Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 V 319/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 1303/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Januar 2007 aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 4. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2005 verurteilt, dem Kläger höhere Versorgungsbezüge bereits ab 1. Januar 2003 zu gewähren.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Neufeststellung der Versorgungsbezüge des Klägers bereits bezogen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Verschlimmerung am 6. Januar 2003 anstatt erst zum 1. Januar 2005 zu erfolgen hat.
Der im Jahr 1928 geborene Kläger war bis zum Verkauf seiner Praxis im Jahr 1998 als Allgemeinarzt tätig. Er ist privat kranken- und pflegeversichert. Im Jahr 1944 hatte er sich als Wehrmachtsangehöriger eine Lungentuberkulose zugezogen, die im Jahr 1945 zu Komplikationen in Form einer Herzbeutel- und Rippenfellentzündung geführt hat. Mit vorläufigem Bescheid vom 27. November 1946 hatte das damalige Versorgungsamt K. (VA) eine aktive Tuberkulose der Lungenwurzeldrüsen mit Streuung in der Lunge und Schwartenbildung als Wehrdienstbeschädigung anerkannt. Wegen einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse erging am 25. Januar 1949 von Amts wegen ein Bescheid nach dem Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG), in dem nur noch ein Herzmuskelschaden mit einer hierdurch bedingten teilweisen Erwerbsunfähigkeit um 30 von Hundert (v. H.) anerkannt wurde. Mit dem Umanerkennungsbescheid vom 25. Juni 1952 wurde dem Kläger unter beibehaltener Bezeichnung des Schädigungsleidens Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. bewilligt. Nach einer Verschlechterung des Gesundheitszustands anerkannte das VA mit Bescheid vom 8. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 1998 in der Fassung des Ausführungsbescheids vom 14. Oktober 1998 als Schädigungsfolge einen Herzmuskelschaden mit Reizleitungsstörungen und eine absolute Arrhythmie mit dadurch bedingter Marcumarbehandlung sowie eine dadurch bedingte MdE um 40 v. H. gemäß § 30 Abs. 1 BVG. Ein deswegen vom Kläger anhängig gemachtes Klageverfahren endete mit der Rücknahme der Berufung durch den Kläger am 15. März 2001.
Am 6. Januar 2003 erlitt der Kläger eine intracerebrale Blutung und geriet dadurch in einen komatösen Zustand, der bis heute im Wesentlichen fortbesteht. Bis zum 28. Februar 2003 wurde er stationär im Städtischen Klinikum P., nachfolgend stationär bis 11. März 2003 in der Klinik Ö. behandelt. Dann folgte die Entlassung in die häusliche Pflege, die von der Ehefrau des Klägers, die mit Beschluss des Amtsgerichts P. vom 21. Februar 2003 zur Betreuerin bestellt worden war, weiteren Familienangehörigen, der Sozialstation und sonstigen Hilfskräften erbracht wird. Während einer stationären rehabilitativen Behandlung im Therapiezentrum B. vom 13. Januar bis 15. März 2004 konnte eine leichte Besserung des Zustands des Klägers erzielt werden (ärztlicher Abschlussbericht von Dr. L. vom 26. März 2004).
Am 12. Januar 2005 meldete sich die Ehefrau des Klägers telefonisch beim zwischenzeitlich zuständig gewordenen Landratsamt E. (LRA), da sie eine Bescheinigung über die Höhe der MdE für das Finanzamt benötigte. Im Rahmen dieses Gesprächs wurde der Mitarbeiterin des LRA die massive Verschlechterung des Zustands des Klägers im Jahr 2003 bekannt. Am 7. Februar 2005 ging der aufgrund des eben genannten Telefonats übersandte Formantrag auf höhere Versorgungsleistungen beim LRA ein. Gleichzeitig stellte die Ehefrau des Klägers einen formlosen Antrag auf die Gewährung einer Pflegezulage. Das LRA holte einen Befundbericht von Dr. L. (Facharzt für Innere Medizin, Naturheilverfahren) ein und zog weitere medizinische Unterlagen bei. Nach Auswertung dieser Unterlagen sowie aufgrund eines eigenen Hausbesuchs erstellte Dr. F. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 30. Mai 2005. Darin führte sie unter anderem aus, die Ehefrau des Klägers sei über einen möglichen Zusammenhang der Hirnblutung mit dem Versorgungsleiden nicht unterrichtet gewesen. Außerdem sei sie durch die Pflege und die alltäglich notwendigen Regelungen bis an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit gefordert gewesen. Die spezielle Situation des handlungsunfähig gewordenen Geschädigten sollte berücksichtigt werden. Die Antragsstellung wäre bei einer Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Kranken- und Pflegekasse sicher früher und auf anderem Wege erfolgt.
Wegen der zu erwartenden Rückabwicklung der Leistungen der privaten Pflegeversicherung bat die Ehefrau des Klägers das LRA am 27. Juni 2005 darum, direkt mit der privaten Pflegeversicherung Kontakt aufzunehmen, da sie mit dem "Papierkram" überfordert sei.
Mit dem Neufeststellungsbescheid vom 4. Juli 2005 anerkannte das LRA als Schädigungsfolgen mit Wirkung ab 1. Januar 2005 einen Herzmuskelschaden mit Reizleitungsstörungen und absoluter Arrhythmie, einen Folgezustand nach intracerebraler Blutung rechts mit Ventrikeleinbruch unter Marcumartherapie, einen posthämorrhagischen Hydrocephalus mit liegendem ventrikuloperitonealem Shunt rechts, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine fast vollständige Tetraplegie, eine Dysphagie mit PEG-Sondenernährung, eine Anarthrie, eine Inkontinenz mit suprapubischer Harndauerableitung und einen wiederkehrenden chronischen Schluckauf. Sie stellte die Grundrente bei Erwerbsunfähigkeit sowie einen Anspruch auf Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe VI, Pflegezulage nach Stufe VI, die volle Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag jeweils ab 1. Januar 2005 fest. Die Neufeststellung erfolge ab dem Monat, in dem die Verschlimmerung dem LRA bekannt geworden sei. Eine weiter zurück wirkende Gewährung komme nicht in Betracht. Zwar sei der Kläger an der Antragsstellung gehindert gewesen. Seine Ehefrau hätte jedoch als Betreuerin den Antrag jederzeit stellen können. Es sei unerheblich, dass sie einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Erkrankung und dem Kriegsleiden nicht erkannt habe.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 29. Juli 2005. Er trug vor, er sei bis zur Bestellung der Betreuung gehindert gewesen, einen Antrag zu stellen. Seine Betreuerin sei 72 Jahre alt, sie sei in der ersten Zeit mit ihm in verschiedenen Einrichtungen gewesen und habe Pflegekurse besucht. Sie sei objektiv nicht in der Lage gewesen, den Antrag zu stellen. Es sei zu beachten, dass sie keine Berufsbetreuerin sei. Die Ausschlussfrist erfülle hier nicht ihren eigentlichen Zweck, unklare vergangene Sachverhalte auf sich beruhen zu lassen und einem Missbrauch vorzubeugen. Die Beurteilung der Vergangenheit sei hier nicht schwer. Es hätte unzweifelhaft ein Leistungsanspruch bestanden. Der Kläger verwies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu versäumten Antragsfristen in Missbrauchsfällen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Seine Ehefrau habe die rechtlichen Zusammenhänge nicht überblicken können. Mögliche Fehler könnten ihm nicht zugerechnet werden. Die derzeitigen Einnahmen würden nicht ausreichen, um die Betreuung und die Pflege sicher zu stellen.
