L 13 AS 2702/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 800/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2702/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Der Ersetzungsbescheid vom 16. Juni 2005 sowie der Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2005 werden aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Versagung von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung.

Der 1949 geborene Kläger beantragte am 30. November 2004 bei der Agentur für Arbeit L. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 versagte diese die Leistungen ab 1. Januar 2005 ganz und führte zur Begründung aus, der Kläger habe die mit Schreiben vom 30. November 2004 angeforderten Unterlagen und Nachweise trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte u. a. geltend, ein Schreiben vom 30. November 2004 nicht erhalten zu haben. Im Widerspruchsverfahren übersandte die Beklagte die Aufforderung vom 30. November 2004 mit Schreiben vom 12. Januar 2005 ohne erneute Fristsetzung nochmals mit der Bitte, die dort angeforderten Unterlagen einzureichen. Der Kläger wurde weiterhin aufgefordert, lückenlose Kontoauszüge der letzten drei Monate von ihm und seiner Ehefrau vorzulegen. Er wurde darauf hingewiesen, dass er während des Widerspruchsverfahrens weiterhin den Melde- und Mitwirkungspflichten unterliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Der Kläger hat sein Begehren weiterverfolgt und am 4. März 2005 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Beklagte hat auf Anregung des SG wegen des Fehlens eines Nachweises über den Zugang des Schreibens vom 30. November 2004 ein Anerkenntnis abgegeben, in dem sie sich verpflichtet hat, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu einem Drittel zu erstatten. Dieses Anerkenntnis ist vom Kläger nicht angenommen worden. Mit Gerichtsbescheid vom 31. Mai 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig. Abgesehen davon, dass bereits die Wahrung der Klagefrist von einem Monat (§ 87 SGG) angesichts des Erlassdatums des Widerspruchsbescheids und des Datums der Klageerhebung fraglich erscheine, fehle es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei der Bescheid vom 13. Dezember 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2005. Dabei handele es sich um einen eine Sozialleistung wegen mangelnder Mitwirkung versagenden Bescheid, der auf § 66 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) gestützt werde. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Versagungsbescheids sei allein danach zu beurteilen, ob die in dieser Vorschrift geregelten formellen und materiellen Voraussetzungen bei seinem Erlass erfüllt waren. Die Beklagte habe durch ihr Teilanerkenntnis eingeräumt, dass die formellen Voraussetzungen einer solchen Versagungsentscheidung zumindest nicht nachweisbar seien. Der Kläger werde aber durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr beschwert, da er dessen Wegfall ohne weiteres durch die Annahme des Teilanerkenntnisses hätte erreichen können. Soweit das klägerische Begehren eine unmittelbar auf die begehrte Sozialleistung bezogene Leistungsklage enthalten sollte, sei diese ebenfalls unzulässig. Vor Erhebung einer solchen Klage sei grundsätzlich zunächst eine Verwaltungsentscheidung über den geltend gemachten Sozialleistungsanspruch (nicht lediglich ein Bescheid über die Frage der Mitwirkung wie vorliegend) abzuwarten, solange die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage nicht gegeben seien (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. September 1989 - L 3 Ar 535/89 - = Breithaupt 1990, 349). So liege der Sachverhalt hier. Im Übrigen sei eine Untätigkeitsklage vom Kläger offenbar auch nicht beabsichtigt. Schließlich sei auch für das Gericht nicht nachvollziehbar, warum der Kläger die Verwirklichung seines eigentlichen Ziels - die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II dadurch blockiere, dass er die von der Beklagten konkret beschriebenen, für die Prüfung des Anspruchs erforderlichen und dem Anschein nach offenbar zumutbaren Mitwirkungshandlungen nicht vornehme.