L 13 AL 1519/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 5501/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1519/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Auszahlung eines Vermittlungsgutscheins.

Die Klägerin erbringt Dienstleistungen für die Industrie (Industrieservice), insbesondere die manuelle Reinigung von Maschinengehäusen und Hallenböden sowie die Vornahme von Geschäften und Dienstleistungen, die geeignet sind, den Unternehmenszweck der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu fördern. Gesellschaftszweck ist nach dem Eintrag im Handelsregister ferner die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die zum T. K. Konzern gehörende W. I. Verwaltungsgesellschaft mbH (WIV) mit Sitz in K. Zwischen der Klägerin und der WIV besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Am 20. August 2002 stellte das damalige Arbeitsamt B. (jetzt: Agentur für Arbeit; AA) für den zu diesem Zeitpunkt arbeitslosen S. einen bis 19. November 2002 gültigen Vermittlungsgutschein über 2.500 EUR aus. Die Zahlung erfolge in Höhe von 1.000 EUR bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses; der Restbetrag werde gezahlt, wenn das Beschäftigungsverhältnis mindestens sechs Monate angedauert habe.

Am 11. September 2002 beantragte die Klägerin die Auszahlung von zunächst 1.000 EUR aus dem Vermittlungsgutschein vom 20. August 2002. Dem Antrag fügte sie den zwischen ihr und S. geschlossenen Vermittlungsvertrag vom 21. August 2002 und eine Vermittlungsbestätigung der Firma W. I. GmbH, Niederlassung S. (WIG), vom 10. September 2002 bei. Diese bestätigte den Abschluss eines Arbeitsvertrages (vom 23. August 2002) mit S. über ein unbefristetes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ab 26. August 2002. Alleinige Gesellschafterin der unter derselben Anschrift wie die Klägerin firmierenden WIG ist wiederum die WIV. Auch zwischen diesen Firmen besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Nach Beiziehung von Handelsregisterauszügen der Klägerin, der WIV und der WIG lehnte das AA den Antrag auf Auszahlung des Vermittlungsgutscheins mit Bescheid vom 10. Oktober 2002 ab. Zur Begründung führte es aus, die WIG als Arbeitgeberin und die Klägerin als Vermittlerin seien rechtlich identisch bzw. wirtschaftlich und persönlich eng verflochten; eine Vermittlung liege aus diesem Grund nicht vor. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle des AA mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2002 zurück.

Mit der am 14. November 2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie betreibe die Arbeitsvermittlung nicht ausschließlich für die WIG, sondern nehme am allgemeinen Markt der Arbeitsvermittler teil. Darüber hinaus bediene sich die WIG nicht ausschließlich der Klägerin zur Vermittlung von Arbeitskräften, sondern nehme auch die Dienste anderer Arbeitsvermittler in Anspruch. Die sog. Verflechtungsrechtsprechung der Zivilgerichte zu § 652 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sei auf den Vermittler im Sinne des § 296 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch nicht übertragbar; deshalb könne z. B. auch eine reine Tochtergesellschaft Vermittler in diesem Sinne sein. Mit Urteil vom 27. Januar 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des Vermittlungsgutscheins bestehe nicht, da es an einer Vermittlung fehle. Aufgrund der engen Verflechtung der Klägerin mit der WIG als Arbeitgeberin sei das für eine Maklertätigkeit erforderliche Dreiecksverhältnis nicht gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Urteils vom 27. Januar 2005 wird auf Bl. 44 bis 47 der Klageakte des SG (S 4 AL 5501/02) Bezug genommen.

Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 18. März 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. April 2005 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, zwischen ihr und der Arbeitgeberin (WIG) bestehe keine Personenidentität; damit liege eine Vermittlung vor. Zur Vermeidung von Missbrauchsfällen sei ein sog. "Drittvergleich" anzustellen, also zu fragen, ob die Vermittlung dem entspricht, was bei einem wirtschaftlich, rechtlich und emotional ungebundenen Makler üblich wäre.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2002 zu verurteilen, die gesetzliche Vermittlungsvergütung an sie (die Klägerin) für die Vermittlung des früheren Arbeitslosen S. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil und ihren Bescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagte, die Klageakte des SG (S 4 AL 5501/02) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 1519/05) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der den Antrag auf Auszahlung eines Vermittlungsgutscheins ablehnende Bescheid vom 10. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2002. Dieser erweist sich als rechtsmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Auszahlung eines Vermittlungsgutscheins nicht zu. Der Senat schließt sich zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 27. Januar 2005 an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Berufung rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 6. April 2006 zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung der Vermittlungsvergütungen folgendes ausgeführt: "Für die zu treffende Entscheidung des Senats ist von wesentlicher Bedeutung nur, dass die Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nach § 421g Abs 1 Satz 2 SGB III dem Grunde nach Ansprüche auf Maklerlohn der Klägerin gegen die sieben Arbeitnehmer nach zivilrechtlichen Kriterien voraussetzen In der Rechtsprechung des BGH ist seit langem anerkannt, dass dem Makler kein Vergütungsanspruch zusteht, wenn durch seine Tätigkeit ein Hauptvertrag mit einer Person (Gesellschaft) zu Stande kommt, mit der er gesellschaftlich oder auf andere Weise "verflochten" ist (vgl. dazu nur Dehner, NJW 1991, 3254, 3259 f. m.w.N). Dabei wird unterschieden zwischen der so genannten echten und unechten Verflechtung. Erstere liegt vor, wenn zwischen dem Makler und den vorgesehenen Vertragspartnern eine so enge Verbindung besteht, dass entweder der Wille des einen von dem des anderen oder der Wille beider von einem Dritten bestimmt wird. Bei der unechten Verflechtung fehlt es an einem solchen Beherrschungsverhältnis; die Verbindung des Maklers mit der Gegenseite ist jedoch derart, dass sich der Makler in einem Interessenkonflikt befindet, der ihn zur sachgerechten Wahrnehmung der Interessen seines Auftraggebers ungeeignet erscheinen lässt. Eine solche unechte Verflechtung wird vom BGH u. a. dann angenommen, wenn es sich sowohl bei dem Makler als auch bei dem Dritten um Kapitalgesellschaften handelt, die von derselben Person wirtschaftlich beherrscht werden (BGH, Urteil vom 13. März 1974 - IV ZR 53/73 - LM BGB § 652 Nr. 50 = NJW 1974, 1130; BGH, Urteil vom 24. April 1985 - IVa ZR 211/83 -, BB 1985, 1221 ff). Diese Rechtsprechung des BGH ist auch beim Vermittlungsmaklervertrag zu beachten (Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421g Rz 50, Stand September 2005, und § 296 Rz. 46 und 48, Stand September 2005; Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, § 421g RdNr 23, Stand Juni 2004; Kruse in Gagel, SGB III, § 421g RdNr. 8, Stand Juli 2004; Brandts in Niesel, SGB III, 3. Aufl., 2005, § 296 RdNr. 11; Weber in Schönefelder/Kranz/Wanka, SGB III, 3. Aufl., § 421g RdNr. 21, Stand Juni 2004).