Im September 2005 stellte sich heraus, dass die Ehefrau des Klägers Heilbehandlungskosten selbst getragen hatte, anstatt die über die A. zugesandte Betreuungskarte zu benutzen. Telefonisch hatte sie mitgeteilt, gedacht zu haben, sie erhalte noch Bundesbehandlungsscheine von der A. zugesandt. In diesem Zusammenhang teilte sie schriftlich mit, sie sei oft überfordert und ihr fehle vielfach die Kraft (Schreiben vom 7. September 2005). Das LRA übernahm mit Bescheid vom 20. Oktober 2005 daraufhin ausnahmsweise die Erstattung der im Zeitraum vom 10. Juli bis 30. September 2005 angefallenen Heilbehandlungskosten des Klägers. Dies sei möglich, da seine Ehefrau so erschöpft gewesen sei, die Betreuungskarte nicht als solche erkannt und versehentlich abgelegt habe. Dies sei angesichts der Schwere der beim Kläger vorliegenden Schädigungsfolgen nachvollziehbar.
Der Kläger trug ergänzend im Widerspruchsverfahren vor, seine Tochter habe sich damals an den behandelnden Arzt Dr. M. gewandt. Dieser habe einen Bundesbehandlungsschein gewollt. Seine Sprechstundenhilfe, Frau G., habe sich deswegen an die A. gewandt. Diese habe einen Zusammenhang mit der Vorerkrankung und die Ausstellung eines Bundesbehandlungsscheins abgelehnt. Deshalb sei die Behandlung über die private Krankenversicherung erfolgt und ein Antrag auf private Pflegeversicherungsleistungen gestellt worden. Die Antragsstellung bei der privaten Krankenversicherung sei aber der Anzeige bei einer gesetzlichen Krankenkasse gleichzustellen.
Auf telefonische Nachfrage teilte eine Mitarbeiterin der A. P. dem LRA am 21. Oktober 2005 mit, am 25. März 2003 sei ein Bundesbehandlungsschein für den Kläger beantragt und ausgestellt worden. Der Arzt habe diesen aber nicht benutzt. Frau G. (Sprechstundenhilfe in der Praxis Dr. M.) bestätigte das Vorbringen des Klägers. Sie habe bei der A. angerufen. Auf die Frage, ob das Behandlungsleiden über Bundesbehandlungsschein abgerechnet werden könne, habe sie inhaltlich die Auskunft erhalten, dass das Behandlungsleiden nichts mit dem Krieg zu tun habe, "das könne jeder kriegen".
Einem internen Vorschlag, dem Widerspruch abzuhelfen, wurde nicht zugestimmt. Die Sache wurde dem Regierungspräsidium (RP) zugeleitet, das mit Schreiben vom 9. November 2005 Stellung nahm und schließlich den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2005 zurückwies. Die Rechtsprechung zum OEG in Missbrauchsfällen sei mangels Vergleichbarkeit nicht anwendbar. Private Versicherungsunternehmen seien keine Sozialleistungssträger. Ein rechtswirksamer Antrag auf Pflegezulage liege deshalb nicht vor, wenn ein Antrag auf Pflegeleistung bei einem privaten Versicherungsunternehmen gestellt werde. Das Vormundschaftsgericht müsse sich vor der Bestellung eines Betreuers davon überzeugen, dass die als Betreuer vorgesehene Person für diese Aufgabe geeignet sei. Unerheblich sei, ob ein Berufsbetreuer oder ein Angehöriger bestellt werde. Von einer altersbedingten Geschäftsungewandtheit der Ehefrau des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Es sei auch für sie zu erkennen gewesen, dass entsprechende Leistungsanträge vom VA und nicht von einer Krankenkasse zu entscheiden seien. Die vorgetragenen Argumente, weshalb die Ehefrau an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen sei, wären auf alle Lebenssachverhalte übertragbar. Ein Verhinderungsgrund wäre dann nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall.
Hiergegen richtete sich die am 19. Januar 2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Der Kläger wiederholte sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und ergänzte, seine Ehefrau habe bereits die Ärzte im Klinikum P. auf das Eingreifen des VA bei Kriegsleiden hingewiesen. Diese hätten jedoch nur die Chipkarte von der A. gewollt. Auch Dr. M. habe nur privat behandeln wollen, obwohl die zuvor erfolgten Quickbestimmungen auf Bundesbehandlungsschein vorgenommen worden seien. Im Übrigen habe Dr. M. auf Bundesbehandlungsscheine verzichtet, nachdem die A. eine Ausstellung abgelehnt habe. Der spätere Hausarzt Dr. Sch. habe, nachdem das Vorliegen einer Marcumarblutung festgestanden sei, abgeraten, die Behandlung bei der A. zu verlassen, ohne auf nachteilige Folgen hinzuweisen. Der Antrag bei der A. Pflegeversicherung sei durch einen Sozialarbeiter der Klinik in P. in die Wege geleitet worden.
Der Beklagte hielt dem entgegen, die Ehefrau des Klägers habe sich in der Lage gesehen, die Betreuung zu übernehmen. Sie habe einen Antrag bei der privaten Pflegeversicherung gestellt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass sie nicht auch einfach beim VA angerufen habe, so wie es im Januar 2005 dann geschehen sei. Mit der Beantragung eines Bundesbehandlungsscheins werde keine Neufeststellung beantragt. Fraglich bliebe, ob er eingesetzt worden wäre. Der letzte Bundesbehandlungsschein sei am 8. Oktober 2002 ausgestellt worden. Dr. M. habe ohne Aktenkenntnis die Zusammenhangsfrage nicht beantworten können.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2007 wies das SG die Klage ab. Es machte sich die Argumente des Beklagten zu eigen.
Gegen den ihm am 29. Januar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28. Februar 2007 (Eingang beim SG) Berufung eingelegt. Das SG habe sich mit dem Sinn der gesetzlichen Regelung über die Zulassung verspätet gestellter Anträge nicht auseinander gesetzt. Die Parallelen zur Rechtssprechung in Missbrauchsfällen seien daher nicht gesehen worden. Da der Leistungsfall klar sei, sei eine Aufweichung der Regeln unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten. Wenn in den Missbrauchsfällen eine bewusste Nichtantragsstellung eine rückwirkende Gewährung zulasse, müsse dies auch im Falle des Nichterkennens des Betreuers möglich sein. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes müsse auch eine Meldung bei einer privaten Versicherung als ausreichend angesehen werden. Ansonsten bestünden wegen einer Benachteiligung privat Versicherter verfassungsrechtliche Bedenken. Auch seine Tochter habe sich an die A. gewandt. Diese habe es abgelehnt, einen Behandlungsschein zu schicken. Als Argument sei mitgeteilt worden, es sei nicht geklärt, ob es sich um eine Marcumarblutung gehandelt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Januar 2007 und unter Abänderung des Bescheids vom 4. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2005 zu verpflichten, die höheren Versorgungsbezüge bereits ab dem 1. Januar 2003 zu gewähren
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte wiederholt zur Erwiderung sein bisheriges Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.
