Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 4740/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 5411/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Oktober 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin außergewöhnlich gehbehindert ist.
Der Beklagte stellte bei der am 21.08.1967 geborenen Klägerin wegen einer Spitzfußstellung rechts, Peronaeuslähmung rechts, Versteifung des unteren Sprunggelenkes, Verkürzung des Beines, Muskelverschmächtigung (Teil-GdB 40) und Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) ab 17.08.1990 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest (Bescheid vom 20.11.1990). Außerdem wurde mit Bescheid vom 05.02.1991 das gesundheitliche Merkmal "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (Merkzeichen "G") zuerkannt.
Am 21.04.2006 stellte die Klägerin einen Änderungsantrag, mit dem sie eine Erhöhung des GdB und die Feststellung des Merkzeichens "aG" (Parkerleichterung wegen außergewöhnlicher Gehbehinderung, z.B. Querschnittsgelähmte) begehrte.
Der Beklagte holte hierauf einen Befundbericht des Orthopäden Dr. S. ein. Darin sind ständige Schmerzen im rechten Sprunggelenk, ein Bewegungs- und Druckschmerz der gesamten Gelenkkapsel und auf den Röntgenaufnahmen sich abbildende zystische Veränderungen im Bereich des Innenknöchels sowie des medialen Talus sowie eine verstärkte Sklerose im Bereich der vorderen Talusanteile gelenknah beschrieben. Außerdem ist aufgeführt, dass der rechte Unterschenkel und die Fußregion im Seitenvergleich deutlich kälter seien, die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes betrage rechts 0/0/20° und unter Belastung komme es auf Grund der nervalen und verminderten Blutversorgung zu einer Zunahme der Schmerzen mit zusätzlichen Sensibilitätsstörungen des rechten Fußes und Unterschenkels. Ein Rezept für einen Rollstuhl sei ausgestellt worden, da die Gehfähigkeit zeitweise nicht bestehe. Als zusätzliche körperliche Beeinträchtigung liege eine Cervicobrachialgie mit rezidivierenden Spannungskopfschmerzen vor.
Mit Bescheid vom 14.06.2006 lehnte der Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. G. den Neufeststellungsantrag unter Beibehaltung der GdB-Bewertung und Feststellung des Nichtvorliegens des gesundheitlichen Merkmals "aG" ab. Die Funktionsbeeinträchtigungen wurden als "Versteifung des unteren Sprunggelenkes, Beinverkürzung, Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs, Funktionsstörung durch Fußfehlform; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" bezeichnet.
Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch, den sie damit begründete, dass es ihr nicht mehr möglich sei, auch kürzeste Strecken ohne Schmerzen bzw. Pausen zurückzulegen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2006 zurück. Über den GdB sei letztmals mit Bescheid vom 20.11.1990 entschieden worden. In den Verhältnissen, die diesem Bescheid zugrunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Der GdB sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin gehöre auch nicht zu dem Personenkreis, der in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgezählt und dem das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen sei. Sie könne einem einseitig Oberschenkelamputierten, der dauernd außerstande sei, ein Kunstbein zu tragen, auch nicht gleichgestellt werden. Sie sei trotz der Schwere ihres Leidens noch in der Lage, sich überwiegend ohne fremde Hilfe oder ohne große Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs zu bewegen.
