Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AL 3368/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1758/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3.3.2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Minderung des Arbeitslosengeldes (Alg) der Klägerin wegen einer verspäteten Arbeitssuchendmeldung
Die 1949 geborene Klägerin bezog von der Beklagten Alg. Nach einem befristeten Beschäftigungsverhältnis vom 11.8. bis 5.9.2003 teilte die Klägerin mit, sie habe eine weitere befristete Beschäftigung vom 8.9.2003 bis 31.8.2004 abgeschlossen. Die Beklagte hob zunächst mit Bescheid vom 13.8.2003 die Alg-Bewilligung für die Zeit ab 12.8.2003 auf, bewilligte durch Bescheid vom 9.9.2003 antragsgemäß Alg für die Zeit ab 6.9.2003 und hob mit Bescheid vom 11.9.2003 diese Bewilligung für die Zeit ab 8.9.2003 wegen der Arbeitsaufnahme auf.
Am 20.2.2004 teilte die Klägerin das Ende des Beschäftigungsverhältnisses bereits zum 31.3.2004 mit, am 23.2.2004 meldete sie sich zum 1.4.2004 arbeitslos. Aus dem von ihr vorgelegten Zeit-Arbeitsvertrag mit der Bäckerei-Konditorei S. vom 15.8.2003 ergibt sich, dass das Arbeitsverhältnis von vornherein bis 31.3.2004 befristet war. In dem Vertrag wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie sich bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der Befristung "frühestens drei Monate vor Ablauf" beim zuständigen Arbeitsamt persönlich arbeitssuchend zu melden habe.
Die Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 16.4.2004 Alg ab 1.4.2004 in Höhe von wöchentlich 167,09 EUR. Davon wurde ein wöchentlicher Anrechnungsbetrag von 83,51 EUR abgesetzt. In einem bei Schreiben vom 14.4.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei gemäß § 37b SGB III verpflichtet gewesen, sich unverzüglich bei der Beklagten arbeitssuchend zu melden, sobald sie den Zeitpunkt der Beendigung ihres Versicherungspflichtverhältnisses gekannt habe. Dieser Pflicht sei die Klägerin nicht rechtzeitig nachgekommen sie hätte sich spätestens am 2.1.2004 arbeitssuchend melden müssen, habe sich aber erst am 23.2.2004 und somit um 53 Tage zu spät gemeldet. Nach § 140 SGB III mindere sich ihr Leistungsanspruch um 35 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, längstens jedoch für 30 Tage. Die Minderung um 1050 EUR werde in Höhe von 11,93 EUR täglich abgezogen, die Anrechnung beginne am 1.1.2004 und sei voraussichtlich am 28.6.2004 beendet.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und beantragte gleichzeitig, den Bescheid vom 14.4.2004 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Durch Bescheid vom 10.5.2004 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 14.4.2004 ab, auch dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Durch Widerspruchsbescheid vom 14.10.2004 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 11.11.2004 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Sie hat die Aufhebung bzw. Zurücknahme der Bescheide vom 14.4. und vom 10.5.2004 begehrt und darauf hingewiesen, weil im Gesetz eine Meldung "frühestens drei Monate vor Ablauf " vorgesehen sei, sei ihre Meldung nicht verspätet gewesen. Mindestens sei ihr kein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, weil sie die gesetzliche Regelung nicht anders habe verstehen können. Die Beklagte sei ihrer Pflicht zur Aufklärung und Beratung nicht nachgekommen. Die Hinweise auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide seien irrelevant, sie habe diese nicht gelesen.
