L 9 R 1019/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3756/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1019/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1946 geborene Klägerin hat eine Lehre zur Versicherungskauffrau begonnen, wegen der Geburt ihrer Tochter am 1964 jedoch nicht mit einer Prüfung abgeschlossen. Anschließend war sie als Versicherungskauffrau bzw. Versicherungsangestellte beschäftigt. Vom 1.1.1973 bis 30.4.1996 bzw. 31.3.1997 arbeitete sie bei der W. und B. Versicherung-AG - W. Versicherung- , zunächst bis 31.12.1992 als Sachbearbeiterin, vom 1.1.1993 bis 30.4.1995 als Gruppenleiterin (mit Handlungsvollmacht) und vom 1.5.1995 bis 30.4.1996 als Spartenbetriebswirtin. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag zum 31.3.1997. Anschließend bezog die Klägerin bis Mai 1999 Arbeitslosengeld und war anschließend ohne Bezug von Leistungen arbeitslos gemeldet. Seit 1.6.2006 erhält die Klägerin Altersrente für schwer behinderte Menschen.

Am 4.5.2000 beantragte die Klägerin erstmals die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. Sch. vom 15.6.2000 durch Bescheid vom 7.7.2000 ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 6.2.2001 zurück. Die Klage hiergegen wies das Sozialgericht (SG) Heilbronn (S 4 RA 422/01) nach Einholung von nervenärztlichen Gutachten bei Professor Dr. B. vom 18.9.2001 und Professor Dr. R. vom 11.2.2002 mit Urteil vom 30.4.2002 ab. Die Berufung hiergegen wies das Landessozialgericht (L 13 RA 3026/02) nach Einholung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens bei Dr. H. vom 17.5.2003 mit Urteil vom 9.12.2003 zurück.

Am 3.2.2004 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog Befundberichte des Arztes für Allgemeinmedizin Sch. vom 18.2.2004 bei und ließ die Klägerin vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. gutachterlich untersuchen. Dieser stellte bei der Klägerin eine somatoforme Störung und eine leichtgradige depressive Episode mit phobischen Anteilen fest und führte aus, es gehe hierbei um eine mangelnde Anerkennung und Kränkung durch das ArbeitS.e, auch das fehlende verständnisvolle Verhalten des Mannes wirke verstärkend; das Krankheitsbild erscheine weitgehend fixiert und chronifiziert. Er gelangte zum Ergebnis, bei der Klägerin bestehe eine ausgeprägte Beeinträchtigung des Anpassungs- und Umstellungsvermögens sowie des Durchhaltevermögens, sodass sie nur noch unter drei Stunden täglich einsatzfähig sei.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15.6.2004 aus, der Leistungsbeurteilung von Dr. S. könne aus nervenärztlicher Sicht nicht gefolgt werden. Bis auf die Tatsache, dass Dr. S. jetzt eine leichtgradige depressive Episode diagnostiziert habe, die nicht mit einer Leistungsminderung qualitativer Art einhergehe, habe sich im Vergleich zu den Vorgutachten nichts Wesentliches geändert. Die Klägerin sei noch in der Lage, Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel sechs Stunden und mehr zu verrichten.

Mit Bescheid vom 21.6.2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Die Klägerin sei noch in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf sowie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte Befundberichte der HNO-Ärztin B. vom 3.8.2004 und des Arztes Sch. vom 25.7.2004 ein, der weitere Arztbriefe und den Entlassungsbericht der Herz-Kreislauf-Klinik Mettnau vom 14.11.2002 vorlegte. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 16.12.2004 Klage zum SG Heilbronn (S 4 R 3756/04) und verfolgte die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter.

