Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3900/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4978/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.08.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn der Befreiung von der Versicherungspflicht für Handwerker.
Der am 1968 geborene Kläger betreibt als selbständiger Tischlermeister eine Schreinerei und ist seit 01.04.1995 in der Handwerksrolle eingetragen. Bis dahin hatte er 125 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet (01.09.1984 bis 19.03.1993 und 01.06.1993 bis 31.03.1995). Anfangs war die selbständige Tätigkeit (vom 01.04.1995 bis 31.10.1995) wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei, vom 01.11.1995 bis 31.05.1997 hatte der Kläger - bei bestehender Versicherungspflicht - wegen Negativeinkommens keine Beiträge zu zahlen (bestandskräftiger Bescheid vom 25.01.1996). In der Zeit vom 01.04.1995 bis 31.10.1995 wurden für den Kläger für weitere fünf Monate Pflichtbeiträge aus einer abhängigen Beschäftigung bzw. wegen des Bezuges von Sozialleistungen entrichtet.
Vom 01.06.1997 bis 31.03.2003 (70 Monate) entrichtete der Kläger aus der selbständigen Tätigkeit Pflichtbeiträge. Weil er angab, ab 01.04.2003 aus seiner selbständigen Tätigkeit ein Einkommen von nicht mehr als 400 EUR zu erzielen und um Rückerstattung der bereits gezahlten Beiträge ersuchte (Schreiben vom 23.10.2003), erstattete die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 01.04.2003 bereits gezahlte Beiträge (Bescheid vom 23.10.2003) und zog in der Folge keine Beiträge mehr ein. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.10.2005 stellte die Beklagte für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.08.2004 Versicherungsfreiheit fest, weil nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt worden sei, für die Zeit ab 01.09.2004 bestehe wieder Versicherungspflicht. Zugleich setzte sie die Höhe der monatlichen Beiträge und die bis September 2005 fällig gewordene Beitragssumme mit 3780,39 EUR fest. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen. Mit Schreiben vom 11.11.2005 wies sie den Kläger darauf hin, dass er bei fristgerechter Zahlung im Oktober 2005 den 216. Kalendermonat an Pflichtbeiträgen erreiche, sie wies u. a. auf die dann eintretende Befreiungsmöglichkeit und auf die Folgen nicht fristgerechter Zahlung (Verschiebung des Beginns der Befreiung) hin. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben verwiesen.
Auf ein Gesuch des Klägers um Ratenzahlung teilte die Beklagte dem Kläger mit (Schreiben vom 17.11.2005), sie sei damit einverstanden, dass er den bis einschließlich 31.10.2005 bestehenden Beitragsrückstand in Höhe von insgesamt 4071,62 EUR (3780,39 EUR bis September 2005, zuzüglich Beitrag für Oktober 2005) durch die Zahlung von Raten (im November 2005 in Höhe von 1260,13 EUR, im Dezember 2005 in Höhe von 1260,13 EUR und im Januar 2006 in Höhe von 1551,36 EUR) ausgleiche. Die Befreiung von der Versicherungspflicht für Handwerker könne nur dann mit Erreichen des 216. Kalendermonats erfolgen, wenn die bis zum 216. Kalendermonat rückständigen Beiträge spätestens bis 31.01.2006 vollständig gezahlt seien. Zahlungseingänge sind im Konto des Klägers am 10.11.2005 (1260,13 EUR), am 31.12.2005 (1260,13 EUR), am 08.02.2006 (1260,13 EUR, tatsächlich von der Bürokraft des Klägers auf dessen Geheiß am 14.02.2006 veranlasst) und am 02.03.2006 (292,27 EUR) verbucht. Wegen eines Unfalles (knöcherner Bandausriss am Kahnbein der rechten Hand) war der Kläger vom 21.01. bis 26.03.2006 arbeitsunfähig.
Auf den Antrag des Klägers vom 13.12.2005 befreite ihn die Beklagte mit Bescheid vom 14.03.2006 ab 02.03.2006 von der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 8 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Da die bis zum 216. Kalendermonat rückständigen Beiträge nicht innerhalb von drei Kalendermonaten, spätestens zum 31.01.2006, gezahlt worden seien, könne die Befreiung von der Versicherungspflicht erst mit Zahlungseingang des 216. Kalendermonats (02.03.2006) erfolgen. Unter "Auflagen/Hinweise" führte die Beklagte ergänzend aus, der Kläger schulde noch Beiträge in Höhe von 1188,57 EUR. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2006 zurück.
Der Kläger hat am 23.10.2006 zum Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, er sei wegen der Folgen des Unfalls vom 21.01.2006 an der rechtzeitigen Entrichtung der Beiträge unverschuldet gehindert gewesen. Die im Betrieb für einfache Büroarbeiten beschäftigte Aushilfskraft habe ihn betreffend der Zahlung der Beiträge nicht vertreten können. Nähere Angaben zu der Art der Erkrankung hat der Kläger verweigert.