Durch Urteil vom 3.3.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Minderungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 14.4.2004 sei rechtmäßig. Demzufolge sei dieser Bescheid auch nicht nach § 44 SGB X zurückzunehmen, womit sich auch der Bescheid vom 10.5.2004 als rechtmäßig erweise. Die Klägerin könne Alg ab 1.4.2004 nur in geminderter Höhe beanspruchen. Die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg-Anspruchs wegen verspäteter Meldung lägen nach § 140 SGB III vor. Nach § 37b SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2002 seien Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis ende, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend zu melden (Satz 1). Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses habe die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen (Satz 2). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei Satz 2 der genannten Rechtsnorm eine selbstständige Begrenzung von Satz 1. Danach habe sich auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu melden, jedoch erst drei Monate vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt sei. Entgegen seinem Wortlaut sei § 37b Satz 2 SGB III nach seinem Sinn und Zweck so auszulegen, dass die Meldung bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mehr als drei Monaten "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses zu erfolgen habe. Vorliegend sei das Arbeitsverhältnis von vornherein bis 31.3.2004 befristet gewesen. Die Handlungsfrist zur Meldung habe danach am 2.1.2004 begonnen. Die Klägerin habe sich erst am 23.2.2004 gemeldet und damit ihre Pflicht nach § 37b SGB III verletzt.
Die Klägerin habe auch nicht unverschuldet, nämlich unter Berücksichtigung ihrer individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten ohne schuldhaftes Zögern gehandelt. Sie sei über die Pflicht zur Meldung schon von ihrem Arbeitgeber im Zeit-Arbeitsvertrag vom 10.8.2003 belehrt worden. Auch die Aufhebungsbescheide der Beklagten vom 13.8.2003 und 11.9.2003 hätten auf der Vorderseite den eingerahmten Vermerk "Beachten Sie bitte die wichtigen Hinweise auf der Rückseite" und auf der Rückseite unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" den Hinweis auf die Meldepflicht enthalten: "Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden." Selbst wenn der Gesetzestext, der auch im Arbeitsvertrag wiedergegeben worden sei, unglücklich gefasst und unklar sein könne, so seien jedoch die ihr zuletzt im Aufhebungsbescheid vom 11.9.2003 erteilten "wichtigen Hinweise" zum Inhalt der Obliegenheit klar und eindeutig. Die Kammer sei auch im Würdigung des gesamten Sachverhalts, des Vortrags der Klägerin und des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin die Verletzung ihrer Obliegenheit zur unverzüglichen Arbeitssuchendmeldung verschuldet habe. Sie habe bewiesen, dass eine uneingeschränkte Fähigkeit zu aufmerksamem Lesen, gründlicher und umfassender Recherche und zu kritischen und nachhaltigen Überlegungen zu Ansprüchen, Anträgen und Rechtsbehelfen vorliege. Ihre Befähigung zum Umgang mit Behörden und ihr intellektuelles Niveau zeigten auf, dass sie zumindest fahrlässig gehandelt habe, als sie die ihr erteilten Hinweise entweder nicht beachtet oder sie schon nicht zur Kenntnis genommen habe. Die Klägerin könne sich auch nicht damit entlasten, ihr sei die Obliegenheit nicht bekannt gewesen, nachdem sie in zwei Aufhebungsbescheiden darüber belehrt worden sei. Etwaige Zweifel am maßgeblichen Zeitpunkt hätte die Klägerin gegebenenfalls durch Rückfrage bei der Beklagten ausräumen können und müssen. Die Beklagte habe auch den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses mit der Bäckerei S. am 31.3.2004 nicht gekannt, weil ihn die Klägerin nicht mitgeteilt habe. Der von ihr mitgeteilte Beendigungszeitpunkt 31.8.2004 habe auf einem für die Beklagte nicht erkennbaren Tippfehler beruht, was die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe. Die Berechnung des Minderungsbetrages nach § 140 SGB III und die Verteilung der Minderung auf den Minderungszeitraum seien rechtlich und rechnerisch nicht zu beanstanden.
