Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 4575/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 1518/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. März 2008 werden zurückgewiesen.
Die weitergehenden Klagen werden abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger stehen im dauernden Leistungsbezug bei der Beklagten zu 2. als zuständigem Träger der Leistungen nach dem Sozialgesetzuch Zweites Buch (SGB II). Zuletzt wurden ihnen und den zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kindern David und Jaqueline durch Bescheid der Beklagten zu 2. vom 27. November 2007 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2008 in Höhe von monatlich 1097,08 EUR bewilligt. Dieser Bescheid wurde unanfechtbar.
Der Kläger zu 1. meldete sich schon im Oktober 2007 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) und gab an, ihm seien mehrere Fälle bekannt, in denen Personen aus seinem Bekanntenkreis seiner Auffassung nach zu Unrecht Sozialleistungen erhalten hätten. Dieses Schreiben wurde nicht als Klage gewertet, sondern durch die Gerichtsverwaltung mit dem ausführlichen Hinweis zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage beantwortet.
Am 19. Dezember 2007 hat sich der Kläger zu 1. erneut an das SG gewandt und nun "Klage gegen das Arbeitsamt Tauberbischofsheim wegen Unterschlagung, Beihilfe zur Verwahrlosung einer Wohnung und Verschleuderung von Steuergeldern" erhoben. Zur Begründung hat er die genannten Fälle, in denen andere Personen zu hohe Leistungen erhalten haben sollen, wiederholt.
Seine Ehefrau U. B. , die Klägerin zu 2. betreffend hat der Kläger zu 1. außerdem gegen das "Arbeitsamt Tauberbischofsheim" Klage erhoben wegen schriftlich dargelegter Verleumdung. Diese Verleumdung der Ehefrau sei dadurch geschehen, dass deren Blut im Rahmen der ärztlichen Untersuchung auch auf Alkoholmarker untersucht worden sei. Den entsprechenden Laborbefund legte der Kläger bei. Am 24. Januar 2008 legte der Kläger zu 1. eine auf ihn ausgestellte Vollmacht der Klägerin zu 2. vor. Außerdem machte der Kläger folgendes Begehren geltend: "Wir vermuten, dass uns das Arbeitsamt seit dem Jahr 2001 pro Monat um 200 EUR bescheißen tut. Bitte fordern Sie meine Akte an und prüfen Sie, ob meine Vermutung richtig ist." Es errechne sich eine Gesamtforderung von 16.400 EUR.
Die Beklagte zu 1. äußerte sich zur Sache nicht, da die Kläger dort nicht im Leistungsbezug stehen. Die Beklagte zu 2. äußerte sich dahin gehend, es sei kein Widerspruchsverfahren anhängig, sondern seit 17. Januar 2008 lediglich ein Antrag auf Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs für die Klägerin zu 2 ...
Mit Gerichtsbescheid vom 4. März 2008 hat das SG die Klagen als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, den Klagen gegen die Beklagten wegen zu hoher Leistungen an andere Personen beziehungsweise wegen mangelnden Eingreifens bei Missständen fehle schon das Rechtsschutzbedürfnis. Eine Verletzung der Kläger in eigenen Rechten durch einen solchen Sachverhalt sei nicht denkbar.
Was die Klagen wegen schriftlich dargelegter Verleumdung der Klägerin zu 2. angehe, die der Kläger einerseits aus eigenen Rechten und außerdem als Vertreter für seine Ehefrau geltend mache, so sei schon nicht ersichtlich, was die Kläger vom Gericht deshalb begehrten. Eine Anfechtungsklage scheide mangels eines Verwaltungsakts aus. Sinnvoll könne ein Antrag dahingehend sein, dass die Klägerin zu 2. von den Beklagten die Unterlassung der Behauptung begehre, Alkoholikerin zu sein. Hierfür fehle aber schon das Rechtsschutzbedürfnis, da eine solche Behauptung den objektiven Unterlagen nicht entnommen werden könne. Auch bei aufmerksamster Lektüre des vorgelegten Befundberichts sei nicht vorstellbar, weshalb sich die Kläger durch diesen zur Hälfte aus objektiven Messwerten bestehenden Laborbericht beleidigt fühlen sollten. Aus dem Laborbericht sei deutlich ersichtlich, dass alle Blutwerte der Klägerin zu 2., die auf vermehrten Alkoholkonsum deuten würden, im Normalbereich lägen. Es sei also nicht ersichtlich, wie aus diesem Bericht herausgelesen werden könne, dass die Klägerin zu 2. vermehrt Alkohol konsumiere. Im Gegenteil, hierfür gebe es gerade keinerlei Anzeichen.
