L 4 R 5414/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 4640/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5414/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Der am 1945 geborene Kläger erlernte von 1960 bis 1963 den Beruf eines Metzgers und war bis Dezember 1965 als Metzger versicherungspflichtig beschäftigt. Von Januar 1966 bis 31. Januar 2001 war der Kläger als selbstständiger Getränke- und Brennstoffhändler tätig. Bis 31. Januar 2001 entrichtete der Kläger Pflichtbeiträge an die Rechtsvorgängerin der Beklagten (einheitlich als Beklagte bezeichnet), seit Februar 2001 freiwillige Beiträge. Seit 18. August 2003 ist der Kläger arbeitsunfähig. Vom 08. September 2003 bis 14. Februar 2005 bezog er Krankengeld.

Am 02. März 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Vorgelegt wurden eine Bescheinigung des Leitenden Arztes Dr. L. (Rehazentrum L./Schweiz) vom 10. Februar 2004, wonach der Kläger bei Schulterbeschwerden mit Impingement, Omarthrose beidseits sowie chronischem Lumbo- und Thoracovertebralsyndrom im Hinblick auf die Tätigkeit als Getränkehändler voll erwerbsgemindert sei, sowie der Arztbrief des Radiologen Dr. S. vom 25. September 2003 über die kernspintomographische Untersuchung der rechten Schulter, wonach eine rechtsseitiger Humeruskopfhochstand mit Einengung des subacromialen Raumes bestehe und es dadurch zu einem Impingement der Supraspinatussehne komme. Die Beklagte erhob daraufhin das Gutachten durch Dr. Sc., Arzt für Chirurgie, vom 17. Mai 2004. Er diagnostizierte eine Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke rechts mehr als links (frozen shoulder) bei mäßiger Arthrose und "erhaltender Rotatorenmanschette", langjährig bekannte lokale Nacken /Rückenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen der Halswirbel- und Rumpfwirbelsäule (Verdacht auf Osteoporose), eine mäßig ausgeprägte Hüftgelenksarthrose (bisher ohne relevante Funktionseinschränkungen), einen langjährig bekannten gut eingestellten Diabetes (bisher ohne schwerwiegende Folgeerkrankung) sowie ein Ohrgeräusch beidseits. Als sonstige Diagnose wurde eine beginnende Dupuytren’sche Kontraktur beider Hände ohne Funktionseinschränkung und ein bisher unbehandeltes Krampfaderleiden festgestellt. Der Kläger könne die Tätigkeit als Getränkehändler nur noch unter drei Stunden täglich ausüben. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne er sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien körperliche Schwerarbeiten, Arbeiten mit längerer Oberarmvor- und -seithalte, Überkopfarbeit und Arbeiten in längeren Wirbelsäulenzwangshaltungen. Wegen der Ohrgeräusche müsse frühzeitig ein persönlicher Gehörschutz getragen werden. Im Rahmen des Gutachtens gab Internist Dr. Lu. die Stellungnahme vom 04. Mai 2004 ab, wonach degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette bestünden, jedoch kein plausibles sonographisches Korrelat der bestehenden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen vorliege. Neurologe Dr. G. kam in seiner Stellungnahme vom 07. Mai 2004 zu dem Ergebnis, es bestehe kein sicherer Hinweis auf eine schwerwiegende polyneuropathische Störung. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 27. Mai 2004 ab, da der Kläger noch in der Lage sei, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Seinen hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger unter anderem unter Vorlage der Bescheinigung des Dr. L. vom 13. August 2004, der nochmals bestätigte, dass der Kläger als Getränkehändler nicht mehr arbeiten könne. Außerdem seien Überkopfarbeiten sowie leichte Tätigkeiten mit Heben von höchstens fünf kg drei Stunden pro Tag nicht mehr möglich. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. bescheinigte am 24. August 2004, dass aufgrund der invalidisierenden schweren degenerativen Veränderungen beider Schultergelenke und der Lendenwirbelsäule eine leichte bis mittelschwere Arbeit über drei Stunden nicht durchführbar sei. Nach Einholung der Stellungnahme Dr. Sc. vom 06. September 2004 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2004). Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts in wechselnder Körperhaltung, ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel) über Tisch- bzw. Bauchhöhe, ohne Zwangshaltung (z.B. über Kopf, Wirbelsäule) und ohne Gefährdung durch Lärm, ohne Arbeiten mit längerer Oberarmvor- und -seithalte mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Eine Tätigkeit als Mitarbeiter in einem Getränkemarkt sei weniger als drei Stunden täglich möglich. Den erlernten Beruf habe er nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Er könne deshalb auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden, ohne dass eine Benennung einer konkret noch zumutbaren Tätigkeit erforderlich sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 08. November 2004 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Beklagte habe bisher den tatsächlichen Gesundheitszustand nicht adäquat bewertet und gewürdigt. Aufgrund seiner langjährigen selbstständigen Tätigkeit als Getränke- und Brennstoffhändler genieße er Berufsschutz. Der Kläger legte eine weitere Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 20. Oktober 2005 vor, wonach eine akute Erkrankung (Oberarmbruch rechts und Schulteradhäsion rechts) vorliege.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und bezog sich auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids.

Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. M. teilte mit (Auskunft vom 01. Februar 2005), der Kläger sei seit 18. August 2003 ununterbrochen arbeitsunfähig. Er habe folgende Diagnosen erhoben: Impingement-Syndrom der rechten Schulter, Akromioklavikulargelenksarthrose rechts, Periarthropathia humeroscapularis und Frozen shoulder, Diabetes mellitus Typ II (diätetisch behandelt), chronisches Lenden- und Halswirbelsäulen-Syndrom sowie Tinnitus. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter drei Stunden täglich verrichten. Dr. L. teilte mit (Auskunft vom 07. Februar 2005), beim Kläger bestehe ein Fingerbodenabstand von 15 cm. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, da selbst Kontrollarbeiten in sitzender Tätigkeit die Probleme der Lendenregion verstärkten. Zudem sei der Schlaf aufgrund des Tinnitus gestört. Orthopäde Dr. Se. gab an (Auskunft vom 23. Februar 2005), unter Berücksichtigung der Erkrankungen der rechten Schulter sei der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht arbeitsfähig. Wenn bei einer Tätigkeit die Schulter nicht belastet werde, bestünde volle Arbeitsfähigkeit.

Das SG erhob daraufhin das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. C. vom 29. Juni 2005. Danach bestünden folgende Gesundheitsstörungen: Schulterteilsteife rechts mehr als links (Frozen shoulder), myalgische Cervicobrachialgie beidseits bei degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbel- und oberen Brustwirbelsäule, chronische Lumbalgie, leichte Beinlängendifferenz, Rundrücken, lumbosacrale Hyperlordose, Minimalskioliose, beginnende Coxarthrose beidseits sowie venöse Blutumlaufstörungen links mehr als rechts; auf nicht-orthopädischem Fachgebiet liege ein Verdacht auf Carpaltunnelsyndrom links, eine nicht-segmentale Hypaesthesie der linken unteren Extremität und ein medikamentös eingestellter Diabetes mellitus vor. Der Kläger habe zu Hause im Garten ein Schwimmbassin, in dem er täglich schwimme. Bei längerem Autofahrten müsse er nach etwa ein bis eineinhalb Stunden Pausen einlegen. Seine Gehstrecke habe er auf maximal zwei km eingeschätzt. Das Aufrichten aus der Hocke sei freihändig gelungen. Eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens liege auf orthopädischem Fachgebiet nicht vor. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten maximal acht Stunden täglich zu verrichten. Die Tätigkeit als Getränkehändler könne er nur noch unter drei Stunden verrichten. Zu vermeiden seien schwere und ständig mittelschwere Arbeiten, Arbeiten ausschließlich im Sitzen, Stehen oder Gehen ohne die Möglichkeit eines bedarfsweisen Haltungswechsels, Überkopfarbeiten, Arbeiten in Armvorhalte, mit häufigem Treppensteigen, auf Leitern und Gerüsten, mit häufigem Bücken, in anhaltend gebeugter Rumpfhaltung, im Knien, in der Hocke, Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit, Arbeiten unter anhaltender Exposition an Zugluft sowie Nässe oder Kälte.

