L 2 U 3638/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 867/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 3638/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Mai 2006 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Folge des Arbeitsunfalles vom 3. Juni 2002.

Der am 21. März 1965 geborene Kläger war seit September 1980 als Maschinenschlosser bei der A. M. GmbH und Co. KG in R. beschäftigt. Am 3. Juni 2002 erlitt er einen Unfall, den der Arbeitgeber unter dem 24. Juni 2002 anzeigte. Laut Unfallanzeige kippte beim Montieren einer Fingerrollenrostachse (ca. 1 Tonne schwer) diese um, traf den Kläger am Becken und rutschte an seinem linken Knie herunter und riss ihn dabei zu Boden. Der am 3. Juni 2002 aufgesuchte Orthopäde Dr. F. äußerte aufgrund eines Röntgenbefundes den Verdacht auf eine Tibiakopffraktur lateral des linken Knies und überwies den Kläger in das Klinikum der Stadt Villingen-Schwenningen, wo dieser bis zum 12. Juni 2002 stationär behandelt wurde. Die dort mittels Röntgenaufnahme und Computertomogramm (CT) bestätigte Verdachtsdiagnose wurde durch Anhebung der Gelenkfläche mit Spongiosaunterfütterung vom linken Beckenkamm und Osteosynthese mit 4-Loch-L-Abstützplatte am 5. Juni 2002 operativ versorgt (s. Bericht vom 12. Juni 2002 und OP-Bericht, Bl. 55 der Akten des Sozialgerichts Reutlingen [SG]). Der Chefarzt des Klinikums der Stadt V.-S., PD Dr. T., teilte unter dem 9. September 2002 mit, dass der Kläger ab 9. September 2002 arbeitsfähig sei und die MdE nach vorläufiger Schätzung über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus um 20 v.H. betrage. PD Dr. T. erstattete auch das Erste Rentengutachten vom 18. Dezember 2002 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 2. Dezember 2002. Der Gutachter befundete inspektorisch eine mäßige Athrophie der Oberschenkelmuskulatur, eine mäßige Kapselverdichtung im linken Kniegelenk und eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit des linken Kniegelenkes bezüglich der Beugung um 20 Grad. Die MdE bewertete er ab Ende August 2002 auf 20 v.H.