Das SG beauftragte den Neurologen und Psychiater Dr. B. mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser führte im Gutachten vom 18.5.2005 aus, bei der Klägerin lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: • Chronische Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats (ohne objektivierbare neurologische Ausfälle) • Panikattacken mit Hyperventilation • Vorbestehende Persönlichkeitsakzentuierung • Geringgradiges Karpaltunnelsyndrom • Adipositas • Sog. kompensierter Tinnitus. Der Tätigkeit als Versicherungskaufmann bzw. -kauffrau (Büro-/Verwaltungstätigkeit) könne die Klägerin aus nervenärztlicher Sicht vollschichtig nachgehen. Auch andere körperlich leichte Tätigkeiten zu ebener Erde, ohne ständigen Zeitdruck, ohne ständige nervöse Anspannung, ohne wesentliche andere Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Professor Dr. B. mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser stellte im Gutachten vom 6.10.2005 bei der Klägerin folgende Diagnosen: • Rezidivierende depressive Episode mit mittelgradiger Symptomatik • Anhaltende somatoforme Schmerzstörung • Agoraphobie mit Panikattacken • Chronischer Medikamentenmissbrauch • Beginnendes Karpaltunnelsyndroms rechts • Diskrete Hörminderung beidseits • Chronisches HWS- und LWS-Syndrom • Zustand nach Oberarmfraktur rechts. Die Klägerin sei wegen einer rasch eintretenden Erschöpfungssymptomatik nur noch in der Lage, ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Versicherungsfachwirtin regelmäßig mindestens drei Stunden bis unter sechs Stunden täglich auszuüben. Auch sonstige leichte körperliche Tätigkeiten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch mindestens drei Stunden täglich bis knapp unter sechs Stunden täglich verrichten. Schwere und mittelschwere Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 Kilogramm sowie Aufgaben mit besonderer geistiger Beanspruchung oder erhöhter oder gar hoher Verantwortung könne die Klägerin nicht mehr übernehmen. Auch Nachtarbeiten, Schichtarbeiten, Wechselschichten, Akkordarbeiten und vermehrter Publikumskontakt seien ihr nicht mehr zumutbar.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 5.1.2006 führte Dr. B. aus, orientiert an dem von Professor Dr. B. selbst beschriebenen psychischen Befund der Klägerin und dem zusammenfasS. noch einmal kommentierten neurologischen Befund könne er die dort nervenärztlich angenommene quantitative Leistungsminderung auch aus dem Gutachten des Kollegen B. selbst nicht herleiten. Dies ändere sich auch nicht durch den immer wieder erfolgenden Hinweis, dass im vorliegenden Fall ein komplexes psychosomatisches Geschehen zu würdigen sei. Er könne sich der sozialmedizinischen Beurteilung von Professor Dr. B. nicht anschließen, zumal weder eine nervenärztliche noch eine psychotherapeutische Behandlung stattfinde.

Die Klägerin hat Arztbriefe des Orthopäden Dr. S. vom 28.11.2005 (Hyperurikämie, Arthritis rechter Ellenbogen) und des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 11.8.2005 (Beginnendes Karpaltunnelsyndroms rechts, unklare Muskelbeschwerden) vorgelegt. Daraufhin hat das SG aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte seit Januar 2005 eingeholt.

Dr. K. teilte unter dem 25.4. 2006 mit, auf Grund der letzten Untersuchung in seiner Praxis vom 11.8.2005 habe er bei der Klägerin ein beginnendes Karpaltunnelsyndrom rechts diagnostiziert. Der Befund sei jedoch nicht ausgeprägt und erkläre die Beschwerden nicht überzeugend, sodass er derzeit nicht zu einer Neurolyse geraten habe.

Der Arzt Sch. erklärte unter dem 4.5.2006, im Vordergrund stünden vielerlei Beschwerden, Schmerzsensationen im Bauch und Rücken, Schwächeattacken, Schwindelattacken, Erschöpfung und Insuffizienzgefühle; ferner sei die Klägerin wegen rezidivierender Herzrhythmusstörungen irritiert. Wegen immer wieder bestehender kardialer Befürchtungen habe er die Klägerin auch dem Kardiologen Dr. W. vorgestellt. Unter symptomatischer Therapie, suggestiver Gesprächstherapie und physikalischer Therapie habe sich der Zustand der Klägerin eher verschlechtert als verbessert, obwohl die objektiven kardiologischen Befunde ein stabiles organisches Bild zeigten. Ein stationäres Reha-Verfahren mit Psychotherapie und Psychosomatik sei weiterhin induziert, für die Klägerin aus Krankheitsverständnisgründen und auf Grund der familiären Situation wohl nicht möglich. Er halte die Klägerin in ihrem ursprünglichen Beruf nicht für arbeitsfähig, auch auf einem leichten Arbeitsplatz könnten Arbeiten von wirtschaftlichen Wert auf Dauer nicht mehr als zwei Stunden täglich durchgeführt werden. Die Klägerin arbeite stundenweise im Familienbetrieb. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 17.5.2006 führte er aus, die Tätigkeit im Familienbetrieb beschränke sich auf eventuelle eineinhalb Stunden am Tag, die Gesamtdauer in der Woche liege sicher unter vier Stunden; es handle sich um Präsenzzeiten in stoßarmen Ladenzeiten.

