L 6 V 1792/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 1792/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens L 6 V 2582/05 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Wiederaufnahme eines durch Beschluss des Senats abgeschlossenen Berufungsverfahrens.

Der 1926 geborene Kläger bezieht vom Beklagten aufgrund des als Wehrmachtssoldat erlittenen Verlustes des linken Beines eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE - seit 21. Dezember 2007 durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007, BGBl. I, S. 2904 ff. neu bezeichnet mit Grad der Schädigungsfolgen (GdS)) um 80 vom Hundert (v.H.).

In dem vor dem Senat geführten Berufungsverfahren L 6 V 2582/05 wandte sich der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts K. (SG) vom 28. April 2005, mit dem die Klage auf Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer höheren Beschädigtenrente sowie auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen abgewiesen worden war. Mit Beschluss gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 30. Januar 2007 wies der Senat die Berufung zurück. Der Senat stützte seine Entscheidung im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. S. vom 18. März 2004. Ausdrücklich in der Entscheidung angesprochen wurde ein Befundbericht des behandelnden Facharztes für Orthopädie Dr. T. vom 9. Januar 2007. Auf den weiteren Inhalt dieses Beschlusses, der dem Kläger am 3. Februar 2007 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 3. April 2007, eingegangen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 4. April 2007, begehrt der Kläger, das Verfahren L 6 V 2582/05 wieder aufzunehmen. Dazu trägt er sinngemäß vor, zu Unrecht seien unübliche Stumpfschmerzen sowie gerissene Bizepssehnen an beiden Oberarmen nicht berücksichtigt worden. Dr. S. nehme ohne stichhaltige Beweise unter Verkennung der tatsächlichen Belastung an, dass es sich bei den Arthrosen im rechten Bein und im linken Hüftgelenk sowie bei dem rechtsseitigen Senk- und Spreizfuß nicht um Überlastungsschäden handle. Aus dem Arztbrief von Dr. T. vom 29. März 2007, den der Kläger vorgelegt hat, sei ersichtlich, dass sich nicht nur die bisher anerkannten Schädigungsfolgen verschlimmert hätten, sondern auch neue Schädigungsfolgen dazu gekommen seien. Seine rechte Hüfte sei durch Stürze in einer Straßenbahn im August 2006 und in einem Schwimmbad am 5. Januar 2007 zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Am 9. Juli 2007 sei ihm an der rechten Hüfte ein künstliches Gelenk eingesetzt worden. Sein rechtes Bein sei dadurch kürzer geworden, was beim Gehen hinderlich sei. Die Hüftgelenksbeschwerden seien zwar aufgrund der Operation weitgehend behoben, verblieben seien jedoch die starken Dauer-Stumpfschmerzen. Der Kläger hat hierzu den Arztbrief von Dr. K., Diakonissenkrankenhaus K., vom 29. August 2007 vorgelegt. Ferner hat der Kläger einen Briefwechsel mit den Verkehrsbetrieben K. und einen Zeitungsausschnitt "Kriegsopfer - Ehrenbürger?" vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Verfahren L 6 V 2582/05 wieder aufzunehmen, das Urteil des Sozialgerichts K. vom 28. April 2005 und den Bescheid vom 28. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1997 aufzuheben sowie weitere Schädigungsfolgen festzustellen und den Beklagten zu verurteilen, ihm eine höhere Rente zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Wiederaufnahmeklage als unzulässig zu verwerfen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Wiederaufnahmeklage ist als unzulässig zu verwerfen (§ 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 589 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)), da kein gem. § 580 ZPO zulässiger Anfechtungsgrund behauptet wurde.

Dem Vorbringen des Klägers ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass er den Beschluss des Senats vom 30. Januar 2007 inhaltlich für falsch hält. Allein die - unterstellte - Unrichtigkeit eines Urteils bzw. eines Beschlusses nach § 153 Abs. 4 SGG stellt aber keinen der in § 580 ZPO abschließend aufgezählten Restitutionsgründe dar.

Ebenso liegt kein Restitutionsgrund im Sinne des § 580 Nr. 7b ZPO vor. Danach findet die Restitutionsklage statt, wenn ein Beteiligter eine Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Die Urkunde, auf die die Restitutionsklage gestützt werden soll, muss jedoch in der Regel spätestens in dem Zeitpunkt errichtet worden sein, in dem sie im Vorprozess noch hätte benutzt werden können. Nur für Personenstandsurkunden gilt diese Regel nicht (BGH, Urteil vom 6. Juli 1979, I ZR 135/77; NJW 80, 1000, 1001). Die Arztbriefe von Dr. T. und Dr. K. wurden nach dem 5. März 2007 (der 3. März 2007 war ein Samstag) und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem sie selbst bei einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen den am 3. Februar 2007 zugestellten Beschluss vom 30. Januar 2007 nicht mehr hätten benutzt werden können, erstellt. Eine Restitutionsklage kann daher auf diese Arztbriefe nicht gestützt werden. Soweit Dr. T. in dem Arztbrief vom 29. März 2007 einen Zusammenhang zwischen der Kriegsverletzung des Klägers und einer Überlastung der rechten Hüfte und den degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule (LWS) sieht, handelt es sich zudem um eine gutachtliche Einschätzung. Eine abweichende gutachtliche Einschätzung stellt keine Urkunde zum Beweis von Tatsachen dar. Der in § 580 Nr. 7b ZPO geregelte Restitutionsgrund ist auf andere Beweismittel - hier insbesondere den Sachverständigenbeweis - nicht analog anwendbar (s. auch Thomas/Putzo; ZPO, 27. Aufl.; § 580 Rn. 15). Es mag sein, dass Dr. T. eine andere Auffassung als der Senat zur Zusammenhangsfrage hat. Eine Wiederaufnahme kann damit aber nicht erreicht werden. Der vom Kläger in Mehrfertigung eingereichte Zeitungsausschnitt "Kriegsopfer - Ehrenbürger ?" lag dem Senat schon bei seiner Entscheidung vom 30. Januar 2007 vor. Die vom Kläger ferner eingereichte Korrespondenz mit den Verkehrsbetrieben K. vom August/September 2006 stand dem Kläger offensichtlich schon vor der Entscheidung vom 30. Januar 2006 zur Verfügung, so dass es sich um keine neu aufgefundene Urkunden handelt.

Ein Restitutionsgrund gem. § 580 Nr. 3 ZPO ist ebenfalls nicht gegeben. Danach findet die Restitutionsklage statt, wenn sich bei einem Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Sachverständige einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat. Unterschwellig äußert der Kläger gegen Dr. S. einen solchen Verdacht, den der Senat jedoch nicht teilt. Zudem ist zu beachten, dass im Falle des § 580 Nr. 3 ZPO die Restitutionsklage durch § 581 Abs. 1 ZPO auf die Fälle eingeschränkt wird, in denen wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder in denen die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Daran fehlt es hier.

Die zuletzt vom Kläger nach seiner Hüftoperation vom Juli 2007 neu geltend gemachte Änderung seines Gesundheitszustands stellt ebenfalls keinen Umstand dar, aufgrund dessen das durch den Beschluss vom 30. Januar 2007 abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen wäre.

Mithin war die Klage als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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