Zu Unrecht wendet die Klägerin hiergegen ein, diese Auslegung widerspreche Wortlaut und Systematik der Norm. Wie bereits ausgeführt, folgt diese Auslegung daraus, dass der Anspruch des Maklers gegen die Beklagte dem Grunde nach einen zivilrechtlichen Anspruch des Maklers gegen den Arbeitnehmer voraussetzt, wobei dieser Anspruch - wiederum nach den zivilrechtlichen Grundsätzen - eine Vermittlertätigkeit verlangt. Dies erhellt zum einen, dass Wortlaut und Systematik die gewonnene Auslegung geradezu fordern, und zum anderen, dass entgegen der Ansicht der Klägerin § 421g Abs. 3 SGB III mit seinen ausdrücklich aufgeführten Ausschlussgründen für die Zahlung einer Vergütung keine abschließende Regelung beinhaltet. Es handelt sich dabei nur um öffentlich-rechtliche Ausschlussgründe, die die zivilrechtlichen erweitern. Aus diesem Grund ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Gesetzgeber im Rahmen der Vermittlungsmaklertätigkeit auf der Basis eines Vermittlungsgutscheins Risiken in Kauf nehmen sollte, die zivilrechtlich nicht akzeptiert werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BGH kannte und in Kenntnis dieser Rechtsprechung keine Veranlassung sah, eine (zusätzliche) explizite Regelung in § 421g SGB III aufzunehmen. Eine Notwendigkeit zur Normierung von Ausschlussgründen bestand nur insoweit, als diese über die zivilrechtlichen Ausschlussgründe hinausgehen. Soweit die Klägerin vorträgt, anders als bei der Maklertätigkeit außerhalb der Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit bestehe bei der Vermittlungsmaklertätigkeit der vom BGH seiner Rechtsprechung zu Grunde gelegte Interessenkonflikt nicht, ist dies nicht nachvollziehbar. Dem Arbeitslosen geht es nicht nur um die Vermittlung in irgendeine Arbeit, sondern um die Vermittlung in eine für ihn möglichst günstige Beschäftigung, die nicht nur den Interessen des Arbeitgebers, sondern auch seinen Interessen entspricht.

Entgegen der Ansicht der Klägerin spricht auch die von ihr angeführte Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/8546 zu Nr. 34 (§ 421g)) nicht dafür, dass der Gesetzgeber Verstöße gegen das zivilrechtliche Verflechtungsverbot beim Vermittlungsmaklervertrag zu Gunsten einer Vermittlung "um jeden Preis" in Kauf genommen hat. Wenn zu § 421g Abs. 4 SGB III ausgeführt wird, bei der Prüfung, ob Vermittlungsgutscheine als Dauerinstrument in das SGB III übernommen würden, werde insbesondere zu beachten sein, ob und inwieweit Mitnahmeeffekte aufgetreten seien, dann hat er diese nicht etwa akzeptiert, geschweige denn Rechtskonstruktionen gebilligt, die vom zivilen Maklerrecht nicht gedeckt sind."

Nach diesen die Entscheidung des SG bestätigenden Grundsätzen, denen der erkennende Senat sich vollumfänglich anschließt, liegt auch hier eine Verflechtung im oben dargelegten Sinn vor, da sowohl die Klägerin, als auch die Arbeitgeberin, an die S. vermittelt wurde, von der WIV wirtschaftlich beherrscht werden. Dies ergibt sich auch zur vollen Überzeugung des Senats aus den zwischen der Klägerin und der WIV sowie zwischen der WIG und der WIV abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, die die Klägerin bzw. die WIG verpflichten, ihren gesamten Gewinn an die WIV abzuführen und deren Weisungen zu folgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved