S 12 KA 72/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 72/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Verordnung des Arzneimittels Azur Compositum ist nach Nr. 6 (Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen) und des Arzneimittels Arthrotec Forte nach Nr. 18 (Antiphlogistika oder Antirheumatika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen) der Anlage III der Arzneimittelrichtlinie grundsätzlich ausgeschlossen. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2011 B 6 KA 29/10 R - BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr. 13 = USK 2011-126 = SGb 2012, 600 = MedR 2012, 758, juris Rdnr. 39 f. für Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und andererseits auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien).
Eine Ausnahme vom Verordnungsausschluss setzt eine Begründung voraus (§ 16 Abs 5 AM-RL). Aus der - zeitnah erstellten - Dokumentation muss sich die Notwendigkeit der Verordnung ergeben.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 378,67 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung eines Arzneikostenregresses für das Quartal II/10 wegen der Verordnung von Arthrotec (111,16 Euro) und Azur Compositum (267,51 Euro) in Einzelfällen i. H. v. insgesamt 378,67 Euro (netto).

Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beigeladene beantragte unter Datum vom 17.06.2011 die Prüfung der Verordnungsweise in Einzelfällen für das streitbefangene Quartal unter Hinweis auf verschiedene Verordnungen des Arzneimittels Azur Compositum für die am 28.03.1994 geborene Patientin P1. und des Arzneimittels Arthrotec Forte für die am 21.05.1930 geborene Patientin P2. Hinsichtlich des Arzneimittels Azur Compositum verwies sie auf eine Verordnungseinschränkung gemäß Anlage III Nr. 6 der Arzneimittel-Richtlinie (Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen, ausgenommen Kombinationen mit Naloxon) und des Arzneimittels Arthrotec Forte nach Anlage III Nr. 18 Arzneimittelrichtlinie (Antiphlogistika oder Antirheumatika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen).

Der Kläger machte mit Schreiben vom 22.07.2011 geltend, in der Anlage III Nr. 6 sei das von ihm eingesetzte analgetische Kombinationspräparat nicht aufgeführt. Es handele sich um eine Kombination von Paracetamol, Paracodin und Coffein und sei von ihm nach reiflicher Überlegung unter Berücksichtigung aller Begleitumstände bei dieser Patientin eingesetzt worden. Auf Druck der Prüfungsstelle und auf Empfehlung eines Schmerztherapeuten werde derzeit ein Therapieversuch mit Fentanyl-Pflastern durchgeführt. Im weiteren Fall sei versucht worden, mit der freien Kombination von Diclophenac und Omeprazol das Therapieziel Erhaltung der Beweglichkeit mit einer selbstständigen 80-jährige zu erreichen. Dies sei wegen Compliance-Problemen gescheitert. Auch hier sei die Medikation zum Benefit der Patientin und zur Wirtschaftlichkeit im Gesundheitssystem fortgeführt worden.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 11.01.2012 die strittige Schadensersatzpflicht fest. Zur Begründung führte sie aus, Arthrotec unterliege nach Anlage III Nr. 18 Arzneimittel-Richtlinie einem Verordnungsausschluss, da Antiphlogistika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausgenommen seien. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe für diesen Indikationsbereich keine Ausnahmen festgelegt. Bei Arthrotec Forte handele es sich um die fixe Kombination von Diclofenac 75 mg und Misoprostol 0,2 mg. Der Zusatzstoff Misoprostol solle nach Herstellerangaben eine bessere Verträglichkeit des Diclophenac (NSAR) für den Magen bewirken. Betrachte man die Medikamtenrecherche, so schneide Arthrotec in dieser Kombination unbefriedigend ab. Die Diclofenac-Misoprostol-Fixkombination (Arthrotec, 50 mg + 200 µg) erlaube keine bedarfsgerechte Dosierung der Einzelkomponenten. Die erforderliche Mindestdosierung von 600 µg Misoprostol werde nicht bei allen Patienten erreicht. Dies gelte wegen des höheren Diclofenac Gehaltes generell für Arthrotec forte (75 mg + 200 µg). Auch die KBV weise in ihrem Fragen-Antwort-Katalog auf die Ausschlüsse der Anlage III darauf hin, dass der Verordnungsausschluss nach der Richtlinie auch für fixe Kombinationen von NSAR und Magenschutzmittel gelte. Azur Compositum sei als Analgetikum in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen von der Verordnung ausgeschlossen. Bei Paracetamol handele es sich um ein Analgetikum, bei Codein um ein Opiod-Analgetikum und bei Coffein um ein Analeptikum bzw. ein Psychostimulanzium. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe für diese Indikation keine Ausnahmeregelung festgestellt. Der Antrag der Beigeladenen sei um 8,80 Euro wegen einer fehlerhaften Rabattrechnung zu reduzieren.

