L 7 SO 2489/08 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2489/08 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Der wegen § 86b Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässigerweise beim Landessozialgericht (LSG) als Gericht der Hauptsache gestellte Antrag ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgeblich für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - a.a.O. und vom 17. August 2005 - a.a.O. (beide m.w.N.)).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Bereits der Anordnungsgrund, nämlich die Dringlichkeit des Begehrens, ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§ 920 Abs. 2 ZPO). Streitgegenständlich im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind allein noch die vom Kläger im Wege der "Soforthilfe" geltend gemachten "Hilfen zur Wiederherstellung der Gesundheit" sowie "zur Begleichung ausstehender Krankenhauskosten". Diese Anträge legt der Senat dahingehend aus, dass der Kläger - als in Thailand ansässiger deutscher Staatsangehöriger - nach der Bestimmung des § 24 Abs. 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Krankenhilfe im Ausland durch Übernahme von Krankenhauskosten begehrt. Nicht mehr zu entscheiden ist über die übrigen vom Kläger mit seinem Fax vom 26. Mai 2008 weiter geltend gemachten Streitpunkte ("Hilfe zur Erziehung eines Kindes", "Wohnungshilfe", "Hilfe zur Schulausbildung"), nachdem insoweit das Verfahren mit dem Senatsbeschluss vom 9. Juni 2008 (L 7 SO 2495/08 ER) abgetrennt und an das instanziell zuständige Sozialgericht Stuttgart (SG) verwiesen worden ist.

Bereits die Eilbedürftigkeit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens ist hier mangels Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes nicht gegeben. Soweit den diversen E-Mails des Klägers zu entnehmen ist, geht es ihm darum, dass der Beklagte einstweilen für offenbar noch offenstehende Rechnungen des Bumrungrad International Hospital in Bangkok aufkommen soll; diese Rechnungen sind aber bislang von ihm - trotz seiner Ankündigung in der E-Mail vom 31. März 2008 - nicht zu den Akten gereicht worden. Nachprüfbare Unterlagen sind auch sonst nicht aktenkundig. Vorliegt lediglich eine Bestätigung dieses Krankenhauses vom 28. März 2008, in welchem der Gesamtbetrag der Kosten für die Behandlung im Zeitraum vom 22. April 2005 bis 6. Januar 2006 mit 391.127,00 Baht angegeben ist. Wie sich die Kosten im Einzelnen zusammensetzen sowie für welche Therapien und für welche Behandlungsabschnitte sie angefallen sind, lässt sich der vorbezeichneten Bestätigung indes nicht entnehmen. Auch aus den sonstigen aktenkundigen Unterlagen ergibt sich dies nicht. Nach der Mitteilung des früheren Zustellungsbevollmächtigten des Klägers an das SG vom 12. März 2007 fand eine stationäre Behandlung wegen des Larynx-Carcinoms in der Zeit vom 8. bis 16. Juni 2005 statt; ambulant behandelt wurde der Kläger nach dieser Mitteilung im Zeitraum vom 4. Mai bis 24. Juni 2006. Unklar ist des Weiteren, ob und ggf. in welcher Höhe der Kläger die Behandlungskosten im Bumrungrad International Hospital bereits beglichen hat. Der frühere Zustellungsbevollmächtigte des Klägers hat in seinem Schreiben vom 16. Dezember 2006 angegeben, dass der Kläger "die jetzigen Behandlungsmaßnahmen selbst finanzieren" könne. Der Kläger hat in einem per E-Mail am 26. Mai 2008 übermittelten Schreiben dagegen vorgebracht, dass er die Kosten für die Computertomographie, die Gewebeentnahme und deren histologische Untersuchung sowie die dabei angefallenen Kosten in einem anderen Krankenhaus selbst bezahlt habe, während die Rechnung des Bumrungrad Krankenhauses auch zwischenzeitlich nicht ausglichen sei. Selbst wenn indes die Forderung des Bumrungrad International Hospital noch vollen Umfangs offenstünde, was der Senat aber mangels Nachvollziehbarkeit der oben genannten Bestätigung dieses Krankenhauses vom 28. März 2008 nicht als ausreichend glaubhaft gemacht erachtet, vermag der Kläger damit eine Eilbedürftigkeit seines Begehrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu begründen. Denn jedenfalls lässt sich dem Vortrag des Klägers entnehmen, dass die Behandlung im Bumrungrad International Hospital mittlerweile abgeschlossen ist, sodass insoweit ein sozialhilferechtlicher Bedarf nicht mehr (fort-)besteht und es mithin nur noch darum gehen kann, ob er gegenüber dem Beklagten die Übernahme seiner diesbezüglich entstandenen Aufwendungen trotz zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung um der Effektivität des Rechtsschutzes willen mit Erfolg durchsetzen könnte. Diese Entscheidung hat indessen dem Hauptsacheverfahren (L 7 SO 5106/07) vorzubehalten bleiben, weil der Kläger keine Gesichtspunkte dafür vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, die vorliegend ein sofortiges Handeln erforderten. Die von ihm behauptete - überdies ebenfalls nicht glaubhaft gemachte - finanzielle Notlage reicht hier für den geltend gemachten Anordnungsgrund jedenfalls nicht aus.