Soweit die Klägerin zu 2. im Rahmen der Untersuchung oder im Rahmen von Terminen von Bediensteten unkorrekt behandelt worden sein sollte, sei eine Klage diesbezüglich ebenfalls unzulässig. Hierfür wäre die Dienstaufsicht zuständig. Soweit die Kläger die Überprüfung der an die Familie gezahlten Sozialleistungen seit 2001 mit der Begründung begehrten, sie hätten den Verdacht, dass 200 EUR pro Monat zu wenig bezahlt worden seien, sei die Klage mangels diesbezüglich durchgeführten Vorverfahrens ebenfalls unzulässig. Das Gericht könne nur dann tätig werden, wenn hinsichtlich der abgeschlossenen Zeiträume, in denen Leistungen nach bestandskräftiger Bewilligung Leistungen gewährt worden seien, beim jeweiligen zuständigen Leistungsträger zunächst ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt worden wäre. Ein solcher Antrag hätte nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Leistungsträger entweder das Recht falsch angewendet hätte oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen wäre. Nach einer ablehnenden Entscheidung hierüber hätten die Kläger fristgerecht Widerspruch zu erheben und erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens wäre die Klage zulässig. Hintergrund dieses Rechtsschutzsystems, wonach grundsätzlich die Gerichte erst nach Befassung der Verwaltung zur Entscheidung über einen Sachverhalt befugt seien, sei das rechtsstaatliche Gewaltenteilungsprinzip. Die Gerichte seien zur Prüfung des Verwaltungshandelns da, nicht um die Verwaltungsarbeit selbst an sich zu ziehen.
Gegen den ihnen am 10. März 2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28. März 2008 vom Kläger zu 1. eingelegte Berufung zum Landessozialgericht, mit welcher dieser das bisherige Vorbringen im Wesentlichen wiederholt hat. Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 4. Juni 2008 haben die Kläger klargestellt, dass die Berufung für beide Kläger erhoben werden sollte.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Juni 2008 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. März 2008 abzuändern und die Beklagte zu 2. zu verurteilen, ihnen für die Zeit ab Januar 2008 einen monatlichen Ernährungsmehrbedarf in Höhe von 200,- EUR auszuzahlen, ferner die Gewährung von Hartz IV-Leistungen an die Familie P. zu stoppen und dieser bei einem weiteren Umzug keinen Umzugskostenzuschuss zu bewilligen,
außerdem, die Umzugskosten des Herrn J. zu übernehmen,
außerdem, Herrn Z. aufzugeben, alle Berechnungen in den Leistungsbescheiden nachzuprüfen und ihnen die ihnen zustehenden Leistungen zu gewähren.
Die Beklagten beantragen jeweils,
die Berufungen zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Verwaltungsakte der Beklagten zu 2., die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufungen sind form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegt worden und auch sonst zulässig. Die Berufungen sind aber unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat (lediglich) darauf hin, dass er die Auffassung des SG teilt, dass die Klagen gegen die Beklagte zu 1. mangels Rechtsschutzinteresses in vollem Umfang unzulässig sind. Das Rechtsschutzinteresse fehlt für eine Klage, wenn unzweifelhaft ist, dass das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 8. Aufl., vor § 51 Rdnr. m.w.N.) bzw. wenn und soweit ein Anspruch verfolgt wird, welcher gegenüber dem konkreten Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann. Dass es an einem solchem Rechtsschutzinteresse gegenüber dem Beklagten zu 1. fehlt, ergibt sich vorliegend schon daraus, dass diesem gegenüber keinerlei eigene Leistungs- oder sonstige Ansprüche geltend gemacht werden (können); dessen "Verfehlungen" sollen sich letztlich auf Fälle anderer Personen beziehen, z. B. der Familie P., die mit der eigenen Rechtsposition der Kläger nichts zu tun haben.
Die Klage ist auch bezüglich der - bereits erstinstanzlich - geltend gemachten Begehren gegenüber der Beklagten zu 2. unzulässig. Soweit es insoweit (wohl) um die Gewährung höherer laufender Leistungen geht - die Kläger sprechen insoweit von den ihnen seit dem Jahre 2000 um monatlich 200,- EUR zu niedrigen Leistungen -, ist der (aktuelle) Bewilligungsbescheid vom 27. November 2007, betreffend den Leistungszeitraum Januar bis Juni 2008 mangels Einlegung eines Widerspruchs bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Dies steht der Zulässigkeit der Klage entgegen. Zudem fehlt es insoweit an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens als (weiterer) Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage (§ 78 SGG). Soweit die Kläger mit ihrem Vorbringen eventuell auch die Überprüfung früherer Bewilligungsbescheide nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) begehren sollten, fehlt es bereits an der Stellung eines entsprechenden Überprüfungsantrages bzw. wiederum am Erlass eines entsprechenden Bescheides in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage.
Hinsichtlich des beanstandeten und mit "Widerspruch" angegriffenen Laborberichts vom 30. November 2007 scheidet eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG mangels Vorliegen eines anfechtbaren Verwaltungsakts ebenso aus wie eine Feststellungsklage nach § 55 SGG, da sich diese nicht auf die Feststellung eines einzelnen Elements eines solchen Rechtsverhältnisses bezieht (zur Unzulässigkeit einer Klage gegen einen ärztlichen Beratungsvermerk, vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 15. Mai 2008 - L 7 AS 143/08 -).
Die Klage ist schließlich auch unzulässig in Bezug auf den von der Klägerin zu 2. beanspruchten Mehrbedarfszuschlag wegen Ernährung (vgl. § 21 Abs. 5 SGB II). Unabhängig von der medizinischen Notwendigkeit eines solchen Mehrbedarfszuschlags steht jedenfalls eine anfechtbare Entscheidung der Beklagten zu 2. über den (erst) während des Klageverfahrens am 17. Januar 2008 bei ihr beantragten Zuschlag aus, weshalb es für eine diesbezügliche Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) an einer Klagevoraussetzung fehlt; eine (isolierte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG kommt nicht in Betracht, da die Gewährung des Mehrbedarfszuschlags nur aufgrund eines Verwaltungakts in Betracht kommt. Unabhängig davon fehlt es insoweit auch an einer klaren - und unmissverständlichen - Substantiierung des Leistungsbegehrens. In ihrem Antrag vom 15. Januar 2008 (Bl. 294 der Verwaltungsakte der Beklagten zu 2.) hatten die Kläger diesbezüglich einen monatlichen Bedarf für das Nahrungsergänzungsmittel Fresubin von 96,96 EUR geltend gemacht, während sie nunmehr - auch im Erörterungstermin - einen Mehrbedarf von monatlich 200,- EUR beanspruchen, ohne diese Abweichung näher zu substantiieren bzw. durch Vorlage einer Bescheinigung z. B. einer Apotheke den tatsächlichen (Monats-) Bedarf der Klägerin zu 2. in dieser Höhe zu belegen. Schließlich sind hinsichtlich dieses Leistungsbegehrens auch nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG erfüllt, da die Sperrfrist von sechs Monaten nach Antragstellung bei der Beklagten zu 2. (vgl. § 88 Abs. 1 SGG) nicht gewahrt ist. Eine (ausnahmsweise) Unterschreitung der Sperrfrist kommt nicht in Betracht, da die Beklagte zu 2. nicht eine Sachentscheidung abgelehnt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG 8. Aufl., § 88 Rdnr. 5b), sondern lediglich eine nähere Substantiierung des Leistungsbegehrens bzw. Nachweise für den behaupteten Bedarf verlangt hat. Hiervon ausgehend war - und ist - es den Klägern möglich und zumutbar, auf den am 17. Januar 2008 gestellten Antrag zunächst eine behördliche Reaktion abzuwarten, anstatt diesen unmittelbar zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zu machen.
Hinsichtlich der erstmals im Berufungsverfahren gestellten weiteren Sachanträge (Einstellung der Leistungen an die Familie P. bzw. die Ablehnung weiterer Umzugskostenbeihilfen, Nachprüfung sämtlicher Leistungsberechnungen durch den Prozessvertreter der Beklagten zu 2.) liegt zudem eine unzulässige Klageänderung vor. Diese ist nicht sachdienlich im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG, weil ihr ein inhaltlich bestimmtes oder bestimmbares bzw. rechtsschutzwürdiges Klagebegehren nicht zu entnehmen ist. Die Beklagten haben sich auf die zusätzlichen Anträge auch nicht eingelassen, weil sie ihre Anträge darauf beschränkt haben, die Berufung zurückzuweisen. Die erweiterte Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Die weitergehenden Klagen werden abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger stehen im dauernden Leistungsbezug bei der Beklagten zu 2. als zuständigem Träger der Leistungen nach dem Sozialgesetzuch Zweites Buch (SGB II). Zuletzt wurden ihnen und den zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kindern David und Jaqueline durch Bescheid der Beklagten zu 2. vom 27. November 2007 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2008 in Höhe von monatlich 1097,08 EUR bewilligt. Dieser Bescheid wurde unanfechtbar.