Mit Urteil vom 25. Oktober 2005, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26. November 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Der Kläger genieße keinen Berufsschutz, da die zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit eines Getränkehändlers weder einem besonderen Ausbildungsberuf noch einem spezifischem Berufsbild entspreche. Im Übrigen gehe das Gericht davon aus, dass diese Tätigkeit binnen drei Monaten erlernbar sei. Der Kläger sei deshalb auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar. Solche Tätigkeiten könne er noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Dies ergebe sich aufgrund des Gutachtens des Orthopäden Dr. C ... Der Einschätzung von Dr. L. könne nicht gefolgt werden, da er sich auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Getränkehändler beziehe.

Gegen das Urteil hat der Kläger am 19. Dezember 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sein Restleistungsvermögen auf dem allgemeinem Arbeitsmarkt sei bisher nicht ausreichend bewertet und gewürdigt worden. Die private Versicherung habe Berufsunfähigkeit anerkannt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Oktober 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2004 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01. März 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat Chefarzt Privatdozent Dr. P. (V.-Klinik, B. R.) das Gutachten vom 23. August 2006 erstellt. Er hat folgende Diagnosen auf orthopädischem Fachgebiet gestellt: In Fehlstellung knöchern konsolidierte subkapitale Humerusfraktur rechts bei vorbestehender Rotatorenmanschettenendopathie und Schulterteilsteife, Rotatorenmanschettenendopathie und sekundäre Schulterteilsteife links, chronisch degeneratives Hals-/Lendenwirbelsäulen-Syndrom mit chronischer Zervikalgie und Lumbalgie sowie unklare Tendopathie der Kniebeugesehnen beidseits. Im August 2005 sei der Kläger von der Leiter gestürzt und habe sich am rechten Arm eine Oberarmfraktur zugezogen. Dies habe die Beschwerden im Bereich der rechten Schulter deutlich verstärkt. Er sei deshalb bei Hausarbeiten, Gartenarbeiten oder sportlicher Betätigung erheblich eingeschränkt. Das Gangbild mit Halbschuhen sei sicher und flott. Der Fingerbodenabstand betrage fünf cm. Die Beweglichkeit der Halbwirbelsäule sei endgradig eingeschränkt, wobei keine radikuläre Schmerzausstrahlung in die Arme oder Hände und kein sensomotorisches Defizit bestehe. Auch im Bereich beider Beine und Füße bestehe keine radikuläre Schmerzausstrahlung und kein sensomotorisches Defizit. Im Bereich der Schultern sei eine eingeschränkte passive und deutlich eingeschränkte aktive Beweglichkeit vorhanden. Es seien allenfalls leichte körperlicher Arbeiten mit Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten bis maximal fünf kg möglich. Arbeiten auf oder über Schulterniveau sowie in Vorhalte der Arme und Hände seien nicht möglich. Notwendig sei ein selbstbestimmter Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Zu vermeiden seien Arbeiten in gleichförmiger Körperhaltung bzw. Zwangshaltung sowie Arbeiten im Knien oder Hocken bzw. Arbeiten, die häufiges Bücken erfordern. Akkord-, Fließband- und Wechselschichttätigkeit sowie Nachtschicht seien ebenfalls nicht möglich. Zu vermeiden seien auch Arbeiten unter Hitze, Zugluft oder Nässe sowie mit besonderer Gefährdung. Darüber hinaus müssten im Rahmen der Tätigkeit regelmäßig Pausen von ca. zehn Minuten pro Arbeitsstunde gewährleistet werden. Der Kläger könne solche Tätigkeiten nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten.

Die Beklagte hat die Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie Dr. Lang vom 07. November 2006 vorgelegt. Danach ergebe der Vergleich der aktuellen Gutachtensbefunde mit denen des Vorgutachtens von Juni 2005, dass die Schultergelenksbeweglichkeit für beide Schultern inzwischen deutlich verbessert sei. Hinsichtlich der durchgeführten therapeutischen Maßnahmen werde nur noch Kranken- und Wassergymnastik verschrieben. Die Einnahme von Medikamenten sei nicht angegeben worden. Die mitgeteilten neurologischen Befunde seien für die oberen und unteren Extremitäten unauffällig. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Bruch des rechten Oberarmknochens nicht zu einer zusätzlichen Einschränkung geführt habe. Es sei eine Verbesserung der Beweglichkeit beider Schultergelenke eingetreten. Aus diesem Grund könne der Leistungseinschätzung von Dr. P. nicht gefolgt werden.

