L 9 R 4911/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 7522/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4911/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. September 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1952 geborene Klägerin, eine griechische Staatsangehörige, hat in Deutschland im Zeitraum vom 01. Januar 1973 bis 30. Mai 1987 mit Unterbrechungen versicherungsrechtliche Zeiten, unter anderem auf Grund versicherungspflichtiger Beschäftigung (in einer Fadenfabrik, als Raumpflegerin, in einer Elektrofabrik und zuletzt bei der Firma B.) zurückgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 11. November 2005 verwiesen. Vom 01. Januar 1988 bis 30. April 2004 hat sie Pflichtbeitragszeiten in Griechenland, zuletzt in der Landwirtschaft, zurückgelegt. Vom griechischen Rentenversicherungsträger bezieht sie seit 16. Mai 2004 eine Invalidenrente mit einem Invaliditätsgrad von 67 %, befristet bis zum 31. Mai 2008.

Bei ihr erfolgten Operationen unter anderem 1998 wegen einer Außen- und Innenknöchelfraktur rechts, 2002 wegen einer Schulterblatt- und Oberarmfraktur links sowie im März 2004 zur Implantation einer Knietotalendoprothese im rechten Kniegelenk.

Am 16. Mai 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung beim griechischen Rentenversicherungsträger, der den Antrag an die Beklagte weiterleitete.

Gemäß dem Bericht über die gutachterliche Untersuchung und dem Bescheid Nr. 360 der Gesundheitskommission des griechischen Rentenversicherungsträgers vom 17. Juni 2005 litt die Klägerin (seit 10 Jahren) unter starken Kopfschmerzen und bestanden Schwierigkeiten beim Gehen mit Schmerzen. Es lägen an Erkrankungen eine Osteoarthritis des (rechten) Kniegelenks (operiert mit totaler Arthroplastik), eine operierte Fraktur am rechten Fußgelenk und eine operierte Fraktur am linken Antibrachium (Oberarm) sowie eine Invalidität von 67 % auf Grund des Gesundheitszustandes "unter Berücksichtigung ihres Berufes, Alters, ihrer Ausbildung und ihrem Wohnort" voraussichtlich vom 16. Mai 2004 bis 31. Mai 2008 vor.

In Auswertung dieser Unterlagen stellte der die Beklagte beratende Arzt Dr. W. am 08. November 2005 die Diagnosen "Totalendoprothese rechtes Knie wegen Gonarthrose, operierter Fußbruch rechts" und "operierter Oberarmbruch links". Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen könne die Klägerin noch leichte Tätigkeiten, zeitweise im Stehen und Gehen sowie überwiegend im Sitzen ohne häufiges Klettern und Steigen sowie Absturzgefahr sechs Stunden und mehr verrichten.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11. November 2005 den Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ab, da die Klägerin noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Deswegen hat die Klägerin am 28. November 2005 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Die Beklagte hat dann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2006 zurückgewiesen.

Das SG hat den Orthopäden Dr. M., T., mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Er ist in dem am 16. April 2007 eingegangenen Gutachten im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, es bestünden ein Zustand nach Totalprothesenimplantation am rechten Kniegelenk im Jahr 2004 wegen posttraumatischer Gonarthrose nach Kniegelenksfraktur im September 1997, eine mittelschwere posttraumatische Sprunggelenksarthrose nach operativ versorgter bimalleolarer Fraktur 1998, eine schwere posttraumatische Schulterarthrose links mit Trümmerfraktur des Glenoids und großem Weichteilschaden des Bizepsmuskels und der Haut, ein Karpaltunnelsyndrom beidseits, eine chronische Lumboischialgie wegen Spondylarthrose sowie Depressionen auf Grund familiärer Probleme wegen einer Alkoholerkrankung des Ehemannes. Auf Grund der Erkrankungen könne die Klägerin bei Beachtung - näher beschriebener - qualitativer Einschränkungen unter Umständen bis zu drei Stunden täglich arbeiten. Dieser Zustand bestehe seit der Kniegelenksfraktur im September 1997 mit deutlicher Verschlechterung nach der Sprunggelenksfraktur im Jahr 1999 und dem Unfall mit der Schulterfraktur im Jahr 2002. Die Klägerin sei nicht in der Lage, Wegstrecken von mehr als 500 Meter vier Mal täglich innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Es bestünden besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz und es seien alle ein bis zwei Stunden zusätzliche Arbeitspausen erforderlich.

