L 4 R 25/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2992/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 25/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. November 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 11. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2003 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. August 2003 bis 31. Juli 2009 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat drei Viertel der außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der am 1966 in der Türkei geborene Kläger, der seit 1990 in Deutschland lebt, erlernte keinen Beruf und war zunächst von November 1990 bis Oktober 1994 als Hilfsarbeiter in einer Konditorei versicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluss daran arbeitete er bis 11. Juli 2001 als Hilfsarbeiter in der Möbelherstellung (Lackierer). Seit dem 12. Juli 2001 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Vom 23. August 2001 bis 07. Januar 2003 bezog der Kläger Krankengeld und im Anschluss daran bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Seit 01. Januar 2005 bezieht der Kläger Arbeitslosengeld II. Das Versorgungsamt Rottweil stellte mit Bescheid vom 20. August 2003 den Grad der Behinderung mit 50 seit dem 21. Januar 2003 fest.

Am 05. September 2002 erfolgte eine Wirbelsäulenoperation (Repositionsspondylodese) in der Orthopädischen Klinik P. S. Auf Anraten seiner Krankenversicherung beantragte der Kläger am 22. Januar 2003 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er verwies auf eine Hüftgelenks- und Wirbelsäulenoperation. Die Beklagte erhob daraufhin ein Gutachten durch Orthopäden Dr. R. vom 11. Juli 2003. Er diagnostizierte Restbeschwerden bei einem Zustand nach Repositionsspondylodese vom 05. September 2002 und einen Zustand nach Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) mit Platzwunden und Halswirbelsäulen-Distorsion. An Fremddiagnosen nannte er: Zustand nach Septoplastik lege artis, florides Ulcus duodeni an der Bulbusvorderwand und Helicobakter-assoziierte Gastritis. Der Kläger leide an einem Schmerzsyndrom bei einem Zustand nach Repositionsspondylodese. Das Gangbild sei unauffällig gewesen, das An- und Auskleiden sei ohne Fremdhilfe erfolgt, wobei Sitzen möglich gewesen sei. Objektiv spreche der nicht vorhandene Muskelhartspann im Lumbosakralbereich, die objektive radiologische Darstellung sowie die nicht messbare Atrophie im Bereich der unteren Extremitäten gegen eine anhaltende ohne Besserung verlaufende schmerzbedingte Funktionseinschränkung. Als Lackierer könne der Kläger nur noch unter drei Stunden tätig sein. Es bestünden qualitative Einschränkungen für Arbeiten über Kopf, in Körperzwangshaltungen, mit einseitiger Rumpffehlbelastung sowie mit Tragen und Heben von Lasten von mehr als zehn kg. Auf dem allgemeinen Arbeitsmark könne der Kläger leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig (mehr als sechs Stunden) verrichten. Zur Erstellung seines Gutachtens zog Dr. R. u.a. gutachterliche Äußerungen von Arbeitsamtsarzt Dr. Götz vom 09. Januar und 26. März 2003, der von einer Arbeitsunfähigkeit bis zu sechs Monaten ausging, den Bericht des Orthopäden Dr. d. J. vom 10. Januar 2003 sowie Berichte der Orthopädischen Klinik P. S. bei. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Orthopäden Dr. R. vom 09. Juli 2003 schlug dieser Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vor. Neurologe und Psychiater G. vermerkte hierzu am 21. Juli 2003, derartige Leistungen seien bereits im April 2002 empfohlen worden. Mit Bescheid vom 11. August 2003 lehnte die Beklagte die Rentengewährung ab, da der Kläger noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden je Arbeitstag bei einer Fünf-Tage-Woche unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarks erwerbstätig zu sein. Bei diesem Leistungsvermögen liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, er leide weiterhin an dauerhaften Schmerzen im Bereich der Beine und der Wirbelsäule. Er sei deshalb in der R.-Klinik Bad W. in der Zeit vom 05. bis 19. Juni 2003 stationär behandelt worden. Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, es seien alle Leiden seit 1996 ausreichend gewürdigt worden. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu vermeiden seien Überkopfarbeiten, Arbeiten in Körperzwangshaltungen und einseitige Rumpffehlbelastungen (Widerspruchsbescheid vom 26. September 2003).