Die Klägerin hat weitere Arztbriefe von Dr. K. vom 8.9.2006 sowie des Orthopäden und Rheumatologen Dr. G. vom 31.8.2006 (calzif. Infraspinatustendinose rechts, Spondylose und Uncarthrose untere HWS; Therapie: Krankengymnastik mit manueller Therapie, Friktionsmassage mit Eis) vorgelegt.

Mit Urteil vom 28.11.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Sie sei noch in der Lage, einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies stehe fest auf Grund des im vorangegangenen Klageverfahrens (S 4 RA 422/01) eingeholten Gutachtens von Professor Dr. B., des im damaligen Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens des Neurologen und Psychiater Sch., des vom LSG eingeholten Gutachtens von Dr. H. und des im jetzigen Klageverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. B ... Die Klägerin sei durchaus in der Lage, eine Tätigkeit als Versicherungskauffrau, wie zuletzt bis 1997 verrichtet, weiterhin vollschichtig zu verrichten. Der Beurteilung des auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Professor Dr. B. vermöge das SG dagegen nicht zu folgen. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da sie eine Tätigkeit als Versicherungskauffrau vollschichtig verrichten könne. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 29.1.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.2.2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass sie im August 2002 einen Herzinfarkt erlitten und im Oktober 2002 eine Herzoperation durchgemacht habe. Seit dieser Zeit habe sie mehrere Hörstürze erlitten und ihre psychischen und psychosomatischen Störungen hätten erheblich zugenommen. Zu Unrecht habe das SGG auch keine weitere Stellungnahme von Professor Dr. B. zur ergänzenden Stellungnahme von Dr. B. eingeholt. Jedenfalls sei sie einer Erwerbstätigkeit von sechs Stunden nicht mehr gewachsen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten im vom 21. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Rentenantragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung und höchst hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, die Berufungsbegründung enthalte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht keine neuen Gesichtspunkte, welche zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage Veranlassung geben könnten. Eine weitere Stellungnahme von Professor Dr. B. erscheine aus ihrer Sicht entbehrlich; diesbezüglich werde auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat Arztbriefe der HNO-Ärztin B. vom 28.3.2007 (Tinnitus, grippaler Infekt) und des Orthopäden Dr. G. vom 2.5.2007 (Tendovaginitis stenosans 1. Strecksehnenfach linkes Handgelenk) und 16.11.2007 (somatoforme Schmerzstörung) vorgelegt.

Der Senat hat eine Auskunft bei der W. vom 10.8.2007 eingeholt.

Die Beklagte hat hierzu in einer berufskundlichen Stellungnahme vom 10.9.2007 ausgeführt, bisheriger Beruf der Klägerin sei ihre zuletzt von 1995 bis 1997 versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit als Spartenbetriebswirtin. Dieser Beruf sei der Berufsgruppe der spezifisch-qualifizierten Angestellten bzw. der Angestellten mit Vorgesetztenfunktion zuzuordnen. Ausweislich der beratungsärztlichen Stellungnahme könne die Klägerin diese Tätigkeit noch sechs Stunden täglich auszuüben. Im Übrigen müsse sich die Klägerin, sollte sie diese Tätigkeit nicht mehr ausüben können, auf die Tätigkeit einer Versicherungskauffrau im Innendienst verweisen lassen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG (S 4 RA 4422/01 und S 4 R 3756/04) sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert. Nachdem die Klägerin seit dem 1.6.2006 Altersrente für schwerbehinderte Menschen erhält und deshalb ein Wechsel in eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist (§ 34 Abs. 4 SGB VI), gilt diese Beurteilung bis einschließlich 31.5.2006.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich vor dem 1.6.2006, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der im ersten Rentenverfahren eingeholten Gutachten der Neurologen und Psychiater Dr. Sch. vom 15.6.2000, Professor Dr. B. vom 18.9.2001 und Dr. H. vom 17.5.2003 (nebst psychologischem Zusatzgutachten vom 16.5.2003) sowie des im zweiten Rentenverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 18.5.2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 5.1.2006.