Gegen dieses am 10.3.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9.4.2006 Berufung eingelegt. Sie wiederholt im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Sie habe bei ihrer am 23.2.2004 erfolgten Meldung bei der Beklagten sich auf den Wortlaut ihres Arbeitsvertrages verlassen, Bedenken bezüglich des Meldezeitpunkts seien ihr nicht gekommen. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, Gesetze für jedermann klar und verständlich zu formulieren und Irreführungen zu unterlassen. Weil sie sich nach dem Gesetzeswortlaut verhalten habe, könne ihr schon deshalb kein schuldhaftes oder fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Ihre Meldung vom 23.2.2004 sei entsprechend dem Gesetzeswortlaut mit fast sechs Wochen vor Vertragsende, dem 31.3.2004 auf jeden Fall noch rechtzeitig und im Bereich der drei Monate erfolgt. Sie sei zwar nicht zu früh erfolgt, aber auch nicht verspätet. Die Minderungsbeträge bis zur Gesetzesänderung am 30.12.2005 betrachte sie als rechtswidrig. Die Beklagte habe auch ihre Pflicht zur zeitnahen Beratung verletzt. Dieser Beratungsfehler begründe einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, sie sei so zu stellen, als hätte sie sich bei richtiger Beratung durch die Beklagte rechtzeitig arbeitssuchend gemeldet. Die Klägerin bestreitet auch, die Aufhebungsbescheid erhalten zu haben, auf diesen Aufhebungsbescheiden seien die Hinweise der Rückseite auch nicht enthalten gewesen, mindestens habe die Beklagte dies nicht nachgewiesen. Selbst wenn die Rechtsfolgenbelehrung auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide gewesen sein sollten, so seien sie nicht wirksam, weil sie sich nur auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränkt hätten. Eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung liege nur dann vor, wenn sie konkret, richtig und vollständig sei und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutere, welche unmittelbaren konkreten Auswirkungen aus dem versicherungswidrigen Verhalten resultierten. Die Klägerin verweist auf einen Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 1.4.2004, in dem die Regelung des § 140 SGB III für verfassungswidrig, weil gegen die Eigentumsgarantie verstoßend, gehalten wird.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3.3.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung bzw. Zurücknahme der Bescheide vom 14.4.2004 und von 10.5.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2004 zu verurteilen, ihr ab 1.4.2004 ungemindertes Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist erneut darauf, dass in den Aufhebungsbescheid vom 13.8.2003 und 11.9.2003 die Klägerin über die Pflicht zur frühzeitigen Meldung belehrt worden sei. Soweit die Klägerin bestreite, dass sie diese Hinweise auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide erhalten habe oder sich diese darauf befinden, möge die Klägerin die Originalbescheide vorlegen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG habe die Klägerin zudem erklärt, dass sie die Hinweise auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide nicht gelesen habe, schon dies sei zumindest fahrlässig. Die Klägerin habe auch nicht den richtigen Beendigungszeitpunkt des befristeten Arbeitsverhältnisses mitgeteilt, die Beklagte habe daher keine Möglichkeit gehabt, die Klägerin anders zu beraten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, er nimmt auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs.2 SGG).
Die Berufungsbegründung der Klägerin ist nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Soweit die Klägerin vorbringt, die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass sie die Aufhebungsbescheide erhalten habe und dass diese die Belehrung auf der Rückseite enthalten hätten, ist dies als Schutzbehauptung zu werten. Die Klägerin hat nämlich den Erhalt der Aufhebungsbescheide vor dem SG ausdrücklich eingeräumt. Sie hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, sie habe die Hinweise auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide nicht beachtet. Damit hat die Klägerin auch eingeräumt, dass sie die Aufhebungsbescheide tatsächlich erhalten hat.
Den Ausführungen des SG zum subjektiven Verschulden ist nichts hinzuzufügen.