Gegen die Nichtfeststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" hat die Klägerin am 11.10.2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, dass sie auf Grund ihrer Behinderungen und Schmerzen nicht in der Lage sei, Wegstrecken von mehr als 100 Metern zurückzulegen. Größtenteils könne sie Wegstrecken über 100 Meter lediglich im Rollstuhl bewältigen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens des Dr. C. vom 23.12.2006. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin liege eine operative Versteifung des rechten unteren Sprunggelenks, eine nahezu vollständige Einsteifung des rechten oberen Sprunggelenks in 10° Spitzfuß- und 20° Außenrotationsfehlstellung, eine leichte Supinationsfehlstellung des rechten Mittel- und Vorfußes, eine Hammerstellung der Zehen II - IV rechts, eine ausgeprägte Druckreaktion in Höhe des rechten Tarso-Metatarsalgelenks V infolge der Fußfehlstellung und eine Bein- und Fußverkürzung rechts, eine Muskelverschmächtigung des rechten Oberschenkels, erhebliche Muskelatrophie des rechten Unterschenkels, eine Teillähmung des rechten Wadenbeinnerven, vasomotorische Störungen am rechten Unterschenkel und Fuß als Folge einer neurogenen vaskulären Schädigung und eine Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule vor. Aktiv könne der rechte Fuß weder angehoben noch nennenswert abgesenkt werden. Bei passiven Bewegungen würden Schmerzen im rechten oberen Sprunggelenk angegeben. Die Pulse der A. Dorsalis pedis seien rechts nicht zu tasten, die A. Tibialis posterior sei rechts nicht aufzufinden. In Konfektionsschuhen mit Höhenabgleich rechts imponiere ohne Gehhilfe ein rechts leicht hinkendes Gangbild mit rechts verkürzter Schrittlänge. Der barfuß ausgeprägte "Steppergang" sei in Konfektionsschuhen mit Höhenabgleich geringer ausgeprägt, aber noch zu erkennen. Der Einschätzung sowohl von Teil- als auch Gesamt-GdB durch den Beklagten sei zuzustimmen. Die Gesundheitsstörungen halte er für gravierend genug, um hieraus die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" als erfüllt abzuleiten. Bei der Klägerin träten ihrer Schilderung zufolge während des Zurücklegens einer von ihr ohne fremde Hilfe (Einhängen bei und Stützen auf einen Begleiter) zu bewältigenden Gehstrecke von unter 100 Metern eine zunehmende Blockierung im rechten oberen Sprunggelenk auf, die ihr schließlich ein Weitergehen unmöglich mache, weil sie das rechte Sprunggelenk schmerzbedingt nicht mehr belasten könne. Für die Rekonvaleszenz nach einer solchen anhaltenden Blockade benötige sie nach ihrer Angabe bis zu drei Tage, bevor wieder ein Gehen über kurze Strecken möglich sei. Derartige Blockierungen träten nach ihrer Mitteilung auch häufig bei nur kurzen Gehstrecken auf, oft meist "mitten während eines Schritts", weswegen sie abrupt stehen bleiben müsse, bis sich die Blockade wieder gelöst habe. In einem solchen Fall erfolge die Blockadelösung rascher. Dr. C. hat seinem Gutachten Arztbriefe des Dr. K. (Kernspintomographie der Halswirbelsäule) und des Arztes für Allgemeinmedizin - Phlebologie - PD. Dr. M. (Ausschluss arterieller und venöser Durchblutungsstörungen der Beine) beigefügt.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.04.2007 hat Dr. Köhler ausgeführt, dass die von Dr. C. erhobenen Befunde die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nicht rechtfertigten. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung des von Dr. C. dokumentierten Gangbildes der Klägerin. Danach sei nicht davon auszugehen, dass ihre Gehfähigkeit auf das Schwerste eingeschränkt sei. In erster Linie sei der Klägerin eine Verbesserung der orthopädischen Schuhversorgung zuzumuten. Aus der regelmäßigen Benutzung eines Rollstuhles sei die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nicht ableitbar. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der Beine und der Lendenwirbelsäule, die nach dem Gutachten mit einem GdB von 50 korrekt eingestuft seien, seien mit einer Beeinträchtigung wie bei einem Verlust des Beines im Unterschenkel vergleichbar.
Dr. C. hat sich hiermit in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 12.05.2007 dergestalt auseinandergesetzt, dass unbestritten sei, dass aus dem von ihm dokumentierten Gangbild nicht auf eine "auf das Schwerste" eingeschränkte Gehfähigkeit geschlossen werden könne. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um eine kurze Gehstrecke in den Räumen der Praxis gehandelt habe, bei der die Klägerin insgesamt allenfalls 15 bis 20 Meter zurückgelegt habe. Bei solchen Distanzen könnten zwar nach ihrer Angabe ebenfalls plötzlich "Blockaden" im Sprunggelenk auftreten, regelmäßig würden sich diese jedoch nach einer Gehstrecke von etwa 50 Metern einstellen. Er habe die außergewöhnliche Gehbehinderung daraus abgeleitet, dass die Klägerin, wie sie ihm gegenüber geäußert habe, nach einer Distanz von 50 Metern oder mehr (jedenfalls aber "unter 100 Metern") auf Grund der sich bis dahin eingestellten "Blockade" im Sprunggelenk überhaupt nicht mehr in der Lage sei zu gehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich mit einer besseren orthopädischen Schuhversorgung eine wesentliche Besserung des Gehvermögens einstelle, sei zwar hoch, lasse sich aber nicht mit absoluter Sicherheit vorhersagen.
In einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.09.2007 hat Dr. F. an der bisherigen Bewertung auch nach Auswertung der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. C. festgehalten.
Mit Urteil vom 02.10.2007 hat das SG den Bescheid vom 14.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2006 abgeändert und festgestellt, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" ab dem 01.04.2006 erfüllt seien. Zur Begründung hat es gestützt auf das von Dr. C. erstattete Gutachten im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" erfüllt seien, da beim Zurücklegen einer Gehstrecke von 50 bis unter 100 Metern eine zunehmende Blockierung im rechten oberen Sprunggelenk auftrete, die der Klägerin ein Weitergehen unmöglich mache. Ihr Vortrag, dass beim Zurücklegen von Wegstrecken über 50 Metern die beschriebenen Blockaden eintreten würden, sei glaubhaft. Dies ergebe sich insbesondere daraus, weil im Bereich der unteren Extremität rechts erhebliche Muskelverschmächtigungen vorlägen.
Gegen das ihr am 18.10.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 15.11.2007 Berufung eingelegt, mit welcher er im Wesentlichen geltend macht, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsstörungen weder eine Gleichstellung mit dem in Nr. 31 Abs. 3 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz - Ausgabe 2004 - (AHP) genannten Personenkreis rechtfertigten noch diese eine außergewöhnliche Gehbehinderung bedingten. Es sei medizinisch gesehen in sich völlig unschlüssig, einerseits die Behinderungen des Bewegungsapparates mit einem GdB von allenfalls 50 zu bewerten und andererseits eine außergewöhnliche Gehbehinderung festzustellen. Die Muskelatrophie am rechten Bein stelle keine zusätzliche Funktionseinschränkung dar. Sie sei eine Folge der Mindergebrauchsfähigkeit des rechten Beines bei Einsteifung des rechten Sprunggelenkes. Auch die Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs wirke sich nicht zusätzlich aus, da sie bei einem eingesteiften Sprunggelenk klinisch überhaupt nicht zum Tragen komme. Allein mit den sensomotorischen Störungen am rechten Unterschenkel könne man zusammen mit der Einsteifung des rechten Sprunggelenkes sowie der (nicht GdB-relevanten) Beinverkürzung rechts von allenfalls 2,5 cm und der nur endgradigen Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule von keiner so ausgeprägten Funktionseinschränkung des Bewegungsapparates ausgehen, als dass damit das Merkzeichen "aG" auch nur ansatzweise begründet werden könnte. Im Gutachten von Dr. C., dem das SG gefolgt sei, seien offenbar in wesentlichen Teilen subjektive Beschwerdeangaben der Klägerin der Bewertung zugrunde gelegt worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des SG lasse weder tatsächlich noch rechtlich Fehler erkennen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 14.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2006 im Hinblick auf die Zuerkennung des begehrten Merkzeichens "aG". Hinsichtlich der Feststellung des GdB ist der Bescheid bestandskräftig. Er wurde insoweit von der Klägerin nicht angegriffen.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimissionsschutzgesetz.
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO. Die VwV-StVO ist als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz wirksam erlassen worden. Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppel-Oberschenkelamputierte, Doppel-Unterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Hierbei kann es auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten behinderten Gruppen grundsätzlich nicht ankommen. Der Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung muss sich strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Satz 1 in Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden soll, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten. Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen, wobei sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren lässt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - in www.juris.de). Um sich für den Nachteilsausgleiche zu qualifizieren, müssen die Voraussetzungen praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs an erfüllt sein (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01R - in SozR 3 - 3250 § 69 Nr. 1).
Zu den in der Verwaltungsvorschrift beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört die Klägerin unbestrittenermaßen nicht.