Hiergegen hat der Kläger am 09.02.2012 die Klage erhoben. Er trägt vor, bei beiden Mitteln handelt es sich um zugelassene Arzneimittel. Es fehle an einer Begründung, weshalb die Verschreibung nicht wirtschaftlich oder nicht ärztlich injiziert gewesen sei. Die Beklagte habe außerhalb ihrer Aufgaben und Kompetenz entschieden. Alternativpräparate seien deutlich teurer. Die Beklagte habe ihr Ermessen, ob in diesen konkreten Einzelfällen die Verschreibung wirtschaftlich sinnvoll sei, nicht ausgeübt. Eine Prüfung der medizinischen Indikation lasse die Entscheidung vermissen. Auf Grund des hohen Alters der Patientin sei ein erhebliches Risiko bei einem Wechsel von Medikamenten gegeben. Allein, dass es sich um Kombipräparate handele, könne die Entscheidung nicht begründen. So werde eine Überprüfung der Einzelfälle belegen, dass die Zusammensetzung der einzelnen Komponenten den Bedarf nahezu optimal abgedeckt hätte. Auch über andere verschiedene Präparate müsste die gleiche Menge der einzelnen Komponente verabreicht werden. Dies sei aber deutlich teurer. Nach Vorstellung bei einem Schmerztherapeuten sei die Patientin von Azur Compositum auf die Kombination Paracetamol und Codein (Kosten 162,00 Euro/Quartal) Dulexetin (Kosten 272,00 Euro/Quartal) und ein Fentanylpflaster (Kosten 338,00 Euro/Quartal) umgestellt worden. Auf Grund der Umstellung hätten sich die Kosten je Quartal fast verdreifacht. Im anderen Fall erhalte die Patientin nun die freie Kombination Diclophenac und Omeprazol. Diese kostet ca. 53,00 Euro/Quartal. Der Kostenunterschied zu dem von ihm verordneten Kombinationspräparat betrage keine 5,00 Euro je Quartal. Allerdings habe die Patientin die freie Kombination nicht vertragen. Jedenfalls habe eine deutliche Verschlechterung des Zustandes festgestellt werden müssen. Dem habe nur durch die Verordnung eines von einem Orthopäden empfohlenen dritten Präparats entgegen gewirkt werden können. Dieses koste weitere 21,00 Euro/Quartal. Insgesamt vielen 15,00 Euro an weiteren Kosten pro Quartal an. Es könne nicht sein, dass der Umfang der Behandlung des Patienten von Richtlinien und einfachen Gesetzen bestimmt werde. Der Patient habe einen grundgesetzlichen Anspruch auf Wiederherstellung der Gesundheit. Dem Arzt sei auch ein Ermessensspielraum zuzubilligen. Es wäre jedenfalls ein Hinweis der Beklagten oder der Krankenkasse erforderlich gewesen. Es sei kein Schaden entstanden.