Sie ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht die Erhöhung seiner Versorgungsbezüge bereits für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 zu. Insoweit erweist sich der Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2005 als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers, die eine Erhöhung der Versorgungsbezüge rechtfertigte, bereits im Januar 2003 eingetreten ist. Damals ist es wegen der Marcumartherapie, die die Folge eines kriegsbedingten Herzmuskelschadens mit Reizleitungsstörungen und absoluter Arrhythmie war, zu einer intracerebralen Blutung rechts mit Ventrikeleinbruch gekommen. Folge davon sind wiederum ein posthämmorrhagischer Hydrozephalus mit liegendem Shunt rechts, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine fast vollständige Tetraplegie, eine Dysphagie mit PEG-Sondenernährung, eine Anarthrie, eine Inkontinenz mit suprapubischer Harndauerableitung und ein wiederkehrender chronischer Schluckauf. Beim Kläger lag ab diesem Zeitpunkt - ebenfalls unstreitig - eine MdE um 100 v. H. (Erwerbsunfähigkeit) vor. Dies alles steht auch für den Senat fest.
Streitig ist allein, ob die Erhöhung der Versorgungsbezüge zum Zeitpunkt der Verschlimmerung vorgenommen werden kann, obwohl die Verschlimmerung dem LRA erst im Januar 2005 bekannt wurde und ein Formantrag erst im Februar 2005 gestellt wurde. Nach § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BVG beginnt die höhere Gewährung einer Beschädigtenversorgung mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens mit dem Antragsmonat. Nur wenn der Beschädigte ohne sein Verschulden an der Antragsstellung verhindert war, beginnt die höhere Leistung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BVG mit dem Monat, von dem an die Verhinderung nachgewiesen ist, wenn der Antrag innerhalb von 6 Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird.
Vorliegend kann es allein um die Frage der Zurechnung eines Verschuldens der im März 2003 zur Betreuerin des Klägers bestellten Ehefrau des Klägers gehen. Die grundsätzliche Zurechenbarkeit ihres Verhaltens hat der Kläger nicht bestritten. Diese ergibt sich aus den zu § 27 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie zu § 67 Abs. 1 SGG von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätzen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 67 Randnummer 3 e).
Der Senat konnte sich zwar keine Überzeugung davon verschaffen, dass die Ehefrau des Klägers bis zum Telefonat im Januar 2005 ohne Verschulden an der Antragsstellung verhindert war (dazu nachfolgend 1.). Jedoch ist der Kläger im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er den Antrag auf eine höhere Beschädigtenversorgung im Jahr 2003 gestellt (dazu nachfolgend 2.).
1. Ein Verschulden liegt dann nicht vor, wenn der Antragssteller oder sein Vertreter die nach den Umständen des Falles zu erwartende zumutbare Sorgfalt beachtet hat. Grundsätzlich gilt insoweit ein subjektiver Maßstab. Es sind insbesondere der Geisteszustand, das Alter, der Bildungsgrad und die Geschäftsgewandtheit des Antragsstellers oder seines Vertreters zu berücksichtigen. Rechtsunkenntnis schließt ein Verschulden nicht aus. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jedem Bürger gesetzliche Bestimmungen nach ihrer Veröffentlichung bekannt sind. Im Übrigen bestehen im Sozialrecht für den Bürger vielfältige Möglichkeiten, sich über seine sozialen Rechte zu informieren. Die Leistungsträger sind nach §§ 13 bis 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zur Auskunft und Beratung verpflichtet. Auskünfte können darüber hinaus in allen sozialrechtlichen Angelegenheiten auch von den gesetzlichen Krankenkassen oder den nach Landesrecht dafür zuständigen Stellen eingeholt werden. Die Medien weisen zudem regelmäßig auf den Inhalt neuer Gesetze hin. Auch die Leistungsträger veröffentlichen zum Teil wichtige Neuerungen (BSG, Urteil vom 15. August 2000 - B 9 VG 1/99 R, zitiert nach Juris, Randnummer 13).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe und Kriterien kann ein Verschulden der Ehefrau nicht ganz ausgeschlossen werden. Dabei ist jedoch zu betonen, dass ihr hinsichtlich der zunächst unterbliebenen Antragsstellung allenfalls ein leicht fahrlässiges Verhalten vorgehalten werden kann. Es ist absolut nachvollziehbar, dass die dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers seine damals bereits über 70-jährige Ehefrau durch die Pflege und die alltäglich notwendigen Regelungen an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit gebracht hat. Völlig verständlich führte die Ehefrau im Schreiben vom 7. September 2005 aus, sie sei mit den ihr gestellten Aufgaben oft überfordert und ihr fehle vielfach die Kraft für die Verhandlungen und den umfassenden Schriftverkehr mit den Krankenkassen und Ämtern. Aus der Stellungnahme von Dr. F. vom 30. Mai 2005 ergibt sich ein erheblicher Pflegeaufwand, da eine weitestgehende Tetraparese mit Restbeweglichkeiten ohne funktionelle Relevanz und teils fixierte Beugekontrakturen vorliegen. Es erfolgt eine künstliche Ernährung. Der Kläger spricht nicht, bewegt sich nicht und muss vollständig gelagert werden. Ihm ist lediglich eine inkonstant mimische Beantwortung von Fragen durch Augenzukneifen möglich. Die Pflege erfolgt im Wesentlichen durch seine Ehefrau unter Mithilfe der Kinder und eines Pflegedienstes. Unter Berücksichtigung des Alters der Ehefrau bestehen für den Senat keine Zweifel an der sich daraus ergebenden enormen körperlichen und emotionalen Belastung. Von der nicht zuletzt enormen emotionalen Belastung der Ehefrau konnte sich der Senat im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgrund der ausführlichen Schilderungen der Klägerin und des persönlichen Eindrucks klar überzeugen.
Zu bedenken ist, dass die Ehefrau des Klägers von keiner Seite, d. h. weder von Ärzten, der Sozialarbeiterin des Klinikums P. noch von der Krankenkasse (dazu s. 2.) die Anregung erhielt, einen Verschlimmerungsantrag beim LRA zu stellen. Soweit die Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausführte, sie habe durchaus mit den Ärzten über eine eventuelle Ursächlichkeit des Kriegsleidens gesprochen, hat sie glaubhaft mitgeteilt, von den Ärzten sei ein Zusammenhang verneint bzw. ihre Frage als nicht zu beantworten abgetan worden. Zudem führte die Ehefrau nachvollziehbar aus, dass sie sich diese Frage nur im Hinblick auf eine mögliche Vermeidbarkeit der Hirnblutung, nicht aber im Hinblick auf mögliche weitergehende Sozialleistungen gestellt hat.