Sie ist entgegen der Überzeugung des SG diesem Personenkreis aber auch nicht gleichzustellen. Die von Dr. C. erhobenen Befunde rechtfertigen, abgesehen davon, dass der Teil-GdB für die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beines auch nach der im Einklang mit der versorgungsärztlichen Einschätzung stehenden Beurteilung durch Dr. C. nur 40, für die Wirbelsäule 20 und insgesamt 50 beträgt, keine Gleichstellung. Nach dem Gutachten besteht bei der Klägerin zwar eine operative Versteifung des rechten unteren Sprunggelenkes und eine nahezu vollständige Einsteifung des rechten oberen Sprunggelenkes, eine leichte Supinationsfehlstellung des rechten Mittel- und Vorfußes, eine Hammerstellung der Zehen II bis IV rechts und eine Druckstelle in der 5. Metatarsale sowie eine Beinverkürzung rechts um 2,5 cm und eine Fußverkürzung rechts. Außerdem ist eine Muskelverschmächtigung des rechten Oberschenkels, eine Muskelatrophie des rechten Unterschenkels und eine Teillähmung der rechten Wadenbeinnerven und darüber hinaus eine vasomotorische Störung am rechten Unterschenkel festzustellen wobei sich Hinweise für eine arterielle oder venöse Durchblutungsstörung nicht ergeben (so PD. Dr. M.). Darüber hinaus besteht eine Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule. Das Gangbild der Klägerin in der Praxis war ohne Gehhilfe in Konfektionsschuhen mit Höhenabgleich rechts gleichbleibend lediglich rechts leicht hinkend mit rechtsverkürzter Schrittlänge. Der Steppergang war noch zu erkennen. Er war jedoch mit Konfektionsschuhen im Vergleich zum Barfußgang geringer ausgeprägt. Eine in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkte Gehfähigkeit ist damit nicht gegeben. Die Klägerin kann sich außerhalb ihres Kfz wegen ihres Leidens nicht dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung bewegen. Sie kann sich nicht von den ersten Schritten an nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung bewegen. Bei Dr. C. war sie in der Lage, 15 bis 20 Meter in Konfektionsschuhen und ohne Gehilfe lediglich rechts leicht hinkend und mit rechts verkürzter Schrittlänge zurückzulegen. Eine Gleichstellung mit den in der Verwaltungsvorschrift aufgeführten Schwerbehinderten hat deshalb nicht zu erfolgen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Klägerin Dr. C. gegenüber geschilderten "Blockaden", die nach einer Gehstrecke von ca. 50 Metern aufträten, und die von Dr. C. der Bewertung zugrundegelegt wurden. Solche Blockaden sind nicht belegt. Sie ergeben sich weder aus dem Befundbericht des Dr. S. noch aus dem Gutachten bzw. dem den Gutachten beigefügten Arztbrief des PD Dr. M ... Dr. S. hat in seinem Befundbericht lediglich auf ständige Schmerzen im rechten Sprunggelenk und Zunahme der Schmerzen mit zusätzlichen Sensibilitätsstörungen des rechten Fußes und Unterschenkels unter Belastungen hingewiesen. Eine Blockierung hat er ebenso wenig wie PD. Dr. M., dem ebenfalls nur nach einigen Metern beim Laufen auftretende lokale Schmerzen geschildert wurden, beschrieben. Auch die von Dr. C. erhobenen Befunde und das von der Klägerin demonstrierte Gangbild lassen einen Schluss auf die angegebenen Blockierungen, zumal das Gehvermögen über 15 bis 20 Meter keine Verschlechterung zeigte, nicht zu.
Eine außergewöhnliche Gehbehinderung lässt sich auch nicht mit der Muskelatrophie des rechten Ober- und Unterschenkels der Klägerin und der Teillähmung des rechten Wadenbeinnerven rechtfertigen. Die Muskelatrophie ist Folge des Mindergebrauchs des Beines durch die Klägerin. Die Lähmung des Wadenbeinnervs mit der Folge der Lähmung der Fußhebung wirkt sich auf Grund der Versteifung des Sprunggelenks nicht zusätzlich aus.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin regelmäßig einen Rollstuhl benutzt, denn maßgeblich ist nicht, ob die Klägerin Wegstrecken mit oder ohne Rollstuhl zurücklegt, sondern welches Restgehvermögen bei ihr objektiv vorliegt.
Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin außergewöhnlich gehbehindert ist.
