. Es seien die mit cervikocephalen Syndromen einhergehenden typischen Symptome (Kopfschmerzen, Gehörstörungen) zu beobachten, ohne dass schwerwiegende Schwindelattacken vorlägen. Funktionell sei vor allem die Re- und Inklinationsfähigkeit eingeschränkt. Neurologische Ausfallsymptome seien nicht nachweisbar. Im BWS- und LWS-Abschnitt sei neben einem Flachrücken ein tiefliegendes Wirbelsäulensyndrom nachweisbar, wobei hier auch segmentale Irritationen im Bereich des Ligamentum iliolumbale zu beobachten seien. Die Funktion der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte der BWS und LWS sei aber noch ausreichend. Er schätze den GdB auf orthopädischem Gebiet mit 10. Da bei der Funktionsanalyse weder im HWS-Bereich noch im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule wesentliche Abweichungen von der alterskorrigierten Normalbeweglichkeit festzustellen seien, könne ein GdB höheren Grades aus orthopädischer Sicht nicht begründet werden. Auch fehlten Hinweise auf radikuläre Reizerscheinungen, eine Instabilität einzelner Wirbelsäulensegmente oder anhaltende Bewegungseinschränkungen. Unter Einbeziehung der Gesundheitsstörungen auf nicht orthopädischem Fachgebiet bestehe ein Gesamt-GdB von 30.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.12.2005, auf den Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den der Klägerin am 14.12.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 05.01.2006 Berufung eingelegt mit der Begründung, der Einzelgrad der Behinderung auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei zu niedrig festgesetzt. Der Sachverständige Dr. K. habe nicht berücksichtigt, dass bei ihr mittelgradige funktionelle Auswirkungen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten vorlägen. Darüber hinaus bedingten die von Dr. K. festgestellten Beeinträchtigungen bereits einen Einzelgrad der Behinderung von 20.
In der vom Senat daraufhin eingeholten ergänzenden sachverständigen Stellungnahme vom 13.11.2005 hat Dr. K. ausgeführt, die Funktionsparameter für die Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule seien nicht in das Gutachten übernommen worden, da es sich um Normalbefunde gehandelt und bereits bei Beschreibung der Inklination über der Brustwirbelsäule ein Normalbefund festgestellt worden sei. Es liege eine leichtgradige funktionelle Auswirkung des Abschnittes Halswirbelsäule vor. Die Brust- und Lendenwirbelsäule seien uneingeschränkt beweglich, weshalb hier keine Funktionseinschränkungen vorlägen.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Dr. G. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 14.03.2007 hat er eine chronische Erkrankung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule aufgrund degenerativer Veränderungen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten diagnostiziert. Auch die Kopfschmerzsymptomatik, verbunden mit Ohrgeräuschen, sei durch die Erkrankung der Halswirbelsäule zu erklären. Eine radikuläre Symptomatik habe weder klinisch noch anamnestisch nachgewiesen werden können, auch hätten bei der Untersuchung Schwindelerscheinungen nicht ausgelöst und nachgewiesen werden können. Die Erkrankung der Halswirbelsäule sei als mittelgradig, die Erkrankung der Brustwirbelsäule als leicht und die der Lendenwirbelsäule als mittelgradig bis schwer einzustufen. Die Störung im Bereich der Halswirbelsäule bedinge einen GdB von 20, die Störung im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule einen GdB von 30 und die Störungen im Bereich der Hände und Füße einen GdB unter 10. Daraus resultiere für die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet ein Teil-GdB von 40. Abweichend von der Untersuchung durch Dr. K., der eine Beweglichkeit im Brust- und Lendenwirbelbereich mit einem Finger-Boden-Abstand (FBA) bei maximaler Vorbeuge von 19 cm angegeben habe, sei jetzt ein FBA bei maximaler Rumpfvorbeuge und deutlich schmerzhafter Bewegungseinschränkung von 60 cm gefunden worden. Aufgrund dieser Tatsache, den nachweisbaren muskulären Verspannungen sowie der langen nachweisbaren Krankheitsanamnese müsse von einer mittelgradigen funktionellen Einschränkung ausgegangen werden. Hinsichtlich des seelischen Befindens habe eine depressive Verstimmung während der gutachterlichen Untersuchung nicht gefunden werden können, so dass ein wesentlicher Grad der Behinderung hieraus nicht resultiere.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.04.2007 hat Dr. R. hierzu ausgeführt, die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und die muskulären Verspannungen bedingten lediglich einen Teil-GdB von 20. Es werde deshalb ein Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen. Ein entsprechendes Vergleichsangebot hat die Klägerin nicht angenommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 09. Dezember 2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. September 2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den bei ihr vorliegenden Grad der Behinderung mit 50 ab dem 01. Dezember 2003 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Die Berufung ist jedoch nur insoweit begründet, als der GdB der Klägerin auf 40 festzusetzen ist. Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet.