Entgegen der Ansicht des Beklagten kann aus der Bestellung zur Betreuerin nicht automatisch auf ein Verschulden geschlossen werden. Der Senat hat wie das Amtsgericht P. keinen Zweifel an der Eignung der Ehefrau zur Ausübung der Betreuertätigkeit. Allerdings dürfen hieran keine überspannten Erwartungen gestellt werden. Zunächst einmal war es schlicht aufgrund des Umstands der bestehenden Ehe und des häuslichen Zusammenlebens naheliegend, dass die Ehefrau diese Funktion übernahm. Dass sie gleichzeitig über dementsprechende besondere Qualifikationen verfügte, kann hingegen nicht angenommen werden und war für die Bestellung auch nicht zwingende Voraussetzung. Auch bei der Zurechnung des Verschuldens des Betreuers gilt ein subjektiver Maßstab. Schließlich trug die naheliegende Bestellung zur Betreuerin auch zu der Überforderung bei, die die Ehefrau - wie oben ausgeführt - schilderte. Dass sie dieses Amt gleichwohl annahm, kann ihr nicht ernsthaft vorgehalten werden.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es jedenfalls im Ansatz nachvollziehbar, dass die Ehefrau zwar bei der privaten Pflegeversicherung einen Antrag stellte, aber nicht "durch einen einfachen Anruf beim Versorgungsamt, wie später dann am 12. Januar 2005 geschehen, die Verschlimmerung" anzeigte. Dass ein Antrag auf Pflegeversicherungsleistungen gestellt werden musste, lag Anfang 2003 auf der Hand. Es lag aus Laiensicht nahe, diesen Antrag bei der privaten Pflegeversicherung zu stellen. Zudem hat die Ehefrau die Hilfe der Sozialarbeiterin des Klinikums P. in Anspruch genommen, also fachkundigen Rat eingeholt. Die Ehefrau hat das aus ihrer Sicht zwingend Erforderliche zur Sicherstellung der pflegerischen und finanziellen Situation unternommen. Dass sie nicht an einen alternativen Leistungsträger dachte, ist angesichts der oben ausgeführten Erwägungen, jedenfalls nicht grob fahrlässig gewesen. Im Übrigen hat die Ehefrau im Januar 2005 auch nicht "einfach" wegen der Verschlimmerung angerufen, sondern weil sie auf Anforderung des Finanzamts eine Bescheinigung über die damals noch anerkannte MdE um 40 v. H. zugesandt haben wollte. Nur beiläufig stellte sich bei diesem Telefongespräch der Eintritt der Verschlimmerung des Gesundheitszustands und die Notwendigkeit eines dementsprechenden Antrags heraus. Dies bestätigt, dass die Ehefrau hinsichtlich der Bedeutung ihres Untätigbleibens bis dahin ahnungslos war. Da die Frage der Ursächlichkeit des Kriegsleides aber thematisiert worden war, kann ein gänzlich fehlendes Verschulden nicht festgestellt werden. Denn die aufgrund ihrer früheren Tätigkeit für den Kläger durchaus geschäftsgewandte Ehefrau hätte wohl doch auch daran denken können, sich in dieser Sache an das LRA zu wenden. Wegen ihrer außergewöhnlichen Belastung und den übrigen dargestellten Erwägungen lag jedoch allenfalls ein leicht fahrlässiges Verhalten vor.
2. Der vom Kläger begehrte Anspruch auf die frühere Gewährung höherer Versorgungsbezüge ergibt sich jedoch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (s. dazu u. a. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 9 VJ 2/02 R, zitiert nach Juris, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Der Tatbestand dieses richterlichen Rechtsinstituts setzt Folgendes voraus: Es muss eine Pflichtverletzung vorliegen, die dem zuständigen Leistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden sein. Durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers muss ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre. Auf ein Verschulden der Behörde kommt es nicht an. Dementsprechend ist bei einem Mitverschulden des Betroffenen nur zu prüfen, ob diesem Mitverschulden gegenüber Fehlern der Behörde eine überwiegende Bedeutung zukommt. Da die Behörde mit ihren vielfältigen Möglichkeiten und Kenntnissen dem Bürger Hilfestellungen geben soll, während der Bürger dieser Situation meist unerfahren gegenüber steht, muss jedenfalls bei einfacher Fahrlässigkeit dem Behördenfehler Übergewicht zugemessen werden (Gagel, Der Herstellungsanspruch, SGb 2000, 517, 521).
Vorliegend hat die Ehefrau des Klägers, vermittelt über die Arzthelferin Frau G., eine nicht sachgerechte Information der A. über den Zusammenhang des im Januar 2003 neu aufgetretenen Behandlungsleidens mit dem Kriegsleiden erhalten. Von Seiten der Krankenkasse wurde sinngemäß eine Auswirkung auf die Beschädigtenversorgung mit der lapidaren Begründung, das könne jeder bekommen, abgelehnt. An dem Vorbringen des Klägers zu den Informationen, die Frau G. erhalten hat, hat der Senat keine Zweifel. Auch der Beklagte hat dies nicht in Frage gestellt. Mit dieser, im Ergebnis unzutreffenden Information, hat die Sachbearbeiterin ihre Kompetenzen überschritten. Denn zur Prüfung des Zusammenhangs war sie im Rahmen eines Telefonats nicht in der Lage. Sie hätte vielmehr darauf hinweisen müssen, sich zur weiteren Abklärung an das zuständige LRA zu wenden. Der Beklagte hat für das Fehlverhalten dieser Krankenkassenmitarbeiterin einzustehen. Denn die Krankenkasse ist eine nach § 15 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) für die Auskunft über alle sozialen Angelegenheiten zuständige Stelle. Zudem hat sich der Beklagte der hier angesprochenen A. in der Vergangenheit, wie sich aus der Ausstellung der Bundesbehandlungsscheine ergibt, für die Leistungserbringung bedient. Der Senat geht davon aus, dass sich die Ehefrau des Klägers bei einem entsprechenden Hinweis der Krankenkasse noch im Jahr 2003 an das LRA gewandt hätte. Der durch die Versäumung der rechzeitigen Antragsstellung entstandene Nachteil wäre somit nicht eingetreten. Das allenfalls leichte Mitverschulden der Ehefrau (s. o.) ist von untergeordneter Bedeutung. Der Kläger ist daher so zu stellen, wie wenn er rechtzeitig den Erhöhungsantrag gestellt hätte. Der Beginn der höheren Leistungen ist auf Januar 2003 vorzuverlagern.
Nicht entscheidungserheblich ist somit die Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BSG zur Zurechenbarkeit des Verschuldens des gesetzlichen Vertreters in Fällen der Entschädigung minderjähriger Gewaltopfer (Urteil vom 28. April 2005, B 9 a/9 VG 1/04 R, zitiert nach Juris). Allerdings dürfte insoweit die Auffassung des Beklagten, die vom BSG für die Nichtzurechnung des Verschuldens des Vertreters herangezogene Konfliktlage sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, zutreffend sein. Auf die Frage der Anwendbarkeit des § 16 SGB 1 bei Anträgen, die bei privaten Versicherungsunternehmen eingehen, kommt es ebenfalls nicht an.
Anzumerken ist, dass die hier getroffene Entscheidung im Ergebnis mit der Einschätzung des LRA im Bescheid vom 20. Oktober 2005 über die Erstattung von Heilbehandlungskosten übereinstimmt. Dort wurde angenommen, dass die Ehefrau des Klägers so erschöpft gewesen sei, dass sie die Betreuungskarte nicht als solche erkannt und versehentlich abgelegt habe. Dies wurde angesichts der Schwere der bei ihrem Ehemann vorliegenden Schädigungsfolgen für nachvollziehbar erachtet.
