L 6 U 4264/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1583/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4264/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts S. vom 25.07.2007 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 28.487,42 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten.

Bei der Klägerin, die im Bereich der Möbelherstellung und des Innenausbaus tätig ist, handelt es sich um den Nachfolgebetrieb der Firmen Gebrüder W. und M. W ... Der Beklagten, die mit Bescheid vom 07.07.1999 ihre Zuständigkeit für das Unternehmen M. W. festgestellt hatte, wurde der zum 01.01.2002 erfolgte Zusammenschluss der Firmen Gebrüder W. und M. W. (Gesellschaftsvertrag vom 22.11.2001, Handelsregisterauszug des Amtsgerichts B. vom 11.01.2002) im Januar 2002 mitgeteilt. Mit Bescheid vom 18.01.2002 stellte die Beklagte das Ende der Mitgliedschaft für das Unternehmen M. W. zum 31.12.2001 und mit Bescheid vom 22.01.2002 die Zuständigkeit für die Klägerin ab 01.01.2002 fest.

Am 14.01.2005 "kündigte" die Klägerin die Pflichtmitgliedschaft im Bereich der Versicherung der Arbeitnehmer gegen die Risiken des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheiten zum 31.12.2005. Mit Bescheid vom 18.01.2005 wies die Beklagte die Kündigung zurück. Hiergegen legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, die Ablehnung der Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft im Hinblick auf die Pflichtversicherung der Arbeitnehmer gegen Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle sei mit europäischem Recht und Verfassungsrecht nicht vereinbar. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005 zurück.

Am 18.03.2005 erhob die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht S. (SG). In der umfangreichen Klagebegründung vom 24.06.2005 wies sie darauf hin, die Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten werde alleine insoweit angegriffen, als hierdurch die Versicherung der Arbeitnehmer gegen die Risiken des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheit betroffen sei. Die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft werde dagegen nicht angegriffen, soweit die Beklagte im Bereich der Prävention tätig werde und die hierdurch entstehenden Kosten von den Mitgliedern zu tragen seien. Das Unfallversicherungsmonopol der Berufsgenossenschaft (BG) verstoße gegen Artikel 49 und 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) und gegen Artikel 2, 3, 12 und 14 des Grundgesetzes (GG). Es müsse der Klägerin die Wahlfreiheit zugestanden werden, bei welchem Anbieter sie die Arbeitnehmer gegen die Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten versichere. Die Kriterien des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), auf Grund derer er die Unternehmenseigenschaft des italienischen gesetzlichen Unfallversicherungsträgers verneint habe, träfen auf die BGen nicht zu. So bestehe etwa in Deutschland eine direkte Verknüpfung zwischen Beiträgen und Leistungen; die Beitragserhebung erfolge risikoabhängig. Dass eine private Ausgestaltung des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung möglich sei, zeigten Beispiele aus dem europäischen Ausland. Aus der Monopolstruktur der BGen resultierten verfassungsrechtliche Bedenken, da etwa wegen des fehlenden Wettbewerbsdrucks Effizienzverluste zu Lasten der Versicherten bestünden, ferner der Grundsatz der Gewerbefreiheit verletzt werde, durch den erschwerten Wechsel zu einer anderen BG bei Änderung des Tätigkeitsschwerpunkts der Wettbewerb verzerrt werde, das Nachlass- und Zuschlagsverfahren Kleinbetriebe benachteilige und die heutige Struktur des berufsgenossenschaftlichen Monopols zu einer fragwürdigen Bündelung branchenspezifischer Risiken führe. Die Klägerin legte ein Versicherungsangebot einer dänischen Unfallversicherungsgesellschaft des privaten Rechts für einen anderen, durch ihren Bevollmächtigten vertretenen Kläger in Bezug auf die Absicherung des Risikos von Arbeitsunfällen vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie berief sich auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 25.07.2007 - dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 06.08.2007 - ab.

