Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 862/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3829/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Mai 2007 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 8. Februar 2006 und 9. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 23. Mai 2006 und 12. Januar 2007 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 31. Dezember 2005 bis 29. August 2008 Arbeitslosengeld nach einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 173,20 EUR zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bemessung des Arbeitslosengeldes für die Zeit ab 31.12.2005 streitig.
Der 1946 geborene Kläger ist verheiratet; das jüngste Kind ist 1969 geboren. Der Kläger war ab 01.10.2000 als Vertriebsingenieur bei der Firma T. I., Zweigniederlassung Deutschland, versicherungspflichtig beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug in den Jahren 2004 und 2005 mehr als 5.900 EUR; auf die vom Arbeitgeber unterschriebene Arbeitsbescheinigung vom 18.11.2005 wird verwiesen (Bl. 10/11 der Verwaltungsakte der Beklagten). Auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2005 waren die Steuerklasse III, aber kein Kinderfreibetrag eingetragen. Mit Schreiben vom 19.09.2005 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.12.2005. Die Kündigung wurde mit einem anhaltenden, krankheitsbedingten Abfall der Leistungsfähigkeit des Klägers nach einem im April 2004 erlittenen Herzinfarkt begründet.
In einer Erklärung vom 05.10.2005 teilte der Kläger der Agentur für Arbeit (AA) mit, er wolle Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beziehen. Altersrente ohne Rentenminderung könne er frühestens ab November 2011 beziehen, frühester Rentenbeginn mit Abschlag sei der 01.11.2009. Bei einem Telefongespräch mit einem Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit Ü. am 18.11.2005 wurde der Kläger darüber informiert, dass in seinem Fall § 428 SGB III nicht mehr angewandt werden könne, da der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) erst am 01.01.2006 eintrete. Dem Kläger wurde geraten, sich vom behandelnden Arzt bestätigen zu lassen, dass er seine Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen wegen eines Herzinfarktes nicht mehr ausüben könne. In diesem Falle könnten ohne Rechtsfolgen eine Kündigung, ein Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung zum 30.12.2005 erfolgen. Daraufhin schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin am 23.11.2005 einen "Aufhebungsvertrag zur Kündigung vom 19.09.2005." Danach endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.12.2005 (§ 1). Der Kläger erhält eine Abfindung in Höhe von 40.000,00 EUR (§ 3) und wird mit Wirkung zum 01.12.2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung ggf. noch zustehenden Urlaubs- und eventueller zusätzlicher Freizeitansprüche unwiderruflich freigestellt (§ 4). Zu Beginn der Freistellung am 01.12.2005 waren die Abrechnungszeiträume von November 2004 bis Oktober 2005 abgerechnet. Das Arbeitsentgelt (einschließlich Einmalzahlungen) betrug in diesem Zeitraum insgesamt 77.701,00 EUR.
Am 25.11.2005 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 31.12.2005 arbeitslos. Er legte die ärztliche Bescheinigung des Privatdozenten Dr. K. vom 18.11.2005 vor. Darin wurde ihm aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes empfohlen, seine momentan ausgeübte berufliche Tätigkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden. Ferner legte der Kläger einen Aufhebungsvertrag vom 23.11.2005 vor.
Mit Bescheid vom 22.12.2005 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 31.12.2005 Alg nach einem Bemessungsentgelt von 170,60 EUR in Höhe von täglich 62,51 EUR mit einer Anspruchsdauer von 900 Tagen. Rechtsbehelfe gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt. Mit Änderungsbescheid vom 29.12.2005 wurde die Anspruchsdauer auf 960 Kalendertage verlängert. Auch gegen diesen Bescheid wurden Rechtsbehelfe nicht eingelegt.