Soweit die Klägerin vorbringt, die Hinweise auf die Rechtsfolgen der verspäteten Meldung seien nicht vollständig und korrekt gewesen, ist dies nicht zutreffend. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, dass mindestens die rechtlichen Hinweise auf der Rückseite der der Klägerin zugegangenen Aufhebungsbescheide ausreichend und richtig waren. Inzwischen hat das BSG in zwei Entscheidungen (B 11a/7a AL 44 und 72/06, beide vom 17.10.2007) klargestellt, dass diese Hinweise nicht zu beanstanden waren. Zwar darf eine Rechtsfolgenbelehrung sich nicht auf eine bloß formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken, vielmehr muss sie konkret, richtig und vollständig sein und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen aus dem versicherungswidrigen Verhalten resultieren (BSGE 53,13). Das BSG hat nun in den obengenannten Entscheidungen klargestellt, dass der Hinweis der Beklagten in den Aufhebungsbescheiden auf eine mögliche ("kann") Verringerung der Höhe des zukünftigen Leistungsanspruchs bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung nicht falsch sei. Dieser Hinweis auf die bloße Möglichkeit einer Minderung des Alg bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung trage trotz der damit verbundenen Abweichung vom zwingenden Wortlaut des § 140 Satz 1 SGB III ("mindert sich") dem Umstand Rechnung, dass diese nicht nur von objektiven, sondern auch subjektiven Gegebenheiten und damit von den Umständen des Einzelfalls abhängig sei. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat ausdrücklich an. Darüber hinaus ist nicht zu erkennen, dass oder inwiefern die von der Beklagten erteilten Belehrungen fehlerhaft und damit rechtswidrig gewesen sein sollen.
Das Vorbringen der Klägerin, die Beklagte hätte sie von Anfang an richtig beraten müssen, greift ebenfalls nicht. Zum einen hat das BSG (in der obengenannten Entscheidung vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06) klargestellt, dass es eine Beratungspflicht ohne konkreten Anlass generell und auch hier nicht gibt. Zum anderen hat die Klägerin der Beklagten einen wesentlich späteren Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt, der keinesfalls eine sofortige oder baldige Beratungspflicht hätte begründen können. Ausreichend belehrt war die Klägerin durch die Hinweise im Arbeitsvertrag (evtl. missverständlich) und in den Aufhebungsbescheiden (jedenfalls ausreichend richtig und verständlich).
Die Berufung ist nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Minderung des Arbeitslosengeldes (Alg) der Klägerin wegen einer verspäteten Arbeitssuchendmeldung
Die 1949 geborene Klägerin bezog von der Beklagten Alg. Nach einem befristeten Beschäftigungsverhältnis vom 11.8. bis 5.9.2003 teilte die Klägerin mit, sie habe eine weitere befristete Beschäftigung vom 8.9.2003 bis 31.8.2004 abgeschlossen. Die Beklagte hob zunächst mit Bescheid vom 13.8.2003 die Alg-Bewilligung für die Zeit ab 12.8.2003 auf, bewilligte durch Bescheid vom 9.9.2003 antragsgemäß Alg für die Zeit ab 6.9.2003 und hob mit Bescheid vom 11.9.2003 diese Bewilligung für die Zeit ab 8.9.2003 wegen der Arbeitsaufnahme auf.
Am 20.2.2004 teilte die Klägerin das Ende des Beschäftigungsverhältnisses bereits zum 31.3.2004 mit, am 23.2.2004 meldete sie sich zum 1.4.2004 arbeitslos. Aus dem von ihr vorgelegten Zeit-Arbeitsvertrag mit der Bäckerei-Konditorei S. vom 15.8.2003 ergibt sich, dass das Arbeitsverhältnis von vornherein bis 31.3.2004 befristet war. In dem Vertrag wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie sich bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der Befristung "frühestens drei Monate vor Ablauf" beim zuständigen Arbeitsamt persönlich arbeitssuchend zu melden habe.