Hiergegen erhob der Kläger am 13. Oktober 2003 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Im Vordergrund stünden die Erkrankungen der Wirbelsäule sowie der Hüftgelenke. Er sei deswegen auf absehbare Zeit außer Stande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarks mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Im Dezember 2003 machte er weiter geltend, wegen dringenden Verdachts auf Nierenkrebs stationär behandelt werden zu müssen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und bezog sich auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids.

Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Orthopäde Dr. d. J. (Auskunft vom 05. Dezember 2003) teilte mit, der Kläger leide an einem Zustand nach dorsaler Spondylodese L 5/S1 bei Listhese und an einem chronisch-neuropathischen Stadium III nach Gerbershagen. Dies führe zu einer schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule und zu einer Schmerzausstrahlung im Bereich des linken und zum Teil auch in den Bereich des rechten Beines. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger höchstens noch vier bis sechs Stunden verrichten, wobei auf einen Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen geachtet werden müsse. Dr. d. J. legte auch Befundberichte der R.-Klinik und der Orthopädischen Klinik P. vor. In dem Befundbericht des Neurologen Dr. Ro. von der R.-Klinik vom 20. Juni 2003 gab dieser an, der Kläger sei vom 05. bis 19. Juni 2003 stationär behandelt worden. Der Kläger habe über einen persistierenden Brennschmerz an der Außenseite des rechten Unterschenkels berichtet. Durch die kombinierte Behandlung habe man die Beschwerdesymptomatik lindern können; dennoch bestünden weiterhin Beschwerden. Empfohlen wurde eine langsame Wiedereingliederung in die Berufstätigkeit. Chefarzt Prof. Dr. A., Orthopädische Klinik P., teilte in seinem Befundbericht vom 11. November 2002 mit, der Kläger sei vom 15. Oktober bis 05. November 2002 stationär behandelt worden. Insgesamt sei es zu keiner wesentlichen Beschwerdebesserung gekommen. Hierzu legte die Beklagte die Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 14. Januar 2004 vor. Selbst für leichte Arbeiten sei ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen aus der bisher vorliegenden Dokumentation nicht nachzuvollziehen.

Facharzt für Allgemeinmedizin M. (Auskunft vom 28. April 2004) gab an, die Beschwerden beschränkten sich auf rezidivierende Rückenschmerzen und eine verminderte körperliche Leistungsfähigkeit. Zur Zeit stünden Schmerzen im Bereich der operierten Niere im Vordergrund, nachdem am 20. Februar 2004 eine Adrenalektomie rechts und eine Cholecystektomie an der Universitätsklinik T. durchgeführt worden sei. Einen Arbeitsfähigkeit in seinem bisherigen Beruf in einem Umfang von sechs Stunden täglich erscheine kaum möglich. Allgemeinarzt M. legte unter anderem folgende Befundberichte vor: Internist Kraft vom 22. Dezember 2003, wonach ein Nierentumor rechts bestehe, Orthopäde Dr. d. J. vom 22. Januar 2004, wonach ein chronisch-neuropathisches Schmerzsyndrom bestehe, Prof. Dr. St., Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums T., vom 26. Januar 2004 über die stationäre Behandlung vom 12. bis 16. Dezember 2004, bei der ein Nebennierentumor rechts diagnostiziert wurde, Prof. Dr. Hä., Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik T. Innere Medizin, vom 19. Februar 2004, wonach der Kläger die letzten Tage vollständig beschwerdefrei gewesen sei, eine Adrenalektomie wegen der großen rechtsseitigen Nebennierenraumforderung jedoch indiziert sei, Assistenzarzt Dr. B., Allgemeine Chirurgie der Universitätsklinik T., vom 15. März 2004, wonach der Kläger am 20. April 2004 an der rechten Niere operiert worden sei, und Oberarzt Dr. Kr., Allgemeine Chirurgie der Universitätsklinik T., vom 23. März 2004, wonach auch die Gallenblase entfernt worden sei (keine Malignität). Zudem legte er sein Schreiben vom 21. April 2004 an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen F. vor, in dem er die Auffassung vertrat, dass der Kläger weder voll- noch halbschichtig arbeitsfähig sei.