Im Vordergrund stehen bei der Klägerin die Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie Panikattacken mit Hyperventilation. Gravierende Leistungseinschränkungen lassen sich hieraus jedoch nicht ableiten. Bei den gutachterlichen Untersuchungen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet zeigte sich die Klägerin bewusstseinsklar, in allen Qualitäten orientiert, im Denken formal geordnet. Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit waren unauffällig. Ungeachtet der subjektiven Klagen der Klägerin konnten weder Dr. B. noch Professor Dr. B. bei der Klägerin eine Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeit und der Antriebslage feststellen. Die Gestik und Mimik waren lebhaft und der Sozialkontakt war ungestört. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung der bei der Klägerin seit 2000 erhobenen Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet vermag der Senat - ebenso wie Dr. B. - eine nennenswerte eigenständige depressive Symptomatik weder im Querschnitt noch in der Längsschnittbetrachtung zu erkennen. Auch findet keine einschlägige psychiatrische Behandlung (medikamentös und/oder psychotherapeutisch) statt. Die Tagesstruktur ist bei der Klägerin erhalten, auch wenn sie sich überwiegend im Haus aufhält und nur kurze Strecken mit dem Auto (z. B. zum Arzt) fährt. Angesichts dessen überzeugt den Senat auch die Beurteilung von Dr. B. - wie zuvor schon von Dr. Sch., Professor Dr. B. und Dr. H. -, dass die Klägerin nicht gehindert ist, Tätigkeiten im Büro- und Verwaltungsbereich ohne ständigen Zeitdruck und ohne ständige nervöse Anspannung sechs Stunden täglich zu verrichten.

Der hiervon abweichenden Beurteilung von Dr. S. und Professor Dr. B. folgt der Senat dagegen nicht. Wesentliche depressive Episoden vermag der Senat angesichts des oben beschriebenen psychischen Befundes bei der Klägerin (lebhafte Mimik und Gestik, lebhafter Gesichtsausdruck, normale Antriebslage) nicht festzustellen. Im übrigen wäre eine depressive Episode auch einer psychiatrischen Behandlung zugänglich. Mit einer Erschöpfungssymptomatik lässt sich ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin ebenfalls nicht begründen, zumal weder bei den mehrstündigen Untersuchungen bei Dr. B. und Professor Dr. B. eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit und der Konzentration auffielen. Eine mangelnde Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sowie des Durchhaltevermögens, die Dr. S. als Begründung für ein aufgehobenes Leistungsvermögen der Klägerin angibt, vermag der Senat bei der Klägerin unter Berücksichtigung des oben beschriebenen psychischen Befundes ebenfalls nicht festzustellen, da pathologische psychische Befunde, die dies belegen könnten, von den Neurologen und Psychiatern nicht erhoben wurden. Vielmehr waren - wie oben dargelegt - Aufmerksamkeit und Konzentration der Klägerin über Stunden unbeeinträchtigt.

Auch auf anderen Fachgebieten liegen keine Gesundheitsstörungen vor, die zu einem unter sechsstündigen Leistungsvermögen der Klägerin führen würden. Der Arzt Sch. hat unter dem 4.5.2006 bestätigt, dass der kardiologische Befunde ein stabiles organisches Bild zeigt, und aus dem Arztbrief des Kardiologen Dr. W. vom 15.11.2005 ist zu entnehmen, dass sich kein Hinweis für eine Bypass-Dysfunktion oder Progredienz der koronaren Herzkrankheit gefunden hat. Demgemäß sah der Arzt Sch. den Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen bei der Klägerin auf psychosomatischem Gebiet und hielt ein stationäres Reha-Verfahren mit Psychotherapie und Psychosomatik aus medizinischen Gründen für indiziert.

Aus den vorgelegten Arztbriefen der HNO-Ärztin B. und des Orthopäden Dr. G. ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte. Zutreffend ist Dr. G. - wie die Neurologen und Psychiater - zum Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung vorliegt.