Der Berufung war mithin stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Neufeststellung der Versorgungsbezüge des Klägers bereits bezogen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Verschlimmerung am 6. Januar 2003 anstatt erst zum 1. Januar 2005 zu erfolgen hat.
Der im Jahr 1928 geborene Kläger war bis zum Verkauf seiner Praxis im Jahr 1998 als Allgemeinarzt tätig. Er ist privat kranken- und pflegeversichert. Im Jahr 1944 hatte er sich als Wehrmachtsangehöriger eine Lungentuberkulose zugezogen, die im Jahr 1945 zu Komplikationen in Form einer Herzbeutel- und Rippenfellentzündung geführt hat. Mit vorläufigem Bescheid vom 27. November 1946 hatte das damalige Versorgungsamt K. (VA) eine aktive Tuberkulose der Lungenwurzeldrüsen mit Streuung in der Lunge und Schwartenbildung als Wehrdienstbeschädigung anerkannt. Wegen einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse erging am 25. Januar 1949 von Amts wegen ein Bescheid nach dem Körperbeschädigten-Leistungsgesetz (KBLG), in dem nur noch ein Herzmuskelschaden mit einer hierdurch bedingten teilweisen Erwerbsunfähigkeit um 30 von Hundert (v. H.) anerkannt wurde. Mit dem Umanerkennungsbescheid vom 25. Juni 1952 wurde dem Kläger unter beibehaltener Bezeichnung des Schädigungsleidens Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v. H. bewilligt. Nach einer Verschlechterung des Gesundheitszustands anerkannte das VA mit Bescheid vom 8. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 1998 in der Fassung des Ausführungsbescheids vom 14. Oktober 1998 als Schädigungsfolge einen Herzmuskelschaden mit Reizleitungsstörungen und eine absolute Arrhythmie mit dadurch bedingter Marcumarbehandlung sowie eine dadurch bedingte MdE um 40 v. H. gemäß § 30 Abs. 1 BVG. Ein deswegen vom Kläger anhängig gemachtes Klageverfahren endete mit der Rücknahme der Berufung durch den Kläger am 15. März 2001.
Am 6. Januar 2003 erlitt der Kläger eine intracerebrale Blutung und geriet dadurch in einen komatösen Zustand, der bis heute im Wesentlichen fortbesteht. Bis zum 28. Februar 2003 wurde er stationär im Städtischen Klinikum P., nachfolgend stationär bis 11. März 2003 in der Klinik Ö. behandelt. Dann folgte die Entlassung in die häusliche Pflege, die von der Ehefrau des Klägers, die mit Beschluss des Amtsgerichts P. vom 21. Februar 2003 zur Betreuerin bestellt worden war, weiteren Familienangehörigen, der Sozialstation und sonstigen Hilfskräften erbracht wird. Während einer stationären rehabilitativen Behandlung im Therapiezentrum B. vom 13. Januar bis 15. März 2004 konnte eine leichte Besserung des Zustands des Klägers erzielt werden (ärztlicher Abschlussbericht von Dr. L. vom 26. März 2004).
Am 12. Januar 2005 meldete sich die Ehefrau des Klägers telefonisch beim zwischenzeitlich zuständig gewordenen Landratsamt E. (LRA), da sie eine Bescheinigung über die Höhe der MdE für das Finanzamt benötigte. Im Rahmen dieses Gesprächs wurde der Mitarbeiterin des LRA die massive Verschlechterung des Zustands des Klägers im Jahr 2003 bekannt. Am 7. Februar 2005 ging der aufgrund des eben genannten Telefonats übersandte Formantrag auf höhere Versorgungsleistungen beim LRA ein. Gleichzeitig stellte die Ehefrau des Klägers einen formlosen Antrag auf die Gewährung einer Pflegezulage. Das LRA holte einen Befundbericht von Dr. L. (Facharzt für Innere Medizin, Naturheilverfahren) ein und zog weitere medizinische Unterlagen bei. Nach Auswertung dieser Unterlagen sowie aufgrund eines eigenen Hausbesuchs erstellte Dr. F. die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 30. Mai 2005. Darin führte sie unter anderem aus, die Ehefrau des Klägers sei über einen möglichen Zusammenhang der Hirnblutung mit dem Versorgungsleiden nicht unterrichtet gewesen. Außerdem sei sie durch die Pflege und die alltäglich notwendigen Regelungen bis an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit gefordert gewesen. Die spezielle Situation des handlungsunfähig gewordenen Geschädigten sollte berücksichtigt werden. Die Antragsstellung wäre bei einer Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Kranken- und Pflegekasse sicher früher und auf anderem Wege erfolgt.
Wegen der zu erwartenden Rückabwicklung der Leistungen der privaten Pflegeversicherung bat die Ehefrau des Klägers das LRA am 27. Juni 2005 darum, direkt mit der privaten Pflegeversicherung Kontakt aufzunehmen, da sie mit dem "Papierkram" überfordert sei.
Mit dem Neufeststellungsbescheid vom 4. Juli 2005 anerkannte das LRA als Schädigungsfolgen mit Wirkung ab 1. Januar 2005 einen Herzmuskelschaden mit Reizleitungsstörungen und absoluter Arrhythmie, einen Folgezustand nach intracerebraler Blutung rechts mit Ventrikeleinbruch unter Marcumartherapie, einen posthämorrhagischen Hydrocephalus mit liegendem ventrikuloperitonealem Shunt rechts, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine fast vollständige Tetraplegie, eine Dysphagie mit PEG-Sondenernährung, eine Anarthrie, eine Inkontinenz mit suprapubischer Harndauerableitung und einen wiederkehrenden chronischen Schluckauf. Sie stellte die Grundrente bei Erwerbsunfähigkeit sowie einen Anspruch auf Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe VI, Pflegezulage nach Stufe VI, die volle Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag jeweils ab 1. Januar 2005 fest. Die Neufeststellung erfolge ab dem Monat, in dem die Verschlimmerung dem LRA bekannt geworden sei. Eine weiter zurück wirkende Gewährung komme nicht in Betracht. Zwar sei der Kläger an der Antragsstellung gehindert gewesen. Seine Ehefrau hätte jedoch als Betreuerin den Antrag jederzeit stellen können. Es sei unerheblich, dass sie einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Erkrankung und dem Kriegsleiden nicht erkannt habe.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 29. Juli 2005. Er trug vor, er sei bis zur Bestellung der Betreuung gehindert gewesen, einen Antrag zu stellen. Seine Betreuerin sei 72 Jahre alt, sie sei in der ersten Zeit mit ihm in verschiedenen Einrichtungen gewesen und habe Pflegekurse besucht. Sie sei objektiv nicht in der Lage gewesen, den Antrag zu stellen. Es sei zu beachten, dass sie keine Berufsbetreuerin sei. Die Ausschlussfrist erfülle hier nicht ihren eigentlichen Zweck, unklare vergangene Sachverhalte auf sich beruhen zu lassen und einem Missbrauch vorzubeugen. Die Beurteilung der Vergangenheit sei hier nicht schwer. Es hätte unzweifelhaft ein Leistungsanspruch bestanden. Der Kläger verwies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu versäumten Antragsfristen in Missbrauchsfällen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Seine Ehefrau habe die rechtlichen Zusammenhänge nicht überblicken können. Mögliche Fehler könnten ihm nicht zugerechnet werden. Die derzeitigen Einnahmen würden nicht ausreichen, um die Betreuung und die Pflege sicher zu stellen.