Im Nachschaubericht des PD Dr. T. vom 24. Januar 2003 wird aufgrund einer Untersuchung vom selben Tag mitgeteilt, dass die Beweglichkeit im linken Knie aktiv und passiv frei sei. Auf Nachfrage der Beklagten teilte PD Dr. T. unter dem 14. Februar 2003 mit, dass sich gegenüber dem Gutachten die Beweglichkeit gebessert habe und ab dem Untersuchungstag, also dem 2. Dezember 2002, die MdE lediglich 10 v.H. betrage. Mit Bescheid vom 27. März 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus (ab 3. Dezember 2002) eine MdE in Höhe von 10 v.H. vorliege. Hiergegen erhob der Kläger am 3. April 2003 Widerspruch mit der Begründung, er habe ständig Schmerzen, das Knie sei ständig geschwollen und er könne nicht mehr wie beruflich erforderlich den ganzen Tag lang stehen; er könne auch keine Arbeiten im Knien verrichten. Mit Bescheid vom 28. Mai 2003 bewilligte die Beklagte unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 27. März 2003 eine Rente nach einer MdE von 20 v.H. vom 9. September 2002 bis 23. Januar 2003. Als Unfallfolgen anerkannt wurden links: eine vorübergehend bestehende geringgradige Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes, belastungsabhängige Beschwerden im Kniegelenk, Muskelminderung des Oberschenkels und leichte Gefühlsstörung im Bereich des Unterschenkels nach knöchern fest verheiltem Bruch des Schienbeines im kniegelenksnahen Bereich bei noch einliegendem Metall. Der Kläger führte hierauf aus, auch über den 23. Januar 2003 hinaus liege eine MdE von 20 v.H. vor. Die Feststellung des Dr. T. im Nachschaubericht vom 24. Januar 2003 sei im Hinblick auf das Gutachten nicht nachvollziehbar. Auch sei nicht nur auf eine Bewegungseinschränkung abzustellen, zumal der Kläger ständige Schmerzen im Knie habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2004 - am 22. Januar 2004 zur Post gegeben (s. Aktenvermerk Bl. 65 der Verwaltungsakten) wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2004 hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Die Klage wurde beim SG ohne Eingangstempel versehen einer anderen Akte des Sozialgerichts untergebunden und am 9. März aufgefunden (s. Aktenvermerk auf Bl. 58 der Akten des SG). Auf Nachfrage des Klägerbevollmächtigten am 18. März 2004 hat das SG noch mitgeteilt, dass ein diesbezüglicher Vorgang nicht vorliege, worauf der Klägerbevollmächtigte am 22. März 2004 die Klage erneut vorgelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hat. Das SG hat nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des PD Dr. Strauß vom 30. Dezember 2004 aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 23. August 2004 eingeholt. Hiernach seien keine Funktionseinschränkungen der Beweglichkeit erkennbar. Die MdE betrage ab 24. Januar 2003 10 v.H. Die Kniegelenksfunktion sei aber auch noch vom unbekannten Zustand des Kniegelenkknorpels abhängig, was am besten durch eine Arthroskopie im Rahmen der Materialentfernung aufgeklärt werden könne. Die geklagten plötzlich einschießenden Schmerzen bei Rotation im Kniegelenk bei fixiertem Fuß könnten von einem Meniskusschaden herrühren, der nicht zwangsläufig unfallbedingt sein müsse.

Am 10. Dezember 2004 erfolgte im Klinikum V.-S. eine Kniespiegelung links, eine Entfernung der L-Platte sowie eine Naht des festgestellten Risses des Außenmeniskus (s. OP-Bericht, Bl. 56 der SG-Akten). Auf Nachfrage der Beklagten hat PD Dr. T. unter dem 29. März 2005 mitgeteilt, der Riss des Außenmeniskus sei durch die am 5. Juni 2002 erfolgte Ablösung des Außenmeniskus an der Basis zur operativen Versorgung der Tibiakopffraktur bedingt und somit unfallabhängig. Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2006 hat die Beklagte einen Riss des Außenmeniskus mit anschließender Meniskusnaht als Unfallfolge anerkannt. Eine Änderung der festgestellten MdE sei dadurch jedoch nicht bedingt. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 6. Dezember 2005 vorgelegt. Der ergänzend befragte gerichtliche Sachverständige PD Dr. S. hat unter dem 22. Mai 2006 ausgeführt, die Bewegungsfunktion des linken Kniegelenkes wie auch die Tragefunktion seien nach erfolgreicher Rekonstruktion nicht wesentlich eingeschränkt; die am 10. Dezember 2004 erfolgte Arthroskopie habe regelhafte Knorpelverhältnisse im Kniegelenk ergeben. Die MdE werde derzeit mit 10 v.H. eingeschätzt. Das SG hat noch den Entlassungsbericht der Reha-Klinik Überruh vom 16. Mai 2006 beigezogen, nach dem der Kläger als Maschinenschlosser mit Vorarbeiterfunktion 6 Stunden und mehr tätig sein könne; zu meiden seien sehr häufiges Klettern und Steigen sowie häufiges Arbeiten auf den Knien. Mit Urteil vom 30. Mai 2006 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 23. Januar 2003 hinaus bis zum 9. Dezember 2004 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Das SG hat sich hierbei auf die Beurteilung des PD Dr. S. gestützt und dem eingetretenen Meniskusriss Rechnung getragen. Eine Abweisung der Klage im Übrigen ist dem Tenor nicht zu entnehmen.