Die Klägerin hat auch - bis zum 31.5.2006 - keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst die Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).

Bei Prüfung der Frage, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, muss zunächst der bisherige Beruf festgestellt und danach geklärt werden, auf welche Tätigkeiten ein Versicherter verwiesen werden kann. Hierzu hat die Rechtsprechung ein Mehrstufenschema entwickelt, demzufolge sich die rentenversicherungspflichtigen Berufstätigkeiten in mehrere Gruppen aufteilen lassen. Im Bereich der Angestelltenberufe lassen sich nach der Rechtsprechung des BSG folgende Gruppen bilden: Auf der untersten Ebene (Stufe 1) sind dies Tätigkeiten unausgebildeter bzw. nur kurzzeitig eingearbeiteter Angestellter, deren Anforderungsprofil keine über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht hinausgehenden Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert. Es folgen (Stufe 2) Angestelltenberufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren und danach (Stufe 3) solche mit einer längeren, regelmäßig dreijährigen Ausbildung. Weitere Gruppen bilden die Angestelltenberufe, welche eine Meisterprüfung oder den erfolgreichen Abschluss einer Fachschule (Stufe 4), oder ein abgeschlossenes Studium an einer Fachhochschule bzw wissenschaftlichen Hochschule (Stufe 5) voraussetzen. Schließlich kann für Führungspositionen, die ein Hochschulstudium erfordern, noch eine weitere Gruppe (Stufe 6) gebildet werden (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 240 Rdnr. 69 und 70 und BSG Urteil vom 9. 4.2003 - B 5 RJ 38/02 - in Juris jeweils mit weiteren Nachweisen).

Für die nach dem genannten Schema vorzunehmende Einordnung des bisherigen Berufs ist nicht ausschließlich die Dauer der absolvierten oder erforderlichen Ausbildung maßgebend. Entscheidend ist die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Auch wenn in einem Beruf nicht der herkömmliche Ausbildungsweg durchlaufen wurde, besteht ein entsprechender Berufsschutz, wenn der Beruf nicht nur vorübergehend ausgeübt wurde, der Versicherte über die für die Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse verfügt und sich die auch in einer entsprechenden Bezahlung widerspiegelt (BSG SozR § 1246 Nr. 116 und 168; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 13).

Wer mit seinem bisherigen Beruf einer dieser Gruppen angehört, kann nach ständiger Rechtsprechung des BSG in der Regel auf eine Tätigkeit der jeweils nächst unteren Stufe verwiesen werden. Denn das Gesetz sieht einen Versicherten nicht schon dann als berufsunfähig an, wenn er seinen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, sondern verlangt, ausgehend von diesem Beruf, einen "zumutbaren beruflichen Abstieg" in Kauf zu nehmen. Erst wenn ein Versicherter auch auf eine ihm zumutbare andere Tätigkeit nicht verwiesen werden kann, ist er berufsunfähig (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 55, 75, 86 und 90 sowie SozR 3-2200 § 1246 Nrn. 2, 17, 28 und 41).

An diesen Kriterien orientiert, ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht berufsunfähig. Bisheriger Beruf der Klägerin ist ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Spartenbetriebswirtin, die sie auf der Grundlage ihrer Weiterbildung zum Versicherungsfachwirt vom Mai 1995 bis Ende März 1997 ausgeübt hat. Diese Tätigkeit entspricht der Stufe 4 des dargestellten Mehrstufenschemas und lässt noch eine Verweisung in eine Tätigkeit der Stufe 3 zu.

Selbst wenn die Klägerin also ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Spartenbetriebswirtin nicht mehr ausüben könnte, wäre sie auf die Tätigkeit einer Sachbearbeiterin bzw. Versicherungskauffrau der Stufe 3 zumutbar verweisbar. Eine derartige Tätigkeit vermag sie - wie oben dargelegt - mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Es bestand - auch angesichts des Zeitablaufs - kein Anlass ein weiteres Gutachten gemäß § 109 SGG einzuholen. Einem solchen Antrag muss im Übrigen nur gefolgt werden, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl. § 109 Rdnr. 10b). Solche Gründe hat die Klägerin jedoch nicht dargetan.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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