Wegen der rechtlichen Voraussetzungen der zu treffenden Entscheidung sowie der bei der Feststellung des GdB anzuwendenden Maßstäbe wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Gerichtsbescheid gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass mittlerweile die im Wesentlichen mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 gleich lautenden AHP 2008 maßgebend sind.
Die auf nervenärztlichem Gebiet bei der Klägerin bestehende seelische Störung bedingt einen Teil-GdB von 30. Nach Nr. 26.3 AHP 2008 bedingen leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen GdB von 0 - 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 - 40 und schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 - 70. Bei der Klägerin kam es im Jahr 2003, unter anderem bedingt durch psychosoziale Spannungen am Arbeitsplatz, zu einer mittelgradigen depressiven Störung. Sie befand sich deshalb von September 2003 bis März 2004 in nervenärztlicher Behandlung bei Dr. H ... Nach dessen Aussage führte eine im Jahre 2004 durchgeführte stationäre Reha-Maßnahme zu einer deutlichen Besserung, so dass eine mittelgradige soziale Anpassungsstörung nicht mehr vorlag. Auch war seither keine nervenärztliche Behandlung mehr erforderlich, so dass ein Teil-GdB von 30 noch angemessen ist.
Auf orthopädischem Gebiet bestehen bei der Klägerin eine leicht- bis mittelgradige Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule und endgradige Funktionseinschränkungen der Brustwirbelsäule. Während der Sachverständige Dr. K. den FBA noch mit 19 cm angegeben hat, betrug dieser bei der Untersuchung durch Dr. G. 60 cm. Dies würde jedoch bedeuten, dass bei einer Körpergröße der Klägerin von 146 cm nahezu keine Beugung möglich gewesen wäre. Gleichzeitig hat Dr. G. die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule nach Schober mit 10/13 cm angegeben. Auch die Röntgenbefunde zeigen im Bereich der Halswirbelsäule lediglich eine Bandscheibenschädigung und eine beginnende Arthrose der Wirbelgelenke, der Röntgenbefund der Brustwirbelsäule entspricht dem klinischen Befund und auch der Befund der Lendenwirbelsäule zeigt nur geringgradige Bandscheibenschäden und beginnende degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke. Diese Befunde vermögen die angegebene erhebliche Beugebehinderung nicht zu erklären. Ursächlich hierfür sind vielmehr die auch von Dr. G. festgestellten wiederkehrenden muskulären Verspannungen, die einer Behandlung zugänglich sind und keine dauerhafte Behinderung aufgrund struktureller Veränderungen der Wirbelsäule darstellen. Damit liegen bei der Klägerin keine mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, die einen Teil-GdB von mindestens 30 begründen könnten. Die Beschwerden der Wirbelsäule sind vielmehr mit einem Teil-GdB von 20 angemessen berücksichtigt (Nr. 26.18 AHP 2008: Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt [Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome]), zumal Dr. G. bei der klinischen Untersuchung keinen Hinweis auf eine radikuläre Symptomatik, d.h. keine Hinweiszeichen für einen Druck von Bandscheibengewebe oder anderem Geweben auf austretende Nerven an der Wirbelsäule bzw. eine deutliche Einengung des Rückenmarkkanals feststellten konnte und deshalb als Ursache der Beschwerden die röntgenologisch nachweisbaren degenerativen Veränderungen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten annahm. Die darüber hinaus bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen (Spreiz-Plattfuß beidseits mit Hallux valgus links, Zustand nach Hallux valgus Operation rechts sowie Verdacht auf Einengung des Nervus medianus im Handgelenkbereich) bedingen keinen Teil-GdB von mindestens 10. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, auch der Beklagte räume in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.04.2007 ein, dass bei ihr schwergradige Funktionseinbußen im Bereich der Lendenwirbelsäule bestünden, trifft dies nicht zu. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde vielmehr ausgeführt, dass der von Dr. G. festgestellte FBA von 60 cm mit den sonst erhobenen Befunden nicht in Übereinstimmung zu bringen sei und die angegebene erhebliche Beugebehinderung deshalb nicht auf einer dauerhaften Behinderung aufgrund struktureller Veränderungen der Wirbelsäule, sondern auf muskulären Verspannungen beruhe.