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2005 hat die Beklagte den Versagungsbescheid vom 13. Dezember 2004 unter Bezugnahme auf ihr Anerkenntnis aufgehoben. Mit weiterem Bescheid vom 16. Juni 2005 hat sie die beantragte Leistung erneut ab dem 1. Januar 2004 versagt und u.a. ausgeführt, der Kläger habe die mit Schreiben vom 30. November 2004 angeforderten fehlenden Unterlagen/Nachweise trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt. Auch im Widerspruchsverfahren vom 26. Januar 2005 sei er nochmals auf die fehlenden Unterlagen und seine Mitwirkungspflichten hingewiesen worden. Dadurch habe er die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Die Anspruchsvoraussetzungen könnten deshalb nicht geprüft werden. Grundlagen für die Entscheidung seien §§ 60 und 66 SGB I. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2005 entsprechend der Rechtsmittelbelehrung Widerspruch eingelegt, der mit Bescheid vom 20. Juli 2005 zurückgewiesen wurde. In der Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger mit Schreiben vom 21. Januar 2005 die Vorlage der geforderten Unterlagen verweigert und die Auffassung vertreten habe, der Mitwirkungspflicht vollumfänglich nachgekommen zu sein. Eine Überprüfung vorhandener Vermögenswerte sei nicht möglich, da seitens des Klägers der Antrag hinsichtlich der Fragen zum Vermögen eigenhändig abgeändert worden sei. Die Mitteilung des Geburtsdatums des Kindes sei für die Gewährung der Leistung unabdinglich, da die Höhe der Leistung hiervon abhinge. Der Mietvertrag und die Mietbescheinigung seien erforderlich zur Ermittlung der Kosten der Unterkunft. Die Versagung der Leistung stehe im Ermessen des Leistungsträgers. Eine Bedürftigkeitsprüfung, welche für die Gewährung der Leistung nach dem SGB II unabdingbar sei, habe nicht durchgeführt werden können, da wesentliche Unterlagen fehlten. Die Bedürftigkeit sei nicht offensichtlich, insbesondere hinsichtlich des Vermögens. Der Antrag des Klägers sei daher zu Recht abgelehnt worden.

Gegen den am 2. Juni 2005 als Übergabe-Einschreiben zum Zwecke der Zustellung abgesandten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 3. Juli 2005 Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Mai 2005, den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2005 und den Versagungsbescheid der Beklagten vom 16. Juni 2005 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 1. Januar 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 16. Juni 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2005 abzuweisen.

Sie nimmt auf ihre Akten und die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte des SG, die Berufungsakte des Senats sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die Berufung ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstands die Berufungssumme von 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Berufung ist auch im übrigen zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 31. Mai 2005 sowie der dort streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2005. Weiterhin ist Gegenstand des Berufungsverfahrens gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 SGG die Entscheidung der Beklagten vom 16. Juni 2005 geworden (vgl. Beschluss des Senats vom 15. Mai 2007 – L 13 AS 4764/05 B -), mit der diese die Versagungsverfügung vom 13. Dezember 2004 ersetzt und die beantragte Leistung ab 1. Januar 2005 erneut versagt hat, sowie der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2005 (vgl. Bundessozialgericht (BSG), SozR 1500 § 96 Nr. 24 zur Anwendung des § 96 SGG auf einen Widerspruchsbescheid). Dagegen ist davon auszugehen, dass der Kläger den Aufhebungsbescheid vom 16. Juni 2005 hat bindend werden lassen und seine Klage auf die Anfechtung des Ersetzungsbescheids vom 16. Juni 2005 hat beschränken wollen. Denn er begehrt im vorliegenden Berufungsverfahren die - mit diesem Bescheid erfolgte - Aufhebung des Bescheid vom 13. Dezember 2004. Unabhängig davon ist über diesen Aufhebungsbescheid nicht in der Sache zu entscheiden, weil dieser einen belastenden Verwaltungsakt aufhebende Bescheid den Kläger nicht beschwert, so dass ihm die Anfechtungsbefugnis fehlt.