Mit Urteil vom 14.08.2007 hat das Sozialgericht in Abänderung der angefochtenen Bescheide die Befreiung von der Versicherungspflicht ab 01.11.2005 festgestellt und zur Begründung ausgeführt, die verspätete Beitragszahlung sei in entsprechender Anwendung des § 197 Abs. 3 SGB VI als rechtzeitig zuzulassen, weil der Kläger auf Grund seiner Verletzungen (nach Angaben der Klägerbevollmächtigten erhebliche Verletzungen u.a. im Kopf- und Gesichtsbereich) ohne Verschulden an der rechtzeitigen Zahlung der Beiträge gehindert gewesen sei.
Gegen das am 21.09.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.10.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 197 Abs. 3 SGB VI seien nicht gegeben. Ein Fall besonderer Härte liege nicht vor, außerdem habe nicht abschließend geklärt werden können, ob die Erkrankung des Klägers so schwerwiegend gewesen sei, dass er nicht selbst habe handeln oder einen anderen beauftragen können. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) scheide ebenfalls aus, da insoweit der gleiche Verschuldensmaßstab wie bei § 197 Abs. 3 SGB VI anzusetzen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.08.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht weiterhin geltend, wegen der bei dem Unfall vom 21.01.2006 erlittenen schweren Verletzungen an der rechtzeitigen Beitragszahlung unverschuldet gehindert gewesen zu sein. Eine besondere Härte liege vor, weil er sich bereits 2004/2005 eine private Altersvorsorge aufgebaut habe, sodass er durch die von der Beklagten verlangte Beitragzahlung doppelt belastet sei. Die Beklagte lasse Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und § 89 Abgabenordnung außer Acht. Außerdem habe die Beklagte bis dato sämtlichen Schriftverkehr an die falsche Adresse, nämlich die Werkstattadresse R. 21, nicht an seine Wohnanschrift (R. 21) gerichtet. Die Beklagte habe ihm außerdem mit Schreiben vom 13.08.2003 mitgeteilt, dass er im Monat Juli den 206. Pflichtbeitrag gezahlt habe, mit der Berechnung vom 28.10.2005 fordere sie aber Beiträge für weitere 13 Monate, also insgesamt 219 Monate Pflichtbeiträge.
Der Senat hat Dr. F. , Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses Sch. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört.
Der Kläger hat auf Anfrage des Senats angegeben, die am 08.02.2006 bei der Beklagten verbuchte Online-Überweisung habe seine Büroaushilfskraft, Frau Sch. durchgeführt, nachdem er sie telefonisch beauftragt habe, die letzte Rate zu überweisen. Er selbst sei technisch nicht in der Lage, Online-Überweisungen durchzuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht festgestellt, dass der Kläger ab 01.11.2005 von der Versicherungspflicht der Handwerker in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.
Es bedarf keiner Darstellung, dass der feststellende Tenor der angefochtenen Entscheidung aus prozessualen Gründen (Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber der Verpflichtungsklage) nicht haltbar ist. Denn die Voraussetzungen für eine frühere Befreiung von der Versicherungspflicht liegen nicht vor.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI werden selbständig tätigte Handwerker auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wenn für sie mindestens 18 Jahre (216 Kalendermonate) Pflichtbeiträge gezahlt worden sind. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an (§ 6 Abs. 4 SGB VI).
Der Kläger ist als selbständig tätiger und in die Handwerksrolle eingetragener Handwerker gemäß § 2 Nr. 8 SGB VI versicherungspflichtig. Zutreffend hat die Beklagte entschieden, dass der Kläger den 216. Kalendermonat mit Pflichtbeiträgen im Oktober 2005 erreicht hätte. Für den Kläger waren aber (Versicherungsverlauf vom 31.01.2008, Blatt 34 der LSG-Akten) bis Oktober 2005 lediglich Pflichtbeiträge für insgesamt 202 Kalendermonate tatsächlich gezahlt (01.09.1984 bis 19.03.1993 = 103 Monate, 01.06.1993 bis 31.10.1995 = 29 Monate und 01.06.1997 bis 31.03.2003 = 70 Monate).
Die Auffassung des Klägers, der meint, im Oktober 2005 sei bereits der 220. Kalendermonat mit Pflichtbeiträgen erreicht, geht fehl. Der Kläger bezieht sich für diese Auffassung auf einen Bescheid der Beklagten vom 13.08.2003, mit dem der Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht vom 11.08.2003 abgelehnt wurde. Darin wird ausgeführt, der Kläger habe für den Kalendermonat Juli 2003 den 206. Pflichtbeitrag gezahlt. Allerdings gab der Kläger anschließend gegenüber der Beklagten an, er erziele ab 01.04.2003 aus seiner selbständigen Tätigkeit lediglich ein Einkommen von nicht mehr als 400 EUR und ersuchte um Rückerstattung der bereits gezahlten Beiträge (Schreiben vom 23.10.2003). Die Beklagte erstattete daraufhin dem Kläger bereits die für die Zeit ab 01.04.2003 gezahlten Beiträge zurück und zog in der Folge keine Beiträge mehr ein.