Gegen das der Beklagten am 6. Juli 2006 zugestellte Urteil hat diese am 20. Juli 2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, dass zumindest ab 24. Januar 2003 keinerlei objektivierbare funktionelle Einschränkungen beim Kläger bestanden hätten. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des anerkannten Risses im Bereich des Außenmeniskus des linken Knies. Der Kläger hat gegen das ihm am 3. Juli 2006 zugestellte Urteil am 24. Juli 2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, aufgrund der ständigen Schmerzen sei eine unfallbedingte Anpassungsstörung hinzugetreten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Mai 2006 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 27. März 2003 in der Fassung des Bescheids vom 28. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2004 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. über den 9. Dezember 2004 hinaus zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Mai 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte Dres. I., F., S. und M. eingeholt. Arzt für Innere Medzin Ilg hat unter Vorlage von weiteren Unterlagen über die Behandlung des Klägers ab 4. Februar 2000 berichtet (s. Bl. 43 und 47 der Akten des Landesozialgerichts Baden-Württemberg [LSG]). Facharzt für Orthopädie Dr. F. hat über die Behandlung des Klägers seit November 1995 berichtet. Am 1. Oktober 1997 habe der Kläger über seit einem halben Jahr bestehende Beschwerden im linken Kniegelenk berichtet ohne erinnerliches Trauma. Bei der Wiedervorstellung im März 1998 sei keine Besserung angegeben worden. Am 26. März 1998 sei arthroskopisch eine Teilmeniskektomie des Hinterhorns med. sowie eine Zottenresektion erfolgt (siehe hierzu auch den OP-Bericht vom 26. März 1998, Bl. 64, 65 der SG-Akten). Der Neurologe Dr. S. hat über eine Behandlung am 29. März 1996, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. über eine Behandlung vom 12. März bis 24. Mai 1996 berichtet. Dr. M. hat eine psychovegetative Labilität sowie einen atypischen Gesichtsschmerz rechts diagnostiziert. Des weiteren hat der Senat die Rehabilitationsakte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen sowie eine Auskunft der AOK Baden-Württemberg vom 9. November 2006 eingeholt. Der Kläger hat den Bericht des Dr. F. über eine am 28. Februar 2007 erfolgte Operation am linken Knie vorgelegt; hiernach erfolgte lateral partiell eine Meniskektomie.