Der Kläger beantragt nach Rücknahme des Klageantrags zu 2. durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 25.02.2013,
den Bescheid der Beklagten vom 11.01.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Ergänzend zu ihren Ausführungen im angefochtenen Bescheid trägt sie vor, allein die Zulassung bedinge nicht, dass die Verordnung auch wirtschaftlich wäre. Verstoße die Verordnung eines Präparats gegen geltendes Recht, könne die Verordnung desselben nicht wirtschaftlich sein. Unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsvorschriften sei keine weitergehende Begründung des angegriffenen Bescheids erforderlich gewesen. Eine ausdrückliche Nennung des Präparats in der Anlage III sei nicht erforderlich. Es sei ausreichend, wenn eine allgemeine Regelung aufgestellt werde, die in einer Vielzahl von Einzelfällen zu einem eindeutigen Ergebnis führe. Ziel der Verordnung sei nicht die Regelung jeder möglichen Fallkonstellation oder die Ermöglichung der jeweils fallbezogen optimalen wirtschaftlichen Behandlungsweise, sondern die Vorgabe klarer verbindlicher Regelungen, die bei vertretbaren Verwaltungsaufwand insgesamt eine unwirtschaftliche Behandlungsweise aller Patienten gewährleisteten. Bei der Arzneimittelrichtlinie handele es sich um eine verbindliche Vorgabe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat sich mit eine Verhandlung in seiner Abwesenheit einverstanden erklärt.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Der Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss bedurfte es nicht. Die Prüfungsstelle war abschließend zuständig.

Nach § 78 Abs 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren (§ 78 Abs 1 SGG). Gemäß § 78 Abs 1 Satz 2 Nr. 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt. Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V (in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG)) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie ihre Auslegung ergibt, auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt. Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben. Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind" (vgl. BSG, Urt. v. 11.05.2011 - B 6 KA 13/10 R - BSGE 108, 175 = = SozR 4-2500 § 106 Nr. 32 = Breith 2012, 529 = USK 2011-35 = MedR 2012, 691, juris Rdnr. 18 ff.).

Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit folgt aus den Vorschriften des SGB V und den aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Das strittige Arzneimittel durfte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden.

Die Verordnung des strittigen Arzneimittels Azur Compositum ist nach Nr. 6 (Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen) und des strittigen Arzneimittels Arthrotec Forte nach Nr. 18 (Antiphlogistika oder Antirheumatika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen) der Anlage III der Arzneimittelrichtlinie grundsätzlich ausgeschlossen. Klägerseits wird nicht substantiiert dargelegt, dass die Arzneimittel nicht unter diese Arzneimittelgruppen fallen.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 11.01.2012 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Beklagte hat zu Recht den strittigen Arzneikostenregress festgesetzt.

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, gesetzliche Krankenversicherung nicht erbringen. Dies gilt für alle - niedergelassenen oder ermächtigten - vertragsärztlichen Leistungserbringer.

Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nach geltender Rechtslage berechtigt, Arzneikostenregresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise festzusetzen. Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Verordnungsregressen ist § 106 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 SGB V (i.d.F. des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007,BGBl. I, S. 378). Danach können die Landesverbände der Krankenkasse und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt werden können. Von dieser Kompetenz haben die Partner der Gesamtverträge in Hessen Gebrauch gemacht. Nach der hier maßgeblichen Prüfvereinbarung (im Folgenden: PV) vom 12.06.2008, mit Wirkung ab 01.01.2008 in Kraft getreten, prüft die Prüfungsstelle auf Antrag, ob der Arzt im Einzelfall mit seinen Arzneiverordnungen oder Verordnungen über Heilmittel gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat (§ 13 Abs. 1 PV). Anträge müssen innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals vorliegen (§ 13 Abs. 2 S. 1 PV).

Prüfgegenstand ist die Arznei- bzw. verordnungsbezogene Überprüfung der Verordnungsweise nach den gesetzlichen Bestimmungen bzw. nach dem Arzneimittel-Richtlinien oder Heil-Richtlinien, insbesondere hinsichtlich
- Preiswürdigkeit der verordneten Arzneimittel/Heilmittel unter Berücksichtigung des therapeutischen Nutzens
- Mehrfachverordnungen für pharmakologisch oder therapeutisch gleichsinnig wirkende Arzneimittel
- Verordnung von Arzneimitteln und Arzneimittelgruppen mit umstrittener Wirksamkeit
- Mehrfachverordnung bei med. therap. gleichsinnig wirkenden Heilmitteln und deren Zielsetzung
- Verordnungsmengen, Verordnungsabständen, Verordnungsumfang
- Durchführung bzw. Veranlassung der weiterführenden Diagnostik
- Beachtung der Vorschriften innerhalb/außerhalb des Regelfalls
- Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots hinsichtlich der Verordnung von Hausbesuchen
- Wirtschaftlichkeit der Verordnungen im Einzelfall (§ 13 Abs. 4 PV)