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen. Dies gilt zunächst für die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 13. Dezember 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2005. Zwar hätte das SG die Beklagte nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ihrem Anerkenntnis entsprechend verurteilen müssen (vgl. zum Anerkenntnisurteil im sozialgerichtlichen Verfahren ausführlich: BSG SozR 6580 Art. 5 Nr. 4). Ein ausdrücklich auf den Erlass eines Anerkenntnisurteils gerichteter Antrag des Klägers ist nicht erforderlich (BSG SozR 6580 Art. 5 Nr. 4 S. 10). Ein Anerkenntnisurteil kann jedoch auf die Berufung des Klägers in Änderung des Gerichtsbescheids des SG nicht – mehr – ergehen, da die Beklagte mit dem Aufhebungsbescheid vom 16. Juni 2005 die Verpflichtung aus ihrem abgegebenen Teil-Anerkenntnis bereits erfüllt hat. Die in einem Anerkenntnis auszusprechende Aufhebung kann damit nicht mehr erfolgen, weil der Verwaltungsakt bereits aufgehoben und nicht mehr existent ist. Dadurch, dass die Behörde in zwei getrennten Bescheiden die Aufhebung und Ersetzung des ursprünglich angefochtenen Bescheids vorgenommen und mit dem Aufhebungsbescheid erkennbar ihr zuvor abgegebenes Anerkenntnis ausgeführt hat, steht auch fest, dass diese Aufhebung selbständig verfügt wurde und nicht im Falle der Aufhebung der Ersetzungsentscheidung vom gleichen Tag als unselbständiger Teil dieser Entscheidung ebenfalls ihre Wirkung verlieren sollte. Damit ist die Klage durch Aufhebung - und Ersetzung - des im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheids aber auch unzulässig geworden, so dass auch insoweit die Voraussetzungen für den Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht mehr vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof bewirkt die Vorschrift des § 307 ZPO nur, dass der Richter der sachlich-rechtlichen Prüfung des Anspruchs enthoben ist, diesen vielmehr dem Anerkenntnis entsprechend zusprechen muss, während er die Frage der prozessualen Voraussetzungen des Klageanspruchs trotz § 307 ZPO zu prüfen hat (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1953, BGHZ 10, 333, 335; Urteil vom 12. Februar 1974, FamRZ 1974, 246). Ob diese vorliegen, hat als Sachurteilsvoraussetzung auch das Berufungsgericht zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1979 - VII ZR 48/78 - (NJW 1980, 520) mit weiteren Nachweisen). Anlass dazu besteht etwa dann, wenn im Berufungsverfahren zweifelhaft geworden ist, ob das Rechtsschutzinteresse des Klägers, das im Verfahren erster Instanz außer Frage gestanden hatte, im Hinblick auf ein später eingetretenes Ereignis noch fortbesteht (s. auch BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1977 - V BLw 16/77 - (MDR 1978, 566); BVerwG, Beschluss vom 11. März 1992 - 5 B 32/92 -, veröffentlicht in Juris). So liegt der Fall hier. Der Kläger war als Adressat der die von ihm begehrten Leistungen versagenden Verfügung unzweifelhaft klagebefugt. Ebenso unzweifelhaft ist diese Anfechtungsbefugnis jedoch dadurch entfallen, dass die Beklagte den angefochtenen Bescheid mit Verfügung vom 16. Juni 2005 aufgehoben hat.

Auch hinsichtlich der Leistungsklage bleibt die Berufung des Klägers ohne Erfolg. Das SG hat die Klage insoweit zutreffend als unzulässig abgewiesen, da das Vorverfahren für die Anfechtungs- und Leistungsklage fehlt. Eine Antragsablehnung stellt die Versagungsentscheidung nicht dar. Sie kann auch nicht in eine solche umgedeutet werden (vgl. unten). Solange diese wirksam ist, kann der Beklagten aber auch keine Untätigkeit ohne zureichenden Grund vorgeworfen werden. Denn § 66 SGB I stellt sich nach der Systematik des Gesetzes als diejenige Regelung dar, nach der die Verwaltung bei Streit über den Umfang von Mitwirkungspflichten zu verfahren hat (BSG, Urteil vom 26. August 1994 - 13 RJ 17/94 -, veröffentlicht in Juris), so dass die Erhebung einer Untätigkeitsklage jedenfalls, soweit eine Nachholung der Mitwirkung, wie hier, nicht erfolgt ist (vgl. hierzu § 67 SGB I), erst nach Aufhebung der Versagungsentscheidung in Betracht kommt, wenn die Behörde weiterhin keine Sachentscheidung trifft.