Erst im Oktober 2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sich mit Fertigstellung der Buchhaltung Anfang September 2004 ein positives Ergebnis (monatliches Einkommen von mehr als 400 EUR) ergeben habe. Mit Bescheid vom 28.10.2005 forderte die Beklagte daraufhin die ab 01.09.2004 rückständigen Beiträge an. Vom 01.04.2003 bis 31.08.2004 bestand hingegen - wegen Geringfügigkeit - keine Versicherungspflicht (so die bestandskräftige Feststellung im Bescheid vom 28.10.2005) und Beiträge wurden weder gezahlt noch von der Beklagten eingezogen. Der 216. Monat mit Pflichtbeiträgen wäre damit - bei rechtzeitiger Zahlung - im Oktober 2005 erreicht gewesen.
Der Kläger stellte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht rechtzeitig, nämlich am 13.12.2005. Allerdings reicht die rechtzeitige Antragstellung und das bloße Bestehen von Versicherungspflicht allein für die begehrte Befreiung von der Versicherungspflicht nicht aus, vielmehr müssen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (" Pflichtbeiträge gezahlt worden sind") die Pflichtbeiträge bis einschließlich des 216. Kalendermonats auch tatsächlich gezahlt worden sein (BSG, Urteil vom 18.08.1992, 12 RK 7/92 in SozR 3-5800 § 1 Nr. 1). Dies folgt auch aus dem Gesetzeszweck, wonach eine Befreiung von der Versicherungspflicht nur dann erfolgen soll, wenn eine Grundsicherung durch vorhandene Pflichtbeiträge von 216 Monaten sichergestellt ist (BSG, a.a.O.).
Zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Befreiung von der Versicherungspflicht waren für den Kläger die Beiträge für 216 Kalendermonate aber noch nicht vollständig entrichtet, vielmehr hatte der Kläger auf die rückständigen Beiträge für die Zeit von 01.09.2004 bis 31.10.2005 in Höhe von insgesamt 4071,62 EUR erst einen Betrag von 1260,13 EUR gezahlt.
Vollständig gezahlt hatte der Kläger die Pflichtbeiträge bis 31.10.2005 erst am 02.03.2006. Die gezahlten Beiträge sind zwar wirksam, weil sie noch nicht verjährt waren (§ 197 Abs. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -). Ob zu Gunsten des Klägers § 6 Abs. 4 SGB VI dahingehend auszulegen ist, dass die Pflichtbeiträge auch dann noch als rechtzeitig gezahlt gelten, wenn sie innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem 216. Kalendermonat - und damit vorliegend bis 31.01.2006 - entrichtet werden, kann dahingestellt bleiben. Denn der Kläger zahlte die rückständigen Beiträge auch nicht innerhalb der von der Beklagten mit dem Schreiben vom 17.11.2005 zugelassenen Frist, sondern nur einen Betrag von insgesamt 2520,26 EUR (nämlich die Raten für November und Dezember 2005).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Klägers sind die erst im Februar und März 2006 vollständig entrichteten Beiträge nicht in entsprechender Anwendung des § 197 Abs. 3 SGB VI als rechtzeitig entrichtet anzusehen. Nach dieser Vorschrift ist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag des Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in § 197 Abs. 1 und 2 SGB VI genannten Fristen zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Ob § 197 Abs. 3 SGB VI, der den Fall einer wirksamen Entrichtung von Pflichtbeiträgen trotz eingetretener Verjährung erfasst, auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist, oder ob ein Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Abs. 1 SGB X zu prüfen ist, kann ebenfalls dahinstehen, denn der Kläger war - was nach beiden Vorschriften Voraussetzung ist - nicht ohne Verschulden an der rechtzeitigen Beitragszahlung gehindert.
Der Kläger hat insoweit vorgetragen, er habe die Beiträge nicht rechtzeitig entrichten können, weil er daran infolge der durch den Unfall vom 21.01.2006 erlittenen Verletzungen gehindert gewesen sei. Dies vermag der Senat unter Berücksichtigung der sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Arztes Dr. F. nicht nachzuvollziehen. Wie Dr. F. ausgeführt hat, hat sich der Kläger am 21.01.2006 einen knöchernen Bandausriss am Kahnbein der rechten Handwurzel und eine Lippenplatzwunde zugezogen, hingegen bestanden keine Hinweise auf eine Gehirnerschütterung. Die Lippenplatzwunde wurde in örtlicher Betäubung versorgt und die Verletzung der Handwurzel in einer Unterarmgipsschiene mit Daumeneinschluss ruhig gestellt. Damit ist zwar nachvollziehbar, das der Kläger für seine Tätigkeit als Tischlermeister arbeitsunfähig war, dass er jedoch bis Ende Januar daran gehindert gewesen wäre, die Beitragszahlung entweder selbst vorzunehmen oder, wie im Februar 2006 - wenn auch in unrichtiger Höhe - geschehen, durch Anweisung gegenüber seiner Bürohilfskraft zu veranlassen, ist aus den von Dr. F. beschriebenen Verletzungsfolgen nicht ersichtlich. Dr. F. hat insoweit ausgeführt, dass die Verletzung der Hand in den ersten beiden Tagen nach der Verletzung vergleichsweise starke Schmerzen, die zur Einnahme von Schmerzmitteln Anlass geben, führe. Dem Kläger wurde - so Dr. F. - das Schmerzmittel Ibuprofen mitgegeben, welches - so Dr. F. - üblicherweise keine zentral-nervösen Wirkungen entfaltet. Selbst wenn jedoch unterstellt wird, dass der Kläger infolge der Einnahme von Schmerzmitteln in den ersten zwei Tagen nach dem Unfall so in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt gewesen ist, dass er die Überweisung der Beiträge nicht veranlassen konnte, verbleib immer noch ein Zeitraum von acht Tagen, innerhalb derer der Kläger die Überweisung der rückständigen Beiträge hätte rechtzeitig vornehmen können.