Nach Vorlage einer kritischen Stellungnahme zu diesem Gutachten des Dr. G. vom 18. Juni 2007 durch die Beklagte hat das SG ein weiteres Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. G., T., vom 06. August 2007 eingeholt. Er ist nach einer Untersuchung der Klägerin zum Ergebnis gelangt, diese leide im wesentlichen unter den Folgen der Implantation einer Knietotalendoprothese rechts, einer Fraktur der Schulterpfanne links mit großer Weichteilverletzung, die mit autologer Hauttransplantation versorgt worden sei, ohne nennenswerte Minderung der Funktion des Schultergelenkes, einer operierten Fraktur des Außen- und Innenknöchels rechts ohne Funktionsminderung des rechten Sprunggelenks und einem Übergewicht. Diese Gesundheitsstörungen verursachten keine Einschränkung des Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, insbesondere könne die Klägerin kleine Gegenstände zureichen, abnehmen, transportieren und verpacken sowie auch Maschinen bedienen, kleben, sortieren und Teile zusammensetzen. Abzuraten sei von Arbeiten mit gleichförmiger Körperhaltung und häufigem Bücken, Steigen auf Leitern und Gerüsten sowie Zwangshaltungen und Tätigkeiten im Akkord, am Fließband sowie mit Nachtschicht. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin entsprechende leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten. Dieser Zustand bestehe seit 2003. Die Klägerin sei auch in der Lage, vierfach täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und zwei Mal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz bestünden nicht. Die Einholung eines weiteren Gutachtens sei nicht erforderlich.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert und könne unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Dr. G ... Dem Gutachten von Dr. M. sei nicht zu folgen, da dieser keine Befunde dargestellt habe, die nachvollziehbar seien. Unter Berücksichtigung ihrer beruflichen Tätigkeit sei die Klägerin, die keine Ausbildung absolviert habe und zuletzt als Arbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und auch nicht berufsunfähig.

Gegen den zum Zwecke der Zustellung am 02. Oktober 2007 zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Oktober 2007 Berufung eingelegt, mit welcher sie die Gewährung von Rente weiter erstrebt. Sie hat erklärt, sie sei mit einer weiteren Begutachtung einverstanden, ansonsten aber keine weitere Berufungsbegründung abgegeben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2006 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, ab Rentenantragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente - die §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch mehr als sechs Stunden täglich ausüben kann und keine besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung nach eigener Prüfung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass für den Senat das Sachverständigengutachten des Dr. G. schlüssig und überzeugend ist. Er hat die Klägerin eingehend untersucht und in seinem umfassenden Gutachten die dabei erhobenen Bewegungsmaße und sonstigen Befunde niedergelegt, die seine Einschätzung des Leistungsvermögens nachvollziehbar machen. Im Vordergrund stehen die Folgen von Unfällen, bei denen sich die Klägerin Verletzungen am Außen- und Innenknöchel rechts sowie der Schultergelenkspfanne links zugezogen hat, welche operativ versorgt worden sind und bezüglich derer wesentliche Funktionsminderungen nicht verblieben sind sowie einer Knieverletzung, die zur Implantation einer Knietotalendoprothese rechts im März 2004 führte. Darüber hinausgehende, wesentlich schwererwiegende dauerhafte Gesundheitsstörungen ergeben sich weder aus dem Bericht der Gesundheitskommission, die zur Gewährung einer Rente in Griechenland geführt hat, noch aus dem Gutachten von Dr. M ... Dieser hat zwar noch ein Karpaltunnelsyndrom beidseits und eine chronische Lumboischialgie wegen Spondylarthrose diagnostiziert, doch hat er hierfür keine überzeugenden Befunde genannt. Auch ergeben sich entsprechende bedeutsame Befunde nicht aus dem Ergebnis der Untersuchungen von Dr. G ... Soweit der Orthopäde M. darüber hinaus Depressionen diagnostiziert, beruht dies offensichtlich allein auf Angaben der Klägerin und fehlt es hierfür an entsprechenden Nachweisen. Auch in Gutachten der Gesundheitskommission ist hiervon nicht die Rede. Andererseits hat auch Dr. G. hierfür keine belangvollen Befunde erhoben. Dem zufolge besteht - in Übereinstimmung mit Dr. G. - auch kein Anhalt für die Notwendigkeit einer weiteren gutachterlichen Untersuchung.

Mit ihrem Restleistungsvermögen ist die Klägerin somit in der Lage, ihr zumutbare Tätigkeiten leichter Art wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten und auch einen Arbeitsplatz zu erreichen. Damit ist die Klägerin weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert, noch berufsunfähig.

Soweit die Klägerin ohne nähere Begründung ihrer Berufung und Darlegung, inwiefern das Gutachten von Dr. G. unrichtig sein sollte, sich bereit erklärt hat, sich für eine weitere Begutachtung untersuchen zu lassen, sieht der Senat hierfür keine Veranlassung.

Eine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens und deren Nachweis ergibt sich im übrigen auch nicht aus der Festlegung eines Invaliditätsgrades von 67 % durch den griechischen Rentenversicherungsträger. Diese Feststellungen sind für die Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch den deutschen Rentenversicherungsträger und die deutschen Gerichte nicht bindend. Die Feststellung von Invalidität durch einen Rentenversicherungsträger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union ist nur insoweit für den Träger eines anderen Mitgliedsstaates verbindlich, als die Übereinstimmung von Tatbestandsmerkmalen der Invalidität im Verhältnis zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten im Sinne von Artikel 40 Abs. 4 EWG-Verordnung Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 (ABL. EG 1971 Nr. L 149/2ff.) anerkannt worden ist. Eine solche Übereinstimmungserklärung liegt im Verhältnis zwischen der griechischen Invaliditätsregelung und den Bestimmungen des deutschen Rechts über Renten wegen Erwerbsminderung bislang nicht vor (vgl. u. a. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 09. Juli 2001, B 13 RJ 61/01 B und BSG in SozR 3-6050 Artikel 40 Nr. 3).

Da somit das SG zu Recht die Klage abgewiesen hat, ist die Berufung zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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