L 4 KR 5335/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1515/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5335/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. September 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, er sei im väterlichen Unternehmen (Beigeladene zu 1) versicherungspflichtig beschäftigt, wobei er sein Begehren im Berufungsverfahren auf den Zeitraum vom 01. Februar 2004 bis 28. Februar 2006 beschränkt hat.

Der Vater des am 1976 geborenen Klägers ist Inhaber des Beigeladenen zu 1), den er als Einzelfirma betreibt. Der Beigeladene zu 1) beschäftigte in den Jahren 2004/2005 etwa 45 Mitarbeiter und hatte einen Umsatz von etwa EUR 2,6 Millionen. Zum Betrieb des Beigeladenen zu 1) gehören ein Lebensmittelmarkt (in den Jahren 2004 und 2005 mit einer Verkaufsfläche von ca. 500 m2), ein Stehcafé mit Stehimbiss, eine Postagentur, eine Toto-Lotto-Verkaufsstelle sowie ein Fotobedarfs-Verkaufsstand. Der Kläger absolvierte vom 01. Juli 1996 bis 30. September 1997 eine Ausbildung zum Bäcker im Unternehmen seines Vaters, Beigeladener zu 1), von Oktober 1997 bis Oktober 1998 Zivildienst sowie anschließend bis Oktober 2003 ein Informatikstudium (Wirtschaftsinformatik). Seit 01. Februar 2004 ist er wieder bei dem Beigeladenen zu 1) in der kaufmännischen Leitung des Betriebs tätig. Er erhält seit Beginn der Tätigkeit ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt, das als Betriebsausgabe gebucht wird und von dem Lohnsteuer und Beiträge zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle abgeführt werden. Die Anmeldung als pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten erfolgte zum 01. Februar 2004. Vom 01. Februar 2004 bis 28. Februar 2006 wurden Beiträge an die Beklagte abgeführt. Zum 01. März 2006 wechselte der Kläger die Krankenkasse und wird seitdem als pflichtversichertes Mitglied der BKK Energieverbund geführt.

Anfang Juli 2005 beantragte der Kläger unter Vorlage des mit 28. Juni 2005 datierten Feststellungsbogens zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen die Prüfung seiner Versicherungspflicht. Er legte dar, er habe die kaufmännische Geschäftsleitung inne, trage Personal-, Einkaufs- sowie Verkaufsverantwortung und übe das Controlling aus; an sechs bis sieben Wochentagen arbeite er über 50 Stunden bei einer Arbeitszeit nach Belieben zu einem Betrag von etwa EUR 3.000,00. Hinzu komme ein Weihnachtsgeld von EUR 1.000,00. Das regelmäßig monatlich gezahlte Arbeitsentgelt werde auf ein privates Bankkonto überwiesen und entspreche nicht dem tariflichen bzw. dem ortsüblichen Lohn oder Gehalt. Es würden ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung Leitungsaufgaben wahrgenommen. Er sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert. Er ersetze keine andere Arbeitskraft, sei nicht an Weisungen des Betriebsinhabers gebunden, könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten, wirke bei der Führung des Betriebs im Sinne eines gleichberechtigten Nebeneinander mit und Ansprüche auf Urlaub, Einhaltung von Kündigungsfristen oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestünden nicht. Es treffe zu, dass Lohnsteuer entrichtet und das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht werde. Er sei am Betrieb nicht beteiligt und habe auch dem Betrieb keine Darlehen gewährt oder Sicherheiten übernommen. Im Übrigen (ergänzendes Schreiben Eingang 22. Juli 2005) handle es sich um einen echten Familienbetrieb in dritter Generation, und ohne ihn als vorgesehenen Nachfolger wären in den letzten acht Monaten keine tiefgreifenden Veränderungen vollzogen worden. Die von der Beklagten eingeschaltete damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 3), im Folgenden einheitlich als Beigeladene zu 3) bezeichnet, wies darauf hin (Äußerung der Grundsatzabteilung vom 18. August 2005), der Kläger sei seit dem Ende der Berufsausbildung 1996 abhängig beschäftigt gewesen. Es sei wenig glaubhaft, dass kein Arbeitsvertrag abgeschlossen worden sei. Andernfalls wäre die Abführung von Beiträgen nicht unbeanstandet geblieben. Gleiches gelte für die steuerrechtliche Behandlung. Die "tiefgreifenden Veränderungen der letzten 18 Monate" seien nicht näher präzisiert. Durch an den Kläger und den Beigeladenen zu 1) gerichteten Bescheid vom 16. Dezember 2005 stellte die Beklagte fest, der Kläger stehe in einem abhängigen und somit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zum Beigeladenen zu 1). Der Kläger werde anstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt. Vom - angemessenen - Gehalt werde Lohnsteuer abgeführt, ebenso würden die Aufwendungen als Betriebsausgaben verbucht. Der Kläger trage kein eigenes Unternehmerrisiko und verfüge über keine eigene Betriebsstätte. Der wirtschaftliche Erfolg fließe ausschließlich dem Vater als Betriebsinhaber zu.