Die Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 16.4.2004 Alg ab 1.4.2004 in Höhe von wöchentlich 167,09 EUR. Davon wurde ein wöchentlicher Anrechnungsbetrag von 83,51 EUR abgesetzt. In einem bei Schreiben vom 14.4.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei gemäß § 37b SGB III verpflichtet gewesen, sich unverzüglich bei der Beklagten arbeitssuchend zu melden, sobald sie den Zeitpunkt der Beendigung ihres Versicherungspflichtverhältnisses gekannt habe. Dieser Pflicht sei die Klägerin nicht rechtzeitig nachgekommen sie hätte sich spätestens am 2.1.2004 arbeitssuchend melden müssen, habe sich aber erst am 23.2.2004 und somit um 53 Tage zu spät gemeldet. Nach § 140 SGB III mindere sich ihr Leistungsanspruch um 35 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, längstens jedoch für 30 Tage. Die Minderung um 1050 EUR werde in Höhe von 11,93 EUR täglich abgezogen, die Anrechnung beginne am 1.1.2004 und sei voraussichtlich am 28.6.2004 beendet.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und beantragte gleichzeitig, den Bescheid vom 14.4.2004 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Durch Bescheid vom 10.5.2004 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 14.4.2004 ab, auch dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Durch Widerspruchsbescheid vom 14.10.2004 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 11.11.2004 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Sie hat die Aufhebung bzw. Zurücknahme der Bescheide vom 14.4. und vom 10.5.2004 begehrt und darauf hingewiesen, weil im Gesetz eine Meldung "frühestens drei Monate vor Ablauf " vorgesehen sei, sei ihre Meldung nicht verspätet gewesen. Mindestens sei ihr kein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, weil sie die gesetzliche Regelung nicht anders habe verstehen können. Die Beklagte sei ihrer Pflicht zur Aufklärung und Beratung nicht nachgekommen. Die Hinweise auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide seien irrelevant, sie habe diese nicht gelesen.
Durch Urteil vom 3.3.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Minderungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 14.4.2004 sei rechtmäßig. Demzufolge sei dieser Bescheid auch nicht nach § 44 SGB X zurückzunehmen, womit sich auch der Bescheid vom 10.5.2004 als rechtmäßig erweise. Die Klägerin könne Alg ab 1.4.2004 nur in geminderter Höhe beanspruchen. Die Voraussetzungen für eine Minderung des Alg-Anspruchs wegen verspäteter Meldung lägen nach § 140 SGB III vor. Nach § 37b SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 23.12.2002 seien Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis ende, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend zu melden (Satz 1). Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses habe die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen (Satz 2). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei Satz 2 der genannten Rechtsnorm eine selbstständige Begrenzung von Satz 1. Danach habe sich auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu melden, jedoch erst drei Monate vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt sei. Entgegen seinem Wortlaut sei § 37b Satz 2 SGB III nach seinem Sinn und Zweck so auszulegen, dass die Meldung bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mehr als drei Monaten "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses zu erfolgen habe. Vorliegend sei das Arbeitsverhältnis von vornherein bis 31.3.2004 befristet gewesen. Die Handlungsfrist zur Meldung habe danach am 2.1.2004 begonnen. Die Klägerin habe sich erst am 23.2.2004 gemeldet und damit ihre Pflicht nach § 37b SGB III verletzt.