Hierbei oblag es dem Kläger auch dafür Sorge zu tragen, dass die Beiträge in der richtigen Höhe vollständig gezahlt werden. Zwar hatte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 28.10.2005 den Beitragsrückstand - ohne den damals noch nicht fälligen Beitrag für Oktober 2005 - mit 3780,39 EUR beziffert, sie teilte anschließend aber sowohl der Klägerbevollmächtigten telefonisch als auch dem Kläger selbst mit Schreiben vom 17.11.2005 den dann aktuellen Beitragsrückstand (insgesamt 4071,62 EUR) und die zu zahlenden Raten mit und wies ausdrücklich und unmissverständlich nochmals darauf hin, dass eine Befreiung nur dann mit Erreichen des 216. Kalendermonats erfolgen könne, wenn die rückständigen Beiträge spätestens bis 31.01.2006 vollständig gezahlt seien. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe sämtliche Schreiben an die falsche Anschrift, nämlich diejenige seiner Werkstatt an Stelle seiner Wohnanschrift geschickt, vermag dies zu keinem anderen Ergebnis u führen, denn die Schreiben sind dem Kläger tatsächlich zugegangen. Im Übrigen haben sowohl der Kläger selbst als auch seine Bevollmächtigte in dem mit der Beklagten geführten Schriftverkehr mehrmals die Anschrift der Werkstatt des Klägers (R. 21) verwendet, ohne jemals darauf hinzuweisen, dass die Beklagte den Schriftverkehr über die Privatanschrift des Klägers führen solle. Dass sich - so der Kläger - der gesamte Schriftverkehr mit der Beklagten im Januar 2006 nicht bei ihm zu Hause, sondern in seiner Betriebsstätte befand, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Die erlittene Verletzung hatte keine Auswirkungen auf seine Bewegungsfähigkeit, sodass er trotz Arbeitsunfähigkeit seine Betriebsstätte hätte aufsuchen und sich um seine private Rentenangelegenheit hätte kümmern können.
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe von ihm zu Unrecht die über den 31.10.2005 bis zur Befreiung am 02.03.2006 angefallenen Beiträge gefordert, ist hierüber nicht zu entscheiden. Im hier streitgegenständlichen Bescheid vom 14.03.2006 wurde lediglich eine Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht, nicht jedoch über die Forderung weiterer Beiträge getroffen wurde. Soweit die Beklagte in diesem Bescheid unter der Überschrift "Auflagen/Hinweise" aus führte, der Kläger schulde noch einen Betrag in Höhe von 1188,57 EUR, handelt es sich lediglich um eine informatorische Mitteilung, nicht aber um eine eigenständige Entscheidung über noch zu zahlende Beiträge und Kosten. Lediglich am Rande ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte die bis zum Zeitpunkt der Befreiung von der Versicherungspflicht am 02.03.2006 weiter angefallenen Beiträge von dem Kläger zu fordern hat. Da der Kläger - wie oben dargelegt - erst mit Zahlung der rückständigen Beiträge bis zum 216. Kalendermonat von der Versicherungspflicht zu befreien ist, bestand bis einschließlich 01.03.2006 weiterhin Versicherungs- und dementsprechend auch Beitragspflicht. Dass die Beklagte den Kläger nicht auch noch ausdrücklich darüber belehrte, dass er weitere Beiträge zu entrichten habe, wenn er die rückständigen Beiträge nicht bis spätestens 31.01.2006, vermag an der von Gesetzes wegen bestehenden Beitragspflicht nichts zu ändern. Im Übrigen geht aus dem Schreiben der Beklagten vom 17.11.2005 deutlich hervor, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nur bei fristgemäßer Zahlung der rückständigen Beiträge (rückwirkend) ab Erreichen des 216. Kalendermonats erfolgen kann. Daraus ergibt sich zwanglos, dass bei verspäteter Zahlung der rückständigen Beiträge eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht nicht in Betracht kommt und somit weiterhin Versicherungspflicht - mit entsprechender Pflicht zur Beitragsentrichtung - besteht.
Eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie) ist vorliegend nicht ersichtlich, mit dem vorliegenden Verfahren beschreitet der Kläger gerade den gesetzlich vorgesehenen Rechtsweg. § 89 AO (Beratungs- und Auskunftspflicht der Finanzämter) ist in dem vorliegenden Rechtsstreit, in dem über die Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entscheiden ist, nicht einschlägig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Beginn der Befreiung von der Versicherungspflicht für Handwerker.
Der am 1968 geborene Kläger betreibt als selbständiger Tischlermeister eine Schreinerei und ist seit 01.04.1995 in der Handwerksrolle eingetragen. Bis dahin hatte er 125 Kalendermonate Pflichtbeiträge entrichtet (01.09.1984 bis 19.03.1993 und 01.06.1993 bis 31.03.1995). Anfangs war die selbständige Tätigkeit (vom 01.04.1995 bis 31.10.1995) wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei, vom 01.11.1995 bis 31.05.1997 hatte der Kläger - bei bestehender Versicherungspflicht - wegen Negativeinkommens keine Beiträge zu zahlen (bestandskräftiger Bescheid vom 25.01.1996). In der Zeit vom 01.04.1995 bis 31.10.1995 wurden für den Kläger für weitere fünf Monate Pflichtbeiträge aus einer abhängigen Beschäftigung bzw. wegen des Bezuges von Sozialleistungen entrichtet.
Vom 01.06.1997 bis 31.03.2003 (70 Monate) entrichtete der Kläger aus der selbständigen Tätigkeit Pflichtbeiträge. Weil er angab, ab 01.04.2003 aus seiner selbständigen Tätigkeit ein Einkommen von nicht mehr als 400 EUR zu erzielen und um Rückerstattung der bereits gezahlten Beiträge ersuchte (Schreiben vom 23.10.2003), erstattete die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 01.04.2003 bereits gezahlte Beiträge (Bescheid vom 23.10.2003) und zog in der Folge keine Beiträge mehr ein. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.10.2005 stellte die Beklagte für die Zeit vom 01.04.2003 bis 31.08.2004 Versicherungsfreiheit fest, weil nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt worden sei, für die Zeit ab 01.09.2004 bestehe wieder Versicherungspflicht. Zugleich setzte sie die Höhe der monatlichen Beiträge und die bis September 2005 fällig gewordene Beitragssumme mit 3780,39 EUR fest. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen. Mit Schreiben vom 11.11.2005 wies sie den Kläger darauf hin, dass er bei fristgerechter Zahlung im Oktober 2005 den 216. Kalendermonat an Pflichtbeiträgen erreiche, sie wies u. a. auf die dann eintretende Befreiungsmöglichkeit und auf die Folgen nicht fristgerechter Zahlung (Verschiebung des Beginns der Befreiung) hin. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben verwiesen.
Auf ein Gesuch des Klägers um Ratenzahlung teilte die Beklagte dem Kläger mit (Schreiben vom 17.11.2005), sie sei damit einverstanden, dass er den bis einschließlich 31.10.2005 bestehenden Beitragsrückstand in Höhe von insgesamt 4071,62 EUR (3780,39 EUR bis September 2005, zuzüglich Beitrag für Oktober 2005) durch die Zahlung von Raten (im November 2005 in Höhe von 1260,13 EUR, im Dezember 2005 in Höhe von 1260,13 EUR und im Januar 2006 in Höhe von 1551,36 EUR) ausgleiche. Die Befreiung von der Versicherungspflicht für Handwerker könne nur dann mit Erreichen des 216. Kalendermonats erfolgen, wenn die bis zum 216. Kalendermonat rückständigen Beiträge spätestens bis 31.01.2006 vollständig gezahlt seien. Zahlungseingänge sind im Konto des Klägers am 10.11.2005 (1260,13 EUR), am 31.12.2005 (1260,13 EUR), am 08.02.2006 (1260,13 EUR, tatsächlich von der Bürokraft des Klägers auf dessen Geheiß am 14.02.2006 veranlasst) und am 02.03.2006 (292,27 EUR) verbucht. Wegen eines Unfalles (knöcherner Bandausriss am Kahnbein der rechten Hand) war der Kläger vom 21.01. bis 26.03.2006 arbeitsunfähig.
Auf den Antrag des Klägers vom 13.12.2005 befreite ihn die Beklagte mit Bescheid vom 14.03.2006 ab 02.03.2006 von der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 8 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Da die bis zum 216. Kalendermonat rückständigen Beiträge nicht innerhalb von drei Kalendermonaten, spätestens zum 31.01.2006, gezahlt worden seien, könne die Befreiung von der Versicherungspflicht erst mit Zahlungseingang des 216. Kalendermonats (02.03.2006) erfolgen. Unter "Auflagen/Hinweise" führte die Beklagte ergänzend aus, der Kläger schulde noch Beiträge in Höhe von 1188,57 EUR. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2006 zurück.
Der Kläger hat am 23.10.2006 zum Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, er sei wegen der Folgen des Unfalls vom 21.01.2006 an der rechtzeitigen Entrichtung der Beiträge unverschuldet gehindert gewesen. Die im Betrieb für einfache Büroarbeiten beschäftigte Aushilfskraft habe ihn betreffend der Zahlung der Beiträge nicht vertreten können. Nähere Angaben zu der Art der Erkrankung hat der Kläger verweigert.