Der Kläger erhob Widerspruch. Allein dass Lohnsteuer abgeführt werde und das Entgelt als Betriebsausgaben gebucht werde, reiche für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht aus. Eine Bindung an die steuerrechtliche Behandlung bestehe nicht. Vielmehr habe er, der Kläger, maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen im Unternehmen. Er leite den kaufmännischen Bereich. Darüber hinaus sei er für den gesamten Personalbereich verantwortlich. Er bestimme die Unternehmenspolitik. Die von ihm geplanten und durchgeführten Änderungen der letzten Zeit bestünden in der Einrichtung des Sonntagsverkaufs, der Eröffnung einer neuen Filiale, dem Wechsel des Großhändlers zu REWE, dem Kauf einer Immobilie sowie Investitionen für ein neues Kassensystem und eine neue Kälteanlage, schließlich dem Wechsel des Lohnbüros. Arbeitsort und Arbeitszeit könnten frei eingeteilt werden. Der "Geschäftsführer" - Vater - treffe keine Entscheidungen ohne ihn (den Kläger). Dies liege an seinen besonderen Fachkenntnissen und an der vorgesehenen Nachfolgeregelung Voraussichtlich werde im Jahr 2007 der Übergang des Betriebs auf ihn erfolgen. Jedenfalls seit 01. Februar 2004 bestimme er die Geschäftspolitik und sei damit weisungsfrei. Damit sei er faktisch auch am Unternehmenserfolg beteiligt. Dass das Gehalt konstant geblieben sei, sei lediglich dem gleichbleibenden Erfolg zu verdanken. Im Übrigen sei er abhängig vom Unternehmenserfolg. Ein Vertrag mit präziser Regelung von Leistung und Gegenleistung fehle. Er habe immer als Sohn gearbeitet, ohne nach einem Urlaubsanspruch oder einer Kündigungsfrist zu fragen. Ebenso bestehe kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Eine Ersatzkraft würde bei seinem Ausfall nicht eingestellt. Vielmehr würde dann der Betrieb verkauft oder geschlossen. Er legte eine eidesstattliche Versicherung seines Vaters vom 23. Januar 2006 vor. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 03. April 2006. Zur Begründung wurde im Wesentlichen diejenige des angefochtenen Bescheids vom 16. Dezember 2005 wiederholt.