Soweit die Prüfungsstelle im Einzelfall eine Unwirtschaftlichkeit festgestellt hat, setzt sie den vom Arzt erstatteten Regressbetrag fest. Es scheint eine gezielte schriftliche oder persönliche Beratung ausreichend, ist diese nur zulässig, wenn innerhalb von 24 Monaten vor dem Quartal für das der Prüfantrag gestellt wurde, keine derartige Maßnahme verfügt wurde (§ 13 Abs. 5 PV). Ein Verfahren ist ausgeschlossen, wenn der vermutete Regressbetrag je Arzt im Quartal nicht mehr als 50,00 Euro beträgt (§ 13 Abs. 6 S. 1 PV).

Die erfolgte Zuweisung der Sanktionierung unzulässiger bzw. rechtswidriger Verordnungen an die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben in § 106 SGB V, mit den Bestimmungen der §§ 48 ff. BMV-Ä in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung (n. F.) sowie mit der langjährigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu eingehend BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 SGB V Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 11 ff., s. a. LSG Bayern, Urt. v. 02.03.2005 - L 12 KA 107/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Unter Beachtung der PV ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig.

Eine mündliche Verhandlung des Beklagten war nicht notwendig. Das Verfahren vor den Prüfgremien ist grundsätzlich schriftlich (§ 18 Abs. 1 Satz 1 PV).

Soweit ein Antrag auf Prüfung innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals zu stellen ist, dient diese Prüfantragsfrist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, (nur) dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt wird, dient eine andere Frist, nämlich die Vier-Jahres-Frist. Hat mithin die Nichteinhaltung der Frist für die Stellung des Prüfantrags nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt dieser Frist im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 14/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 29 = USK 2010-78 = NZS 2011, 316, juris Rdnr. 21 m.w.N.). Im Übrigen wurde der Antrag auf Prüfung rechtzeitig innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Verordnungsquartals gestellt.

Die Prüfungsstelle war, wie bereits ausgeführt, abschließend zuständig.

Eine mündliche Verhandlung des Beklagten war nicht notwendig. Das Verfahren vor den Prüfgremien ist grundsätzlich schriftlich (§ 18 Abs. 1 Satz 1 PV).

Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise den strittigen Arzneikostenregress festgesetzt. Die strittigen Arzneimittel durften im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung wegen des Verordnungsausschlusses nicht verordnet werden.

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Er soll insbesondere u. a. Richtlinien beschließen über die Verordnung von Arzneimitteln (§ 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr. 6 SGB V).

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf dieser Rechtsgrundlage die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) in der - hier maßgeblichen - Fassung vom 18. Dezember 2008 / 22. Januar 2009, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2009, Nr. 49a, zuletzt geändert am 19. März 2009, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 74: S. 1 746, in Kraft getreten am 1. April 2009 erlassen (zitiert nach http://www.g-ba.de/downloads/62-492-336/AM-RL-Neufassung3-2009-03-19.pdf). Nachfolgende Änderungen haben die hier maßgeblichen Regelungen nicht betroffen.

Nach § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL dürfen Arzneimittel von Versicherten nicht beansprucht, von den behandelnden Ärzten nicht verordnet und von Krankenkassen nicht bewilligt werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
1. der diagnostische oder therapeutische Nutzen oder
2. die medizinische Notwendigkeit oder
3. die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist.

Diese Voraussetzungen treffen insbesondere zu, wenn
1. ein Arzneimittel unzweckmäßig ist,
2. eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist,
3. ein Arzneimittel nicht der Behandlung von Krankheiten dient oder die Anwendung aus medizinischen Gründen nicht notwendig ist,
4. das angestrebte Behandlungsziel ebenso mit nichtmedikamentösen Maßnahmen medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist oder
5. an Stelle von fixen Wirkstoffkombinationen das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist.