Im September 2005 stellte sich heraus, dass die Ehefrau des Klägers Heilbehandlungskosten selbst getragen hatte, anstatt die über die A. zugesandte Betreuungskarte zu benutzen. Telefonisch hatte sie mitgeteilt, gedacht zu haben, sie erhalte noch Bundesbehandlungsscheine von der A. zugesandt. In diesem Zusammenhang teilte sie schriftlich mit, sie sei oft überfordert und ihr fehle vielfach die Kraft (Schreiben vom 7. September 2005). Das LRA übernahm mit Bescheid vom 20. Oktober 2005 daraufhin ausnahmsweise die Erstattung der im Zeitraum vom 10. Juli bis 30. September 2005 angefallenen Heilbehandlungskosten des Klägers. Dies sei möglich, da seine Ehefrau so erschöpft gewesen sei, die Betreuungskarte nicht als solche erkannt und versehentlich abgelegt habe. Dies sei angesichts der Schwere der beim Kläger vorliegenden Schädigungsfolgen nachvollziehbar.
Der Kläger trug ergänzend im Widerspruchsverfahren vor, seine Tochter habe sich damals an den behandelnden Arzt Dr. M. gewandt. Dieser habe einen Bundesbehandlungsschein gewollt. Seine Sprechstundenhilfe, Frau G., habe sich deswegen an die A. gewandt. Diese habe einen Zusammenhang mit der Vorerkrankung und die Ausstellung eines Bundesbehandlungsscheins abgelehnt. Deshalb sei die Behandlung über die private Krankenversicherung erfolgt und ein Antrag auf private Pflegeversicherungsleistungen gestellt worden. Die Antragsstellung bei der privaten Krankenversicherung sei aber der Anzeige bei einer gesetzlichen Krankenkasse gleichzustellen.
Auf telefonische Nachfrage teilte eine Mitarbeiterin der A. P. dem LRA am 21. Oktober 2005 mit, am 25. März 2003 sei ein Bundesbehandlungsschein für den Kläger beantragt und ausgestellt worden. Der Arzt habe diesen aber nicht benutzt. Frau G. (Sprechstundenhilfe in der Praxis Dr. M.) bestätigte das Vorbringen des Klägers. Sie habe bei der A. angerufen. Auf die Frage, ob das Behandlungsleiden über Bundesbehandlungsschein abgerechnet werden könne, habe sie inhaltlich die Auskunft erhalten, dass das Behandlungsleiden nichts mit dem Krieg zu tun habe, "das könne jeder kriegen".
Einem internen Vorschlag, dem Widerspruch abzuhelfen, wurde nicht zugestimmt. Die Sache wurde dem Regierungspräsidium (RP) zugeleitet, das mit Schreiben vom 9. November 2005 Stellung nahm und schließlich den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2005 zurückwies. Die Rechtsprechung zum OEG in Missbrauchsfällen sei mangels Vergleichbarkeit nicht anwendbar. Private Versicherungsunternehmen seien keine Sozialleistungssträger. Ein rechtswirksamer Antrag auf Pflegezulage liege deshalb nicht vor, wenn ein Antrag auf Pflegeleistung bei einem privaten Versicherungsunternehmen gestellt werde. Das Vormundschaftsgericht müsse sich vor der Bestellung eines Betreuers davon überzeugen, dass die als Betreuer vorgesehene Person für diese Aufgabe geeignet sei. Unerheblich sei, ob ein Berufsbetreuer oder ein Angehöriger bestellt werde. Von einer altersbedingten Geschäftsungewandtheit der Ehefrau des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Es sei auch für sie zu erkennen gewesen, dass entsprechende Leistungsanträge vom VA und nicht von einer Krankenkasse zu entscheiden seien. Die vorgetragenen Argumente, weshalb die Ehefrau an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert gewesen sei, wären auf alle Lebenssachverhalte übertragbar. Ein Verhinderungsgrund wäre dann nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall.
Hiergegen richtete sich die am 19. Januar 2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Der Kläger wiederholte sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und ergänzte, seine Ehefrau habe bereits die Ärzte im Klinikum P. auf das Eingreifen des VA bei Kriegsleiden hingewiesen. Diese hätten jedoch nur die Chipkarte von der A. gewollt. Auch Dr. M. habe nur privat behandeln wollen, obwohl die zuvor erfolgten Quickbestimmungen auf Bundesbehandlungsschein vorgenommen worden seien. Im Übrigen habe Dr. M. auf Bundesbehandlungsscheine verzichtet, nachdem die A. eine Ausstellung abgelehnt habe. Der spätere Hausarzt Dr. Sch. habe, nachdem das Vorliegen einer Marcumarblutung festgestanden sei, abgeraten, die Behandlung bei der A. zu verlassen, ohne auf nachteilige Folgen hinzuweisen. Der Antrag bei der A. Pflegeversicherung sei durch einen Sozialarbeiter der Klinik in P. in die Wege geleitet worden.
Der Beklagte hielt dem entgegen, die Ehefrau des Klägers habe sich in der Lage gesehen, die Betreuung zu übernehmen. Sie habe einen Antrag bei der privaten Pflegeversicherung gestellt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass sie nicht auch einfach beim VA angerufen habe, so wie es im Januar 2005 dann geschehen sei. Mit der Beantragung eines Bundesbehandlungsscheins werde keine Neufeststellung beantragt. Fraglich bliebe, ob er eingesetzt worden wäre. Der letzte Bundesbehandlungsschein sei am 8. Oktober 2002 ausgestellt worden. Dr. M. habe ohne Aktenkenntnis die Zusammenhangsfrage nicht beantworten können.
Mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2007 wies das SG die Klage ab. Es machte sich die Argumente des Beklagten zu eigen.
Gegen den ihm am 29. Januar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28. Februar 2007 (Eingang beim SG) Berufung eingelegt. Das SG habe sich mit dem Sinn der gesetzlichen Regelung über die Zulassung verspätet gestellter Anträge nicht auseinander gesetzt. Die Parallelen zur Rechtssprechung in Missbrauchsfällen seien daher nicht gesehen worden. Da der Leistungsfall klar sei, sei eine Aufweichung der Regeln unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten. Wenn in den Missbrauchsfällen eine bewusste Nichtantragsstellung eine rückwirkende Gewährung zulasse, müsse dies auch im Falle des Nichterkennens des Betreuers möglich sein. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes müsse auch eine Meldung bei einer privaten Versicherung als ausreichend angesehen werden. Ansonsten bestünden wegen einer Benachteiligung privat Versicherter verfassungsrechtliche Bedenken. Auch seine Tochter habe sich an die A. gewandt. Diese habe es abgelehnt, einen Behandlungsschein zu schicken. Als Argument sei mitgeteilt worden, es sei nicht geklärt, ob es sich um eine Marcumarblutung gehandelt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Januar 2007 und unter Abänderung des Bescheids vom 4. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2005 zu verpflichten, die höheren Versorgungsbezüge bereits ab dem 1. Januar 2003 zu gewähren
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte wiederholt zur Erwiderung sein bisheriges Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.