Der Kläger erhob am 21. April 2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Zur Begründung verwies er erneut darauf, aus der tatsächlichen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung dürfe kein Schluss auf Versicherungspflicht gezogen werden. Er habe maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen im Unternehmen. Auf die in den letzten Jahren geplanten und abgewickelten wesentlichen Änderungen sei erneut hinzuweisen. Er sei mithin "Kopf und Seele" des Betriebs und es würde bei seinem Ausscheiden keine Ersatzkraft eingestellt werden. Ohne seine Tätigkeit und sein Know-how könne der Betrieb nicht fortgeführt werden. Er könne sich Arbeitskraft, Arbeitsort und Arbeitszeit frei einteilen und sei mindestens sechs, teilweise sieben Tage wöchentlich für den Betrieb tätig, was auf dem Arbeitsmarkt nicht üblich sei. Sein Einsatz könnte von keinem Angestellten so verlangt werden. Aufgrund der besonderen Fachkenntnisse und der vorgesehenen Nachfolgeregelung bestehe zum Vater ein gleichberechtigtes Nebeneinander. Das konstant gebliebene Gehalt sei lediglich dem gleichbleibenden Erfolg des Unternehmens zu verdanken. Letztlich sei auch ein Unternehmerrisiko gegeben, da er von Erfolg oder Misserfolg des Betriebes abhängig sei. Ein Arbeitsvertrag bestehe nicht. Im Übrigen sei das Gehalt bei Weitem nicht angemessen. Es solle noch im Jahr 2007 eine KG gegründet werden, an der er zu 50 vom Hundert (v.H.) sowie sein Vater und seine beiden nicht im Betrieb des Beigeladenen zu 1) tätigen Geschwister zu 50 v.H. beteiligt sein sollen, später dann eine GmbH. Er habe EUR 500.000,00 investiert. Alle von ihm getroffenen Entscheidungen habe er zuvor mit seinem Vater besprochen und, falls dieser nicht einverstanden gewesen sei, ihn von diesen Entscheidungen überzeugt.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Ein eigenes Unternehmerrisiko und eine eigene Betriebsstätte bestünden nicht. Es handle sich vielmehr um eine Unternehmung des allein haftenden Einzelkaufmanns, des Vaters.

Das SG lud durch Beschluss vom 11. Juli 2007 den Vater Willi Keck unter dessen Firma, die Bundesagentur für Arbeit, die Deutsche Rentenversicherung Bund sowie die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg (Beigeladene 1 bis 4) zum Verfahren bei. Die Beigeladenen äußerten sich zur Sache und zum Verfahren nicht.