Am 30.08.2007 hat die Klägerin die Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt. Sie hat auf den Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 24.07.2007 im Verfahren L 6 U 2/06 hingewiesen, mit dem der dortige Rechtsstreit ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt worden sind, ob es sich bei der M. und M. BG um ein Unternehmen im Sinne der Artikel 81 und 82 (vormals Art. 85, 86) EGV handele und ob die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin des dortigen Verfahrens bei der dortigen Beklagten gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften verstoße.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts S. vom 25.07.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie zum 31.12.2005 aus der Pflichtmitgliedschaft insoweit zu entlassen, als dadurch die Versicherung der Arbeitnehmer gegen die Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten betroffen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, ein im Sinne des Klageantrags zusprechender Urteilstenor wäre wegen Unbestimmtheit nicht umsetzbar und eröffnete eine Regelungslücke zu Lasten der versicherten Beschäftigten, die nur der Gesetzgeber, nicht aber die Gerichte füllen könnten. Ferner beruft sie sich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 03.07.2007 im Verfahren 1 BvR 1696/03.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin in Bezug auf die Versicherung der Arbeitnehmer gegen die Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten nicht zum 31.12.2005 aus der Pflichtmitgliedschaft zu entlassen, ist rechtmäßig.

Die Organisation der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist in §§ 114 ff. des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) geregelt. Gemäß § 121 Abs. 1 SGB VII sind die gewerblichen BGen für alle Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) zuständig, soweit sich nicht aus dem Zweiten und Dritten Unterabschnitt eine Zuständigkeit der landwirtschaftlichen BGen oder der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt. Da eine Zuständigkeitsverordnung nach § 122 Abs. 1 SGB VII bisher nicht erlassen wurde, bleibt gemäß § 122 Abs. 2 SGB VII jede BG für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher zuständig war. Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen stellt der Unfallversicherungsträger gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 SGB VII durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest.

Eine wirksame Kündigung der Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in Bezug auf die Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ist schon deshalb nicht möglich, weil die Klägerin damit die rechtlichen Grundlagen des sozialen Sicherungssystems der gesetzlichen Unfallversicherung als solchen in Frage stellen würde. Da die Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung durch ein Umlageverfahren erfolgt (§ 152 Abs. 1 SGB VII), könnten die BGen ihre laufenden und zukünftigen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen und die Funktionsfähigkeit der Unfallversicherung wäre bedroht, wenn Unternehmer ihre Versicherungspflicht mit dem Argument einer Verfassungs- bzw. Europarechtswidrigkeit des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung mit Erfolg bestreiten könnten (vgl. zum Beitragsstreitverfahren BSG, Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 9/06 R, zitiert nach Juris). Ein Systemwechsel wäre, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, nur durch den Gesetzgeber möglich. Dieser ist aber durch Europa- bzw. Verfassungsrecht nicht geboten. Denn die beanstandeten Vorschriften des SGB VII sind mit den Bestimmungen des EGV und des GG vereinbar.

Ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Artikel 81 ff. EGV liegt bereits deshalb nicht vor, weil diese Bestimmungen für die BGen nicht gelten. Die Artikel 81 ff. EGV sollen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und Verhaltensweisen der im Gemeinsamen Markt tätigen Wirtschaftsunternehmen sowie eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung eines solchen Unternehmens verhindern und einen ungehinderten Handel zwischen den Mitgliedsstaaten ermöglichen. Adressaten der Kartellvorschriften sind deshalb Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, indem sie Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anbieten. Keine Unternehmen in diesem Sinne und damit von den Wettbewerbsregeln ausgenommen sind Träger staatlich organisierter und beaufsichtigter Sozialversicherungssysteme, die keinen Marktgesetzen folgen, sondern einem sozialen Zweck dienen und wesentlich auf dem Grundsatz der Solidarität aufgebaut sind (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 16/03 R = BSGE 91, 263 bis 269 m. w. N.). Dies hat der EuGH im Urteil vom 22.01.2002 in der Rechtssache C-218/00, INAIL für den staatlichen italienischen Unfallversicherungsträger angenommen (EuGHE 2002, I-691). Das System der gesetzlichen Unfallversicherung in Italien ist in weiten Teilen der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland vergleichbar (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2003 a. a. O.). Die Tatsache, dass die BGen, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 24.06.2005 ausführte, einen Spielraum etwa bei der Festlegung des Höchstjahresarbeitsverdienstes, des Gefahrtarifs, des Mindestjahresarbeitsentgelts und der Frage der Festsetzung eines Mindestbeitrags haben, ändert nichts daran, dass sie, ähnlich wie das INAIL in Italien, einer staatlichen Aufsicht unterliegen und Beiträge und Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung weitgehend unter der Kontrolle des Staates bleiben (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2003 a. a. O.). Die Entscheidung für den Gefahrtarif bedarf der Genehmigung der Aufsichtbehörde (§ 158 Abs. 1 SGG VII); für den Mindestjahresarbeitsverdienst ist eine Untergrenze in § 85 Abs. 1 SGB VII bestimmt. Lediglich der Höchstjahresarbeitsverdienst kann durch Satzung höher bestimmt werden als im Gesetz vorgesehen (§ 85 Abs. 2 SGB VII). Der hier und etwa auch bei der Frage des Mindestbeitrags verbleibende Spielraum ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht so groß, dass die BGen nicht Träger staatlich organisierter und beaufsichtigter Sozialversicherungssysteme im Sinne der EuGH-Rechtsprechung wären. Die Unterschiede gegenüber dem italienischen System sprechen zum Teil zusätzlich gegen eine Einordnung der BGen als Unternehmen, weil die Finanzierung über eine jährlich im Nachhinein erhobene Umlage die deutsche gesetzliche Unfallversicherung noch deutlicher als die staatliche italienische Unfallversicherung von privaten Versicherungsangeboten abhebt (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 34/05 R, zitiert nach Juris). Dass die BGen auch einem sozialen Zweck dienen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Das System der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland ist ferner entgegen der Auffassung der Klägerin wesentlich auf dem Grundsatz der Solidarität aufgebaut. So hängt die Entstehung von Leistungsansprüchen bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht davon ab, dass der Arbeitgeber die fälligen Beiträge entrichtet hat. Ferner entspricht das System des Lastenausgleichs gemäß §§ 176 ff. SGB VII dem Prinzip der solidarischen Verteilung der Versicherungslasten (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2003 a. a. O.). Gerade diese Bestimmungen zeigen, dass entgegen der Auffassung des Sächsischen LSG im Vorlagebeschluss vom 24.07.2007 (L 6 U 2/06, zitiert nach Juris) das deutsche System der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vom Bestehen eines Oligopols mit einzelnen "örtlich und sachlich recht willkürlich umrissenen "Solidargemeinschaften" gekennzeichnet ist. Vielmehr ist auch durch die Bestimmungen über den Lastenausgleich insgesamt eine Solidargemeinschaft innerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben. Entgegen der Ansicht der Klägerin widersprechen weder die Verknüpfung von Leistungen und Beiträgen noch die Tatsache, dass die Beitragserhebung risikoabhängig erfolgt, dem Grundsatz der Solidarität. Bei diesen Elementen handelt es sich um Grundprinzipien jeder Versicherung, die auch der gesetzlichen Sozialversicherung nicht fremd sind. So wird bei zahlreichen Sozialleistungen die Höhe der Leistungen in Abhängigkeit von den Beiträgen bestimmt. Im Übrigen ist die Proportionalität von Leistungen und Beiträgen dadurch eingeschränkt, dass für die Beitragserhebung gemäß § 153 Abs. 1 und 2 SGB VII das gesamte Arbeitsentgelt bis zur Grenze des Höchstjahresarbeitsverdienstes herangezogen wird, während für die Bemessung der Geldleistungen des Versicherungsträgers gemäß § 85 Abs. 1 SGB VII i. V. m. § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch eine Entgeltuntergrenze in Gestalt des Mindestjahresarbeitsverdienstes festgelegt ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2003 a. a. O.). Auch die Beitragserhebung erfolgt nicht nur risikoabhängig, sondern ist in vielfältiger Weise durch das Solidaritätsprinzip geprägt. Die spezifische Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbeziehung zwischen den Unternehmen untereinander sowie den Unternehmen und den Versicherten zeigt sich etwa im jährlichen Umlageprinzip und der ggf. jahrzehntelang zu erbringenden Entschädigungsleistungen für u. U. viele Jahre zurückliegende Versicherungsfälle einschließlich derjenigen aus der früheren DDR. Damit liegt ein Solidaritätssystem über viele Stufen hinweg von der solidarischen Zusammenfassung aller zu einem Gewerbezweig gehörenden Unternehmen in einer Gefahrengemeinschaft bis zu dem Lastenausgleich der BGen untereinander vor (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 a. a. O.). Der Senat bleibt in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.11.2003 a. a. O.; Urteil vom 09.05.2006 a. a. O.; Urteil vom 20.03.2007 a. a. O.) bei seiner im Urteil vom 29.09.2005 (L 6 U 4639/03 = HVBG-INFO 2006, Nr. 1, 93-98) vertretenen Auffassung, dass das System der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gegen Artikel 81, 82 EGV verstößt. Die Ausführungen der Klägerin zur Frage der missbräuchlichen Ausnutzung eines Monopols gemäß Artikel 82 EGV greifen schon deshalb nicht, weil die Artikel 81 ff. EGV wie oben dargelegt hier nicht einschlägig sind.