Sie ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht die Erhöhung seiner Versorgungsbezüge bereits für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 zu. Insoweit erweist sich der Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2005 als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers, die eine Erhöhung der Versorgungsbezüge rechtfertigte, bereits im Januar 2003 eingetreten ist. Damals ist es wegen der Marcumartherapie, die die Folge eines kriegsbedingten Herzmuskelschadens mit Reizleitungsstörungen und absoluter Arrhythmie war, zu einer intracerebralen Blutung rechts mit Ventrikeleinbruch gekommen. Folge davon sind wiederum ein posthämmorrhagischer Hydrozephalus mit liegendem Shunt rechts, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine fast vollständige Tetraplegie, eine Dysphagie mit PEG-Sondenernährung, eine Anarthrie, eine Inkontinenz mit suprapubischer Harndauerableitung und ein wiederkehrender chronischer Schluckauf. Beim Kläger lag ab diesem Zeitpunkt - ebenfalls unstreitig - eine MdE um 100 v. H. (Erwerbsunfähigkeit) vor. Dies alles steht auch für den Senat fest.
Streitig ist allein, ob die Erhöhung der Versorgungsbezüge zum Zeitpunkt der Verschlimmerung vorgenommen werden kann, obwohl die Verschlimmerung dem LRA erst im Januar 2005 bekannt wurde und ein Formantrag erst im Februar 2005 gestellt wurde. Nach § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BVG beginnt die höhere Gewährung einer Beschädigtenversorgung mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens mit dem Antragsmonat. Nur wenn der Beschädigte ohne sein Verschulden an der Antragsstellung verhindert war, beginnt die höhere Leistung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BVG mit dem Monat, von dem an die Verhinderung nachgewiesen ist, wenn der Antrag innerhalb von 6 Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird.
Vorliegend kann es allein um die Frage der Zurechnung eines Verschuldens der im März 2003 zur Betreuerin des Klägers bestellten Ehefrau des Klägers gehen. Die grundsätzliche Zurechenbarkeit ihres Verhaltens hat der Kläger nicht bestritten. Diese ergibt sich aus den zu § 27 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie zu § 67 Abs. 1 SGG von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätzen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 67 Randnummer 3 e).
Der Senat konnte sich zwar keine Überzeugung davon verschaffen, dass die Ehefrau des Klägers bis zum Telefonat im Januar 2005 ohne Verschulden an der Antragsstellung verhindert war (dazu nachfolgend 1.). Jedoch ist der Kläger im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er den Antrag auf eine höhere Beschädigtenversorgung im Jahr 2003 gestellt (dazu nachfolgend 2.).
1. Ein Verschulden liegt dann nicht vor, wenn der Antragssteller oder sein Vertreter die nach den Umständen des Falles zu erwartende zumutbare Sorgfalt beachtet hat. Grundsätzlich gilt insoweit ein subjektiver Maßstab. Es sind insbesondere der Geisteszustand, das Alter, der Bildungsgrad und die Geschäftsgewandtheit des Antragsstellers oder seines Vertreters zu berücksichtigen. Rechtsunkenntnis schließt ein Verschulden nicht aus. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jedem Bürger gesetzliche Bestimmungen nach ihrer Veröffentlichung bekannt sind. Im Übrigen bestehen im Sozialrecht für den Bürger vielfältige Möglichkeiten, sich über seine sozialen Rechte zu informieren. Die Leistungsträger sind nach §§ 13 bis 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zur Auskunft und Beratung verpflichtet. Auskünfte können darüber hinaus in allen sozialrechtlichen Angelegenheiten auch von den gesetzlichen Krankenkassen oder den nach Landesrecht dafür zuständigen Stellen eingeholt werden. Die Medien weisen zudem regelmäßig auf den Inhalt neuer Gesetze hin. Auch die Leistungsträger veröffentlichen zum Teil wichtige Neuerungen (BSG, Urteil vom 15. August 2000 - B 9 VG 1/99 R, zitiert nach Juris, Randnummer 13).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe und Kriterien kann ein Verschulden der Ehefrau nicht ganz ausgeschlossen werden. Dabei ist jedoch zu betonen, dass ihr hinsichtlich der zunächst unterbliebenen Antragsstellung allenfalls ein leicht fahrlässiges Verhalten vorgehalten werden kann. Es ist absolut nachvollziehbar, dass die dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers seine damals bereits über 70-jährige Ehefrau durch die Pflege und die alltäglich notwendigen Regelungen an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit gebracht hat. Völlig verständlich führte die Ehefrau im Schreiben vom 7. September 2005 aus, sie sei mit den ihr gestellten Aufgaben oft überfordert und ihr fehle vielfach die Kraft für die Verhandlungen und den umfassenden Schriftverkehr mit den Krankenkassen und Ämtern. Aus der Stellungnahme von Dr. F. vom 30. Mai 2005 ergibt sich ein erheblicher Pflegeaufwand, da eine weitestgehende Tetraparese mit Restbeweglichkeiten ohne funktionelle Relevanz und teils fixierte Beugekontrakturen vorliegen. Es erfolgt eine künstliche Ernährung. Der Kläger spricht nicht, bewegt sich nicht und muss vollständig gelagert werden. Ihm ist lediglich eine inkonstant mimische Beantwortung von Fragen durch Augenzukneifen möglich. Die Pflege erfolgt im Wesentlichen durch seine Ehefrau unter Mithilfe der Kinder und eines Pflegedienstes. Unter Berücksichtigung des Alters der Ehefrau bestehen für den Senat keine Zweifel an der sich daraus ergebenden enormen körperlichen und emotionalen Belastung. Von der nicht zuletzt enormen emotionalen Belastung der Ehefrau konnte sich der Senat im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgrund der ausführlichen Schilderungen der Klägerin und des persönlichen Eindrucks klar überzeugen.
Zu bedenken ist, dass die Ehefrau des Klägers von keiner Seite, d. h. weder von Ärzten, der Sozialarbeiterin des Klinikums P. noch von der Krankenkasse (dazu s. 2.) die Anregung erhielt, einen Verschlimmerungsantrag beim LRA zu stellen. Soweit die Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausführte, sie habe durchaus mit den Ärzten über eine eventuelle Ursächlichkeit des Kriegsleidens gesprochen, hat sie glaubhaft mitgeteilt, von den Ärzten sei ein Zusammenhang verneint bzw. ihre Frage als nicht zu beantworten abgetan worden. Zudem führte die Ehefrau nachvollziehbar aus, dass sie sich diese Frage nur im Hinblick auf eine mögliche Vermeidbarkeit der Hirnblutung, nicht aber im Hinblick auf mögliche weitergehende Sozialleistungen gestellt hat.