Der Beklagte stellte bei der am 21.08.1967 geborenen Klägerin wegen einer Spitzfußstellung rechts, Peronaeuslähmung rechts, Versteifung des unteren Sprunggelenkes, Verkürzung des Beines, Muskelverschmächtigung (Teil-GdB 40) und Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) ab 17.08.1990 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest (Bescheid vom 20.11.1990). Außerdem wurde mit Bescheid vom 05.02.1991 das gesundheitliche Merkmal "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (Merkzeichen "G") zuerkannt.
Am 21.04.2006 stellte die Klägerin einen Änderungsantrag, mit dem sie eine Erhöhung des GdB und die Feststellung des Merkzeichens "aG" (Parkerleichterung wegen außergewöhnlicher Gehbehinderung, z.B. Querschnittsgelähmte) begehrte.
Der Beklagte holte hierauf einen Befundbericht des Orthopäden Dr. S. ein. Darin sind ständige Schmerzen im rechten Sprunggelenk, ein Bewegungs- und Druckschmerz der gesamten Gelenkkapsel und auf den Röntgenaufnahmen sich abbildende zystische Veränderungen im Bereich des Innenknöchels sowie des medialen Talus sowie eine verstärkte Sklerose im Bereich der vorderen Talusanteile gelenknah beschrieben. Außerdem ist aufgeführt, dass der rechte Unterschenkel und die Fußregion im Seitenvergleich deutlich kälter seien, die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes betrage rechts 0/0/20° und unter Belastung komme es auf Grund der nervalen und verminderten Blutversorgung zu einer Zunahme der Schmerzen mit zusätzlichen Sensibilitätsstörungen des rechten Fußes und Unterschenkels. Ein Rezept für einen Rollstuhl sei ausgestellt worden, da die Gehfähigkeit zeitweise nicht bestehe. Als zusätzliche körperliche Beeinträchtigung liege eine Cervicobrachialgie mit rezidivierenden Spannungskopfschmerzen vor.
Mit Bescheid vom 14.06.2006 lehnte der Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. G. den Neufeststellungsantrag unter Beibehaltung der GdB-Bewertung und Feststellung des Nichtvorliegens des gesundheitlichen Merkmals "aG" ab. Die Funktionsbeeinträchtigungen wurden als "Versteifung des unteren Sprunggelenkes, Beinverkürzung, Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs, Funktionsstörung durch Fußfehlform; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" bezeichnet.
Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch, den sie damit begründete, dass es ihr nicht mehr möglich sei, auch kürzeste Strecken ohne Schmerzen bzw. Pausen zurückzulegen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2006 zurück. Über den GdB sei letztmals mit Bescheid vom 20.11.1990 entschieden worden. In den Verhältnissen, die diesem Bescheid zugrunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Der GdB sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin gehöre auch nicht zu dem Personenkreis, der in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgezählt und dem das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen sei. Sie könne einem einseitig Oberschenkelamputierten, der dauernd außerstande sei, ein Kunstbein zu tragen, auch nicht gleichgestellt werden. Sie sei trotz der Schwere ihres Leidens noch in der Lage, sich überwiegend ohne fremde Hilfe oder ohne große Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs zu bewegen.