Durch Urteil vom 14. September 2007 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Tätigkeit des Klägers im Betrieb des Beigeladenen zu 1) sei als abhängige Beschäftigung einzustufen. Der Beigeladene zu 1) sei vom Vater des Klägers als Einzelfirma geführt worden und werde als Einzelfirma geführt. Dieser trage aufgrund seiner unternehmerischen Stellung die volle Haftung und das alleinige unternehmerische Risiko. Der Kläger erhalte demgegenüber einen zu versteuernden und als sozialversicherungspflichtig geführten Lohn, der als Betriebsausgabe verbucht werde. Der Höhe des Entgelts komme lediglich Indizwirkung zu. Dass aufgrund familienhafter Rücksichtnahme das Weisungsrecht nur verfeinert ausgeübt werde, stehe einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen. Letztlich habe der Kläger nicht frei schalten und walten können, sondern bespreche seine Entscheidungen mit dem Vater. Das Geld für neue Investitionen habe allein vom Vater gestammt. Eine eigene Beteiligung am Unternehmenserfolg bestehe demgegenüber bisher nicht. Der Vater habe die Zügel noch nicht aus der Hand geben wollen. Darauf, dass derzeitige Mehrarbeit den Erfolg nach einer etwaigen Übergabe sichere, komme es nicht an. Der Vater trage bisher auch das alleinige Insolvenzrisiko.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 12. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. November 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er macht geltend, das SG gehe von einer falschen Tatsachengrundlage aus. Er informiere seinen Vater über die von ihm getroffenen Entscheidungen, wolle diese Entscheidungen aber nicht zur Disposition stellen. Es gebe keinen Fall, in welchem der Vater ihn zur Rücknahme von Entscheidungen veranlasst habe. Demgemäß habe er freie Entscheidungsbefugnis. Es bestehe eine vertrauensvolle persönliche und geschäftliche Beziehung. Dies sei Teil der Unternehmenskultur. Er, der Kläger, sei nicht in ein fremdes Unternehmen eingeordnet. Ein Unternehmerrisiko bestehe schon im ungewissen Erfolg des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft. Auch wenn sein (jährliches) Gehalt von "nur" EUR 37.000,00 nie angepasst worden sei, sei mit dem persönlichen Einsatz die Chance verbunden, in Zukunft vom sich gut entwickelnden Unternehmen zu profitieren und eine höhere Vergütung zu erhalten. Auf seine Entscheidungen gingen inzwischen zurück die Erhöhung der Mitarbeiterzahl, die Eröffnung zweier weiterer Filialen, die Verdoppelung der Verkaufsfläche von 500 m2 auf 1.000 m2, die Errichtung eines Cafes, der Kauf einer weiteren Maschine zum Preis von etwa EUR 100.000,00 sowie die Einrichtung einer Lottostelle und Postagentur. Der Vater übe nur noch Hilfsarbeiten aus. Er (der Vater) fahre die Produkte zu den Filialen, mache den Schalterdienst an der Lottostelle und der Postagentur und fülle die Waren im Supermarkt auf. Demgemäß sei er, der Kläger, Kopf und Seele des Betriebs und habe das Sagen. Es liege mithin noch mehr als nur ein gleichberechtigtes Nebeneinander vor. Er entscheide über die strategische Ausrichtung des Betriebs, während der Vater kaum mehr unternehmerische Tätigkeiten ausübe. Die - weit überobligatorische - Arbeitszeit werde nicht vorgeschrieben. Hinzu kämen schließlich nochmals das Fehlen eines Arbeitsvertrags, die mangelnde Regelung von Urlaubsansprüchen sowie das unangemessen geringe Gehalt. Auf das Vorliegen des Unternehmerrisikos könne es nicht allein ankommen. Hätten er und sein Vater im Februar 2004 eine Limited, bei der beide zu gleichen Anteilen berechtigt und verpflichtet gewesen seien, gegründet, aber stets nur sein Vater sich bei den Investitionen der persönlichen Haftung unterworfen, wäre zweifellos eine Versicherungsfreiheit anzunehmen, weil er (der Kläger) mit einem Firmenanteil Beschlüsse hätte verhindern können. Auch bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH sei von Gerichten eine Versicherungsfreiheit angenommen worden. Der Kläger hat wegen des zum 01.März 2006 erfolgten Wechsels zur BKK Energieverbund im Berufungsverfahren die Feststellung auf den Zeitraum vom 01. Februar 2004 bis 28. Februar 2006 beschränkt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. September 2007 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 16. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. April 2006 festzustellen, dass er vom 01. Februar 2004 bis 28. Februar 2006 nicht versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verweist auf ihren bisherigen Vortrag ...

Der Beigeladene zu 1) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. September 2007 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 16. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. April 2006 festzustellen, dass der Kläger vom 01. Februar 2004 bis 28. Februar 2006 nicht versicherungspflichtig beschäftigt war.

Er hat sich der Auffassung des Klägers angeschlossen.

Die Beigeladene zu 4) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil zu Recht dargelegt, dass der Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. April 2006 rechtmäßig ist. Der Kläger übte seine Tätigkeit im Unternehmen des Beigeladenen zu 1), seines Vaters, vom 01. Februar 2004 bis 28. Februar 2006 als versicherungspflichtig Beschäftigter aus.

Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die nach § 28i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle war in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum vom 01. Februar 2004 bis 28. Februar 2006 hier die Beklagte, weil sie die Krankenversicherung durchführte. Da sie auf die entsprechende Anfrage des Klägers ein Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht einleitete, scheidet das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV aus, für das die Beigeladene zu 3) zuständig ist. Eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 3) für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht, die eine Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung ausschließt, ergibt sich für den vorliegenden Fall noch nicht aus § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 01. Januar 2005 durch Art. 4 Nr. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954). Nach dieser Bestimmung hat die Einzugsstelle einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Nach § 28a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe d SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 30. März 2005 durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21. März 2005 (BGBl. I, S. 818), müssen die Meldungen enthalten für jeden Versicherten insbesondere bei der Anmeldung die Angabe, ob zum Arbeitgeber eine Beziehung als Ehegatte oder Lebenspartner, seit 01. Januar 2008 auch als Abkömmling (erweitert durch Art. 15 des Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I, S. 3024) besteht. Das obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist bei Abkömmlingen damit erst bei Anmeldungen durchzuführen, die ab dem 01. Januar 2008 bei den Einzugsstellen erfolgen. Die Anmeldung des Klägers erfolgte vor dem 01. Januar 2008, nämlich mit Beginn der jetzigen Tätigkeit beim Beigeladene zu 1) zum 01. Februar 2004.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB III) sowie in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), welcher der Senat folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer seine Leistung in "persönlicher Abhängigkeit" von den Dispositionen eines Arbeitgebers erbringt. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (so die in BSGE 16, 289, 294 entwickelte und seither ständig verwendete Formel). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 5 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - = SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Eine schriftliche vertragliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Vater besteht nicht. Demnach ist die Tätigkeit nach dem praktizierten Ablauf zu beurteilen. Trotz der vom Kläger schlüssig dargelegten Freiheiten in der Ausübung der Tätigkeit überwiegen qualitativ die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Die Tätigkeit des Klägers ab 01. Februar 2004 wurde wie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgewickelt. Der Kläger erhielt und erhält ein regelmäßiges monatliches Bruttoentgelt von EUR 3.000,00. Hierzu kommt gemäß der Angabe im Feststellungsbogen vom 28. Juni 2005 ein jährliches Weihnachtsgeld von EUR 1.000,00. Demgemäß fließt dem Kläger ein jährliches Bruttoentgelt von insgesamt EUR 37.000,00 zu. Dies entspricht typischerweise der Vergütung abhängig Beschäftigter. Aus diesem Bruttoentgelt, das als Betriebsausgabe verbucht wurde, wurden ab 01. Februar 2004 Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt. Ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist die Verbuchung der Vergütung an Ehegatten/Kinder als Betriebsausgabe und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung von Lohnsteuer (BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO). Zu Beginn der Beschäftigung nach Abschluss eines Informatikstudiums hat offenbar kein Interesse bestanden, sich der Versicherungspflicht zu entledigen oder dies wenigstens seitens der Versicherungsträger prüfen zu lassen. Demgemäß ist mit der Einleitung des vorliegenden Verfahrens, erstmals dokumentiert durch den mit 28. Juni 2005 datierten Feststellungsbogen, ein "Sinneswandel" eingetreten, der sinngemäß mit den freien Dispositionen des Klägers in dessen Tätigkeit im Verlauf der letzten eineinhalb Jahre begründet wurde. Eine Änderung in der Entgeltform wurde dennoch nicht vorgenommen.

Das gezahlte Arbeitsentgelt blieb über die Jahre im Wesentlichen unverändert und war damit unabhängig von der Ertragslage und dem Gewinn des Beigeladenen zu 1). Angesichts der behaupteten hohen Investitionen in den Ausbau des Betriebs muss ein entsprechender Gewinn erzielt worden sein. Dies wird nicht dadurch entkräftet, dass - wie der Kläger behauptet - das gezahlte Arbeitsentgelt im Vergleich zu der Tätigkeit eines Geschäftsführers unterdurchschnittlich wäre. Der Höhe des gezahlten Arbeitsentgelts kommt lediglich Indizwirkung zu. Es gibt weder im Gesetz noch in Entscheidungen des BSG einen Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung des Familienangehörigen die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -, veröffentlicht in juris).