Der Kläger zu 1. meldete sich schon im Oktober 2007 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) und gab an, ihm seien mehrere Fälle bekannt, in denen Personen aus seinem Bekanntenkreis seiner Auffassung nach zu Unrecht Sozialleistungen erhalten hätten. Dieses Schreiben wurde nicht als Klage gewertet, sondern durch die Gerichtsverwaltung mit dem ausführlichen Hinweis zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage beantwortet.
Am 19. Dezember 2007 hat sich der Kläger zu 1. erneut an das SG gewandt und nun "Klage gegen das Arbeitsamt Tauberbischofsheim wegen Unterschlagung, Beihilfe zur Verwahrlosung einer Wohnung und Verschleuderung von Steuergeldern" erhoben. Zur Begründung hat er die genannten Fälle, in denen andere Personen zu hohe Leistungen erhalten haben sollen, wiederholt.
Seine Ehefrau U. B. , die Klägerin zu 2. betreffend hat der Kläger zu 1. außerdem gegen das "Arbeitsamt Tauberbischofsheim" Klage erhoben wegen schriftlich dargelegter Verleumdung. Diese Verleumdung der Ehefrau sei dadurch geschehen, dass deren Blut im Rahmen der ärztlichen Untersuchung auch auf Alkoholmarker untersucht worden sei. Den entsprechenden Laborbefund legte der Kläger bei. Am 24. Januar 2008 legte der Kläger zu 1. eine auf ihn ausgestellte Vollmacht der Klägerin zu 2. vor. Außerdem machte der Kläger folgendes Begehren geltend: "Wir vermuten, dass uns das Arbeitsamt seit dem Jahr 2001 pro Monat um 200 EUR bescheißen tut. Bitte fordern Sie meine Akte an und prüfen Sie, ob meine Vermutung richtig ist." Es errechne sich eine Gesamtforderung von 16.400 EUR.
Die Beklagte zu 1. äußerte sich zur Sache nicht, da die Kläger dort nicht im Leistungsbezug stehen. Die Beklagte zu 2. äußerte sich dahin gehend, es sei kein Widerspruchsverfahren anhängig, sondern seit 17. Januar 2008 lediglich ein Antrag auf Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs für die Klägerin zu 2 ...
Mit Gerichtsbescheid vom 4. März 2008 hat das SG die Klagen als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, den Klagen gegen die Beklagten wegen zu hoher Leistungen an andere Personen beziehungsweise wegen mangelnden Eingreifens bei Missständen fehle schon das Rechtsschutzbedürfnis. Eine Verletzung der Kläger in eigenen Rechten durch einen solchen Sachverhalt sei nicht denkbar.
Was die Klagen wegen schriftlich dargelegter Verleumdung der Klägerin zu 2. angehe, die der Kläger einerseits aus eigenen Rechten und außerdem als Vertreter für seine Ehefrau geltend mache, so sei schon nicht ersichtlich, was die Kläger vom Gericht deshalb begehrten. Eine Anfechtungsklage scheide mangels eines Verwaltungsakts aus. Sinnvoll könne ein Antrag dahingehend sein, dass die Klägerin zu 2. von den Beklagten die Unterlassung der Behauptung begehre, Alkoholikerin zu sein. Hierfür fehle aber schon das Rechtsschutzbedürfnis, da eine solche Behauptung den objektiven Unterlagen nicht entnommen werden könne. Auch bei aufmerksamster Lektüre des vorgelegten Befundberichts sei nicht vorstellbar, weshalb sich die Kläger durch diesen zur Hälfte aus objektiven Messwerten bestehenden Laborbericht beleidigt fühlen sollten. Aus dem Laborbericht sei deutlich ersichtlich, dass alle Blutwerte der Klägerin zu 2., die auf vermehrten Alkoholkonsum deuten würden, im Normalbereich lägen. Es sei also nicht ersichtlich, wie aus diesem Bericht herausgelesen werden könne, dass die Klägerin zu 2. vermehrt Alkohol konsumiere. Im Gegenteil, hierfür gebe es gerade keinerlei Anzeichen.