Einen Vergleichsvorschlag des SG, dem Kläger befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit von Januar 2003 bis Dezember 2005 zu gewähren, lehnte die Beklagte unter Vorlage einer Stellungnahme des Chirurgen Dr. Sc. vom 16. Juli 2004 ab.

Das SG erhob daraufhin ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W.-S. vom 31. Januar 2005. Danach bestünden beim Kläger keine neurologischen Ausfallerscheinungen. Es bestehe eine Zustand nach lumbaler Spondylodese, wobei der Kläger einen altersüblichen Kräftezustand aufweise. Die Beschwerden des Klägers seien als neuropathisch zu bezeichnen. Ein Zusammenhang der Beschwerden mit dem implantierten Metall könne nicht hergeleitet werden. Der Kläger sei noch in der Lage, Tätigkeiten vollschichtig bei einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten. Zu vermeiden seien schweres Heben, Tragen von Lasten ohne Hilfsgeräte, Zwangshaltungen des Rumpfes, Tätigkeiten die in gebückter Haltung durchgeführt werden müssten und häufiges Bücken. Arbeiten, die mit dem Bewegen, Transportieren und Bearbeiten von Gegenständen verbunden seien, seien möglich unter einer Dauerbelastung von fünf kg, gelegentlich auch bis zu zehn kg. Akkord- und Fließbandarbeiten seien ebenfalls möglich, sofern sie nicht Zwangshaltungen herbeiführten. Die Tätigkeit sollte nicht im Freien stattfinden. Die beim Kläger vorliegende Neuropathie sei durch eine medikamentöse Therapie beeinflussbar, wobei allerdings die Ansprechrate erfahrungsgemäß eher gering einzuschätzen sei. Es bestünde im Übrigen mit dem Vorgutachten des Dr. R. Übereinstimmung.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattete Leitender Chefarzt Prof. Dr. Ha., Orthopädie-Traumatologie des Klinikums K.-L., ein Gutachten vom 04. Juli 2005. Auf orthopädischem Fachgebiet lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: Pseudoarthrose L 5/S 1 bei Zustand nach Repositionsspondylodese und muskuläre Cervicalgien mit zeitweisen Cervikocephalgien bei Zustand nach Distorsionsverletzung im Jahr 1998. Bei momentan vorliegender Pseudoarthrose könne der Kläger weder leichte, schwere noch mittelschwere Arbeiten verrichten. Eine erneute Operation sei sinnvoll.

Vom 05. bis 17. September 2005 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der R.-Klinik. In dem Befundbericht des Neurologen Dr. Ro. vom 16. September 2005 teilte dieser mit, seit 2005 bestünde eine Verschlechterung der Beschwerden hauptsächlich im Rücken. Bei regelrechtem Turnus, Trophik und Kraft sowie unauffälligem Gangbild bestünde eine therapieresistente Lumboischialgie bei sensomotorischer Nervenwurzelreizung L 5 rechts. Insgesamt habe sich jedoch unter der Behandlung der Lendenwirbelsäulenschmerz etwas gebessert. Empfohlen wurde ein physiotherapeutisches Aktivierungsprogramm, wobei es wichtig sei, dass der junge Kläger wieder in ein Arbeitsverhältnis finde, dies jedoch erst möglich sei, wenn die Rentenfragestellung abgeschlossen sei.

Für die Beklagte nahm Dr. Ko., Arzt für Orthopädie, zu dem Gutachten von Prof. Dr. Ha. am 28. September 2005 Stellung. Die von Prof. Dr. Ha. als gut ausgebildet beschriebene Rücken-, Bauch- und Beinmuskulatur setze einen Trainingszustand voraus, bei dem deutlich höhere Belastungen anfielen, als im Rahmen einer leichten körperlichen Arbeit im Wechselrhythmus unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen. Insofern liege eine deutliche Diskrepanz vor, weshalb dem Gutachten nicht gefolgt werden könne.