Mithin war nicht beabsichtigt, den Kläger über das von ihm bezogene Entgelt auch nur ansatzweise und geringfügig an Gewinn oder Verlust des Unternehmens zu beteiligen. Damit aber war und ist der Kläger nicht - im Sinne des vom Senat regelmäßig wesentlich gewichteten Kriteriums - am Unternehmerrisiko beteiligt. Das Vorbringen im Berufungsverfahren ändert nichts daran, dass es an jeglicher finanzieller Beteiligung des Klägers an dem Beigeladenen zu 1) fehlt. Wenn in finanzieller Hinsicht eine formale Beteiligung fehlt, setzte die Annahme eines Unternehmerrisikos jedenfalls voraus, dass eine für eine abhängige Beschäftigung unübliche Vereinbarung oder tatsächliche Handhabung der Gestaltung und Zahlung der Vergütung bestünde, die den Schluss zuließe, dass möglicherweise bei entsprechend schlechter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens die Vergütungsforderung in der bisherigen Höhe nicht durchgesetzt werden könne. Dies ist bei einer über Jahre gleichbleibenden und vom Ertrag des Unternehmens unabhängigen Vergütung nicht der Fall. Dass der persönliche Arbeitseinsatz des Klägers dadurch mitbestimmt gewesen sein mag, dass er im Falle der Übernahme der Firma einen florierenden und gut aufgestellten Betrieb übernehmen kann, begründet nicht die Tragung eines aktuellen Unternehmerrisikos. Dass der zukünftige längerfristige Erfolg des Unternehmens von seinen Fähigkeiten und seinem Engagement abhängt, unterscheidet die Position qualitativ nicht wesentlich von derjenigen leitender Angestellter, die unter dem Anreiz einer möglichen Steigerung auch der eigenen Bezüge sich für die Prosperität des Unternehmens einsetzen. Auch dass ebenso wie bei leitenden Angestellten - der Fortschritt des Unternehmenserfolgs bereits kurzfristig zu Gratifikationen führen kann, macht die Tätigkeit nicht zu einer selbstständigen, solange solche günstigen Änderungen nicht konkret verhandelt und durchgesetzt sind.

Gegenüber diesen fixen Entgeltbedingungen vermag der Kläger seinen Anteil an den unternehmerischen Dispositionen nicht entscheidend ins Feld zu führen. Zwar mögen die zur Expansion des väterlichen Unternehmens führenden Dispositionen (Änderungen der Verkaufszeiten, Erhöhung der Mitarbeiterzahl, Eröffnung weiterer Filialen, Wechsel des Großhändlers, Kauf einer Immobilie, weitere Investitionen, insbesondere im Erwerb neuer Maschinen, sowie Einrichtung einer Lottostelle und einer Postagentur) tatsächlich wesentlich auf seinem Einsatz beruht haben. All diese Expansionstendenzen vollziehen sich aber im Rahmen der alleinigen Unternehmerschaft des Vaters, der - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - auch alleiniger Träger des Insolvenzrisikos bleibt. Wäre der Kläger nicht der Sohn des Unternehmers, sondern ein Fremder unter Akzeptanz der gleichen Arbeitsbedingungen, wäre die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht vorstellbar. Es besteht keine Handelsgesellschaft und keine juristische Person des Gesellschaftsrechts. Der Kläger ist nicht an eigener Betriebsstätte tätig, sondern an derjenigen des Vaters, der Alleineigentümer ist. Ebenso wenig besteht eine freie Mitarbeit, nachdem der Kläger Wert darauf legt, mit seiner vollen Arbeitskraft, auch überobligatorisch dem Unternehmen zu dienen. Eine Rechtsgrundlage, die die weitgehende Dispositionsfreiheit des Klägers rechtfertigen würde, ist nicht erkennbar. Der Vater hätte es in der Hand, als alleiniger Unternehmer hindernd in die Freiheiten des Klägers einzugreifen und diesen damit im Sinne des hier entscheidenden Kriteriums "persönlich abhängig" werden zu lassen. Wenn er aufgrund der Fähigkeiten und Fertigkeiten des Klägers dies weitgehend unterlässt, unterscheidet sich die Situation nicht wesentlich von derjenigen eines Minderheitsgesellschafters, dem von der Mehrheit trotz bestehender Rechtsmacht freie Hand gelassen wird (vgl. hierzu etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Dass wegen des familiären Vertrauensverhältnisses auf die Regelung typisch arbeitsrechtlicher Fragen wie Urlaub, Entgeltfortzahlung oder Kündigung verzichtet wird, vermag nach alledem nicht wesentlich ins Gewicht zu fallen. Gerade bei in einem Betrieb mitarbeitenden Familienangehörigen bestehen regelmäßig größere Freiheiten im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11). Solche größere Freiheiten sind für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses unschädlich (BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO).

