L 7 R 2122/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 278/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 2122/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. März 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat.

Die am 1948 geborene Klägerin war zunächst von 1966 bis März 1990 im erlernten Beruf als Industriekauffrau beschäftigt. Nach zwischenzeitlichen Tätigkeiten als Datentypistin, Sekretärin und Kassiererin in einer Tankstelle war die Klägerin vom 19. Februar 2001 bis 31. Januar 2003 als Sachbearbeiterin Auftragsabwicklung mit der Zuständigkeit für "schriftliche Dokumentationen" bei der Firma L+L GmbH & Co. KG, P.-H., versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 1. März 2003 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Daneben arbeitete sie ab Oktober 2003 bis November 2004 in einem Wettbüro, wo sie Wettscheine ausfüllte und die Kasse bediente. Arbeitslosengeld bezog die Klägerin bis 5. Dezember 2004, anschließend Übergangsgeld und Krankengeld, zumindest bis zum 27. Mai 2005. In der Folgezeit war die Klägerin wiederum in einem Wettbüro im Umfange von zehn Wochenstunden beschäftigt.

Aus einem stationären Rehaverfahren vom 26. August bis 23. September 2003 wurde die Klägerin als vollschichtig leistungsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie im zuletzt ausgeübten Beruf als Sachbearbeiterin entlassen. Der Abschlussbericht vom 19. November 2003 nennt als Diagnosen Anpassungsstörungen, eine paroxysmale Tachykardie sowie Krankheiten der Schilddrüse. Nachdem sich die Klägerin bei einem Sturz von einer Trittleiter am 23. November 2004 eine dislozierte mediale Oberschenkelhalsfraktur links zugezogen hatte, wurde ihr am 24. November 2004 eine Hüft-Totalendoprothese (H-TEP) links implantiert. Anschließend befand sich die Klägerin vom 6. bis 27. Dezember 2004 in Anschlussrehabilitation in der V.-Klinik Bad R ... Im Entlassungsbericht vom 31. Dezember 2004 diagnostizierten die dort behandelnden Ärzte Dr. K. und Dr. H. eine Implantation einer H-TEP links wegen medialer Schenkelhalsfraktur links, depressives Syndrom sowie Osteoporose. Die Klägerin wurde als fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken und Tragen von schweren Lasten in wechselnder Arbeitshaltung vollschichtig zu verrichten. Bei einem Sturz am 11. Januar 2006 zog sich die Klägerin eine eingestauchte Radiustrümmerfraktur links zu.

Am 9. Juni 2005 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, zu dessen Begründung sie auf den am 23. November 2004 erlittenen häuslichen Unfall sowie Depressionen verwies. Nach Beiziehung des Reha-Entlassungsberichtes der V.-Klinik und eines Befundberichtes der behandelnden Nervenärztin K.-K. holte die Beklagte des Weiteren ein chirurgisches Fachgutachten ein, das Dr. L. am 24. August 2005 erstattete. Die Gutachterin beschreibt Restbeschwerden des linken Hüftgelenks bei Zustand nach Implantation einer H-TEP links mit geringen Funktionseinbußen, medikamentös behandeltes depressives Syndrom, Wirbelsäulensyndrom bei leichter Fehlhaltung und relativer muskulärer Insuffizienz mit geringen Funktionseinbußen. Es bestehe ein über sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung bzw. auch in überwiegend sitzender Arbeitshaltung. Auszuschließen seien ganztägiges Stehen und Gehen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in kniender oder hockender Position, lang andauernde Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck und in Nachtschicht. Mit Bescheid vom 25. August 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da weder teilweise noch volle Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit vorliege. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 17. Januar 2006 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der sie den erhobenen Anspruch auf Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit weiterverfolgt hat. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Internisten Dr. B. und den Chirurgen Dr. Bu., als sachverständige Zeugen vernommen; auf Bl. 32/34 sowie 50/52 der SG-Akte wird insoweit Bezug genommen. In einem gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten hat Dr. Nie. unter dem 31. Januar 2007 eine bipolare affektive Störung beschrieben, die derzeit unter Lithiumbehandlung symptomfrei sei; des Weiteren bestünden ein Schmerzsyndrom im Bereich der linken Hand bei Zustand nach Radiusfraktur im Januar 2006 ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen, Hüftschmerzen links bei Zustand nach H-TEP sowie eine bekannte Psoriasis. Bei der jetzigen Symptomfreiheit habe die seelische Störung keine aktuellen Einflüsse auf die Leistungsfähigkeit. Durch die aktuelle Lithiumprophylaxe sei eine ausreichende und anhaltende Stabilisierung erfolgt, sodass bei Auftreten eventueller depressiver oder manischer Phasen lediglich eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit resultieren würde. Noch möglich seien leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in abwechslungsreicher Körperhaltung ohne häufiges Bücken und Treppensteigen. Das Heben und Tragen von Lasten sei bis zu fünf kg zumutbar, wobei das Tragen mit der linken Hand vermieden werden solle; leichte Bürotätigkeiten unter Vermeidung einseitiger Belastung der linken Hand seien ebenso möglich wie Tätigkeiten mit Publikumsverkehr oder Arbeiten mit erhöhter Konzentration und unter nervlicher Belastung. Ausgeschlossen seien einseitige Körperhaltungen mit Belastungen im linken Hüftgelenk, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Fließband-, Schicht- und Nachtarbeiten.