Die nach den Absätzen 1 und 2 des § 16 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel sind in einer Übersicht als Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie zusammengestellt (§ 16 Abs. 3 AM-RL).

Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt kann die nach den Absätzen 1 und 2 in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 16 Abs. 5 AM-RL). Soweit die Verordnung von Arzneimitteln oder bei Arzneimittelgruppen die Verordnung für einzelne Arzneimittel aufgrund der jeweils genannten Ausnahmetatbestände zulässig ist, ist die Therapieentscheidung nach den Vorgaben der Übersicht nach § 16 Abs. 3 zu dokumentieren (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AM-RL). Die Dokumentation erfolgt im Sinne von § 10 (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte. Im Regelfall genügt die Angabe der Indikation und gegebenenfalls die Benennung der Ausschlusskriterien für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen, soweit sich aus den Bestimmungen der Richtlinie nichts anderes ergibt (§ 10 Abs. 2 AM-RL).

Nach Nr. 18. der Anlage III "Übersicht über Verordnungseinschränkungen und ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung durch die Arzneimittel-Richtlinie und aufgrund anderer Vorschriften (§ 34 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 3 SGB V) sowie Hinweise zur wirtschaftlichen Verordnungsweise von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr" sind Antiphlogistika oder Antirheumatika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen ausgeschlossen. Nach Nr. 6 sind Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen ausgeschlossen.

Der medizinische Grund, Antiphlogistika oder Antirheumatika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen bzw. Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen für nicht verordnungsfähig zu erklären, liegt darin, dass entgegengesetzte Wirkstoffe sich u. U. gegenseitig behindern bzw. in ihrer Wirkung neutralisieren können, sodass kein voller Nutzeffekt aller Wirkstoffe zu verzeichnen ist. Die "fixe" Kombination kann auch in den Ausnahmefällen, in denen die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen doch einen gewissen Sinn macht, problematisch sein; denn deren Zusammenspiel kann dann nicht je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit variiert werden, weil die Mengen der verschiedenen Wirkstoffe im Verhältnis zueinander in unveränderlicher Weise feststehen. Auf dieser Basis hat der Gemeinsame Bundesausschuss zur Schlussfolgerung kommen dürfen, dass statt fixer Wirkstoffkombinationen im Regelfall das Behandlungsziel medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger durch die Verordnung von Monopräparaten erreicht werden kann (vgl. - inhaltsgleich - die allgemeinen Vorgaben des § 16 Abs 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 5 AM-RL, die gemäß § 16 Abs 3 AM-RL durch die Anlage III AM-RL konkretisiert wird). Zwar ist nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen die Verabreichung einander entgegengesetzter Wirkstoffe medizinisch indiziert sein kann; solchen Fällen ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass generell bestimmt ist, dass der Vertragsarzt in medizinisch begründeten Einzelfällen derartige Arzneimittel ausnahmsweise mit Begründung verordnen darf (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V, § 16 Abs 5 AM-RL, ebenso Präambel Abs. 3 der Anlage III AM-RL). Für den Regelfall aber durfte der Gemeinsame Bundesausschuss davon ausgehen, dass Verordnungen fixer Kombinationen medizinisch problematisch sind, und dies deshalb als unwirtschaftlich bzw. unzweckmäßig bewerten und ihre Verordnungsfähigkeit beschränken (so BSG, Urt. v. 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr. 13 = USK 2011 126 = SGb 2012, 600 = MedR 2012, 758, juris Rdnr. 39 f. für Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und andererseits auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien).

Der in Nr. 18 Anlage III AM-RL normierte Verordnungsausschluss für Antiphlogistika oder Antirheumatika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen erfasst das hier strittige Arzneimittel Arthrotec forte. Bei dem Arzneimittel Arthrotec forte handelt es sich um die fixe Kombination von Diclofenac 75 mg und Misoprostol 0,2 mg. Der in Nr. 6 Anlage III AM-RL normierte Verordnungsausschluss für Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen erfasst das hier strittige Arzneimittel Azur Compositum. Bei dem Arzneimittel Azur Compositum handelt es sich um die fixe Kombination von Paracetamol, einem Analgetikum, mit Codein, ein Opiod-Analgetikum, und Coffein, ein Analeptikum bzw. ein Psychostimulanzium. Dies wird von dem Kläger auch nicht bestritten.