Am 06.02.2006 teilte der Kläger der AA telefonisch mit, dass zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Firma auch der Monat November 2005 abgerechnet gewesen sei. Daraufhin ergingen die Änderungsbescheide vom 08.02.2006 und 09.02.2006, mit denen für die Zeit ab 31.12.2005 - bei unveränderter Dauer des Anspruchs - unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 171,01 EUR der tägliche Leistungsbetrag auf 62,63 EUR festgesetzt wurde. Der Bemessungsrahmen umfasse die Zeit vom 31.12.2004 bis 30.12.2005 und das beitragspflichtige Arbeitsentgelt betrage 67.550,00 EUR (1 - 5.150,00 EUR + 12 - 5.200,00 EUR).
Dagegen erhob der Kläger am 17.02.2006 Widerspruch und machte geltend, maßgeblich für das Bemessungsentgelt sei der im Bemessungszeitraum Januar bis Dezember 2005 erzielte Bruttoverdienst bis zur Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2005 (12 x 5.200,00 EUR = 62.400,00 EUR). Aus dem so ermittelten Bemessungsentgelt von 173,33 EUR resultiere ein Leistungsentgelt von 105,71 EUR und ein Leistungssatz von täglich 63,42 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2006 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltzeiträume vom 01.12.2004 bis 30.12.2005. Dies seien die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den Bemessungsrahmen, welcher die Zeit vom 31.12.2004 bis 30.12.2005 umfasse, fielen. Im Bemessungszeitraum habe der Kläger in 395 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 67.550,00 EUR (ein Monat zu 5.150,00 EUR und zwölf Monate zu je 5.200,00 EUR) erzielt. Hieraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 171,01 EUR. Entsprechend den Einträgen in der Steuerkarte (Steuerklasse III, Kinderfreibeträge 0) bestehe ein Anspruch auf Alg nach dem allgemeinen Leistungssatz (ohne Kind) in Höhe von täglich 62,63 EUR.
Am 31.03.2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, auf den Hinweis und die Beratung der Beklagten habe er mit seinem Arbeitgeber am 23.11.2005 einen neuen Aufhebungsvertrag zum 30.12.2005 geschlossen. Zuvor sei ihm auf den 31.12.2005 gekündigt worden. Er habe im Jahr 2005 volle zwölf Monate sein Gehalt bezogen und auch die vollen Beiträge zu den Sozialversicherungen bezahlt. Er habe von anderen vergleichbaren Fällen gehört, in denen das Bemessungsentgelt von 173,33 EUR gewährt worden sei. Ferner sei dies auch so im Internet nachzulesen. Es könne nicht sein, dass ihm zum einen geraten werde, die Kündigung zum 30.12.2005 zu bringen, um in den Genuss der Regelung des § 428 SGB III zu gelangen, und dass er zum anderen jetzt eine finanzielle Einbuße hinnehmen müsse.
Die Beklagte hat ausgeführt, der Kläger sei von seiner Arbeitgeberin zum 01.12.2005 unwiderruflich freigestellt worden, was bedeute, dass Arbeitslosigkeit schon zum 01.12.2005 eingetreten sei. Daher dürfe bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht auf das Arbeitsentgelt der Entgeltabrechnungszeiträume bis einschließlich 31.12.2005 zurückgegriffen werden. Bemessungsrahmen sei vielmehr die Zeit vom 01.12.2004 bis 30.11.2005 und in diesem Zeitraum habe der Kläger ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 62.350,00 EUR (ein Monat zu 5.150,00 EUR und elf Monate zu je 5.200,00 EUR) erzielt. Daraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 170,82 EUR und ein Leistungssatz von täglich 62,59 EUR. Gezahlt worden sei jedoch Alg in Höhe von täglich 62,63 EUR. Bis einschließlich 30.12.2005 bestehe kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld. Bis dahin ruhe der Leistungsanspruch wegen Fortzahlung des Arbeitsentgelts.
Mit Bescheid vom 23.05.2006 bewilligte die Beklagte Alg für die Zeit vom 01.05.2006 bis 29.08.2008 in Höhe von täglich 62,63 EUR weiter.