Dr. Wi., Sektionsleiter Wirbelsäule der P. S., teilte in seinem Befundbericht vom 04. November 2005 mit, derzeit bestünde keine Notwendigkeit für eine erneute Operation.

Auf Nachfrage des SG teilte Leitender Chefarzt Prof. Dr. Ha. (Stellungnahme vom 07. November 2005) mit, nach nochmaliger Durchsicht der Röntgenbilder und der Besprechung des Befundes mit der Radiologischen Abteilung und unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. Ko., gehe er davon aus, dass ein Leistungsvermögen von sechs Stunden für zumindest leichte Arbeiten im Wechselrhythmus bei Beachtung von qualitativen Einschränkungen vorliege.

Mit Urteil vom 22. November 2005, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 05. Dezember 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er noch mindestens sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen erwerbstätig sein könne. Dies ergebe sich aus den Gutachten des Dr. W.-S. und des Dr. R ... Die Beurteilung des Prof. Dr. Ha. stünde dem nicht entgegen, da dieser in seiner ergänzenden Stellungnahme ebenfalls von einer sechsstündigen Leistungsfähigkeit ausgegangen sei. Die Gesundheitsstörungen auf dem Gebiet der Inneren Medizin rechtfertigten keine Rentengewährung.

Gegen das Urteil des SG hat der Kläger am 02. Januar 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Entscheidend für die Erwerbsminderung seien die weiterhin bestehenden Rückenschmerzen in Folge der Repositionsspondylodese. Das SG habe es unterlassen, das Ausmaß der Schmerzzustände aufzuklären. Er habe sich wegen seiner Schmerzen im Neurologischen Rückenschmerzzentrum in Vogtareuth behandeln lassen. In diesem Zusammenhang hat der Kläger einen vorläufigen Entlassungsberichts des Dr. Sch., Leitender Arzt der Neurologie am Behandlungszentrum V., vorgelegt (ohne Datum). Danach sei der Kläger vom 13. bis 23. Februar 2006 stationär behandelt worden. Als Diagnose hat Dr. Sch. angegeben: chronifiziertes lumboischalgieformes Schmerzsyndrom L 5/S 1 beidseits bei Zustand nach dorsaler Spondylodese L5 /S1 im September 2002. Im Rahmen der stationären Behandlung sei keine wesentliche Veränderung der Schmerzwahrnehmung seitens des Klägers erzielt worden. Eine psychosomatische Behandlungsperspektive sei sinnvoll, diese werde jedoch vom Kläger kategorisch abgelehnt. Es sei im Übrigen möglich, dass das lumbale Beschwerdebild in Zusammenhang mit einer Osteoporose stehe, weshalb eine Therapie mit Kalzium, Vitamin D 3 und Allendronat empfohlen werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. November 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Januar 2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend. Sie hat den Versicherungsverlauf vom 20. Oktober 2006 vorgelegt sowie mit Bescheid vom 30. März 2006 und Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2006 einen Antrag des Klägers vom 16. März 2006 auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abgelehnt, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien.