Das System der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland verstößt auch nicht gegen Artikel 49 ff. EGV. Der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen die passive Dienstleistungsfreiheit ist nicht gegeben. Wenn der deutsche Gesetzgeber, wie bereits ausgeführt, ohne Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht eine solidarisch finanzierte staatliche Pflichtversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten einrichten darf, kann die Zwangsmitgliedschaft bei dem Träger dieser Versicherung und damit die Unmöglichkeit, sich einen Versicherungsschutz bei einem privaten Unternehmen in einem anderen Mitgliedsstaat der Gemeinschaft zu beschaffen, nicht gleichzeitig gegen den Grundsatz der passiven Dienstleistungsfreiheit verstoßen (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2003 a. a. O.).

Von einer Vorlage an den EuGH gemäß Artikel 234 EGV hat der Senat abgesehen. Die streitigen Rechtsfragen zur Auslegung der Artikel 49 ff. und Artikel 81 ff. sind durch den EuGH bereits geklärt.

Die Bestimmungen des SGB VII über die Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung stehen auch im Einklang mit dem GG. Sie verletzen keine Grundrechte der Klägerin und sind insbesondere mit Artikel 2 Abs. 1, Artikel 12 Abs. 1 und Artikel 14 Abs. 1 GG vereinbar, wie das BVerfG zu vergleichbaren Systemen in anderen Zweigen der Sozialversicherung entschieden hat (vgl. BSG, Urteile vom 11.11.2003 und 09.05.2006 a. a. O. m. w. N.). Die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung wird auch in der Entscheidung des BVerfG vom 03.07.2007 (1 BvR 1696/03) vorausgesetzt. Lediglich ergänzend führt der Senat in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Einwände der Klägerin gegen die Monopolstruktur der BGen aus, dass vor allem der Versicherungsschutz gegen Berufskrankheiten wohl kaum privatrechtlich organisiert werden kann, weil in diesem Bereich auf Grund des Erkenntnisfortschritts in Medizin, Naturwissenschaften und Technik die Leistungsansprüche der Versicherten kontinuierlich erweitert werden (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 a. a. O. m. w. N.). Im Übrigen besteht entgegen der Auffassung der Klägerin ein enger Zusammenhang zwischen Prävention und den Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, worauf die Beklagte zutreffend u.a. unter Bezugnahme auf § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung hingewiesen hat, wenn sowohl der Entschädigungsbereich als auch die Präventionsexperten gleichzeitig mit einer Berufskrankheit befasst sind. Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme wird durch die Einrichtung der gesetzlichen Unfallversicherung nicht überschritten (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.2003 a. a. O.).

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Streitwert wird in Abänderung des Beschlusses vom 15.10.2007 endgültig auf 28.487,42 EUR festgesetzt. Gemäß § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Beim Streit um wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis und um andere wiederkehrende Leistungen ist der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung für den Streitwert maßgebend (§ 42 Abs. 3 GKG). Bei einem Streit um die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung orientiert sich der Streitwert an der zu erwartenden Beitragsbelastung des Unternehmers (vgl. BSG, Beschluss vom 03.05.2006, B 2 U 415/05 B = SozR 4-1920 § 52 Nr. 4), wobei nach § 42 Abs. 3 GKG eine Begrenzung auf den dreifachen Jahresbetrag anzunehmen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 28.02.2006, B 2 U 31/05 R = SozR 4-1920 § 52 Nr. 3). Der Senat hält unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin die Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft nur für die Risiken von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten begehrt, einen Abschlag von 20 % der Beitragslast für angemessen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2007 – L 9 U 5363/05). Daraus ergibt sich unter Zugrundelegung des dreifachen Jahresbetrages von 35.609,28 EUR der Streitwert von 28.487,42 EUR.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind mittlerweile durch die Rechtsprechung des BSG geklärt.
Rechtskraft
Aus
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