Die Klägerin habe auch nicht unverschuldet, nämlich unter Berücksichtigung ihrer individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten ohne schuldhaftes Zögern gehandelt. Sie sei über die Pflicht zur Meldung schon von ihrem Arbeitgeber im Zeit-Arbeitsvertrag vom 10.8.2003 belehrt worden. Auch die Aufhebungsbescheide der Beklagten vom 13.8.2003 und 11.9.2003 hätten auf der Vorderseite den eingerahmten Vermerk "Beachten Sie bitte die wichtigen Hinweise auf der Rückseite" und auf der Rückseite unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" den Hinweis auf die Meldepflicht enthalten: "Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden." Selbst wenn der Gesetzestext, der auch im Arbeitsvertrag wiedergegeben worden sei, unglücklich gefasst und unklar sein könne, so seien jedoch die ihr zuletzt im Aufhebungsbescheid vom 11.9.2003 erteilten "wichtigen Hinweise" zum Inhalt der Obliegenheit klar und eindeutig. Die Kammer sei auch im Würdigung des gesamten Sachverhalts, des Vortrags der Klägerin und des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin die Verletzung ihrer Obliegenheit zur unverzüglichen Arbeitssuchendmeldung verschuldet habe. Sie habe bewiesen, dass eine uneingeschränkte Fähigkeit zu aufmerksamem Lesen, gründlicher und umfassender Recherche und zu kritischen und nachhaltigen Überlegungen zu Ansprüchen, Anträgen und Rechtsbehelfen vorliege. Ihre Befähigung zum Umgang mit Behörden und ihr intellektuelles Niveau zeigten auf, dass sie zumindest fahrlässig gehandelt habe, als sie die ihr erteilten Hinweise entweder nicht beachtet oder sie schon nicht zur Kenntnis genommen habe. Die Klägerin könne sich auch nicht damit entlasten, ihr sei die Obliegenheit nicht bekannt gewesen, nachdem sie in zwei Aufhebungsbescheiden darüber belehrt worden sei. Etwaige Zweifel am maßgeblichen Zeitpunkt hätte die Klägerin gegebenenfalls durch Rückfrage bei der Beklagten ausräumen können und müssen. Die Beklagte habe auch den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses mit der Bäckerei S. am 31.3.2004 nicht gekannt, weil ihn die Klägerin nicht mitgeteilt habe. Der von ihr mitgeteilte Beendigungszeitpunkt 31.8.2004 habe auf einem für die Beklagte nicht erkennbaren Tippfehler beruht, was die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe. Die Berechnung des Minderungsbetrages nach § 140 SGB III und die Verteilung der Minderung auf den Minderungszeitraum seien rechtlich und rechnerisch nicht zu beanstanden.
Gegen dieses am 10.3.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9.4.2006 Berufung eingelegt. Sie wiederholt im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Sie habe bei ihrer am 23.2.2004 erfolgten Meldung bei der Beklagten sich auf den Wortlaut ihres Arbeitsvertrages verlassen, Bedenken bezüglich des Meldezeitpunkts seien ihr nicht gekommen. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, Gesetze für jedermann klar und verständlich zu formulieren und Irreführungen zu unterlassen. Weil sie sich nach dem Gesetzeswortlaut verhalten habe, könne ihr schon deshalb kein schuldhaftes oder fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Ihre Meldung vom 23.2.2004 sei entsprechend dem Gesetzeswortlaut mit fast sechs Wochen vor Vertragsende, dem 31.3.2004 auf jeden Fall noch rechtzeitig und im Bereich der drei Monate erfolgt. Sie sei zwar nicht zu früh erfolgt, aber auch nicht verspätet. Die Minderungsbeträge bis zur Gesetzesänderung am 30.12.2005 betrachte sie als rechtswidrig. Die Beklagte habe auch ihre Pflicht zur zeitnahen Beratung verletzt. Dieser Beratungsfehler begründe einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, sie sei so zu stellen, als hätte sie sich bei richtiger Beratung durch die Beklagte rechtzeitig arbeitssuchend gemeldet. Die Klägerin bestreitet auch, die Aufhebungsbescheid erhalten zu haben, auf diesen Aufhebungsbescheiden seien die Hinweise der Rückseite auch nicht enthalten gewesen, mindestens habe die Beklagte dies nicht nachgewiesen. Selbst wenn die Rechtsfolgenbelehrung auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide gewesen sein sollten, so seien sie nicht wirksam, weil sie sich nur auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränkt hätten. Eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung liege nur dann vor, wenn sie konkret, richtig und vollständig sei und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutere, welche unmittelbaren konkreten Auswirkungen aus dem versicherungswidrigen Verhalten resultierten. Die Klägerin verweist auf einen Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 1.4.2004, in dem die Regelung des § 140 SGB III für verfassungswidrig, weil gegen die Eigentumsgarantie verstoßend, gehalten wird.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3.3.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung bzw. Zurücknahme der Bescheide vom 14.4.2004 und von 10.5.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2004 zu verurteilen, ihr ab 1.4.2004 ungemindertes Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist erneut darauf, dass in den Aufhebungsbescheid vom 13.8.2003 und 11.9.2003 die Klägerin über die Pflicht zur frühzeitigen Meldung belehrt worden sei. Soweit die Klägerin bestreite, dass sie diese Hinweise auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide erhalten habe oder sich diese darauf befinden, möge die Klägerin die Originalbescheide vorlegen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG habe die Klägerin zudem erklärt, dass sie die Hinweise auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide nicht gelesen habe, schon dies sei zumindest fahrlässig. Die Klägerin habe auch nicht den richtigen Beendigungszeitpunkt des befristeten Arbeitsverhältnisses mitgeteilt, die Beklagte habe daher keine Möglichkeit gehabt, die Klägerin anders zu beraten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, er nimmt auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs.2 SGG).