Schließlich ist die Schwerhörigkeit links mit Ohrgeräuschen mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend und angemessen berücksichtigt.
Hieraus resultiert ein Gesamt-GdB von 40 ab dem Datum der Antragstellung, wobei berücksichtigt ist, dass der Rückgang der Beschwerden auf nervenärztlichem Gebiet mit einer Zunahme der Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischen Fachgebiet korrespondiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin aufgrund der GdB-Anhebung von 30 auf 40 lediglich steuerrechtlich einen geringfügig höheren Pauschbetrag gemäß § 33b EStG geltend machen kann.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderte.
Die 1953 geborene Klägerin stellte am 01.12.2003 den Antrag auf Feststellung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen des HNO-Arztes Dr. H., des Orthopäden Dr. B., des Neurologen und Psychiaters Dr. H. und des Bodenseekreis-Krankenhauses Tettnang stellte der Beklagte mit Bescheid vom 02.03.2004 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 seit 01.12.2003 fest. Hierbei legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
- Seelische Störung Teil-GdB 30 - Schwerhörigkeit links mit Ohrgeräuschen Teil-GdB 10 - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule Teil-GdB 10.
Die Unterleibserkrankungen bedingten keinen Teil-GdB von mindestens 10.
Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, die seelischen Störungen und die Erkrankungen der Wirbelsäule seien nicht zureichend berücksichtigt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2004, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.09.2004 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört und bei Dr. K. ein orthopädisches Gutachten eingeholt.
Dr. H. hat angegeben, er habe die Klägerin wegen eines Hörsturzes linksseitig und Tinnitus behandelt. Bei der letztmaligen Behandlung am 15.12.2003 habe rechtsseitig ein Hörverlust von 10 % und damit Normalhörigkeit, linksseitig ein Hörverlust von 35 % und damit eine geringgradige Schwerhörigkeit bestanden. Ein Tinnitus habe nur noch rechtsseitig vorgelegen. Er schätze den GdB auf seinem Fachgebiet auf Null.
Der Orthopäde Dr. B. hat ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine Funktionsbeeinträchtigung der Hals- und Brustwirbelsäule. Er schätze den GdB auf seinem Fachgebiet mit 30 ein.
Dr. H. hat mitgeteilt, er habe die Klägerin von September 2003 bis März 2004 in mehrwöchigem Abstand behandelt. Es habe eine anhaltend manifeste mittelgradige depressive Störung überlagert durch chronische Schmerzstörung im Rahmen eines Dorsalsyndroms sowie Magen-Darmbeschwerden vorgelegen. Durch eine stationäre Reha-Maßnahme Anfang des Jahres 2004 sei es zu einer deutlichen Besserung gekommen. Derzeit bestehe keine mittelgradige soziale Anpassungsstörung mehr. Den GdB auf seinem Fachgebiet schätze er auf 40.
Der Prüfarzt des Beklagten D. hat hierzu ausgeführt, der von Dr. H. angegebene GdB 40 sei nicht nachvollziehbar, zumal der bisherige GdB 30 für die seelische Störung bereits eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit berücksichtige.
Dr. K. hat im fachorthopädischen Gutachten vom 19.06.2005 die Diagnosen eines chronisch rezidivierenden cervikocephalen und cervikobrachialen Wirbelsäulensyndroms bei Osteochondrose C 4/ C 5, eines Dorsolumbalsyndroms bei degenerativen Veränderungen (Spondylosis deformans) der BWS und LWS, eines Flachrückens sowie eines Hallux valgus beidseits bei Spreizfüßen gestellt. Es seien die mit cervikocephalen Syndromen einhergehenden typischen Symptome (Kopfschmerzen, Gehörstörungen) zu beobachten, ohne dass schwerwiegende Schwindelattacken vorlägen. Funktionell sei vor allem die Re- und Inklinationsfähigkeit eingeschränkt. Neurologische Ausfallsymptome seien nicht nachweisbar. Im BWS- und LWS-Abschnitt sei neben einem Flachrücken ein tiefliegendes Wirbelsäulensyndrom nachweisbar, wobei hier auch segmentale Irritationen im Bereich des Ligamentum iliolumbale zu beobachten seien. Die Funktion der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte der BWS und LWS sei aber noch ausreichend. Er schätze den GdB auf orthopädischem Gebiet mit 10. Da bei der Funktionsanalyse weder im HWS-Bereich noch im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule wesentliche Abweichungen von der alterskorrigierten Normalbeweglichkeit festzustellen seien, könne ein GdB höheren Grades aus orthopädischer Sicht nicht begründet werden. Auch fehlten Hinweise auf radikuläre Reizerscheinungen, eine Instabilität einzelner Wirbelsäulensegmente oder anhaltende Bewegungseinschränkungen. Unter Einbeziehung der Gesundheitsstörungen auf nicht orthopädischem Fachgebiet bestehe ein Gesamt-GdB von 30.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.12.2005, auf den Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den der Klägerin am 14.12.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 05.01.2006 Berufung eingelegt mit der Begründung, der Einzelgrad der Behinderung auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei zu niedrig festgesetzt. Der Sachverständige Dr. K. habe nicht berücksichtigt, dass bei ihr mittelgradige funktionelle Auswirkungen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten vorlägen. Darüber hinaus bedingten die von Dr. K. festgestellten Beeinträchtigungen bereits einen Einzelgrad der Behinderung von 20.