Mit Urteil vom 22. März 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Den Gutachten von Dr. L. und Dr. Nie. folgend, sei die Klägerin noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der in den Gutachten genannten qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten; hierzu gehörten etwa Tätigkeiten als Museumsaufsicht, Bürohilfsarbeiten, leichte Pförtnertätigkeiten oder Tätigkeiten als Telefonistin, soweit damit keine überwiegenden Schreibarbeiten verbunden seien. Es liege daher weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Berufsschutz genieße die Klägerin nicht. Bei den von ihr zuletzt verrichteten Tätigkeiten einer Kassiererin in einer Tankstelle, als Sachbearbeiterin für "schriftliche Dokumentationen" und als Angestellte in einem Wettbüro handele es sich allenfalls um angelernte Tätigkeiten mit einer Anlernzeit von unter einem Jahr, sodass eine Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe.

Gegen das ihren damaligen Bevollmächtigten am 3. April 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. April 2007 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung hat sie ausgeführt, aufgrund ihres angegriffenen Gesundheitszustandes sei ihr die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich. Die Entscheidung des SG beruhe auf einem nur unvollständig erhobenen medizinischen Sachverhalt, da nach Aufnahme der fachpsychiatrischen Behandlung bei der Psychiaterin He. eine Stellungnahme dieser Ärztin nicht eingeholt worden sei. Des Weiteren hat die Klägerin eine weitere Verschlechterung ihrer Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Karlsruhe vom 22. März 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2005 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, bereits im Gutachten von Dr. Nie. sei darauf hingewiesen worden, dass es bei der festgestellten bipolaren affektiven Störung zu häufigen depressiven, aber auch manischen Krankheitsphasen komme, aus denen eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit resultieren könne. Die von der behandelnden Psychiaterin bescheinigte Arbeitsunfähigkeit sei folglich nicht mit einer dauerhaften Leistungsminderung im Sinne einer Rentengewährung gleichzusetzen.

Der Senat hat die behandelnde Psychiaterin He. sowie den behandelnden Internisten Dr. B. als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Dr. B. hatte unter dem 18. November 2007 u.a. mitgeteilt, relevante Änderungen insbesondere der orthopädischen Befunde habe er nicht beobachten können. Die auswärtigen chirurgischen und orthopädischen Befunde lägen ihm nicht vor. Auch psychiatrisch sei seines Erachtens kein durchgreifender Befundwandel eingetreten; signifikante neue Befunde seien nicht hinzugekommen. Frau He. stellt in ihrer Stellungnahme vom 24.Oktober 2007 die Diagnose einer bipolaren affektiven Störung, gegenwärtig mittelgradig depressive Episode. Die Klägerin sei deutlich niedergestimmt, dysphorisch und erschöpft; es träten Schlafstörungen auf. Im September 2007 sei morgens zusätzlich ein Antidepressivum angesetzt worden. Die Klägerin sei arbeitsunfähig gewesen und sei es auch gegenwärtig; eine entsprechende Bescheinigung sei nicht ausgestellt worden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit habe und nicht arbeitslos gemeldet sei. Wegen des genauen Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 34/37 sowie 42/43 der Gerichtsakte Bezug genommen. Des Weiteren hat die Klägerin ein Attest von Frau H. vom 31. Januar 2008 vorgelegt (Bl. 48 der Akten).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich beide Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 i. V. m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch ein Anspruch auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung. Den noch in erster Instanz jedenfalls mit der Klageschrift weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verfolgt die Klägerin im Berufungsverfahren nicht weiter. Dies ergibt sich aus dem aus der Berufungsbegründungsschrift ersichtlichen Begehren. Im Gegensatz zum Verfahren vor dem SG, wo in der Klagebegründung ausdrücklich auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beantragt worden war, ist ein solcher Antrag in der Berufungsbegründung von der - rechtskundig vertretenen - Klägerin nicht mehr gestellt worden. In der weiteren Begründung wird ausgeführt, dass die Klägerin nach wie vor der Auffassung sei, eine vollschichtige Erwerbsfähigkeit "auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt" sei ihr nicht mehr möglich. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens bezogen auf den erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf wird nicht geltend gemacht. Auch rügt die Klägerin in der Berufung lediglich einen unvollständig erhobenen "medizinischen" Sachverhalt, nicht fehlerhafte oder unzutreffende Feststellungen des SG hinsichtlich eines Berufsschutzes der Klägerin. Da das SG die Klägerin als allenfalls Angelernte im unteren Bereich i.S.d. Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (BSG) und damit als auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar angesehen hatte, wären Ausführungen zu einer höheren Einstufung zu erwarten gewesen, wenn die Klägerin eine Rente unter dem Gesichtspunkt einer Berufsunfähigkeit weiter hätte verfolgen wollen. Die Berufungsbegründung beschränkt sich jedoch allein auf medizinische Fragen.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG ist im angefochtenen Umfange zutreffend; das SG hat einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung zutreffend verneint.