Gegen die Nichtfeststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" hat die Klägerin am 11.10.2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, dass sie auf Grund ihrer Behinderungen und Schmerzen nicht in der Lage sei, Wegstrecken von mehr als 100 Metern zurückzulegen. Größtenteils könne sie Wegstrecken über 100 Meter lediglich im Rollstuhl bewältigen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens des Dr. C. vom 23.12.2006. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin liege eine operative Versteifung des rechten unteren Sprunggelenks, eine nahezu vollständige Einsteifung des rechten oberen Sprunggelenks in 10° Spitzfuß- und 20° Außenrotationsfehlstellung, eine leichte Supinationsfehlstellung des rechten Mittel- und Vorfußes, eine Hammerstellung der Zehen II - IV rechts, eine ausgeprägte Druckreaktion in Höhe des rechten Tarso-Metatarsalgelenks V infolge der Fußfehlstellung und eine Bein- und Fußverkürzung rechts, eine Muskelverschmächtigung des rechten Oberschenkels, erhebliche Muskelatrophie des rechten Unterschenkels, eine Teillähmung des rechten Wadenbeinnerven, vasomotorische Störungen am rechten Unterschenkel und Fuß als Folge einer neurogenen vaskulären Schädigung und eine Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule vor. Aktiv könne der rechte Fuß weder angehoben noch nennenswert abgesenkt werden. Bei passiven Bewegungen würden Schmerzen im rechten oberen Sprunggelenk angegeben. Die Pulse der A. Dorsalis pedis seien rechts nicht zu tasten, die A. Tibialis posterior sei rechts nicht aufzufinden. In Konfektionsschuhen mit Höhenabgleich rechts imponiere ohne Gehhilfe ein rechts leicht hinkendes Gangbild mit rechts verkürzter Schrittlänge. Der barfuß ausgeprägte "Steppergang" sei in Konfektionsschuhen mit Höhenabgleich geringer ausgeprägt, aber noch zu erkennen. Der Einschätzung sowohl von Teil- als auch Gesamt-GdB durch den Beklagten sei zuzustimmen. Die Gesundheitsstörungen halte er für gravierend genug, um hieraus die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" als erfüllt abzuleiten. Bei der Klägerin träten ihrer Schilderung zufolge während des Zurücklegens einer von ihr ohne fremde Hilfe (Einhängen bei und Stützen auf einen Begleiter) zu bewältigenden Gehstrecke von unter 100 Metern eine zunehmende Blockierung im rechten oberen Sprunggelenk auf, die ihr schließlich ein Weitergehen unmöglich mache, weil sie das rechte Sprunggelenk schmerzbedingt nicht mehr belasten könne. Für die Rekonvaleszenz nach einer solchen anhaltenden Blockade benötige sie nach ihrer Angabe bis zu drei Tage, bevor wieder ein Gehen über kurze Strecken möglich sei. Derartige Blockierungen träten nach ihrer Mitteilung auch häufig bei nur kurzen Gehstrecken auf, oft meist "mitten während eines Schritts", weswegen sie abrupt stehen bleiben müsse, bis sich die Blockade wieder gelöst habe. In einem solchen Fall erfolge die Blockadelösung rascher. Dr. C. hat seinem Gutachten Arztbriefe des Dr. K. (Kernspintomographie der Halswirbelsäule) und des Arztes für Allgemeinmedizin - Phlebologie - PD. Dr. M. (Ausschluss arterieller und venöser Durchblutungsstörungen der Beine) beigefügt.
In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.04.2007 hat Dr. Köhler ausgeführt, dass die von Dr. C. erhobenen Befunde die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nicht rechtfertigten. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung des von Dr. C. dokumentierten Gangbildes der Klägerin. Danach sei nicht davon auszugehen, dass ihre Gehfähigkeit auf das Schwerste eingeschränkt sei. In erster Linie sei der Klägerin eine Verbesserung der orthopädischen Schuhversorgung zuzumuten. Aus der regelmäßigen Benutzung eines Rollstuhles sei die Feststellung einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nicht ableitbar. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der Beine und der Lendenwirbelsäule, die nach dem Gutachten mit einem GdB von 50 korrekt eingestuft seien, seien mit einer Beeinträchtigung wie bei einem Verlust des Beines im Unterschenkel vergleichbar.
Dr. C. hat sich hiermit in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 12.05.2007 dergestalt auseinandergesetzt, dass unbestritten sei, dass aus dem von ihm dokumentierten Gangbild nicht auf eine "auf das Schwerste" eingeschränkte Gehfähigkeit geschlossen werden könne. Hierbei sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um eine kurze Gehstrecke in den Räumen der Praxis gehandelt habe, bei der die Klägerin insgesamt allenfalls 15 bis 20 Meter zurückgelegt habe. Bei solchen Distanzen könnten zwar nach ihrer Angabe ebenfalls plötzlich "Blockaden" im Sprunggelenk auftreten, regelmäßig würden sich diese jedoch nach einer Gehstrecke von etwa 50 Metern einstellen. Er habe die außergewöhnliche Gehbehinderung daraus abgeleitet, dass die Klägerin, wie sie ihm gegenüber geäußert habe, nach einer Distanz von 50 Metern oder mehr (jedenfalls aber "unter 100 Metern") auf Grund der sich bis dahin eingestellten "Blockade" im Sprunggelenk überhaupt nicht mehr in der Lage sei zu gehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich mit einer besseren orthopädischen Schuhversorgung eine wesentliche Besserung des Gehvermögens einstelle, sei zwar hoch, lasse sich aber nicht mit absoluter Sicherheit vorhersagen.
In einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.09.2007 hat Dr. F. an der bisherigen Bewertung auch nach Auswertung der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. C. festgehalten.
Mit Urteil vom 02.10.2007 hat das SG den Bescheid vom 14.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2006 abgeändert und festgestellt, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" ab dem 01.04.2006 erfüllt seien. Zur Begründung hat es gestützt auf das von Dr. C. erstattete Gutachten im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" erfüllt seien, da beim Zurücklegen einer Gehstrecke von 50 bis unter 100 Metern eine zunehmende Blockierung im rechten oberen Sprunggelenk auftrete, die der Klägerin ein Weitergehen unmöglich mache. Ihr Vortrag, dass beim Zurücklegen von Wegstrecken über 50 Metern die beschriebenen Blockaden eintreten würden, sei glaubhaft. Dies ergebe sich insbesondere daraus, weil im Bereich der unteren Extremität rechts erhebliche Muskelverschmächtigungen vorlägen.
Gegen das ihr am 18.10.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 15.11.2007 Berufung eingelegt, mit welcher er im Wesentlichen geltend macht, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsstörungen weder eine Gleichstellung mit dem in Nr. 31 Abs. 3 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz - Ausgabe 2004 - (AHP) genannten Personenkreis rechtfertigten noch diese eine außergewöhnliche Gehbehinderung bedingten. Es sei medizinisch gesehen in sich völlig unschlüssig, einerseits die Behinderungen des Bewegungsapparates mit einem GdB von allenfalls 50 zu bewerten und andererseits eine außergewöhnliche Gehbehinderung festzustellen. Die Muskelatrophie am rechten Bein stelle keine zusätzliche Funktionseinschränkung dar. Sie sei eine Folge der Mindergebrauchsfähigkeit des rechten Beines bei Einsteifung des rechten Sprunggelenkes. Auch die Teillähmung des rechten Wadenbeinnervs wirke sich nicht zusätzlich aus, da sie bei einem eingesteiften Sprunggelenk klinisch überhaupt nicht zum Tragen komme. Allein mit den sensomotorischen Störungen am rechten Unterschenkel könne man zusammen mit der Einsteifung des rechten Sprunggelenkes sowie der (nicht GdB-relevanten) Beinverkürzung rechts von allenfalls 2,5 cm und der nur endgradigen Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule von keiner so ausgeprägten Funktionseinschränkung des Bewegungsapparates ausgehen, als dass damit das Merkzeichen "aG" auch nur ansatzweise begründet werden könnte. Im Gutachten von Dr. C., dem das SG gefolgt sei, seien offenbar in wesentlichen Teilen subjektive Beschwerdeangaben der Klägerin der Bewertung zugrunde gelegt worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 2. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Urteil des SG lasse weder tatsächlich noch rechtlich Fehler erkennen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 14.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2006 im Hinblick auf die Zuerkennung des begehrten Merkzeichens "aG". Hinsichtlich der Feststellung des GdB ist der Bescheid bestandskräftig. Er wurde insoweit von der Klägerin nicht angegriffen.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "aG" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimissionsschutzgesetz.
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO. Die VwV-StVO ist als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz wirksam erlassen worden. Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppel-Oberschenkelamputierte, Doppel-Unterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Hierbei kann es auf die individuelle prothetische Versorgung der aufgeführten behinderten Gruppen grundsätzlich nicht ankommen. Der Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung muss sich strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren; dies ist Satz 1 in Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden soll, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten. Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen, wobei sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren lässt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R - in www.juris.de). Um sich für den Nachteilsausgleiche zu qualifizieren, müssen die Voraussetzungen praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs an erfüllt sein (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01R - in SozR 3 - 3250 § 69 Nr. 1).
Zu den in der Verwaltungsvorschrift beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört die Klägerin unbestrittenermaßen nicht.