Mit Urteil vom 14.08.2007 hat das Sozialgericht in Abänderung der angefochtenen Bescheide die Befreiung von der Versicherungspflicht ab 01.11.2005 festgestellt und zur Begründung ausgeführt, die verspätete Beitragszahlung sei in entsprechender Anwendung des § 197 Abs. 3 SGB VI als rechtzeitig zuzulassen, weil der Kläger auf Grund seiner Verletzungen (nach Angaben der Klägerbevollmächtigten erhebliche Verletzungen u.a. im Kopf- und Gesichtsbereich) ohne Verschulden an der rechtzeitigen Zahlung der Beiträge gehindert gewesen sei.
Gegen das am 21.09.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.10.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 197 Abs. 3 SGB VI seien nicht gegeben. Ein Fall besonderer Härte liege nicht vor, außerdem habe nicht abschließend geklärt werden können, ob die Erkrankung des Klägers so schwerwiegend gewesen sei, dass er nicht selbst habe handeln oder einen anderen beauftragen können. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) scheide ebenfalls aus, da insoweit der gleiche Verschuldensmaßstab wie bei § 197 Abs. 3 SGB VI anzusetzen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.08.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht weiterhin geltend, wegen der bei dem Unfall vom 21.01.2006 erlittenen schweren Verletzungen an der rechtzeitigen Beitragszahlung unverschuldet gehindert gewesen zu sein. Eine besondere Härte liege vor, weil er sich bereits 2004/2005 eine private Altersvorsorge aufgebaut habe, sodass er durch die von der Beklagten verlangte Beitragzahlung doppelt belastet sei. Die Beklagte lasse Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und § 89 Abgabenordnung außer Acht. Außerdem habe die Beklagte bis dato sämtlichen Schriftverkehr an die falsche Adresse, nämlich die Werkstattadresse R. 21, nicht an seine Wohnanschrift (R. 21) gerichtet. Die Beklagte habe ihm außerdem mit Schreiben vom 13.08.2003 mitgeteilt, dass er im Monat Juli den 206. Pflichtbeitrag gezahlt habe, mit der Berechnung vom 28.10.2005 fordere sie aber Beiträge für weitere 13 Monate, also insgesamt 219 Monate Pflichtbeiträge.
Der Senat hat Dr. F. , Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses Sch. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört.
Der Kläger hat auf Anfrage des Senats angegeben, die am 08.02.2006 bei der Beklagten verbuchte Online-Überweisung habe seine Büroaushilfskraft, Frau Sch. durchgeführt, nachdem er sie telefonisch beauftragt habe, die letzte Rate zu überweisen. Er selbst sei technisch nicht in der Lage, Online-Überweisungen durchzuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht festgestellt, dass der Kläger ab 01.11.2005 von der Versicherungspflicht der Handwerker in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.
Es bedarf keiner Darstellung, dass der feststellende Tenor der angefochtenen Entscheidung aus prozessualen Gründen (Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber der Verpflichtungsklage) nicht haltbar ist. Denn die Voraussetzungen für eine frühere Befreiung von der Versicherungspflicht liegen nicht vor.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI werden selbständig tätigte Handwerker auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wenn für sie mindestens 18 Jahre (216 Kalendermonate) Pflichtbeiträge gezahlt worden sind. Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an (§ 6 Abs. 4 SGB VI).
Der Kläger ist als selbständig tätiger und in die Handwerksrolle eingetragener Handwerker gemäß § 2 Nr. 8 SGB VI versicherungspflichtig. Zutreffend hat die Beklagte entschieden, dass der Kläger den 216. Kalendermonat mit Pflichtbeiträgen im Oktober 2005 erreicht hätte. Für den Kläger waren aber (Versicherungsverlauf vom 31.01.2008, Blatt 34 der LSG-Akten) bis Oktober 2005 lediglich Pflichtbeiträge für insgesamt 202 Kalendermonate tatsächlich gezahlt (01.09.1984 bis 19.03.1993 = 103 Monate, 01.06.1993 bis 31.10.1995 = 29 Monate und 01.06.1997 bis 31.03.2003 = 70 Monate).
Die Auffassung des Klägers, der meint, im Oktober 2005 sei bereits der 220. Kalendermonat mit Pflichtbeiträgen erreicht, geht fehl. Der Kläger bezieht sich für diese Auffassung auf einen Bescheid der Beklagten vom 13.08.2003, mit dem der Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht vom 11.08.2003 abgelehnt wurde. Darin wird ausgeführt, der Kläger habe für den Kalendermonat Juli 2003 den 206. Pflichtbeitrag gezahlt. Allerdings gab der Kläger anschließend gegenüber der Beklagten an, er erziele ab 01.04.2003 aus seiner selbständigen Tätigkeit lediglich ein Einkommen von nicht mehr als 400 EUR und ersuchte um Rückerstattung der bereits gezahlten Beiträge (Schreiben vom 23.10.2003). Die Beklagte erstattete daraufhin dem Kläger bereits die für die Zeit ab 01.04.2003 gezahlten Beiträge zurück und zog in der Folge keine Beiträge mehr ein.