Maßgeblich für die beanspruchte Rente ist das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)). Nach § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben bei Erfüllung hier nicht streitiger versicherungsrechtlicher Voraussetzungen Versicherte Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht unter den genannten Bedingungen bei einem Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich (Abs. 2). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).

Zutreffend hat das SG ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bejaht, da qualitative Einschränkungen ausreichen, um den gesundheitlichen Leiden der Klägerin gerecht zu werden, so dass die Voraussetzungen einer Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht vorliegen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des SG wird nach eigener Prüfung durch den Senat verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch das Vorbringen der Klägerin und die gerichtlichen Erhebungen im Berufungsverfahren nicht geeignet sind, eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht zu begründen. Die Klägerin hatte in der Berufungsbegründung eine Verschlechterung ihrer Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet sowohl seitens der Hüfte als auch der linken Hand angegeben. Der daraufhin als sachverständiger Zeuge befragte Dr. B. hat hingegen in seiner Stellungnahme vom 18. November 2007 ausdrücklich angegeben, dass eine Veränderung der orthopädischen Befunde nicht habe beobachtet werden können. Zwar finden sich in seiner Darstellung auch Überweisungen an einen chirurgischen Facharzt; Befunde wurden diesbezüglich aber dem Hausarzt nicht mitgeteilt. Auf ausdrückliche Anfrage hatte die Klägerin hingegen angegeben, auch die orthopädischen Gesundheitsstörungen würden von Dr. B. behandelt. Soweit die Klägerin des Weiteren Beschwerden seitens der linken Hand und des linken Armes beim Heben und Tragen von Lasten anführt, fallen solche Verrichtungen bei körperlich leichten Tätigkeiten bereits definitionsgemäß nicht an.