II. Die Klage des Klägers gegen die ersetzende Versagungsentscheidung vom 16. Juni 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2005 ist dagegen begründet. Die Widerspruchsentscheidung hätte in der Sache nicht ergehen dürfen, da der Widerspruch, nachdem der Bescheid vom 16. Juni 2005 gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden war, unstatthaft war. Denn die Einbeziehung des Ersetzungsbescheides in das Berufungsverfahren stand der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entgegen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12. August 1998 - L 2 U 702/98 -, HVBG-INFO 1998, 2519 ff.). Der Widerspruchsbescheid ist damit schon deswegen aufzuheben, weil er verfahrensfehlerhaft ergangen ist.

Der Ersetzungsbescheid vom 16. Juni 2005 ist ebenfalls rechtswidrig. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird, ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Die Entscheidung unterliegt hinsichtlich des Ob und des Wie dem Ermessen der Behörde (vgl. BSG SozR - 3-1200 § 66 Nr. 3).

Die hier verfügte Versagung scheitert bereits daran, dass die Beklagte das nach § 66 Abs. 3 SGB I geforderte förmliche Verfahren nicht eingehalten hat. Die Agentur für Arbeit hat zwar mit dem Schreiben vom 30. November 2004 mit Fristsetzung bis zum 10. Dezember 2004 den Kläger nach § 66 Abs. 3 SGB I über seine Mitwirkungspflichten unter Hinweis auf die Folgen der mangelnden Mitwirkung schriftlich belehrt. Die Agentur für Arbeit hat dem Kläger in ihrem Aufforderungsschreiben vom 30. November 2004 insbesondere den von der Rechtsprechung geforderten (vgl. BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13) konkreten und unmissverständlichen Hinweis erteilt, er werde bei Nichtvorlage der Unterlagen innerhalb der - im Hinblick auf den Beginn des Bewilligungsabschnitts am 1. Januar 2005 bei unverzüglicher Absendung wohl noch angemessenen - Frist bis zum 10. Dezember 2004 die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagen. Es ist jedoch nicht feststellbar, dass der Kläger, der dies bestreitet, das Schreiben vom 30. November 2004 vor Ablauf der Frist erhalten hat. Denn die Akten enthalten keinen Vermerk über eine Versendung oder Aushändigung dieses Schreibens und auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die auf einen Zugang des Schreibens vor dem 15. Januar 2005 schließen lassen könnten. Zugegangen ist diese Aufforderung dem Kläger mit dem Schreiben vom 12. Januar 2005. Nachdem die in der Aufforderung vom 30. November 2004 gesetzte Frist aber zu diesem Zeitpunkt bereits verstrichen und eine erneute Frist im Schreiben vom 12. Januar 2005 nicht gesetzt worden war, fehlt es bereits an einer wirksamen Fristsetzung. Hinzukommt, dass der Kläger in dem Schreiben vom 12. Januar 2005 gebeten wird, die in der beigefügten Aufforderung angeforderten Unterlagen nachzureichen, ohne dass zumindest auf die dortige Rechtsfolgenbelehrung Bezug genommen wird. Der schriftliche Hinweis im beigefügten Schreiben vom 30. November 2004 hatte damit aber seine Warnfunktion verloren. Wenn die Beklagte die Leistung versagen wollte, hätte sie den Kläger zumindest unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 30. November 2004 förmlich zur Mitwirkung auffordern, hierzu eine wirksame Frist setzen und dies ggf. wiederum durch Bezugnahme mit dem schriftlichen Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I verbinden müssen. Nach dem Dargelegten bedarf es keiner Ausführungen dazu, dass die zusätzliche Anforderung aktueller Kontoauszüge nicht die Voraussetzungen für Vorgehen nach § 66 Abs. 3 SGB I erfüllt.