Auf Antrag nach § 109 SGG hat der Senat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. Großmann sowie von Amts wegen ein nervenärztliches Gutachten von Prof. Dr. B. und ein orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. H. eingeholt. Dr. Großmann hat im Gutachten vom 22. Mai 2007 depressive Anpassungsstörungen nach Arbeitsunfall 2002 mäßiggradiger Ausprägung diagnostiziert. Das Ausmaß und der Zeitpunkt des Auftretens seien schwer ableitbar. In dem Reha-Entlassungsbericht vom 16. Mai 2006 werde leider keine psychopathalogische Befunderhebung mitgeteilt. Der Sachverständige gehe deshalb davon aus, dass zum Zeitpunkt der erneut erforderlichen Operation am 28. Februar 2007 von einer Anpassungsstörung auszugehen sei, die eine MdE von 20 v.H. rechtfertige. Prof. Dr. B. hat im Gutachten vom 21. September 2007 ein leicht ausgeprägtes Wirbelsäulensyndrom ohne daraus resultierende sensible bzw. motorische neurologische Defizite sowie eine leichte Verschmächtigung des Musculus quadriceps femoris links diagnostiziert, die beide unfallunabhängig entstanden seien. Psycho-reaktive Folgekrankheiten seien definitiv auszuschließen gewesen. Die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet betrage zu jedem Zeitpunkt 0 v.H. Prof. Dr. H. hat im Gutachten vom 3. Januar 2008 als Unfallfolgen einen leichten Achsfehler des linken Beines, Narbenbildungen sowie endphasige Funktionseinschränkungen des linken Kniegelenks, eine geringgradige Minderung der Muskulatur im Ober- und Unterschenkelbereich links sowie sekundär-posttraumatische degenerative Veränderungen des linken Kniegelenkes als Unfallfolgen beschrieben. Nach der doch schweren knöchernen Verletzung und der sehr kurzen Arbeitsunfähigkeit erscheine eine temporäre Zubilligung einer MdE in Höhe von 20 v.H. so wie gewährt für gerechtfertigt. Aufgrund der in den ärztlichen Gutachten festgehaltenen Funktionsstörungen erscheine anschließend eine MdE in Höhe von 10 v.H. tatsächlich für angemessen, wobei in einigen Jahren möglicherweise eine relevante Verschlechterung eintreten werde.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 2. April 2008 ist die Sach- und Rechtslage erörtert worden; die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Verwaltungsakten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg sowie die Prozessakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündlichen Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG). Die Berufungen sind statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegt und somit insgesamt zulässig. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, die Berufung des Klägers hingegen nicht. Die Klage des Klägers vom 29. Januar 2004 gilt als fristgerecht erhoben, obwohl ein Eingangsstempel des SG den Tag der Klageerhebung und der Rechtshängigkeit (vgl. §§ 87, 90, 94 SGG) nicht dokumentiert; denn aufgrund des aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten allgemeinen verfassungsrechtlichen Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren (vgl. BVerfGE 57, 250; 75, 183;78, 123) folgt, dass es nicht zum Nachteil eines Beteiligten gereicht, wenn allein das Gericht den Nachweis der Fristeinhaltung vereitelt (vgl. zu einem ähnlichen Fall BSG NJW 2001, 2492); deshalb kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Kläger - der, obwohl er keine Eingangsbestätigung bekommen hat, erst am 18. März 2004, lange nach Ablauf der Klagefrist (s. § 87 Abs. 2 SGG i. V. m. § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)), nachgefragt hat - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Sie ist auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht über den 23. Januar 2003 hinaus keine Verletztenrente zu.

Streitgegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 27. März 2003 in der Fassung des Bescheids vom 28. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2004, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab 24. Januar 2003 abgelehnt hat. Auf diesen im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) geltend gemachten Anspruch auf Verletztenrente sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - anwendbar (§ 212 SGB VII).

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Versicherungsfälle sind gem. § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach ständiger Rechtssprechung müssen die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Unfallereignis) und der Gesundheitsschaden (Gesundheitserstschaden und Unfallfolgen, s. hierzu: Becker, Der Arbeitsunfall, SGB 2007, S. 721), dessentwegen Entschädigungsleistungen begehrt werden, erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis als erbracht angesehen werden können, ohne dass ernstliche Zweifel in Betracht kommen (vgl. BSGE 58, 80,83; 61, 127, 128). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und den Unfallfolgen (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R = BSGE 96, 196 ff.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 268). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Erziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 280). Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben, was nach der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten ist (BSG a.a.O.). "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen und damit keine Ursache i. S. der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, der nach dem Unfall festgestellte Erstbefund sowie die konkurrierenden Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihrer Krankengeschichte.

In Anwendung dieser rechtlichen Kriterien sind die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles erfüllt, was die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid auch anerkannt hat. Entgegen der Auffassung des SG und des Klägers hat der Kläger über den 23. Januar 2003 hinaus aus den Unfallfolgen - anerkannte und anzuerkennende - keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, da die Unfallfolgen lediglich eine MdE um 10 v.H. bedingen.