Nach Auffassung des Senats ergibt sich des Weiteren aus der Stellungnahme der behandelnden Psychiaterin He. keine dauerhafte Einschränkung der Klägerin in zeitlicher Hinsicht bezogen auf leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die von Frau He. angegebene Diagnose einer bipolaren affektiven Störung war bereits im Verwaltungsverfahren bekannt und auch im SG-Verfahren im neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten von Dr. Nie. bestätigt worden. Abweichend von diesem Gutachten beschreibt die behandelnde Fachärztin nun allerdings eine gegenwärtige mittelgradige depressive Episode, während bei Dr. Nie. keine depressiven Symptome erkennbar waren. Bereits der Gutachter hatte jedoch darauf hingewiesen, dass das beschriebene Krankheitsbild depressive oder manische Phasen beinhalte, die zu vorübergehenden Arbeitsunfähigkeiten führen könnten. Frau He. hingegen gibt eine seit 5. Juli 2007 auf nicht absehbare Zeit bestehende Arbeitsunfähigkeit an (Attest vom 31. Januar 2008). Ob sich diese "Arbeitsunfähigkeit" im rechtlichen Sinne auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit bezieht und ggf. welche oder ob die Ärztin hiermit eine - volle - Erwerbsminderung meint, kann offen bleiben. Denn der Senat hält eine so weitgehende Leistungseinschränkung aufgrund des Inhalts der Stellungnahme vom 24. Oktober 2007 nicht für überzeugend begründet. Dieser Stellungnahme ist zu entnehmen, dass die Klägerin niedergestimmt, dysphorisch und erschöpft, auch freudlos, wahrgenommen wird, Schlafstörungen werden angegeben. Letztere waren bereits bei der Begutachtung durch Dr. Nie. bekannt. Hingegen war die Stimmung zu diesem Zeitpunkt nicht als depressiv erhoben worden. Dies kann Hinweise auf eine Verschlechterung der Gesundheitsstörung geben, wofür auch die Vergabe eines weiteren Antidepressivums spricht. Inwieweit gerade hierdurch wiederum eine Besserung eingetreten ist, lässt sich der Stellungnahme von der Psychiaterin He. nicht konkret entnehmen. Beschrieben wird zumindest ein Rückgang der Schlafstörungen. Für den Senat von entscheidender Bedeutung ist hingegen, dass außer der Stimmungslage weitergehende Befunde und Einschränkungen durch die behandelnde Fachärztin nicht genannt werden. Dr. Nie. hatte die von ihm vertretene Leistungseinschätzung nicht allein auf das im Zeitpunkt der Untersuchung aktuelle Fehlen von Anzeichen einer depressiven Stimmungslage gestützt. Vielmehr wurden darüber hinaus Störungen in Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis verneint. Eine Antriebsstörung war ebenso wenig festgestellt worden wie ein sozialer Rückzug; ausdrücklich werden vielmehr die sozialen Beziehungen als intakt beschrieben. Besonders anschaulich wurde die noch erhaltene Restleistungsfähigkeit der Klägerin anhand des erhobenen Tagesablaufs beschrieben. Dieser war durchgehend strukturiert und zeigte keinerlei Hinweise auf ein auch nur teilweises Unvermögen der Klägerin, den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden. Die Klägerin war danach in der Lage, den Haushalt alleine zu führen. Ein Interesseverlust konnte ausgeschlossen werden, die Klägerin kümmerte sich auch um ihren Enkel. In der Zusammenschau dieser Befunde und Umstände hat Dr. Nie. überzeugend gefolgert, dass der Klägerin leichte Tätigkeiten noch ohne zeitliche Einschränkungen zugemutet werden können; Fließband-, Schicht- oder Nachtarbeiten seien hingegen aufgrund der psychiatrischen Gesundheitsstörung auszuschließen. Der Stellungnahme von Frau He. ist - abgesehen von der Stimmungslage - keine weitergehende Einschränkung zu entnehmen. Es werden keine Befunde mitgeteilt, die den von Dr. Nie. insoweit erhobenen entgegenstehen. Ein eingeschränkter Tagesablauf, sozialer Rückzug oder ein ausgeprägter Interesseverlust werden nicht angegeben; Gleiches gilt für Störungen in Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis. Schließlich geht die behandelnde Psychiaterin auch nicht darauf ein, inwieweit bereits qualitative Ausschlüsse ausreichen, dem psychischen Leiden der Klägerin gerecht zu werden. Die Einschätzung einer dauerhaften "Arbeitsunfähigkeit" im Sinne einer dauerhaften Erwerbsminderung ist daher, gestützt auf die Feststellungen und Einschätzungen von Dr. Nie., durch den Inhalt der Stellungnahme von Frau He. nicht zu begründen. Aus denselben Erwägungen hält der Senat auch weitere medizinische Ermittlungen nicht für angezeigt. Angesichts der nun beschriebenen Stimmungslage der Klägerin erscheint nach Auffassung des Senats allein fraglich, ob der Klägerin aktuell tatsächlich auch noch Arbeiten mit nervlicher Belastung, wie von Dr. Nie. angenommen, zugemutet werden können. Dies kann jedoch offen bleiben. Denn eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht ergibt sich hieraus nicht.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht daher zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken und Treppensteigen vollschichtig zu verrichten. Auch Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten sind nicht mehr leidensgerecht. Mit dem SG ist der Senat der Auffassung, dass seitens der linken Hand der Klägerin lediglich Hebe- und Tragetätigkeiten ausgeschlossen sind. Die Greiffunktion ist nach den Feststellungen von Dr. Bu. (Stellungnahme vom 27. Juni 2006, Bl. 50/52 der SG-Akten) nicht eingeschränkt. Im Gutachten von Dr. Nie. werden Atrophien an den oberen Extremitäten als Inaktivitäts- oder Schonungszeichen verneint. Daher kann der - zwischenzeitliche - Vortrag der Klägerin, sie könne die linke Hand nicht einsetzen, nicht nachvollzogen werden. Auch die ihr mögliche Haushaltsführung spricht dagegen. Zuletzt hat die Klägerin selbst nur noch angegeben, beim Heben und Tragen von Lasten eingeschränkt zu sein.

Die genannten qualitativen Einschränkungen der Klägerin bedingen auch unter der Annahme des weiteren Ausschlusses von Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung weder nach ihrer Art noch in der Gesamtheit eine soweit gehende Einengung der noch zumutbaren Tätigkeiten, dass die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarkts bestehen könnte. Einer konkreten Benennung eines noch zumutbaren Tätigkeitsfeldes bedarf es daher nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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