Auch die Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift, deren Inhalt § 16 Abs. 5 AM-RL wiederholt, kann der Vertragsarzt Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Eine Arzneimittelverordnung "mit Begründung" liegt im Falle des Klägers nicht vor. Weil der Gesetzgeber die Durchbrechung des vom GBA vorgenommenen Verordnungsausschlusses nur unter sehr engen Voraussetzungen zulassen will ("ausnahmsweise", "in medizinisch begründeten Einzelfällen", "mit Begründung"), ist davon auszugehen, dass die Begründung i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 4 SGB V in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Verordnung abgegeben und nach außen kundgetan werden muss, z. B. indem sie auf dem Verordnungsvordruck selbst enthalten ist oder diesem beigefügt oder zeitnah der betroffenen Krankenkasse übermittelt wird. Würde es hingegen genügen, dass bei einer auf § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V gestützten vertragsärztlichen Verordnung die gesetzlich vorgeschriebene Begründung z.B. erstmals in einem viel später durchgeführten Regressverfahren gegeben wird, unterschiede sich der Fall nicht von anderen Einzelverordnungsregressen, in denen typischerweise die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels erstmals im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) geklärt wird. Das Tatbestandsmerkmal "mit Begründung" liefe dann leer (so bereits LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.02.2012 - L 9 KR 292/10 - juris Rdnr. 41). Das Begründungserfordernis verlangt auch, das die Therapieentscheidung zu dokumentieren ist (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AM-RL). Zu dokumentieren ist, welche Krankheit gegeben ist und welche zusätzlichen Komplikationen und Risiken bestehen, die Anlass sind, nicht andere verfügbare Arzneimittel zu verordnen (vgl. Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 106, Rdnr. 90.

An einer solchen Begründung fehlt es in den beanstandeten Fällen. Eine zeitnah angelegte Dokumentation wurde im Prüfverfahren nicht vorgelegt.

Eine Verletzung von Patientenrechten scheidet schon deshalb aus, weil offensichtlich eine alternative Behandlungsmöglichkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung besteht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, den Einzelnen unter den Voraussetzungen des § 5 SGB V einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterwerfen und für seine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Beiträge die notwendige Krankheitsbehandlung gesetzlich zuzusagen, ihn andererseits aber, wenn er an einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen, von der Leistung einer bestimmten Behandlungsmethode durch die Krankenkasse auszuschließen und ihn auf eine Finanzierung der Behandlung außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Dabei muss allerdings die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf versprechen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.12.2005 -1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = BVerfGE 115, 25 = NZS 2006, 84 = GesR 2006, 72 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164, juris Rdnr. 55). Das Bundesverfassungsgericht stellt entscheidend darauf ab, dass andere, schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen und dass eine lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödliche Erkrankung vorliegt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Eine verpflichtende vorherige Anhörung vor Festsetzung eines Regresses war nicht erforderlich.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, ist die Festsetzung eines Regresses nicht davon abhängig, dass die Prüfgremien die Klägerin zuvor über die Unwirtschaftlichkeit ihrer Verordnungsweise beraten haben (vgl. BSG, Urt. v. 15.08.2012 - B 6 KA 45/11 R - juris Rdnr. 12). Soweit in § 106 Abs. 5e Satz 2 SGB V in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) bestimmt ist - nunmehr für alle Verfahren, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (Gesetz v. 19.10.2012, BGBl. I 2192) -, die Festsetzung von Erstattungsbeträgen bei Überschreitung des Richtgrößenvolumens (§ 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V) könne erst für Zeiträume nach einer individuellen Beratung erfolgen, findet diese Regelung hier bereits aus sachlichen Gründen keine Anwendung. Die Abs. 5a und 5c bis 5e des § 106 SGB V befassen sich allein mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Überschreitung von Richtgrößenvolumina i. S. des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V und finden auf andere Prüfungen keine Anwendung.