Soweit die Klägerin zu 2. im Rahmen der Untersuchung oder im Rahmen von Terminen von Bediensteten unkorrekt behandelt worden sein sollte, sei eine Klage diesbezüglich ebenfalls unzulässig. Hierfür wäre die Dienstaufsicht zuständig. Soweit die Kläger die Überprüfung der an die Familie gezahlten Sozialleistungen seit 2001 mit der Begründung begehrten, sie hätten den Verdacht, dass 200 EUR pro Monat zu wenig bezahlt worden seien, sei die Klage mangels diesbezüglich durchgeführten Vorverfahrens ebenfalls unzulässig. Das Gericht könne nur dann tätig werden, wenn hinsichtlich der abgeschlossenen Zeiträume, in denen Leistungen nach bestandskräftiger Bewilligung Leistungen gewährt worden seien, beim jeweiligen zuständigen Leistungsträger zunächst ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt worden wäre. Ein solcher Antrag hätte nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Leistungsträger entweder das Recht falsch angewendet hätte oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen wäre. Nach einer ablehnenden Entscheidung hierüber hätten die Kläger fristgerecht Widerspruch zu erheben und erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens wäre die Klage zulässig. Hintergrund dieses Rechtsschutzsystems, wonach grundsätzlich die Gerichte erst nach Befassung der Verwaltung zur Entscheidung über einen Sachverhalt befugt seien, sei das rechtsstaatliche Gewaltenteilungsprinzip. Die Gerichte seien zur Prüfung des Verwaltungshandelns da, nicht um die Verwaltungsarbeit selbst an sich zu ziehen.
Gegen den ihnen am 10. März 2008 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28. März 2008 vom Kläger zu 1. eingelegte Berufung zum Landessozialgericht, mit welcher dieser das bisherige Vorbringen im Wesentlichen wiederholt hat. Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 4. Juni 2008 haben die Kläger klargestellt, dass die Berufung für beide Kläger erhoben werden sollte.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Juni 2008 Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. März 2008 abzuändern und die Beklagte zu 2. zu verurteilen, ihnen für die Zeit ab Januar 2008 einen monatlichen Ernährungsmehrbedarf in Höhe von 200,- EUR auszuzahlen, ferner die Gewährung von Hartz IV-Leistungen an die Familie P. zu stoppen und dieser bei einem weiteren Umzug keinen Umzugskostenzuschuss zu bewilligen,
außerdem, die Umzugskosten des Herrn J. zu übernehmen,
außerdem, Herrn Z. aufzugeben, alle Berechnungen in den Leistungsbescheiden nachzuprüfen und ihnen die ihnen zustehenden Leistungen zu gewähren.
Die Beklagten beantragen jeweils,
die Berufungen zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Verwaltungsakte der Beklagten zu 2., die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufungen sind form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegt worden und auch sonst zulässig. Die Berufungen sind aber unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat (lediglich) darauf hin, dass er die Auffassung des SG teilt, dass die Klagen gegen die Beklagte zu 1. mangels Rechtsschutzinteresses in vollem Umfang unzulässig sind. Das Rechtsschutzinteresse fehlt für eine Klage, wenn unzweifelhaft ist, dass das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 8. Aufl., vor § 51 Rdnr. m.w.N.) bzw. wenn und soweit ein Anspruch verfolgt wird, welcher gegenüber dem konkreten Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann. Dass es an einem solchem Rechtsschutzinteresse gegenüber dem Beklagten zu 1. fehlt, ergibt sich vorliegend schon daraus, dass diesem gegenüber keinerlei eigene Leistungs- oder sonstige Ansprüche geltend gemacht werden (können); dessen "Verfehlungen" sollen sich letztlich auf Fälle anderer Personen beziehen, z. B. der Familie P., die mit der eigenen Rechtsposition der Kläger nichts zu tun haben.