Der Berichterstatter hat Chefarzt Dr. Ga., Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am Klinikum Esslingen, zum Sachverständigen bestimmt. In seinem Gutachten vom 19. April 2007 hat dieser angegeben, der Kläger habe die Wartezeit zum Teil stehend verbracht, wobei er angegeben habe, starke Schmerzen beim Sitzen zu verspüren. Er habe angegeben, im letzten Jahr dreieinhalb Wochen in die Türkei geflogen zu sein. Es bestünden folgende Diagnosen: chronifiziertes neuropathisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Repositionsspondylodese bei Spondylosthese, psychische Überlagerung im Sinne einer Fehlverarbeitung des chronischen Schmerzsyndroms, Anpassungsstörung bei psychosozialer Konflikt- und Belastungssituation mit Angst und regressiven Tendenzen, Zustand nach Operation eines gutartigen Nebennierentumors rechts, Zustand nach Cholezystektomie 2004, Verdacht auf Narbenbruch, anamnestisch Geschwürsleiden und Zustand nach Halswirbelsäulentrauma 1998. Bei der Untersuchung des Klägers am 07. Februar 2007 habe sich der Eindruck eines chronisch schweren Schmerzsyndroms bestätigt. Hinweise für eine klinisch ausgeprägte Depression lägen nicht vor. Hingegen hätten sich Zeichen einer Anpassungsstörung mit vermehrter Ängstlichkeit, Schonhaltung und Rückzugsneigung des Klägers im Sinne einer Fehlverarbeitung des Geschehens gefunden. Insgesamt lägen deutliche Hinweise für eine psychische Fehlverarbeitung des Unfallereignisses (1998) vor, der auslösenden Situation zu Beginn der chronischen Rückschmerzsymptomatik, des operativen Eingriffs und der daran anschließenden medizinischen Behandlungsmaßnahmen. Dem Kläger seien allenfalls leichte körperliche Arbeiten zumutbar in einem zeitlichem Umfang von drei bis weniger als sechs Stunden täglich, wobei mindestens zwei Pausen notwendig seien sowie ein Wechsel der Körperhaltungen. Zwangshaltungen seien zu vermeiden. Die festgestellte Leistungseinschränkung bestünden seit Antragstellung. Durch Aktivierung, Fortsetzung der multimodalen Schmerztherapie und gegebenenfalls durch Einbezug der psychosomatischen Dimension sei eventuell eine Besserung der chronifizierten Symptomatik zu erhoffen, wobei nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Leistungseinschränkungen ganz entfielen. Zu diskutieren sei der Versuch einer langfristig angelegten stationären psychosomatischen Therapie. Der Sachverhalt der psychologischen Fehlverarbeitung der Erkrankung und des Einflusses psychologischer Faktoren sei bislang in der Leistungsbeurteilung von den übrigen Gutachtern nicht gewürdigt worden.

Die Beklagte ist unter Vorlage der Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. Gi. vom 04. Juli 2007 dem Gutachten entgegengetreten. Dr. Gi. hat ausgeführt, der eigentliche Befund sei in dem Gutachten von Dr. Ga. etwas knapp. Schwerwiegende Beeinträchtigungen hinsichtlich des körperlichen Befundes und auch der psychischen Befunde hätten sich nicht ergeben, zumal der Kläger durchaus in der Lage gewesen sei, eine Flugreise in die Türkei (mindestens drei Stunden sitzen) zu unternehmen. Auch das Behandlungszentrum Vogtareuth habe eine Beeinflussbarkeit der Symptomatik dokumentiert, was sich im Übrigen auch aus dem Entlassungsbericht der R.-Klinik vom 16. September 2005 ergebe.

Auf Nachfrage des Berichterstatters hat Dr. Ga. eine ergänzende Stellungnahme vom 08. August 2007 vorgelegt. Von Bedeutung sei, dass das Beschwerdebild des Klägers durch psychologische Faktoren überlagert werde und in seinen Auswirkungen kompliziert sei. Er sei nicht der Auffassung von Dr. Gi., dass aus einem Fehlen einer schweren Depression geschlossen werden könne, dass kein ausgeprägtes psychosomatisches Schmerzsyndrom vorliege. Er sehe auch in Kenntnis der Einwände von Dr. Gi. keinen Anlass von seiner Annahme eines chronifizierten und schweren neuropathischen Schmerzsyndroms mit psychischer Überlagerung abzurücken, ebenfalls nicht von seiner Auffassung einer psychischen Fehlverarbeitung im Sinne einer Anpassungsstörung mit ängstlicher Fixierung, wobei differentialdiagnostisch das Vorliegen eines psychosomatischen Schmerzsyndroms im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung erwogen werden könnte. Dass der Kläger eine Flugreise in die Türkei unternommen habe, könne aus seiner Sicht nicht begründen, dass das quantitative Leistungsvermögen nicht eingeschränkt sei.