Zudem ist fraglich, ob die Vorlage aller in der Aufforderung vom 30. November 2004 und im Schreiben vom 12. Januar 2005 aufgezählten Unterlagen der Mitwirkungspflicht des Klägers unterlag. Der Umfang der hier streitigen Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGB I. Danach hat, wer Sozialleistungen beantragt, zunächst alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind (Nr. 1); darüber hinaus muss ein solcher Antragsteller Beweismittel bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorlegen oder ihrer Vorlage zustimmen. Bei einem Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sind leistungserheblich auch das Einkommen und Vermögen einer Person, mit der der Antragsteller in ehelicher Gemeinschaft lebt, denn gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist zur Feststellung der Bedürftigkeit bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen oder Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte. Es ist dennoch fraglich, ob der Kläger der Aufforderung der Beklagten zur Vorlage von Kontoauszügen, Sozialversicherungs- und Krankenversicherungsnachweisen seine Ehefrau betreffend sowie einer Kopie ihres Personalausweises nachkommen musste. Denn es besteht für den Hilfebedürftigen nur eine Verpflichtung zu solchen Angaben und zur Vorlage solcher Beweismittel, die ihm selbst bekannt oder zugänglich sind und von ihm auch geleistet bzw. vorgelegt werden können (vgl. BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13, BSGE 72, 118, 120). Sind ihm Informationen und Unterlagen nicht zugänglich, weil diese einen Dritten betreffen, der ihm diese nicht zugänglich macht und auch nicht hierzu verpflichtet ist, bleibt der Behörde nur die Möglichkeit, eigene Ermittlungen durchzuführen, wobei Partner eines Hilfebedürftigen i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II - wie hier seine Ehefrau - verpflichtet sind, dem Leistungsträger Auskünfte über ihr Einkommen und Vermögen zu erteilen (§ 60 Abs. 4 SGB II; vgl. Armbort, Verfahrensfragen zur Auskunftspflicht nichtehelicher Partner, Info also 2007, 147; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2007 - L 7 AS 1703/06 - veröffentlicht in Juris). Der Auskunftsanspruch kann mittels Verwaltungsakt konkretisiert werden, welcher für sofort vollziehbar erklärt und ggf. mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 1993 - 14b/4 Reg 1/91 m.N. - offen gelassen bei Ehegatten; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. April 2007 - L 13 AS 40/07 ER veröffentlicht in Juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2007 a.a.O.). Darüber hinaus ist die Auskunftspflicht auch bußgeldbewehrt (§ 63 SGB II) und ein Auskunftspflichtiger, welcher vorsätzlich oder fahrlässig die Auskunft nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erteilt, macht sich zudem schadenersatzpflichtig (§ 62 Nr. 2 SGB II). Hinzukommt, dass die Behörde es noch nicht einmal versucht hat, nicht nur hinsichtlich der bereits oben genannten, die Ehefrau betreffenden Unterlagen, sondern auch im Hinblick auf den Mietvertrag und das Geburtsdatum des Kindes von dieser Auskunft zu erhalten, was insoweit Zweifel begründet, ob das Verhalten des Klägers die Aufklärung erheblich erschwert hat.