Nach Anhörung des Klägers erging der "Teil-Rücknahme-Bescheid" vom 15.01.2007, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 22.01.2007 in Höhe von täglich 0,04 EUR zurücknahm. Alg stehe nur in Höhe von täglich 62,59 EUR zu.
Mit Urteil vom 30.05.2007 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Klage, die sich nicht nur gegen die Bewilligungsbescheide vom 08. und 09.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2006 richte, sondern auch gegen den Bewilligungsbescheid vom 23.05.2006 und den "Teil-Rücknahme-Bescheid" vom 15.01.2007, sei nicht begründet. Dem Kläger stehe Alg nicht einmal in der ursprünglich bewilligten Höhe von täglich 62,63 EUR zu, sondern lediglich in Höhe von täglich 62,59 EUR. Die Korrektur der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung mit Wirkung für die Zukunft (ab 22.01.2007) sei nicht zu beanstanden. Da das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers wegen der unwiderruflichen Freistellung zum 01.12.2005 mit Ablauf des 30.11.2005 geendet habe, sei der maßgebliche Bemessungsrahmen die Zeit vom 01.12.2004 bis 30.11.2005. In diesem Bemessungszeitraum habe der Kläger ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 62.350,00 EUR (ein Monat zu 5.150,00 EUR und elf Monate zu 5.200,00 EUR) erzielt. Nach der Berechnungsvorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III, wonach Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt sei, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe, ergebe sich hieraus ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 170,82 EUR (62.350,00 EUR dividiert durch 365 Tage). Aus dem Bemessungsentgelt von 170,82 EUR ergebe sich nach der Berechnungsvorschrift des § 133 Abs. 1 und 2 SGB III wiederum ein Leistungsentgelt von täglich 104,31 EUR (Sozialversicherungspauschale: 35,87 EUR; Lohnsteuer: 29.05 EUR; Solidaritätszuschlag: 1,59 EUR). Der für den Kläger geltende allgemeine Leistungssatz von 60% des Leistungsentgelts gemäß § 129 Ziffer 2 SGB III betrage somit - wie von der Beklagten richtig berechnet - täglich 62,63 EUR (richtig: 62,59 EUR). Mehr stehe dem Kläger nicht zu.
Gegen das dem Kläger am 13.07.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.08.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, das SG habe zur Ermittlung des täglichen Bruttobemessungsentgelts fälschlicherweise nicht das anrechnungsfähige Bruttoeinkommen, sondern die jährliche Beitragsbemessungsgrenze von 62.400 EUR für 2005 durch 365 geteilt. Richtig sei bei Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze der Höchstbetrag des täglichen Brutto-Bemessungsentgelts von 173,33 EUR. Hierzu füge er die entsprechenden Auszüge aus dem Internet bei. Das durchschnittliche tägliche Bruttobemessungsentgelt werde laut § 129 Abs. 2 SGB III aus dem erzielten Bruttoeinkommen im Bemessungszeitraum und nicht aus der Beitragsbemessungsgrenze ermittelt. Des Weiteren sei er nach wie vor der Ansicht, dass der Bemessungszeitraum die Zeit von Januar bis einschließlich Dezember 2005 umfasse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Mai 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 8. Februar 2006 und 9. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 23. Mai 2006 und 12. Januar 2007 zu verurteilen, ihm vom 31. Dezember 2005 bis 29. August 2008 Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von täglich 173,33 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Auffassung des Klägers, es müsse die tägliche Beitragsbemessungsgrenze von 173,33 EUR zugrunde gelegt werden, da das Bruttoentgelt in seinem Fall die Beitragsbemessungsgrenze übersteige, teile sie nicht. Zu berücksichtigen sei vielmehr, dass vom Arbeitsentgelt des Klägers Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze abgeführt worden seien. Dementsprechend könne das Arbeitsentgelt auch nur bis zu dieser Grenze bei der Bemessung berücksichtigt werden. Es bestehe kein Anspruch darauf, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes auf das über der Beitragsbemessungsgrenze liegende Bruttoentgelt zurückzugreifen. Die Bemessung werde vorliegend davon beeinflusst, dass der