Die Berufungsbegründung der Klägerin ist nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Soweit die Klägerin vorbringt, die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass sie die Aufhebungsbescheide erhalten habe und dass diese die Belehrung auf der Rückseite enthalten hätten, ist dies als Schutzbehauptung zu werten. Die Klägerin hat nämlich den Erhalt der Aufhebungsbescheide vor dem SG ausdrücklich eingeräumt. Sie hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben, sie habe die Hinweise auf der Rückseite der Aufhebungsbescheide nicht beachtet. Damit hat die Klägerin auch eingeräumt, dass sie die Aufhebungsbescheide tatsächlich erhalten hat.
Den Ausführungen des SG zum subjektiven Verschulden ist nichts hinzuzufügen.
Soweit die Klägerin vorbringt, die Hinweise auf die Rechtsfolgen der verspäteten Meldung seien nicht vollständig und korrekt gewesen, ist dies nicht zutreffend. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, dass mindestens die rechtlichen Hinweise auf der Rückseite der der Klägerin zugegangenen Aufhebungsbescheide ausreichend und richtig waren. Inzwischen hat das BSG in zwei Entscheidungen (B 11a/7a AL 44 und 72/06, beide vom 17.10.2007) klargestellt, dass diese Hinweise nicht zu beanstanden waren. Zwar darf eine Rechtsfolgenbelehrung sich nicht auf eine bloß formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken, vielmehr muss sie konkret, richtig und vollständig sein und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen aus dem versicherungswidrigen Verhalten resultieren (BSGE 53,13). Das BSG hat nun in den obengenannten Entscheidungen klargestellt, dass der Hinweis der Beklagten in den Aufhebungsbescheiden auf eine mögliche ("kann") Verringerung der Höhe des zukünftigen Leistungsanspruchs bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung nicht falsch sei. Dieser Hinweis auf die bloße Möglichkeit einer Minderung des Alg bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung trage trotz der damit verbundenen Abweichung vom zwingenden Wortlaut des § 140 Satz 1 SGB III ("mindert sich") dem Umstand Rechnung, dass diese nicht nur von objektiven, sondern auch subjektiven Gegebenheiten und damit von den Umständen des Einzelfalls abhängig sei. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat ausdrücklich an. Darüber hinaus ist nicht zu erkennen, dass oder inwiefern die von der Beklagten erteilten Belehrungen fehlerhaft und damit rechtswidrig gewesen sein sollen.
Das Vorbringen der Klägerin, die Beklagte hätte sie von Anfang an richtig beraten müssen, greift ebenfalls nicht. Zum einen hat das BSG (in der obengenannten Entscheidung vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 72/06) klargestellt, dass es eine Beratungspflicht ohne konkreten Anlass generell und auch hier nicht gibt. Zum anderen hat die Klägerin der Beklagten einen wesentlich späteren Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt, der keinesfalls eine sofortige oder baldige Beratungspflicht hätte begründen können. Ausreichend belehrt war die Klägerin durch die Hinweise im Arbeitsvertrag (evtl. missverständlich) und in den Aufhebungsbescheiden (jedenfalls ausreichend richtig und verständlich).
Die Berufung ist nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
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