Darüber hinaus kam eine hier angesprochene Versagung der Leistungen nur unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 SGB I, der der Behörde Ermessen einräumt, in Betracht. Der Versagungsbescheid ist auch deswegen rechtswidrig, weil die Behörde nicht von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat (zu den Anforderungen an die Ermessensausübung vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juni 2002 - L 13 AL 4894/01 - in Juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2007 a.a.O.). Der angefochtene Bescheid vom 16. Juni 2005 lässt auch nicht ansatzweise erkennen, dass die Beklagte die Versagung als in ihr Ermessen gestellt ansah. Der Widerspruchsbescheid war bereits aus formalen Gründen aufzuheben. Unabhängig davon enthält er auch keine ausreichenden Ermessenserwägungen, sondern lediglich die Aussage, dass die Bedürftigkeit aufgrund fehlender Unterlagen nicht habe geprüft werden können und diese auch nicht offensichtlich sei. Hierbei handelt es sich jedoch um Voraussetzungen, die erst das Ermessen für eine Versagungsentscheidung eröffnen. Die Versagung wäre damit auch insoweit nur dann nicht zu beanstanden, wenn eine Ermessensreduzierung auf nur eine mögliche Entscheidung (Ermessensreduzierung auf Null) vorläge, eine andere als die von der Beklagten getroffene Entscheidung also auch nach dem Zweck der Versagungsermächtigung nicht in Betracht käme. Dies ist nach Auffassung des Senats hier nicht der Fall. Zwar dürfen vor einer Leistungsbewilligung Leistungen, wenn alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Anspruchsvoraussetzungen nicht bewiesen sind, nicht gewährt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die abschließende Klärung an der mangelnden Mitwirkung des die Leistung Begehrenden oder Beziehenden oder eines Dritten endgültig gescheitert ist. Eine Versagungsentscheidung kann im Unterschied zu einer Ablehnung der Leistung erfolgen, wenn der verpflichtete Leistungsträger solche tatsächlichen Umstände ohne Mitwirkung des Berechtigten nicht aufklären kann, deren Vorliegen zur Minderung oder zum Fortfall eines Leistungsanspruchs führen oder den Schuldner zur Einstellung der Leistung berechtigen würde. Die Rechtmäßigkeit der Versagung bis zur Mitwirkung ist nicht davon abhängig, ob Bedürftigkeit tatsächlich vorlag und ggf. später im der Wege der nachgeholten Mitwirkung festgestellt wird. Die Vorschrift trifft eine ausgewogene und verhältnismäßige Regelung. Sie schützt einerseits die Versichertengemeinschaften bzw. die Allgemeinheit vor der Bewirkung von Leistungen, die dem (vermeintlich) Berechtigten nach materiellem Recht in Wirklichkeit nicht zustehen; andererseits schützt sie den (wirklich) Berechtigten, der "nur" seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, durch den Fortbestand des subjektiven Leistungsrechts i.V.m. dem Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch nach § 67 SGB I vor einem endgültigen Rechtsverlust (BSG SozR 3-1200 § 66 Nr. 3). Wann eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht kommt, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Erörterung. Der aufgezeigte Schutzzweck der Versagungsermächtigung rechtfertigt hier nicht in jedem Fall nur eine völlige Versagung. Denn insofern ist zunächst nicht erkennbar, dass mit den im Schreiben vom 30. November 2004 angeforderten Unterlagen Erkenntnisse zur Einkommens- und Vermögenssituation hätten gewonnen werden sollen oder können. Weder der Kläger noch seine Ehefrau sind aufgefordert worden, den Antrag insoweit erneut ohne Vornahme von Streichungen auszufüllen und zu unterschreiben bzw. eine Aufstellung ihres Vermögens mit aktuellen Angaben zum jeweiligen Wert vorzulegen. Ein aktueller Einkommensnachweis der Ehefrau des Klägers lag vor. Es hätte dem Zweck der Ermächtigung entsprochen, in die Interessenabwägung einzubeziehen, dass maßgebliche Auskünfte zum Vermögen noch nicht von den Auskunftspflichtigen angefordert worden waren, und im Übrigen noch das Ergebnis eines Auskunftsverlangens gegenüber der Ehefrau hinsichtlich der Miete, die von ihrem Konto abgebucht wird, sowie des Alters des Kindes abzuwarten.

Eine Umdeutung des streitgegenständlichen, auf § 66 Abs. 1 SGB I gestützten Versagungsbescheides in einen Ablehnungsbescheid ist nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des Bescheides nicht möglich. Unabhängig davon, dass der Widerspruchsbescheid verfahrensfehlerhaft und rechtswidrig war, hatte er - auch wenn er den Antrag als zu Recht abgelehnt ansieht - eine Änderung des Verfügungsausspruchs und der Rechtsgrundlage aber auch nicht vornehmen wollen. Eine Umdeutung scheitert an § 43 Abs. 1 SGB X, aber auch an § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB X, da die Rechtsfolgen der Versagung gemäß § 66 SGB I im Hinblick auf § 67 SGB I für den Betroffenen günstiger sind als die der endgültigen Ablehnung der Leistungsgewährung für den gesamten Leistungszeitraum.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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