Erst im Oktober 2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sich mit Fertigstellung der Buchhaltung Anfang September 2004 ein positives Ergebnis (monatliches Einkommen von mehr als 400 EUR) ergeben habe. Mit Bescheid vom 28.10.2005 forderte die Beklagte daraufhin die ab 01.09.2004 rückständigen Beiträge an. Vom 01.04.2003 bis 31.08.2004 bestand hingegen - wegen Geringfügigkeit - keine Versicherungspflicht (so die bestandskräftige Feststellung im Bescheid vom 28.10.2005) und Beiträge wurden weder gezahlt noch von der Beklagten eingezogen. Der 216. Monat mit Pflichtbeiträgen wäre damit - bei rechtzeitiger Zahlung - im Oktober 2005 erreicht gewesen.
Der Kläger stellte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht rechtzeitig, nämlich am 13.12.2005. Allerdings reicht die rechtzeitige Antragstellung und das bloße Bestehen von Versicherungspflicht allein für die begehrte Befreiung von der Versicherungspflicht nicht aus, vielmehr müssen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (" Pflichtbeiträge gezahlt worden sind") die Pflichtbeiträge bis einschließlich des 216. Kalendermonats auch tatsächlich gezahlt worden sein (BSG, Urteil vom 18.08.1992, 12 RK 7/92 in SozR 3-5800 § 1 Nr. 1). Dies folgt auch aus dem Gesetzeszweck, wonach eine Befreiung von der Versicherungspflicht nur dann erfolgen soll, wenn eine Grundsicherung durch vorhandene Pflichtbeiträge von 216 Monaten sichergestellt ist (BSG, a.a.O.).
Zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Befreiung von der Versicherungspflicht waren für den Kläger die Beiträge für 216 Kalendermonate aber noch nicht vollständig entrichtet, vielmehr hatte der Kläger auf die rückständigen Beiträge für die Zeit von 01.09.2004 bis 31.10.2005 in Höhe von insgesamt 4071,62 EUR erst einen Betrag von 1260,13 EUR gezahlt.
Vollständig gezahlt hatte der Kläger die Pflichtbeiträge bis 31.10.2005 erst am 02.03.2006. Die gezahlten Beiträge sind zwar wirksam, weil sie noch nicht verjährt waren (§ 197 Abs. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -). Ob zu Gunsten des Klägers § 6 Abs. 4 SGB VI dahingehend auszulegen ist, dass die Pflichtbeiträge auch dann noch als rechtzeitig gezahlt gelten, wenn sie innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem 216. Kalendermonat - und damit vorliegend bis 31.01.2006 - entrichtet werden, kann dahingestellt bleiben. Denn der Kläger zahlte die rückständigen Beiträge auch nicht innerhalb der von der Beklagten mit dem Schreiben vom 17.11.2005 zugelassenen Frist, sondern nur einen Betrag von insgesamt 2520,26 EUR (nämlich die Raten für November und Dezember 2005).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und des Klägers sind die erst im Februar und März 2006 vollständig entrichteten Beiträge nicht in entsprechender Anwendung des § 197 Abs. 3 SGB VI als rechtzeitig entrichtet anzusehen. Nach dieser Vorschrift ist in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag des Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in § 197 Abs. 1 und 2 SGB VI genannten Fristen zuzulassen, wenn die Versicherten an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert waren. Ob § 197 Abs. 3 SGB VI, der den Fall einer wirksamen Entrichtung von Pflichtbeiträgen trotz eingetretener Verjährung erfasst, auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist, oder ob ein Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Abs. 1 SGB X zu prüfen ist, kann ebenfalls dahinstehen, denn der Kläger war - was nach beiden Vorschriften Voraussetzung ist - nicht ohne Verschulden an der rechtzeitigen Beitragszahlung gehindert.
Der Kläger hat insoweit vorgetragen, er habe die Beiträge nicht rechtzeitig entrichten können, weil er daran infolge der durch den Unfall vom 21.01.2006 erlittenen Verletzungen gehindert gewesen sei. Dies vermag der Senat unter Berücksichtigung der sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Arztes Dr. F. nicht nachzuvollziehen. Wie Dr. F. ausgeführt hat, hat sich der Kläger am 21.01.2006 einen knöchernen Bandausriss am Kahnbein der rechten Handwurzel und eine Lippenplatzwunde zugezogen, hingegen bestanden keine Hinweise auf eine Gehirnerschütterung. Die Lippenplatzwunde wurde in örtlicher Betäubung versorgt und die Verletzung der Handwurzel in einer Unterarmgipsschiene mit Daumeneinschluss ruhig gestellt. Damit ist zwar nachvollziehbar, das der Kläger für seine Tätigkeit als Tischlermeister arbeitsunfähig war, dass er jedoch bis Ende Januar daran gehindert gewesen wäre, die Beitragszahlung entweder selbst vorzunehmen oder, wie im Februar 2006 - wenn auch in unrichtiger Höhe - geschehen, durch Anweisung gegenüber seiner Bürohilfskraft zu veranlassen, ist aus den von Dr. F. beschriebenen Verletzungsfolgen nicht ersichtlich. Dr. F. hat insoweit ausgeführt, dass die Verletzung der Hand in den ersten beiden Tagen nach der Verletzung vergleichsweise starke Schmerzen, die zur Einnahme von Schmerzmitteln Anlass geben, führe. Dem Kläger wurde - so Dr. F. - das Schmerzmittel Ibuprofen mitgegeben, welches - so Dr. F. - üblicherweise keine zentral-nervösen Wirkungen entfaltet. Selbst wenn jedoch unterstellt wird, dass der Kläger infolge der Einnahme von Schmerzmitteln in den ersten zwei Tagen nach dem Unfall so in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt gewesen ist, dass er die Überweisung der Beiträge nicht veranlassen konnte, verbleib immer noch ein Zeitraum von acht Tagen, innerhalb derer der Kläger die Überweisung der rückständigen Beiträge hätte rechtzeitig vornehmen können.