Entgegen der Ansicht des Beklagten kann aus der Bestellung zur Betreuerin nicht automatisch auf ein Verschulden geschlossen werden. Der Senat hat wie das Amtsgericht P. keinen Zweifel an der Eignung der Ehefrau zur Ausübung der Betreuertätigkeit. Allerdings dürfen hieran keine überspannten Erwartungen gestellt werden. Zunächst einmal war es schlicht aufgrund des Umstands der bestehenden Ehe und des häuslichen Zusammenlebens naheliegend, dass die Ehefrau diese Funktion übernahm. Dass sie gleichzeitig über dementsprechende besondere Qualifikationen verfügte, kann hingegen nicht angenommen werden und war für die Bestellung auch nicht zwingende Voraussetzung. Auch bei der Zurechnung des Verschuldens des Betreuers gilt ein subjektiver Maßstab. Schließlich trug die naheliegende Bestellung zur Betreuerin auch zu der Überforderung bei, die die Ehefrau - wie oben ausgeführt - schilderte. Dass sie dieses Amt gleichwohl annahm, kann ihr nicht ernsthaft vorgehalten werden.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es jedenfalls im Ansatz nachvollziehbar, dass die Ehefrau zwar bei der privaten Pflegeversicherung einen Antrag stellte, aber nicht "durch einen einfachen Anruf beim Versorgungsamt, wie später dann am 12. Januar 2005 geschehen, die Verschlimmerung" anzeigte. Dass ein Antrag auf Pflegeversicherungsleistungen gestellt werden musste, lag Anfang 2003 auf der Hand. Es lag aus Laiensicht nahe, diesen Antrag bei der privaten Pflegeversicherung zu stellen. Zudem hat die Ehefrau die Hilfe der Sozialarbeiterin des Klinikums P. in Anspruch genommen, also fachkundigen Rat eingeholt. Die Ehefrau hat das aus ihrer Sicht zwingend Erforderliche zur Sicherstellung der pflegerischen und finanziellen Situation unternommen. Dass sie nicht an einen alternativen Leistungsträger dachte, ist angesichts der oben ausgeführten Erwägungen, jedenfalls nicht grob fahrlässig gewesen. Im Übrigen hat die Ehefrau im Januar 2005 auch nicht "einfach" wegen der Verschlimmerung angerufen, sondern weil sie auf Anforderung des Finanzamts eine Bescheinigung über die damals noch anerkannte MdE um 40 v. H. zugesandt haben wollte. Nur beiläufig stellte sich bei diesem Telefongespräch der Eintritt der Verschlimmerung des Gesundheitszustands und die Notwendigkeit eines dementsprechenden Antrags heraus. Dies bestätigt, dass die Ehefrau hinsichtlich der Bedeutung ihres Untätigbleibens bis dahin ahnungslos war. Da die Frage der Ursächlichkeit des Kriegsleides aber thematisiert worden war, kann ein gänzlich fehlendes Verschulden nicht festgestellt werden. Denn die aufgrund ihrer früheren Tätigkeit für den Kläger durchaus geschäftsgewandte Ehefrau hätte wohl doch auch daran denken können, sich in dieser Sache an das LRA zu wenden. Wegen ihrer außergewöhnlichen Belastung und den übrigen dargestellten Erwägungen lag jedoch allenfalls ein leicht fahrlässiges Verhalten vor.
2. Der vom Kläger begehrte Anspruch auf die frühere Gewährung höherer Versorgungsbezüge ergibt sich jedoch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (s. dazu u. a. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003, B 9 VJ 2/02 R, zitiert nach Juris, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Der Tatbestand dieses richterlichen Rechtsinstituts setzt Folgendes voraus: Es muss eine Pflichtverletzung vorliegen, die dem zuständigen Leistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden sein. Durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers muss ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre. Auf ein Verschulden der Behörde kommt es nicht an. Dementsprechend ist bei einem Mitverschulden des Betroffenen nur zu prüfen, ob diesem Mitverschulden gegenüber Fehlern der Behörde eine überwiegende Bedeutung zukommt. Da die Behörde mit ihren vielfältigen Möglichkeiten und Kenntnissen dem Bürger Hilfestellungen geben soll, während der Bürger dieser Situation meist unerfahren gegenüber steht, muss jedenfalls bei einfacher Fahrlässigkeit dem Behördenfehler Übergewicht zugemessen werden (Gagel, Der Herstellungsanspruch, SGb 2000, 517, 521).
Vorliegend hat die Ehefrau des Klägers, vermittelt über die Arzthelferin Frau G., eine nicht sachgerechte Information der A. über den Zusammenhang des im Januar 2003 neu aufgetretenen Behandlungsleidens mit dem Kriegsleiden erhalten. Von Seiten der Krankenkasse wurde sinngemäß eine Auswirkung auf die Beschädigtenversorgung mit der lapidaren Begründung, das könne jeder bekommen, abgelehnt. An dem Vorbringen des Klägers zu den Informationen, die Frau G. erhalten hat, hat der Senat keine Zweifel. Auch der Beklagte hat dies nicht in Frage gestellt. Mit dieser, im Ergebnis unzutreffenden Information, hat die Sachbearbeiterin ihre Kompetenzen überschritten. Denn zur Prüfung des Zusammenhangs war sie im Rahmen eines Telefonats nicht in der Lage. Sie hätte vielmehr darauf hinweisen müssen, sich zur weiteren Abklärung an das zuständige LRA zu wenden. Der Beklagte hat für das Fehlverhalten dieser Krankenkassenmitarbeiterin einzustehen. Denn die Krankenkasse ist eine nach § 15 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) für die Auskunft über alle sozialen Angelegenheiten zuständige Stelle. Zudem hat sich der Beklagte der hier angesprochenen A. in der Vergangenheit, wie sich aus der Ausstellung der Bundesbehandlungsscheine ergibt, für die Leistungserbringung bedient. Der Senat geht davon aus, dass sich die Ehefrau des Klägers bei einem entsprechenden Hinweis der Krankenkasse noch im Jahr 2003 an das LRA gewandt hätte. Der durch die Versäumung der rechzeitigen Antragsstellung entstandene Nachteil wäre somit nicht eingetreten. Das allenfalls leichte Mitverschulden der Ehefrau (s. o.) ist von untergeordneter Bedeutung. Der Kläger ist daher so zu stellen, wie wenn er rechtzeitig den Erhöhungsantrag gestellt hätte. Der Beginn der höheren Leistungen ist auf Januar 2003 vorzuverlagern.
Nicht entscheidungserheblich ist somit die Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BSG zur Zurechenbarkeit des Verschuldens des gesetzlichen Vertreters in Fällen der Entschädigung minderjähriger Gewaltopfer (Urteil vom 28. April 2005, B 9 a/9 VG 1/04 R, zitiert nach Juris). Allerdings dürfte insoweit die Auffassung des Beklagten, die vom BSG für die Nichtzurechnung des Verschuldens des Vertreters herangezogene Konfliktlage sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, zutreffend sein. Auf die Frage der Anwendbarkeit des § 16 SGB 1 bei Anträgen, die bei privaten Versicherungsunternehmen eingehen, kommt es ebenfalls nicht an.
Anzumerken ist, dass die hier getroffene Entscheidung im Ergebnis mit der Einschätzung des LRA im Bescheid vom 20. Oktober 2005 über die Erstattung von Heilbehandlungskosten übereinstimmt. Dort wurde angenommen, dass die Ehefrau des Klägers so erschöpft gewesen sei, dass sie die Betreuungskarte nicht als solche erkannt und versehentlich abgelegt habe. Dies wurde angesichts der Schwere der bei ihrem Ehemann vorliegenden Schädigungsfolgen für nachvollziehbar erachtet.
Der Berufung war mithin stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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