L 6 U 2434/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 6042/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2434/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts S. vom 29. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung eines Speicheldrüsenkarzinoms als Berufskrankheit (BK) nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) in Verbindung mit der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) bzw. nach § 9 Abs. 2 SGB VII streitig.

Der 1943 geborene Kläger war seit 1977 als Maschinenbediener in der Gießerei der jetzigen D. in M. beschäftigt und dabei verschiedenen Schadstoffen, insbesondere Formaldehyd, Phenol, Kresol und Furfurylalkohol ausgesetzt.

Am 2. Juli 2002 ging bei der Beklagten die ärztliche Anzeige über eine BK des Facharztes für Innere Medizin Dr. D., Betriebsarzt der D. ein, wonach der Kläger an einem Tumor am Weichgaumen (Diagnose: tubulopapilläres Speicheldrüsenkarzinom am linken weichen Gaumen; operativ behandelt im November 2000) leide, den er auf seine frühere Tätigkeit als Maschinenbediener (Hot-Box-Verfahren mit bspw. Formaldehydexposition) zurückführe. Als BK werde eine Krebserkrankung durch freiwerdende Gase beim Hot-Box-Verfahren angenommen. Unter dem Stichwort "Vorerkrankungen" führte Dr. D. einen langjährigen Nikotinabusus mit ca. 40 Zigaretten täglich an. Die Beklagte zog von der A. B. das Vorerkrankungsverzeichnis, vom K.-Hospital S. zahlreiche Arztbriefe und Operationsprotokolle sowie Befundberichte der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 30. August 2002 und des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. H. vom 10. September 2002 bei. Sie veranlasste ferner die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 14. Oktober 2002. Nach dessen Ermittlungen war der Kläger von 1977 bis 1986 an einer Anlage tätig, an der Kerne für den Bremsscheibenguss nach dem Hot-Box-Verfahren hergestellt wurden. Als Bindemittel habe dabei ein Formaldehydphoranharz gedient, wodurch der Kläger Formaldehyd und Furfurylalkohol ausgesetzt gewesen sei. Ab 1986 seien die Kerne ausschließlich nach dem Maskenform-Verfahren (Croning-Verfahren) hergestellt worden, wodurch eine Exposition gegenüber Formaldehyd, Phenol und Kresol bestanden habe. Da Messungen des Arbeitgebers lediglich am 18. Juli 1995 und 24. März 1996 durchgeführt worden seien und die erwähnten Stoffe zudem nur zum Teil erfasst worden seien, seien als Bewertungsgrundlage zusätzlich der BIA-Report 2/89 "Gefahrstoffsituation an Gießereiarbeitsplätzen" und die Auswertungen der MEGA-Abfrage "Messungen an Vergleichsarbeitsplätzen" herangezogen worden. Insgesamt habe die Exposition bezüglich der genannten Stoffe beim Kläger unterhalb der jeweiligen Grenzwerte gelegen. Die Beklagte veranlasste sodann das Gutachten des Dipl.-Chemikers und Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. P., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin C., vom 6. Januar 2003, der die haftungsbegründende Kausalität einer BK verneinte, da unter Berücksichtigung der Messergebnisse für die Arbeitsplätze des Klägers eine Grenzwerteinhaltung zu konstatieren sei. Weiter führte Dr. P. aus, dass hinsichtlich der Tumorart keine epidemiologischen Daten vorlägen, die einen Kausalzusammenhang zwischen dem tubulopapillären Speicheldrüsenkarzinom und der beruflichen Einwirkungen sicherten. Hinweise für das Vorliegen einer BK ergäben sich damit insgesamt nicht. Als wesentlicher außerberuflicher Faktor sei auf den langjährigen hohen Nikotinkonsum des Klägers hinzuweisen. Die Beklagte holte die Stellungnahme des staatlichen Gewerbearztes vom 5. Februar 2003 ein, nach der eine BK nicht zur Anerkennung vorgeschlagen wurde. Mit Bescheid vom 11. März 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen mit der Begründung ab, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der bestehenden Erkrankung und den beruflichen Tätigkeiten des Klägers könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Der dagegen ohne Begründung eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2003 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 10. November 2003 beim Sozialgericht S. (SG) Klage und machte geltend, krebserzeugenden Arbeitsstoffen wie Formaldehyd, Phenol, Kresol, Benzo(a)pyren ausgesetzt gewesen zu sein. Zwar seien nach den Ausführungen des von der Beklagten hinzugezogenen Gutachters die jeweiligen Grenzwerte eingehalten worden, jedoch sei zur Beurteilung der Schadstoffbelastung auf vergleichbare Arbeitsstellen zurückgegriffen worden. Die Einhaltung der Grenzwerte an seinem konkreten Arbeitsplatz sei nicht dokumentiert. Der Gutachter habe sich im Übrigen nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass an seinem Arbeitsplatz unterschiedliche krebserregende Stoffe aufgetreten seien und eine krebserzeugende Wirkung durch deren Kombination eingetreten sein könne. Unklar sei im Übrigen, ob sämtliche Stoffe, denen er während seiner Berufstätigkeit ausgesetzt gewesen sei, vollständig erfasst worden seien. Insoweit bestehe noch Aufklärungsbedarf. Unberücksichtigt geblieben sei auch, dass gesundheitliche Probleme in Form von Reizungen der Schleimhäute im Mund- und Nasenbereich sowie der Augen insbesondere während der Zeit aufgetreten seien, in der in der Gießerei im Hot-Box-Verfahren gefertigt worden sei. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Sie legte im Hinblick auf die vom SG eingeholte Stellungnahme des Prof. Dr. M. vom 29. Juni 2004 die weiteren Ausführungen ihres Präventionsdienstes vom 30. August 2004 vor sowie zu den weiteren Darlegungen des Prof. Dr. M. vom 14. Dezember 2004 die neuerliche Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 1. März 2005, einschließlich des "Verzeichnisses krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe" (TRGS 905), veröffentlicht in BArbBl. Nr. 3/2001 S. 94, zuletzt geändert durch BArbBl. Nr. 9/2003 S. 42, und die in BArbBl. Nr. 10/2000 S. 34, zuletzt berichtigt durch BArbBl. Nr. 8/2004 S. 65, veröffentliche Abhandlung Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz "Luftgrenzwerte" (TRGS 900). Zutreffend sei, dass Messungen am Arbeitsplatz des Klägers aus der Zeit vor Juli 1995 nicht vorlägen. Deshalb sei als Bewertungsgrundlage jedoch zusätzlich der BIA-Report 2/89 "Gefahrstoffsituation an Gießereiarbeitsplätzen" sowie die Auswertung der MEGA-Abfrage herangezogen worden. Andere Unterlagen zur Abschätzung der Gefährdung am Arbeitsplatz des Klägers seien nicht beizubringen. Das SG hörte Prof. Dr. M. (Arbeitsmedizin, pathologische Anatomie) zur Frage des Erfordernisses weiterer Ermittlungen unter dem 29. Juni 2004 und im Hinblick auf die daraufhin von der Beklagten vorgelegte Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 30. August 2004 nochmals ergänzend unter dem 14. Dezember 2004. Mit Urteil vom 29. März 2006 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, eine für die Entwicklung eines Speicheldrüsenkrebses notwendige Exposition von Schadstoffen, v.a. gegenüber Formaldehyd, sei nicht festzustellen. Die bestehende Möglichkeit eines solchen Ursachenzusammenhanges reiche zur Begründung der geltend gemachten Leistungen nicht aus. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 13. April 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 10. Mai 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe es versäumt, den Betriebsarzt seines Arbeitgebers Dr. D. als Zeuge zu vernehmen und von Amts wegen ein Gutachten, auf das er sich berufen habe, einzuholen. Auch sei zu Unrecht die Beweislast in vollem Umfang zu seinen Lasten gegangen. So habe es Gefahrstoffmessungen in verschiedenen Bereichen an seinem Arbeitsplatz nicht gegeben, weshalb Vergleichsmessungen aus völlig anderen Betrieben zugrunde gelegt worden seien. Auch die Wechselwirkung verschiedener Schadstoffe und deren Auswirkung auf die spätere Erkrankung seien nicht berücksichtigt worden. Unberücksichtigt geblieben sei darüber hinaus, dass er bereits seit nahezu 30 Jahren an durch Schadstoffbelastung gekennzeichneten Arbeitsplätzen arbeite, ohne dass aus den ersten 10 oder 20 Jahren Messungen bekannt seien. Auch dieses Nachweisproblem werde ihm angelastet. Darüber hinaus sei auch seinem Hinweis, wonach er über Jahre hinweg nach der Arbeit an Reizungen der Schleimhäute im Mund- und Nasenbereich sowie an geröteten Augen gelitten habe, unberücksichtigt geblieben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts S. vom 29. März 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2003 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung eines Speicheldrüsenkarzinoms als Berufskrankheit bzw. wie eine Berufskrankheit Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Da die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, habe das SG zu Recht von der Einholung eines Gutachtens abgesehen. Vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen könne auch nicht bereits deshalb ausgegangen werden, weil Schadstoffmessungen aus früheren Jahren nicht vorhanden seien. In solchen Fällen sei - wie geschehen - eine Gefährdungseinschätzung anhand vergleichbarer Arbeitsplätze vorzunehmen. Diese habe ergeben, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die in Rede stehende BK nicht gegeben seien.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ein Speicheldrüsenkarzinom am weichen Gaumen als BK anzuerkennen und dementsprechend Verletztenrente zu gewähren.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und BKen. Dabei sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach Satz 2 dieser Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; dabei kann sie bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BKen sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten.

Die Feststellung einer BK erfordert zum Einen die Erfüllung der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. der Versicherte muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität), zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss demnach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die eingetretene Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, sodass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt - in gleichem Maße - wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen Bedingung/en eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - SozR § 542 Nr. 27; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 - 5 RKn 66/59 - SozR § 542 Nr. 32). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Demnach führt auch der Umstand, dass ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, nicht automatisch zur Anerkennung und ggf. Entschädigung. Vielmehr ist beim Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.