Hierbei oblag es dem Kläger auch dafür Sorge zu tragen, dass die Beiträge in der richtigen Höhe vollständig gezahlt werden. Zwar hatte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 28.10.2005 den Beitragsrückstand - ohne den damals noch nicht fälligen Beitrag für Oktober 2005 - mit 3780,39 EUR beziffert, sie teilte anschließend aber sowohl der Klägerbevollmächtigten telefonisch als auch dem Kläger selbst mit Schreiben vom 17.11.2005 den dann aktuellen Beitragsrückstand (insgesamt 4071,62 EUR) und die zu zahlenden Raten mit und wies ausdrücklich und unmissverständlich nochmals darauf hin, dass eine Befreiung nur dann mit Erreichen des 216. Kalendermonats erfolgen könne, wenn die rückständigen Beiträge spätestens bis 31.01.2006 vollständig gezahlt seien. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe sämtliche Schreiben an die falsche Anschrift, nämlich diejenige seiner Werkstatt an Stelle seiner Wohnanschrift geschickt, vermag dies zu keinem anderen Ergebnis u führen, denn die Schreiben sind dem Kläger tatsächlich zugegangen. Im Übrigen haben sowohl der Kläger selbst als auch seine Bevollmächtigte in dem mit der Beklagten geführten Schriftverkehr mehrmals die Anschrift der Werkstatt des Klägers (R. 21) verwendet, ohne jemals darauf hinzuweisen, dass die Beklagte den Schriftverkehr über die Privatanschrift des Klägers führen solle. Dass sich - so der Kläger - der gesamte Schriftverkehr mit der Beklagten im Januar 2006 nicht bei ihm zu Hause, sondern in seiner Betriebsstätte befand, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Die erlittene Verletzung hatte keine Auswirkungen auf seine Bewegungsfähigkeit, sodass er trotz Arbeitsunfähigkeit seine Betriebsstätte hätte aufsuchen und sich um seine private Rentenangelegenheit hätte kümmern können.
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe von ihm zu Unrecht die über den 31.10.2005 bis zur Befreiung am 02.03.2006 angefallenen Beiträge gefordert, ist hierüber nicht zu entscheiden. Im hier streitgegenständlichen Bescheid vom 14.03.2006 wurde lediglich eine Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht, nicht jedoch über die Forderung weiterer Beiträge getroffen wurde. Soweit die Beklagte in diesem Bescheid unter der Überschrift "Auflagen/Hinweise" aus führte, der Kläger schulde noch einen Betrag in Höhe von 1188,57 EUR, handelt es sich lediglich um eine informatorische Mitteilung, nicht aber um eine eigenständige Entscheidung über noch zu zahlende Beiträge und Kosten. Lediglich am Rande ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte die bis zum Zeitpunkt der Befreiung von der Versicherungspflicht am 02.03.2006 weiter angefallenen Beiträge von dem Kläger zu fordern hat. Da der Kläger - wie oben dargelegt - erst mit Zahlung der rückständigen Beiträge bis zum 216. Kalendermonat von der Versicherungspflicht zu befreien ist, bestand bis einschließlich 01.03.2006 weiterhin Versicherungs- und dementsprechend auch Beitragspflicht. Dass die Beklagte den Kläger nicht auch noch ausdrücklich darüber belehrte, dass er weitere Beiträge zu entrichten habe, wenn er die rückständigen Beiträge nicht bis spätestens 31.01.2006, vermag an der von Gesetzes wegen bestehenden Beitragspflicht nichts zu ändern. Im Übrigen geht aus dem Schreiben der Beklagten vom 17.11.2005 deutlich hervor, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nur bei fristgemäßer Zahlung der rückständigen Beiträge (rückwirkend) ab Erreichen des 216. Kalendermonats erfolgen kann. Daraus ergibt sich zwanglos, dass bei verspäteter Zahlung der rückständigen Beiträge eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht nicht in Betracht kommt und somit weiterhin Versicherungspflicht - mit entsprechender Pflicht zur Beitragsentrichtung - besteht.
Eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie) ist vorliegend nicht ersichtlich, mit dem vorliegenden Verfahren beschreitet der Kläger gerade den gesetzlich vorgesehenen Rechtsweg. § 89 AO (Beratungs- und Auskunftspflicht der Finanzämter) ist in dem vorliegenden Rechtsstreit, in dem über die Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entscheiden ist, nicht einschlägig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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