Das Kriterium der Weisungsgebundenheit hilft nur begrenzt bei der Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt. So ist insbesondere die inhaltliche oder fachliche Weisungsbefugnis bei hochqualifizierten Tätigkeiten eingeschränkt. Hierzu gehört die kaufmännische Leitung eines Unternehmens, wie sie der Kläger im Betrieb des Beigeladenen zu 1) ausübte und noch ausübt. Zudem kann auch die Tätigkeit eines Selbstständigen Bindungen und Weisungen eines Auftraggebers unterliegen. Auch der selbstständige Auftragnehmer (z.B. Handelsvertreter) steht in einem ständigen Vertragsverhältnis zu seinem Auftraggeber, dessen Interessen er wahrzunehmen hat.

Auch der Vortrag des Klägers, bei Gründung einer Gesellschaft, etwa einer Limited, an der sowohl er als auch sein Vater gleiche Anteile gehabt hätten, wäre ohne weiteres von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen worden, führt nicht weiter. Mit einer solchen Gründung hätte der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er das Risiko des Misserfolgs des Unternehmens mittragen will und es wäre auch zum Ausdruck gekommen, dass der Kläger die Nachfolge seines Vaters in dem Familienunternehmen antritt (vgl. Sozialgericht Reutlingen, Urteil vom 26. Oktober 2006 - S 3 KR 69/06 -, veröffentlicht in juris). Eine solche Gründung ist aber bisher nicht erfolgt, wohl deshalb weil die Nachfolgeregelung wegen möglicher Ansprüche der Geschwister des Klägers noch nicht geklärt war und - nach dem Vorbringen des Klägers und seines Vaters in der mündlichen Verhandlung des Senats - die Nachfolgeregelung mit der Betriebsübergabe auf den Kläger erst jetzt kurz vor dem Abschluss steht. Vielmehr ist der Umstand, dass der Vater des Klägers das Unternehmen weiterhin als Einzelfirma betreibt, obgleich der Kläger nach seinem Vorbringen den Betrieb allein verantwortlich führt, ein Indiz dafür, dass der Vater des Klägers den Betrieb jedenfalls vor Klärung der Nachfolgeregelung nicht aus der Hand geben wollte. Aus rechtlicher Sicht haftete und haftet deshalb auch der Vater des Klägers für Verbindlichkeiten seiner Firma und nicht der Kläger. Dass nach dem Vorbringen des Klägers er jeweils seinen Vater von den von ihm getroffenen Entscheidungen überzeugen konnte und sein Vater nicht widersprach, ist nicht entscheidend. Denn der Vater des Klägers hatte wie dargelegt - unabhängig davon, ob er von ihr Gebrauch gemacht hat oder nicht - die tatsächliche Rechtsmacht, gegebenenfalls andere Entscheidungen zu treffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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