Der Kläger hat daraufhin den Befundbericht des Privatdozenten Dr. P. vom 15. Dezember 2006 vorgelegt, wonach ein Zustand nach subkapitaler Humerusfraktur rechts und einer Rotatorenmanschettenendopathie rechts bestehe. Insgesamt habe sich an seiner Einschätzung der Leistungsfähigkeit sowohl im zuletzt ausgeübten Beruf als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmark nichts geändert. Der Nacken- und Schürzengriff seien erheblich eingeschränkt gewesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, auf die Gerichtsakte der ersten Instanz sowie auf die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten von 27. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2004 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht weder eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung noch wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser, als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und im welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßgaben ist der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Bei dem Kläger liegen zwar orthopädische Erkrankungen vor, diese sind jedoch nicht so ausgeprägt, dass volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliegt.

Der Senat entnimmt dem auf umfassender Untersuchung des Klägers beruhenden Gutachten des Dr. C. vom 29. Juni 2005, dass der Kläger an einer Schulterteilsteife (rechts mehr als links), einer myalgischen Cervicobrachialgie beidseits bei degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbel- und oberen Brustwirbelsäule, einer chronischen Lumbalgie, einer leichten Beinlängendifferenz, Rundrücken, lumbosacrale Hyperlordose, Minimalskioliose, beginnende Coxarthrose beidseits und an venöser Blutumlaufstörungen (links mehr als rechts) leidet. Aufgrund dieser Erkrankungen kann der Kläger keine körperlich schweren Tätigkeiten mehr ausüben. Auch sind Tätigkeiten auf oder über Schulterniveau, Überkopfarbeiten, Arbeiten in Armvorhalte, mit häufigem Treppensteigen, auf Leitern und Gerüsten, mit häufigem Bücken, in anhaltend gebeugter Rumpfhaltung, im Knien, in der Hocke sowie Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit, Wechselschichttätigkeit und Arbeiten mit anhaltender Exposition an Zugluft, Nässe oder Kälte zu vermeiden. Hiervon ist der Senat aufgrund der nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen von Dr. C. in seinem Gutachten überzeugt, das hinsichtlich der qualitativen Einschränkungen auch durch das Gutachten von Privatdozent Dr. P. bestätigt wurde. Privatdozent Dr. P. hat im Wesentlichen dieselben Gesundheitsstörungen genannt, zudem noch eine in Fehlstellung knöchern konsolidierte subkapitale Humerusfraktur rechts, die der Kläger sich nach der Begutachtung durch Dr. C. zugezogen hatte, diagnostiziert.