Auf orthopädischem Fachgebiet leidet der Kläger unfallbedingt unter einem leichten Achsfehler des linken Beines, Narbenbildungen und endphasiger Funktionsbeeinträchtigung des linken Kniegelenks (Beugung) sowie einer geringgradigen Minderung der Muskulatur im Ober- und Unterschenkelbereich links und sekundär posttraumatisch degenerativen Veränderungen des linken Kniegelenks, wie die gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. S. und Prof. Dr. H. schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt haben. Beide Gutachter gelangten übereinstimmend zur Auffassung, dass ab 24. Januar 2003 die MdE auf 10 v.H. einzuschätzen ist. PD Dr. S. konnte eine Funktionseinschränkung der Beweglichkeit des linken Kniegelenks (im Vergleich zur rechten Seite) nicht erkennen, Prof. Dr. H. hat lediglich eine endphasige Funktionsbeeinträchtigung (Beugung) bekundet. PD Dr. S. hat in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 21. Mai 2006 in Kenntnis der Knorpelbefunde anlässlich der am 10. Dezember 2004 erfolgten Operation für den Senat überzeugend dargelegt, dass auch die Belastungs(trage-) funktion des Kniegelenkes nach erfolgter Rekonstruktion nicht wesentlich eingeschränkt ist. Beide Gutachter gelangten demnach schlüssig nachvollziehbar zu einer MdE auf ihrem Fachgebiet um 10 v.H. Beide Gutachter haben dem am 10. Dezember 2004 festgestellten und genähten Riss des Außenmeniskus, Prof. Dr. H. auch dem am 28. Februar 2007 erneut operierten Meniskus (Teilektomie) keine weitergehende Bedeutung für die Einschätzung der MdE zugebilligt, was den Senat anhand der erhobenen Befunde überzeugt. Der Kläger selbst hat bei PD Dr. S. lediglich Schmerzen bei Rotation im Kniegelenk bei fixiertem Fuß angegeben, was keine Erhöhung der MdE auf 20 v.H. rechtfertigt. Die vom SG vorgenommene gegenteilige Einschätzung kann sich nicht auf die Beurteilung des PD Dr. S. stützen; weder im Gutachten noch in der ergänzenden Stellungnahme hat er solche Ausführungen gemacht, obwohl ihm zuletzt der nachgewiesene Meniskussriss bekannt war. Nicht gefolgt werden konnte der MdE-Einschätzung des PD Dr. Thielemann im Ersten Rentengutachten vom 18. Dezember 2002. Prof. Dr. H. hat überzeugend dargelegt, dass sich auch aufgrund der dort festgehaltenen Funktionsstörungen lediglich eine MdE von 10 v.H. feststellen lässt, so dass in der Tat anlässlich des Nachschauberichts vom 24. Januar 2003 in der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 14. Februar 2003 eine Selbstkorrektur gesehen werden kann.

Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet leidet der Kläger unter keinen Unfallfolgen.