Hierzu hat die Beklagte die weitere Stellungnahme des Dr. Gi. vom 06. November 2007 vorgelegt. Unbestritten bleibe, dass beim Kläger einen chronifiziertes Schmerzsyndrom vorliege. Weshalb Dr. Ga. an der Diagnose eines neuropathischen Schmerzsyndroms festhalte, sei nicht nachvollziehbar. Für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung stünden im Vordergrund die durch eine Störung hervorgerufenen tatsächlichen Einschränkungen und Beeinträchtigungen im Alltagsleben, die herausgearbeitet und diskutiert werden müssten.

Der Berichterstatter hat den den Kläger behandelnden Neurologen Prof. Dr. Ki. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat sich in seiner Auskunft vom 26. Mai 2008 der Einschätzung von Dr. Ga. uneingeschränkt angeschlossen.

Der Berichterstatter hat Unterlagen der Agentur für Arbeit, Freudenstadt im Hinblick auf die Arbeitslosengeld-II-Gewährung beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (2 Bände) sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit (sog. Arbeitsmarktrente) vom 01. August 2003 bis 31. Juli 2009.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser, als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und im welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger hat nach dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 20. Oktober 2006 - worüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht - nicht nur die allgemeine Wartezeit, sondern bei einem Leistungsfall im Januar 2003 (dazu sogleich) auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI). Darüber hinaus ist der Kläger ab Januar 2003 teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI.

Nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger jedenfalls seit Januar 2003 nur noch in der Lage ist, selbst leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten. Beim Kläger besteht ein chronifiziertes neuropathisches Schmerzsyndrom nach der im September 2002 erfolgten Repositionsspondylodese. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des vom Senat beauftragten Sachverständigen Dr. Ga. vom 19. April 2007. Die Diagnose des neuropathischen Schmerzsyndroms stellten auch der behandelnde Orthopäde Dr. de Jager (Auskunft vom 05. Dezember 2003) sowie Privatdozent Dr. R. im Bericht vom 20. Juni 2003 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 05. bis 19. Juni 2003. Dieser Diagnose haben sich auch der vom SG gehörte Sachverständige Dr. Weyer-Storz in seinem vom 31. Januar 2005 und Dr. Sch. in seinem Bericht über die stationäre Behandlung vom 13. bis 23. Februar 2006 angeschlossen. Auch Dr. Gi. geht in seiner von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen vom 06. November 2007 davon aus, dass beim Kläger ein Schmerzsyndrom vorliegt, wobei er dies nicht als ein neuropathisches, sondern als ein chronifiziertes Schmerzsyndrom ansieht. Dr. Gi. führt allerdings aus, dass die diagnostische Einordnung nicht im Vordergrund stünde, sodass der Senat die von Dr. Ga. und den anderen zuvor genannten Ärzten gestellte Diagnose als nicht widerlegt ansieht. Übereinstimmend sehen Dr. Ga. und Dr. Gi. das Schmerzsyndrom als psychisch überlagert im Sinne einer Fehlverarbeitung an.

Der Senat schließt sich der sozialmedizinischen Beurteilung - auch hinsichtlich des Zeitpunktes des Eintritts der Leistungsminderung - des Dr. Ga. vom 19. April 2007 an. Dr. Ga. hat seine Leistungsbeurteilung für den Senat schlüssig und nachvollziehbar begründet. Er hat insbesondere bei seiner Beurteilung auch berücksichtigt, dass von den Ärzten, die den Kläger untersucht haben, zum Teil deutlich diskrepante Befunde und Einschätzungen mitgeteilt worden sind und insoweit dargelegt, dass er deshalb von einer Beeinflussung durch psychologische Faktoren im Sinne einer psychischen Überlagerung des Beschwerdebildes ausgehe. Seine Beurteilung beruht wesentlich auf der psychologischen Fehlverarbeitung, die er bei den zuvor abgegebenen Leistungsbeurteilungen als nicht angemessen berücksichtigt ansieht. Im Hinblick auf die von Dr. Gi. gegen das Gutachten erhobenen Einwände hat Dr. Ga. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08. August 2007 für den Senat eine Beurteilung nachvollziehbar und schlüssig bekräftigt und insbesondere nochmals auf die Überlagerung des Beschwerdebildes durch die psychologische Faktoren hingewiesen. Aus der Tatsache, dass eine schwere Depression nicht diagnostiziert werden konnte, folgt nach den auch insoweit schlüssigen Angaben von Dr. Ga. nicht, dass das ausgeprägte psychosomatische Schmerzsyndrom nicht zu einer Leistungsminderung führt. Denn das psychosomatische Schmerzsyndrom ist durch eine Diskrepanz zwischen somatischen Befund und dem Ausmaß der beklagten Beschwerden gekennzeichnet. Der Umstand, dass der Kläger zur medizinischen Abklärung einer Erkrankung eine Flugreise in die Türkei unternommen hat, ändert an den quantitativen Leistungseinschränkungen nichts. Im Übrigen hat sich Neurologe Prof. Dr. Ki., der den Kläger zuletzt am 28. Februar 2008 behandelt hat, in seiner Auskunft vom 26. Mai 2008 uneingeschränkt sowohl den durch Dr. Ga. erhobenen Befunden als auch seiner Leistungseinschätzung angeschlossen.

