L 11 KR 841/08 KO-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 4023/07 KO-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 841/08 KO-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 18. Januar 2008 aufgehoben.

Die Kosten und Auslagen des Gutachtens von Dr. H. vom 1. März 2007 werden auf die Staatskasse übernommen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Klägerin, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat, ist begründet. Das SG hat es zu Unrecht abgelehnt, die Kosten und Auslagen des Gutachtens von Dr. H. vom 1. März 2007 auf die Staatskasse zu übernehmen.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG. Nach dieser Vorschrift kann die von einem Versicherten, Behinderten, Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Nach dem Gesetz steht es im Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Kosten dem Antragsteller endgültig auferlegt. Das vom SG ausgeübte Ermessen ist durch den Senat voll nachprüfbar, weil die Befugnis zur Ausübung dieses Ermessens durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergeht.

Nach der Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht, diese also objektiv gefördert hat. Ob dies hier der Fall ist, kann offen bleiben. Denn eine Übernahme der Kosten auf die Staatskasse ist auch bei einer verfahrensrechtlich unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht gerechtfertigt, weil andernfalls der Kläger ein Kostenrisiko zu tragen hätte, das nicht vom Inhalt des eingeholten Gutachtens abhängt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Juli 2005, L 9 B 146/03 KR; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Aufl. 2005, Rdnr. 273).

Hier hätte der maßgebliche Gesichtspunkt - der Umstand, dass die Klägerin schon aufgrund ihrer orthopädischen Beeinträchtigungen nicht in der Lage war, die von ihr verlangten Arbeiten mit dem Anheben von Kanaldeckeln zu leisten - schon vor den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zum Inhalt ihrer Tätigkeiten erkannt werden können. Denn dass die Klägerin Kanaldeckel anheben musste, ergibt sich bereits aus dem Gutachten des MDK vom 7. Juni 2005, welches in den Verwaltungsakten der Beklagten enthalten ist. Anstatt der Klägerin nahe zu legen, die Klage zurückzunehmen oder einen Antrag nach § 109 SGG zu stellen, wie mit gerichtlichem Schreiben vom 11. Juli 2006 geschehen, hätte das SG bereits zum damaligen Zeitpunkt auf diesen Gesichtspunkt abstellen oder zumindest insoweit weiter von Amts wegen ermitteln müssen. Den Hinweis im Schreiben vom 11. Juli 2006 musste die Klägerin aber so verstehen, dass das Gericht den Auswirkungen der orthopädischen Gesundheitsbeeinträchtigungen kein entscheidendes Gewicht beimessen wollte. Von daher war sie veranlasst, ein Gutachten nach § 109 SGG auf nervenärztlichem/psychosomatischem Fachgebiet einholen zu lassen. Wäre das SG seiner auch aus § 106 Abs. 1 SGG folgenden Pflicht nachgekommen, wäre der Antrag nach § 109 SGG nicht gestellt worden.

Von daher ist es sachgerecht, dass die Kosten und Auslagen der Begutachtung auf die Staatskasse übernommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung des Art. 4 Abs. 25 Nr. 2 des KostRMoG vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718). Das Beschwerdeverfahren nach § 172 SGG, mit dem die nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG ergangene Entscheidung des SG angefochten wird, stellt kostenrechtlich ein eigenständiges Verfahren dar, für das der Rechtsanwalt einen Anspruch auf Vergütung hat (§ 18 Nr. 5 RVG). Eine Unterscheidung danach, ob sich die Vergütung des Rechtsanwalts nach dem Streitwert bestimmt oder ob der Anwalt für seine Tätigkeit Betragsrahmengebühren (§ 3 RVG) erhält, findet unter der Geltung des RVG nicht mehr statt. Auch für Beschwerdeverfahren dieser Art ist daher eine Kostenentscheidung zu treffen (wie LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Oktober 2007, L 8 SB 2015/07 KO-B).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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