Die von Dr. Großmann diagnostizierte Anpassungsstörung ist nicht nachgewiesen. Prof. Dr. B. hat beim Kläger eine ungestörte Antriebssituation befundet; er hat keine Antriebslähmung und auch keine Antriebsreduktion, vielmehr adäquates psychomotorisches Tempo, eine lebhafte Gestik und Mimik, eine regelrechte Sprechgeschwindigkeit und eine gute Stimmmodulation befundet; auch war der Kläger häufig in der Lage Initiative zu ergreifen. Es bestand jedoch auch keine Antriebssteigerung, daran ablesbar, dass der Kläger der Untersuchung ruhig auf seinem Stuhl sitzend folgen konnte, ohne Nachlassen seiner Konzentrationsfähigkeit und ohne erhöhte Ablenkbarkeit. In affektiver Hinsicht war ein guter Rapport herstellbar. Prof. Dr. B. konnte keine durchgängige Verschiebung der Grundstimmung in einen deprimiert-gehemmten oder ängstlichen Modus, jedoch auch nicht dysphorisch-gereizt oder für die Situation inadäquat euphorisch feststellen; auch freudige Affekte mit Lachen und Schmunzeln waren nicht ausgespart, insbesondere während der körperlich-neurologischen Untersuchung. Auch depressive Symptome wie eine gedrückte Stimmung, ein Interessenverlust, eine Unfähigkeit, sich zu freuen, eine Verminderung des Antriebs, eine erhöhte Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkungen oder Konzentrations- oder Aufmerksamkeitseinschränkungen, ein vermindertes Selbstwertgefühl oder Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Gedanken über oder tatsächlich erfolgte schwerwiegende Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit ließen sich beim Kläger weder bei der Begutachtung bei Prof. Dr. B. noch im Querschnittsbefund in relevantem Umfang feststellen oder ließen sich solche Symptome über längere Zeit hinweg aus der längsschnittlichen Betrachtung der eigenen anamnestischen Angaben und der Aktenlage ableiten. Prof. Dr. B. hat auch darauf hingewiesen, dass kein innerer - primärer - Leidensdruck des Klägers feststellbar war, da der Kläger - ohne antriebsgehemmt zu sein - keine nervenärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt. Aus den anamnestischen Angaben haben sich im Übrigen auch keine sozialen Rückzugstendenzen, kein Verlust der allgemeinen Tagesstrukturierung und kein Verlust des allgemeinen Interessenspektrums und kein Verlust der beruflichen Kompetenz ableiten lassen. Eine psychiatrische Erkrankung konnte Prof. Dr. B. überzeugend nicht diagnostizieren. Nicht gefolgt werden kann den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. G., der nicht begründet, warum fast 5 Jahre nach dem Unfall eine unfallbedingte depressive Anpassungsstörung entstanden sein soll und auf den Unfall wahrscheinlich und wesentlich zurückgeführt werden kann. So hat Prof. Dr. B. unter Hinweis auf die ICD-10 für den Senat überzeugend dargelegt, dass die Anpassungsstörung im Allgemeinen innerhalb eines Monats nach dem belastenden Ereignis beginnt und meist nicht länger als 6 Monate, längstens 2 Jahre andauert. Dr. G. hat nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso der Kläger, der seit dem Unfall über Kniebeschwerden klagte und vorher mehrfach operiert wurde, gerade durch die Operation am 28. Februar 2007 eine Anpassungsstörung entwickelt haben soll. Des weiteren hätte Dr. G. auch darlegen müssen, dass die Anpassungsstörung rechtlich wesentlich unfallbedingt entstanden ist. So übersieht Dr. G., dass der Kläger nicht nur unfallbedingt Schmerzen am linken Kniegelenk hat, sondern auch seit 1987 Schmerzen im rechten Kniegelenk (s. Zeugenaussage des Dr. F.), Magenbeschwerden, häufige Bronchitiden, Beschwerden im gesamten Wirbelsäulenbereich, starke chronische Oberbauchbeschwerden im Sinne einer chronischen Gastritis, die nicht unfallbedingt sind. Zudem klagte der Kläger schon im Jahre 1997 über erste Kniegelenksbeschwerden links, die am 26. März 1998 eine Operation notwendig machten (s. Aussage des Dr. F. und OP-Bericht vom 26. März 1998, Bl. 64 der SG-Akte). Der Kläger erlitt auch schon im Jahre 1996 eine psychovegetative Dekompensation, die zur Arbeitsunfähigkeit führte (s. Auskunft der AOK Baden-Württemberg vom 9. November 2006 und Zeugenaussage des Dr. M. vom 12. Februar 2007), was als Konkurrenzursache hätte diskutiert werden müssen (s. hierzu auch Gutachten Prof. Dr. B. S. 21/22). Aus den von der Beklagten anerkannten weiteren Unfallfolgen, der geringen Muskelminderung des Oberschenkels und der leichten Gefühlsstörung im Bereich des Unterschenkels (die nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. B. zum Einen nicht unfallbedingt, zum Anderen nicht vorhanden sind) ergibt sich keine höhere MdE, da die Muskelminderung in die Einschätzung der MdE einbezogen worden ist und es sich bei der leichten Gefühlsstörung nur um einen unwesentlichen Befund handelt (s. hierzu Gutachten des PD Dr. T. vom 18. Dezember 2002).

Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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