Sie ist entgegen der Überzeugung des SG diesem Personenkreis aber auch nicht gleichzustellen. Die von Dr. C. erhobenen Befunde rechtfertigen, abgesehen davon, dass der Teil-GdB für die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Beines auch nach der im Einklang mit der versorgungsärztlichen Einschätzung stehenden Beurteilung durch Dr. C. nur 40, für die Wirbelsäule 20 und insgesamt 50 beträgt, keine Gleichstellung. Nach dem Gutachten besteht bei der Klägerin zwar eine operative Versteifung des rechten unteren Sprunggelenkes und eine nahezu vollständige Einsteifung des rechten oberen Sprunggelenkes, eine leichte Supinationsfehlstellung des rechten Mittel- und Vorfußes, eine Hammerstellung der Zehen II bis IV rechts und eine Druckstelle in der 5. Metatarsale sowie eine Beinverkürzung rechts um 2,5 cm und eine Fußverkürzung rechts. Außerdem ist eine Muskelverschmächtigung des rechten Oberschenkels, eine Muskelatrophie des rechten Unterschenkels und eine Teillähmung der rechten Wadenbeinnerven und darüber hinaus eine vasomotorische Störung am rechten Unterschenkel festzustellen wobei sich Hinweise für eine arterielle oder venöse Durchblutungsstörung nicht ergeben (so PD. Dr. M.). Darüber hinaus besteht eine Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule. Das Gangbild der Klägerin in der Praxis war ohne Gehhilfe in Konfektionsschuhen mit Höhenabgleich rechts gleichbleibend lediglich rechts leicht hinkend mit rechtsverkürzter Schrittlänge. Der Steppergang war noch zu erkennen. Er war jedoch mit Konfektionsschuhen im Vergleich zum Barfußgang geringer ausgeprägt. Eine in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkte Gehfähigkeit ist damit nicht gegeben. Die Klägerin kann sich außerhalb ihres Kfz wegen ihres Leidens nicht dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung bewegen. Sie kann sich nicht von den ersten Schritten an nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung bewegen. Bei Dr. C. war sie in der Lage, 15 bis 20 Meter in Konfektionsschuhen und ohne Gehilfe lediglich rechts leicht hinkend und mit rechts verkürzter Schrittlänge zurückzulegen. Eine Gleichstellung mit den in der Verwaltungsvorschrift aufgeführten Schwerbehinderten hat deshalb nicht zu erfolgen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Klägerin Dr. C. gegenüber geschilderten "Blockaden", die nach einer Gehstrecke von ca. 50 Metern aufträten, und die von Dr. C. der Bewertung zugrundegelegt wurden. Solche Blockaden sind nicht belegt. Sie ergeben sich weder aus dem Befundbericht des Dr. S. noch aus dem Gutachten bzw. dem den Gutachten beigefügten Arztbrief des PD Dr. M ... Dr. S. hat in seinem Befundbericht lediglich auf ständige Schmerzen im rechten Sprunggelenk und Zunahme der Schmerzen mit zusätzlichen Sensibilitätsstörungen des rechten Fußes und Unterschenkels unter Belastungen hingewiesen. Eine Blockierung hat er ebenso wenig wie PD. Dr. M., dem ebenfalls nur nach einigen Metern beim Laufen auftretende lokale Schmerzen geschildert wurden, beschrieben. Auch die von Dr. C. erhobenen Befunde und das von der Klägerin demonstrierte Gangbild lassen einen Schluss auf die angegebenen Blockierungen, zumal das Gehvermögen über 15 bis 20 Meter keine Verschlechterung zeigte, nicht zu.
Eine außergewöhnliche Gehbehinderung lässt sich auch nicht mit der Muskelatrophie des rechten Ober- und Unterschenkels der Klägerin und der Teillähmung des rechten Wadenbeinnerven rechtfertigen. Die Muskelatrophie ist Folge des Mindergebrauchs des Beines durch die Klägerin. Die Lähmung des Wadenbeinnervs mit der Folge der Lähmung der Fußhebung wirkt sich auf Grund der Versteifung des Sprunggelenks nicht zusätzlich aus.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin regelmäßig einen Rollstuhl benutzt, denn maßgeblich ist nicht, ob die Klägerin Wegstrecken mit oder ohne Rollstuhl zurücklegt, sondern welches Restgehvermögen bei ihr objektiv vorliegt.
Auf die Berufung der Beklagten ist deshalb das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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