Ausgehend hiervon vermag der Senat ebenso wie das SG nicht festzustellen, dass das beim Kläger aufgetretene Speicheldrüsenkarzinom am weichen Gaumen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf seine berufliche Tätigkeit als Maschinenbediener in der Gießerei der D. zurückzuführen ist. Insoweit hat das SG zutreffend ausgeführt, dass schon nicht das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung des Speicheldrüsenkarzinoms als BK festgestellt werden kann. Zwar ist auf der Grundlage der vom Präventionsdienst der Beklagten durchgeführten Ermittlungen, im Rahmen dessen Messungen des Arbeitgebers des Klägers aus den Jahren 1995 und 1996 berücksichtigt wurden und die Ergebnisse von Schadstoffmessungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen herangezogen und ausgewertet wurden, davon auszugehen, dass der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit in der Gießerei gegenüber den Schadstoffen Formaldehyd, Furfurylalkohol, Phenol und Kresol exponiert war, jedoch lässt sich ein Überschreiten der jeweiligen Grenzwerte nicht feststellen. So weisen die in den Jahren 1995 und 1996 durchgeführten Messungen ebenso wenig Werte aus, mit denen der jeweils gültige Grenzwert überschritten wird, wie die herangezogenen Messwerte von vergleichbaren Gießereiarbeitsplätzen. Festgelegte maximale Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK) sind so definiert, dass eine Belastung bis zu ihrer Höhe keine Gesundheitsschäden auslöst. Erst bei Belastungen oberhalb der MAK-Werte beginnt der Bereich einer haftungsbegründenden Kausalität im Sinne des BK-Rechts (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.03.2000 - L 8 U 7/98, zitiert nach Juris). Im vorliegenden Fall kann ferner auch nicht im Hinblick auf das mögliche Zusammenwirken mehrerer potentiell krebserzeugender Stoffe (sog. Synkanzerogenese) die haftungsbegründende Kausalität bejaht werden, wovon auch Dr. Pager ausgegangen ist. Zutreffend hat das SG darüber hinaus auch darauf hingewiesen, dass die von Prof. Dr. M. erwogene Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen dem beim Kläger aufgetretenen Speicheldrüsenkarzinom und der Schadstoffbelastung an seinem Arbeitsplatz die Gewährung von Leistungen der Unfallversicherung nicht rechtfertigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren gerügt hat, Gefahrstoffmessungen an seinem konkreten Arbeitsplatz seien nicht durchgeführt worden, so ist dies zutreffend. Bezogen auf den vorliegend in Rede stehenden Zeitraum bis zum Auftreten des Speicheldrüsenkarzinoms Ende des Jahres 2000 und insbesondere hinsichtlich des Zeitraums von 1977 bis 1986, während dem mit dem angeschuldigten sog. Hot-Box-Verfahren gearbeitet wurde, lassen sich entsprechende Messungen objektiv auch nicht mehr nachholen. Auch aktuelle Messungen wären nicht geeignet, die seinerzeitige Schadstoffexposition zu belegen. Anders als der Kläger meint, führen diese Umstände im Unfallversicherungsrecht jedoch nicht automatisch dazu, dass das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen zu bejahen ist. Vielmehr muss die schädigende Einwirkung - wie bereits ausgeführt - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte angesichts der Beweisnot des Klägers für den hier maßgeblichen Zeitraum seit 1977 auf Messergebnisse zurückgegriffen hat, die an vergleichbaren Arbeitsplätzen im Bereich der Kernmacherei einer Gießerei erhoben wurden. Die Heranziehung vergleichbarer Messergebnisse erfolgte daher gerade im Interesse des Klägers. Nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast hat der Versicherte auch im sozialgerichtlichen Verfahrenden den Nachteil zu tragen, wenn das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Tatsache sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt. Die für die Versicherten bestehenden Beweisschwierigkeiten lassen sich aber dadurch abmildern, dass die Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen - soweit Messwerte für den jeweiligen Arbeitsplatz nicht dokumentiert sind - anhand einer Einschätzung der jeweiligen Gefährdung durch Heranziehung vorhandener Daten von vergleichbaren Arbeitsplätzen erfolgt.

Auch die Voraussetzungen des oben zitierten § 9 Abs. 2 BKV sind nicht erfüllt, da nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen von Dr. P. keine epidemiologischen Daten und damit auch keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über einen Zusammenhang zwischen dem tubulopapillären Speicheldrüsenkarzinom und beruflichen Einwirkungen vorliegen.

Ausgehend von dem Umstand, dass die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung des beim Kläger aufgetretenen Speicheldrüsenkarzinoms als BK bereits nicht festgestellt werden kann, ist nicht zu beanstanden, dass das SG von der Einholung eines medizinischen Gutachtens ebenso abgesehen hat, wie von der Anhörung des Betriebsarztes der Arbeitsgeberin des Klägers, Dr. D., als sachverständiger Zeuge.

Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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