In der vom Senat daraufhin eingeholten ergänzenden sachverständigen Stellungnahme vom 13.11.2005 hat Dr. K. ausgeführt, die Funktionsparameter für die Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule seien nicht in das Gutachten übernommen worden, da es sich um Normalbefunde gehandelt und bereits bei Beschreibung der Inklination über der Brustwirbelsäule ein Normalbefund festgestellt worden sei. Es liege eine leichtgradige funktionelle Auswirkung des Abschnittes Halswirbelsäule vor. Die Brust- und Lendenwirbelsäule seien uneingeschränkt beweglich, weshalb hier keine Funktionseinschränkungen vorlägen.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Dr. G. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt worden. Im Gutachten vom 14.03.2007 hat er eine chronische Erkrankung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule aufgrund degenerativer Veränderungen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten diagnostiziert. Auch die Kopfschmerzsymptomatik, verbunden mit Ohrgeräuschen, sei durch die Erkrankung der Halswirbelsäule zu erklären. Eine radikuläre Symptomatik habe weder klinisch noch anamnestisch nachgewiesen werden können, auch hätten bei der Untersuchung Schwindelerscheinungen nicht ausgelöst und nachgewiesen werden können. Die Erkrankung der Halswirbelsäule sei als mittelgradig, die Erkrankung der Brustwirbelsäule als leicht und die der Lendenwirbelsäule als mittelgradig bis schwer einzustufen. Die Störung im Bereich der Halswirbelsäule bedinge einen GdB von 20, die Störung im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule einen GdB von 30 und die Störungen im Bereich der Hände und Füße einen GdB unter 10. Daraus resultiere für die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet ein Teil-GdB von 40. Abweichend von der Untersuchung durch Dr. K., der eine Beweglichkeit im Brust- und Lendenwirbelbereich mit einem Finger-Boden-Abstand (FBA) bei maximaler Vorbeuge von 19 cm angegeben habe, sei jetzt ein FBA bei maximaler Rumpfvorbeuge und deutlich schmerzhafter Bewegungseinschränkung von 60 cm gefunden worden. Aufgrund dieser Tatsache, den nachweisbaren muskulären Verspannungen sowie der langen nachweisbaren Krankheitsanamnese müsse von einer mittelgradigen funktionellen Einschränkung ausgegangen werden. Hinsichtlich des seelischen Befindens habe eine depressive Verstimmung während der gutachterlichen Untersuchung nicht gefunden werden können, so dass ein wesentlicher Grad der Behinderung hieraus nicht resultiere.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.04.2007 hat Dr. R. hierzu ausgeführt, die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und die muskulären Verspannungen bedingten lediglich einen Teil-GdB von 20. Es werde deshalb ein Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen. Ein entsprechendes Vergleichsangebot hat die Klägerin nicht angenommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 09. Dezember 2005 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. September 2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den bei ihr vorliegenden Grad der Behinderung mit 50 ab dem 01. Dezember 2003 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Die Berufung ist jedoch nur insoweit begründet, als der GdB der Klägerin auf 40 festzusetzen ist. Im Übrigen ist die Berufung nicht begründet.
Wegen der rechtlichen Voraussetzungen der zu treffenden Entscheidung sowie der bei der Feststellung des GdB anzuwendenden Maßstäbe wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Gerichtsbescheid gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen. Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass mittlerweile die im Wesentlichen mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 gleich lautenden AHP 2008 maßgebend sind.