Trotz der genannten qualitativen Einschränkungen ist der Kläger jedoch noch in der Lage, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den oben genannten qualitativen Einschränkungen auszuüben. Der Senat ist hierbei zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger derartige Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung der Leistungsfähigkeit durch den Gutachter Dr. C ... Dieser ist in seinem Gutachten nachvollziehbar und schlüssig zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten acht Stunden täglich an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Privatdozent Dr. P. ist hingegen bei seiner Beurteilung der Leistungsfähigkeit zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger nur noch in der Lage sei, drei bis unter sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten zu verrichten. Diese Einschätzung überzeugt nicht. Denn Privatdozent Dr. P. begründet nicht, weshalb der Kläger noch in der Lage sein soll, "bis unter sechs Stunden" täglich leichte Tätigkeiten auszuüben, nicht aber mehr als sechs Stunden. Mit der abweichenden Leistungsbeurteilung des Dr. C. setzt sich Dr. P. nicht auseinander. Aus der von ihm erhobenen Anamnese ergeben sich keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte für diese zeitliche Einschränkung. Dr. Lang weist in ihrer Stellungnahme vom 07. November 2006 insoweit zutreffend darauf hin, dass sich im Vergleich zum Vorgutachten des Dr. C. (dort: Abspreizen/Anspreizen: aktiv 70/0/10 rechts, 80/0/20 links, passiv 80/0/10 rechts, 100/0/20 links) eine Besserung hinsichtlich der Schultergelenksbeweglichkeit gezeigt hat (jetzt: 110/0/40 rechts, 110/0/40 links, wobei sich dem Gutachten des Privatdozent Dr. P. nicht entnehmen lässt, ob dies die aktiven oder passiven Bewegungsmaße sind). Dass eine Besserung eingetreten ist, zeigt sich auch daran, dass Dr. L. in seiner Auskunft vom 07. Februar 2005 noch einen Fingerbodenabstand von 15 cm beschrieb, Privatdozent Dr. P. hingegen in seinem Gutachten vom 23. August 2006 einen Fingerbodenabstand von nur noch fünf cm beschreibt. Privatdozent Dr. P. hat in seinem Gutachten auch keine Befunde angegeben, die seine Leistungseinschränkung in qualitativer Hinsicht stützen könnten. Nach seinen Angaben besteht trotz der endgradig eingeschränkten Beweglichkeit der Halswirbelsäule keine radikuläre Schmerzausstrahlung in die Arme oder Hände und kein sensomotorisches Defizit. Auch im Bereich beider Beine und Füße konnte keine radikuläre Schmerzausstrahlung und auch kein sensomotorisches Defizit festgestellt werden. Der Kläger hat zudem ein sicheres und flottes Gangbild gezeigt. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass zwischen dem Gutachten von Dr. C. und Privatdozent Dr. P. eine derartige Gesundheitsverschlechterung eingetreten sein könnte, die die Einschätzung von Privatdozent Dr. P. hinsichtlich der quantitativen Leistungsminderung stützen könnte.

Der Senat ist vor diesem Hintergrund zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der orthopädischem Erkrankungen noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinem Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Der Kläger benötigt auch keine betriebsunüblichen Pausen. Zum einen ist die Einschränkung des Privatdozent Dr. P., wonach pro Arbeitsstunde eine zehnminütige Pause gewährleistet werden müsse, nicht nachvollziehbar begründet. Zum anderen stehen nach § 4 Satz 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) dem Kläger bei einer zugrunde gelegten täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden Ruhepausen von mindestens 30 Minuten zu, die nach Maßgabe der §§ 4 Satz 2 und 7 ArbZG auch in kleinere Zeitabschnitte aufgeteilt werden können. Im Übrigen ist zu beachten, dass Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden beispielsweise im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen gelten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2007 - L 11 R 684/06 - mit weiteren Nachweisen, in juris veröffentlicht).

Soweit Dr. M. und Dr. L. den Kläger nicht mehr für in der Lage halten, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten, überzeugt diese Einschätzung nicht, da sie nicht nachvollziehbar begründet wird und die mitgeteilten Befunde durch Dr. C. bei seiner Begutachtung berücksichtigt wurden. Im Übrigen ist auch Dr. Se. in seiner Auskunft vom 23. Februar 2005 zu der Einschätzung gelangt, der Kläger sei noch voll arbeitsfähig, wenn die Schulter bei der Arbeit nicht belastet werde.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbminderung haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersrente auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist mit dem festgestellten Leistungsvermögen in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten mit dem beschriebenen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Solche Tätigkeiten sind ihm sozial zumutbar. Zwar hat er den Beruf eines Metzgers erlernt, diesen hat er jedoch seit Januar 1966 nicht mehr ausgeübt. Nach seinen Angaben zum Rentenantrag vom 02. März 2004 wurde das Beschäftigungsverhältnis als Metzger gekündigt. Anhaltspunkte dafür, dass dies aus gesundheitlichen Gründen geschehen ist, liegen nicht vor. Maßgeblich ist damit der Beruf als Getränke- und Brennstoffhändler. Hierbei handelt es sich nicht um einen Ausbildungsberuf. Das SG hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass eine volle Gleichwertigkeit mit einer kaufmännischen Ausbildung nicht erkennbar und vom Kläger (auch im Berufungsverfahren) nicht vorgetragen wurde. Der Kläger kann daher auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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