Fehlt es mithin bereits am Anordnungsgrund, so kommt es auf die weitere Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, nämlich den Anordnungsanspruch als materiell-rechtlichen Hilfeanspruch, nicht mehr an. Aber auch insoweit müsste das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Klägers scheitern, und zwar schon deswegen, weil - wie oben ausgeführt - von ihm nicht glaubhaft gemacht worden ist, welche Behandlungen im Einzelnen im Bumrungrad International Hospital in welchen Zeitabschnitten durchgeführt worden sind, welche Kosten im Einzelnen hierfür entstanden sind und in welcher Höhe der Kläger ggf. aus eigener Tasche die Forderungen des Krankenhauses beglichen hat. Vertiefter Ausführungen zu der von den Beteiligten in den Vordergrund gerückten (Ermessens-)Regelung des § 24 SGB XII, welche grundsätzlich auch unter dem Gesichtspunkt der Krankenhilfe zur Anwendung gelangen kann (vgl. etwa Verwaltungsgericht Cottbus, Urteil vom 26. März 2003 - 5 K 2349/99 - (juris)), bedarf es sonach nicht. Deshalb wird im Folgenden nur in groben Zügen auf die rechtlichen Grundlagen der Norm eingegangen.

§ 24 Abs. 1 Satz 1 SGB XII regelt im Grundsatz, dass Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt - wie hier der Kläger - im Ausland haben, keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten; regelmäßig wird einem Hilfesuchenden vielmehr die Rückkehr nach Deutschland abverlangt. Ausnahmen hiervon sind nur zugelassen, soweit eine außergewöhnliche Notlage unabweisbar ist und darüber hinaus aus bestimmten, in § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB XII abschließend aufgezählten Gründen eine Rückkehr in das Bundesgebiet nicht möglich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2005 - 7 SO 4166/05 ER-B - FEVS 57, 403; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 24 Rdnr. 3; Berlit in LPK-SGB XII, 8. Auflage, § 24 Rdnr. 8). Sozialhilfe soll mithin nur im Inland, grundsätzlich nicht aber in das Ausland gezahlt werden. Die Auslandssozialhilfe kommt sonach nicht schon bei einer nur allgemeinen sozialhilferechtlichen Notlage in Betracht; vielmehr bedarf es einer sich hiervon deutlich abhebenden, außergewöhnlichen Notlage. Eine solche Notlage ist gegeben, wenn ohne die Hilfeleistung an den im Ausland lebenden Deutschen eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter droht, mithin Leben, Gesundheit oder sonstige elementare Grundvoraussetzungen der menschlichen Existenz (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes) unmittelbar gefährdet sind (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2005 a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 6. Februar 2006 - L 20 B 50/05 SO ER - und vom 2. März 2007 - L 20 B 119/06 SO ER - (beide juris); Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., Rdnr. 9; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 6; ferner zum Merkmal des "besonderen Notfalls" in § 119 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) schon Bundesverwaltungsgericht Buchholz 436.0 § 119 BSHG Nrn. 3, 4 und 5). Darüber hinaus muss die außergewöhnliche Notlage unabweisbar, d.h. nicht anders als durch die Hilfeleistung im Ausland behebbar (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2005 a.a.O.; ähnlich Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O., Rdnr. 7; Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage, § 24 Rdnr. 21), sein. Denn grundsätzlich wird bei Bedürftigkeit im Ausland die Rückkehr nach Deutschland erwartet und Sozialhilfe in das Ausland nur noch gezahlt, wenn der Betroffene aus einem der in § 24 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 SGB XII aufgeführten Gründe objektiv an der Rückkehr gehindert ist (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1761 S. 56 (zu § 24 Abs. 1)). Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz von Einkommen und Vermögen richten sich im Übrigen nach den Lebensverhältnissen im Aufenthaltsstaat (§ 24 Abs. 2 SGB XII), sodass grundsätzlich auf das Lebensniveau und die Kaufkraft etwa vorhandener Einkünfte im Aufenthaltsland - relativiert nur durch das Gebot der Achtung der Menschenwürde - abzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2005 a.a.O.; Berlit in LPK-SGB XII, a.a.O, Rdnr. 33).

Ob die Voraussetzungen des § 24 SGB XII gegeben sind, bedarf weiterer Abklärung, welche im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu erbringen ist; manches scheint freilich dagegen zu sprechen. Der Kläger hat sich hier sinngemäß auf die Ausnahmeregelungen des § 24 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 SGB XII (Rückkehrverhinderung wegen der Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss, sowie wegen längerfristiger stationärer Betreuung) berufen. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls dürfte freilich bereits bei der Antragstellung darzulegen und zu belegen sein (vgl. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., Rdnr. 29; Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, a.a.O., Rdnr. 22); dies erscheint hier allerdings zweifelhaft. Eine Transportunfähigkeit des Klägers wegen seiner Erkrankung dürfte unter Berücksichtigung seiner E-Mail vom 14. April 2005 an das Landratsamt Rastatt, in welcher er angekündigt hatte, in der folgenden Woche auf eigene Kosten nach Deutschland zur Tumorentfernung fliegen zu wollen, auszuschließen gewesen sein. Aus eben diesem Grunde erscheint auch eine - im Übrigen vom Kläger erst jetzt in den Vordergrund gebrachte - Rückkehrverhinderung wegen der Erziehung seiner minderjährigen Kinder fraglich, für welche überdies auch die von ihm anscheinend getrennt lebende Mutter der Kinder das Sorgerecht hat. Darauf, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung über eine Unfallrente von der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gaststätten von rund 325,00 Euro monatlich sowie eine private Berufsunfähigkeitsrente der Württembergischen Lebensversicherung AG von rund 830,00 Euro monatlich verfügte, dürfte es deshalb nicht mehr ankommen. Ebenso wenig ist derzeit ein weiteres Eingehen auf die Vorschrift des § 5 Abs. 6 des Konsulargesetzes angezeigt (vgl. hierzu LSG Brandenburg, Beschluss vom 30. Juni 2005 - L 23 B 109/05 SO ER - FEVS 57, 177; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Januar 1992 - 8 B 7/92 - FEVS 42, 292; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 24 Rdnrn. 10 ff.; Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, a.a.O., Rdnr. 32).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. Bundessozialgericht SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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