Soweit Dr. Gi. in seiner von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 04. Juli 2007 darauf verweist, die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden seien therapeutisch beeinflussbar, kann dies die Leistungsbeurteilung des Dr. Ga. nicht entkräften. Auch Dr. Ga. hat dies nicht bezweifelt, sondern ausdrücklich dargelegt, dass durch Aktivierung, Fortsetzung der multimodalen Schmerztherapie und gegebenenfalls durch Einbezug der psychosomatischen Dimension eventuell eine Besserung der chronifizierten Symptomatik zu erhoffen sei sowie weiter eine langfristig angelegte stationäre psychosomatische Therapie, zu der der Kläger allerdings erst motiviert werden müsste, angeregt.

Da dem Kläger aufgrund des festgestellten eingeschränkten Leistungsvermögens nur noch der Teilzeitarbeitsmarkt zur Verfügung steht, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur sog. konkreten Betrachtungsweise die derzeitige Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8), weshalb die teilweise Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung durchschlägt. Dieser Rechtsprechung des BSG ist auch nach der Neuregelung des § 43 SGB VI zum 01. Januar 2001 durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, S. 1827) zu folgen. Denn der Gesetzgeber hat nunmehr in § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI ausdrücklich normiert, dass die konkrete Arbeitsmarktlage nur bei einer Erwerbsfähigkeit von mindestens sechs Stunden nicht zu berücksichtigen ist (so auch Reinhardt in LPK-SGB VI, § 43 RdNr. 11). Die sog. Arbeitsmarktrente wird jedoch nur auf Zeit gewährt.

Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der seit 01. Januar 2001 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (Satz 2). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (Satz 3). Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (Satz 4). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (Satz 5). Seit dem 01. Januar 2001 werden in bewusster und gewollter Abkehr vom alten Recht Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit regelmäßig nur noch auf Zeit geleistet. Die in § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI formulierte Ausnahme vom Regelfall der Gewährung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit liegt beim Kläger nicht vor. Denn es ist nicht "unwahrscheinlich", dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei ihm behoben werden kann. "Unwahrscheinlich" im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann jedoch erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Diese schließen alle Therapiemöglichkeiten nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V)) ein. Nach der Einschätzung von Dr. Ga. ist jedoch durch Aktivierung, Fortsetzung der multimodalen Schmerztherapie und gegebenenfalls durch Einbezug der psychosomatischen Dimension eventuell eine Besserung der chronifizierten Symptomatik zu erhoffen. Auch kommt eine stationäre psychotherapeutische und/oder schmerztherapeutische Therapie in Betracht.

Nach § 101 Abs. 1 SGB VI werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Vorliegend ist von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit seit Januar 2003 auszugehen, so dass die Rente, die am 22. Januar 2003 beantragt wurde, ab dem 01. August 2003 beginnt. Da die nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI höchstmögliche Zeitdauer für eine Befristung (drei Jahre) zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat bereits abgelaufen ist, war die Befristung zu wiederholen (§ 102 Abs. 2 Satz 3, 4 SGB VI) und die Beklagte dementsprechend zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bis 31. Juli 2009 zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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