Die Klage ist auch bezüglich der - bereits erstinstanzlich - geltend gemachten Begehren gegenüber der Beklagten zu 2. unzulässig. Soweit es insoweit (wohl) um die Gewährung höherer laufender Leistungen geht - die Kläger sprechen insoweit von den ihnen seit dem Jahre 2000 um monatlich 200,- EUR zu niedrigen Leistungen -, ist der (aktuelle) Bewilligungsbescheid vom 27. November 2007, betreffend den Leistungszeitraum Januar bis Juni 2008 mangels Einlegung eines Widerspruchs bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Dies steht der Zulässigkeit der Klage entgegen. Zudem fehlt es insoweit an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens als (weiterer) Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage (§ 78 SGG). Soweit die Kläger mit ihrem Vorbringen eventuell auch die Überprüfung früherer Bewilligungsbescheide nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) begehren sollten, fehlt es bereits an der Stellung eines entsprechenden Überprüfungsantrages bzw. wiederum am Erlass eines entsprechenden Bescheides in der Gestalt eines Widerspruchsbescheides als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage.
Hinsichtlich des beanstandeten und mit "Widerspruch" angegriffenen Laborberichts vom 30. November 2007 scheidet eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG mangels Vorliegen eines anfechtbaren Verwaltungsakts ebenso aus wie eine Feststellungsklage nach § 55 SGG, da sich diese nicht auf die Feststellung eines einzelnen Elements eines solchen Rechtsverhältnisses bezieht (zur Unzulässigkeit einer Klage gegen einen ärztlichen Beratungsvermerk, vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 15. Mai 2008 - L 7 AS 143/08 -).
Die Klage ist schließlich auch unzulässig in Bezug auf den von der Klägerin zu 2. beanspruchten Mehrbedarfszuschlag wegen Ernährung (vgl. § 21 Abs. 5 SGB II). Unabhängig von der medizinischen Notwendigkeit eines solchen Mehrbedarfszuschlags steht jedenfalls eine anfechtbare Entscheidung der Beklagten zu 2. über den (erst) während des Klageverfahrens am 17. Januar 2008 bei ihr beantragten Zuschlag aus, weshalb es für eine diesbezügliche Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) an einer Klagevoraussetzung fehlt; eine (isolierte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG kommt nicht in Betracht, da die Gewährung des Mehrbedarfszuschlags nur aufgrund eines Verwaltungakts in Betracht kommt. Unabhängig davon fehlt es insoweit auch an einer klaren - und unmissverständlichen - Substantiierung des Leistungsbegehrens. In ihrem Antrag vom 15. Januar 2008 (Bl. 294 der Verwaltungsakte der Beklagten zu 2.) hatten die Kläger diesbezüglich einen monatlichen Bedarf für das Nahrungsergänzungsmittel Fresubin von 96,96 EUR geltend gemacht, während sie nunmehr - auch im Erörterungstermin - einen Mehrbedarf von monatlich 200,- EUR beanspruchen, ohne diese Abweichung näher zu substantiieren bzw. durch Vorlage einer Bescheinigung z. B. einer Apotheke den tatsächlichen (Monats-) Bedarf der Klägerin zu 2. in dieser Höhe zu belegen. Schließlich sind hinsichtlich dieses Leistungsbegehrens auch nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG erfüllt, da die Sperrfrist von sechs Monaten nach Antragstellung bei der Beklagten zu 2. (vgl. § 88 Abs. 1 SGG) nicht gewahrt ist. Eine (ausnahmsweise) Unterschreitung der Sperrfrist kommt nicht in Betracht, da die Beklagte zu 2. nicht eine Sachentscheidung abgelehnt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG 8. Aufl., § 88 Rdnr. 5b), sondern lediglich eine nähere Substantiierung des Leistungsbegehrens bzw. Nachweise für den behaupteten Bedarf verlangt hat. Hiervon ausgehend war - und ist - es den Klägern möglich und zumutbar, auf den am 17. Januar 2008 gestellten Antrag zunächst eine behördliche Reaktion abzuwarten, anstatt diesen unmittelbar zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zu machen.
Hinsichtlich der erstmals im Berufungsverfahren gestellten weiteren Sachanträge (Einstellung der Leistungen an die Familie P. bzw. die Ablehnung weiterer Umzugskostenbeihilfen, Nachprüfung sämtlicher Leistungsberechnungen durch den Prozessvertreter der Beklagten zu 2.) liegt zudem eine unzulässige Klageänderung vor. Diese ist nicht sachdienlich im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG, weil ihr ein inhaltlich bestimmtes oder bestimmbares bzw. rechtsschutzwürdiges Klagebegehren nicht zu entnehmen ist. Die Beklagten haben sich auf die zusätzlichen Anträge auch nicht eingelassen, weil sie ihre Anträge darauf beschränkt haben, die Berufung zurückzuweisen. Die erweiterte Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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