Die auf nervenärztlichem Gebiet bei der Klägerin bestehende seelische Störung bedingt einen Teil-GdB von 30. Nach Nr. 26.3 AHP 2008 bedingen leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen GdB von 0 - 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen GdB von 30 - 40 und schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 50 - 70. Bei der Klägerin kam es im Jahr 2003, unter anderem bedingt durch psychosoziale Spannungen am Arbeitsplatz, zu einer mittelgradigen depressiven Störung. Sie befand sich deshalb von September 2003 bis März 2004 in nervenärztlicher Behandlung bei Dr. H ... Nach dessen Aussage führte eine im Jahre 2004 durchgeführte stationäre Reha-Maßnahme zu einer deutlichen Besserung, so dass eine mittelgradige soziale Anpassungsstörung nicht mehr vorlag. Auch war seither keine nervenärztliche Behandlung mehr erforderlich, so dass ein Teil-GdB von 30 noch angemessen ist.
Auf orthopädischem Gebiet bestehen bei der Klägerin eine leicht- bis mittelgradige Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule und endgradige Funktionseinschränkungen der Brustwirbelsäule. Während der Sachverständige Dr. K. den FBA noch mit 19 cm angegeben hat, betrug dieser bei der Untersuchung durch Dr. G. 60 cm. Dies würde jedoch bedeuten, dass bei einer Körpergröße der Klägerin von 146 cm nahezu keine Beugung möglich gewesen wäre. Gleichzeitig hat Dr. G. die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule nach Schober mit 10/13 cm angegeben. Auch die Röntgenbefunde zeigen im Bereich der Halswirbelsäule lediglich eine Bandscheibenschädigung und eine beginnende Arthrose der Wirbelgelenke, der Röntgenbefund der Brustwirbelsäule entspricht dem klinischen Befund und auch der Befund der Lendenwirbelsäule zeigt nur geringgradige Bandscheibenschäden und beginnende degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke. Diese Befunde vermögen die angegebene erhebliche Beugebehinderung nicht zu erklären. Ursächlich hierfür sind vielmehr die auch von Dr. G. festgestellten wiederkehrenden muskulären Verspannungen, die einer Behandlung zugänglich sind und keine dauerhafte Behinderung aufgrund struktureller Veränderungen der Wirbelsäule darstellen. Damit liegen bei der Klägerin keine mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, die einen Teil-GdB von mindestens 30 begründen könnten. Die Beschwerden der Wirbelsäule sind vielmehr mit einem Teil-GdB von 20 angemessen berücksichtigt (Nr. 26.18 AHP 2008: Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt [Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome]), zumal Dr. G. bei der klinischen Untersuchung keinen Hinweis auf eine radikuläre Symptomatik, d.h. keine Hinweiszeichen für einen Druck von Bandscheibengewebe oder anderem Geweben auf austretende Nerven an der Wirbelsäule bzw. eine deutliche Einengung des Rückenmarkkanals feststellten konnte und deshalb als Ursache der Beschwerden die röntgenologisch nachweisbaren degenerativen Veränderungen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten annahm. Die darüber hinaus bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen (Spreiz-Plattfuß beidseits mit Hallux valgus links, Zustand nach Hallux valgus Operation rechts sowie Verdacht auf Einengung des Nervus medianus im Handgelenkbereich) bedingen keinen Teil-GdB von mindestens 10. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, auch der Beklagte räume in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.04.2007 ein, dass bei ihr schwergradige Funktionseinbußen im Bereich der Lendenwirbelsäule bestünden, trifft dies nicht zu. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde vielmehr ausgeführt, dass der von Dr. G. festgestellte FBA von 60 cm mit den sonst erhobenen Befunden nicht in Übereinstimmung zu bringen sei und die angegebene erhebliche Beugebehinderung deshalb nicht auf einer dauerhaften Behinderung aufgrund struktureller Veränderungen der Wirbelsäule, sondern auf muskulären Verspannungen beruhe.
Schließlich ist die Schwerhörigkeit links mit Ohrgeräuschen mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend und angemessen berücksichtigt.
Hieraus resultiert ein Gesamt-GdB von 40 ab dem Datum der Antragstellung, wobei berücksichtigt ist, dass der Rückgang der Beschwerden auf nervenärztlichem Gebiet mit einer Zunahme der Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischen Fachgebiet korrespondiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin aufgrund der GdB-Anhebung von 30 auf 40 lediglich steuerrechtlich einen geringfügig höheren Pauschbetrag gemäß § 33b EStG geltend machen kann.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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