Auf ein Verschulden der Klägerin kommt es nicht an.

Das Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfungen ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es auf ein "Verschulden" des betroffenen Arztes bzw. auf eine besondere Vorwerfbarkeit für die festgestellte unwirtschaftliche Behandlungsweise - anders als z. B. im Falle eines echten Schadensregresses - nicht ankommt. So führt selbst die fehlerhafte ärztliche Verordnung von Mitteln, die nicht der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu Ersatzansprüchen gegen den Vertragsarzt, und zwar auch dann, wenn er in "gutem Glauben" von ihrer Verordnungsfähigkeit ausging (vgl. BSG, Urt. v. 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -SozR 4-2500 § 106 Nr. 1, juris Rdnr. 36; BSG, Urt. v. 14.03.2001 -B 6 KA 19/00 R – aaO., juris Rdnr. 15). Ist einem Vertragsarzt eine unwirtschaftliche Verordnungsweise anzulasten, so ist ein Regress gegen ihn berechtigt, wobei dieser in Höhe des der Krankenkasse entstandenen Schadens festzusetzen ist. Ein Verschuldenserfordernis besteht im Rahmen von Honorarkürzungen oder Verordnungsregressen gemäß § 106 SGB V nicht (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 21 = USK 2008-106 = GesR 2009, 539, juris Rdnr. 28 m. w. N.). Im Übrigen schließt eine Unkenntnis vom Verordnungsausschluss ein Verschulden nicht aus.

Auf Vertrauensschutz kann sich ein Vertragsarzt nur berufen, wenn ihm von dritter Seite, insbesondere der Kassenärztlichen Vereinigung oder den Krankenkassen, die Verordnungsfähigkeit bestätigt wurde bzw. er davon ausgehen konnte, dass trotz Kenntnis der Umstrittenheit der Verordnungsfähigkeit die Verordnung in der Vergangenheit nicht beanstandet wurde und nicht erkennbar wurde, dass von dieser Verwaltungspraxis abgewichen werden solle (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2001 -B 6 KA 3/01 R -SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 = BSGE 89, 90 = SGb 2003, 165, juris Rdnr. 39-41; BSG, Urt. v. 21.05.2003 -B 6 KA 32/02 R – aaO., juris Rdnr. 36). Für die Setzung eines Vertrauenstatbestandes ist nichts ersichtlich.

Für die Regresshöhe ist maßgebend, welchen Kostenbetrag die Krankenkassen auf Grund der beanstandeten Verordnungen im Sinne einer Nettobelastung tragen müssen.

Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und ausgehändigt werden durften. Die Krankenkasse hat mithin Kosten aufgewandt, die sie prinzipiell aufwenden muss, die aber im konkreten Fall nicht angefallen wären, wenn der Vertragsarzt den normativen Vorgaben entsprochen hätte (vgl. BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 6 KA 5/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 28 = USK 2010-50 = MedR 2011, 381, juris Rdnr. 23). Maßgeblich ist das fehlerhafte Verordnungsverhalten. Es ist deshalb in erster Linie die Verpflichtung des Vertragsarztes, den der Krankenkasse entstandenen Schaden auszugleichen (vgl. BSG, Urt. v. 20.10.2004 - B 6 KA 65/03 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 7 = GesR 2005, 227 = USK 2004-143, juris Rdnr. 24). Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und aushändigt werden durften. Der "Schaden", der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht dagegen demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise i. S. von § 106 SGB V verursacht wird. Der Unterschied besteht allein darin, dass ein Regress wegen unzulässiger Verordnungen an einzelne Verordnungen des Arztes gegenüber bestimmten Patienten und nicht an sein Verordnungsverhalten in einem bestimmten Zeitraum insgesamt anknüpft (vgl. BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 19/00 R - SozR 3-2500 § 106 Nr. 52 = USK 2001-148, juris Rdnr. 16).

Damit kommt es auf die Kosten, die bei einer anderen Verordnung entstanden wären, nicht an.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 144 SGG).

Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der Streitwert folgte aus dem strittigen Regressbetrag.
Rechtskraft
Aus
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