Bemessungszeitraum im Falle des Klägers die Zeit vom 01.12.2004 bis 30.11.2005 beinhalte und somit zwei verschiedene Kalenderjahre erfasse. Im Kalenderjahr 2004 habe eine Beitragsbemessungsgrenze von 5.150,00 EUR und im Kalenderjahr 2005 eine solche in Höhe von 5.200,00 EUR gegolten. Die angefochtenen Bescheide seien daher nicht zu beanstanden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Konstanz und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung (SGG) statthaft; sie betrifft laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Außerdem ist die Berufung gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist auch zum größten Teil begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 12.01.2007 und 15.01.2007 sind rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Alg für die Zeit vom 31.12.2005 bis 29.08.2008 nach einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 173,20 EUR. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 08.02.2006 und vom 09.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2006 sowie - nach § 96 SGG - auch die Bescheide vom 23.05.2006, 12.01.2007 und 15.01.2007, weil sie die zuvor ergangenen Bescheide teilweise ändern. Der Bescheid vom 15.01.2007 regelt nur die Aufhebung früherer Bewilligungsentscheidungen und ist daher auf die Anfechtungsklage hin aufzuheben, der Bescheid vom 12.01.2007 ist abzuändern und die Beklagte zur Zahlung des höheren Alg zu verurteilen.
Für den Kläger, der kein berücksichtigungsfähiges Kind iSd § 32 Abs. 2 bis 3 Einkommensteuergesetz (EStG) hat, beträgt das Alg nach § 129 Nr. 2 SGB III 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III idF des Art. 1 Nr. 71 Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S. 2848) die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Bemessungsentgelt ist nach § 131 Abs. 1 SGB III (ebenfalls idF des Art. 1 Nr. 71 Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003) das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind
Der einjährige Bemessungsrahmen ist demnach ausgehend vom Endzeitpunkt durch Rückrechnung zu ermitteln. Endzeitpunkt ist der letzte Tag des letzten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs auf Alg. Entstanden ist der Anspruch auf Alg im vorliegenden Fall am 31.12.2005. Der Kläger hat ist zwar bereits am 25.11.2005 persönlich bei der Arbeitsagentur erschienen, er hat sich aber erst mit Wirkung zum 31.12.2005 arbeitslos gemeldet und war deshalb auch während der Zeit der Freistellung ab 01.12.2005 nicht verfügbar und somit nicht arbeitslos. Damit stellt sich die Frage, an welchem Tag vor dem 31.12.2005 das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis geendet hat. Nach § 24 Abs. 4 SGB III endet das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis. Aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden ist der Kläger nicht - wie vom SG und von der Beklagten im Bescheid vom 15.01.2007 angenommen - am 30.11.2005, sondern erst am 30.12.2005. Der Senat ist der Auffassung, dass auch die Zeit vom 01.12. bis 30.12.2005, in der der Kläger einvernehmlich und unwiderruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freigestellt war, noch zum versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gehört. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, die Rechtsfolgen des § 7 Abs. 1a SGB IV, der die Freistellungsphase bei so genannten Arbeitszeitkonten-Modelle regelt, nur dann eintreten zu lassen, wenn das Arbeitsentgelt für Zeit der Freistellung durch "Vorarbeiten" bzw. das Ansammeln eines Wertguthabens vor Beginn der der Freistellungsphase erworben worden ist (Schlegel in Eicher/Schlegel SGB III § 24 Rz 43 - Stand Februar 2006 -). Beantragt deshalb -wie im vorliegenden Fall der Kläger - der Arbeitnehmer das Alg nicht bereits ab Beginn seiner Freistellung, sondern erst für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der Gehaltszahlung, ist er zwar in der Zeit, in der er unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt war, in leistungsrechtlicher Hinsicht beschäftigungslos geworden, aber im Sinne der Tatbestände über die Versicherungs- und Beitragspflicht abhängig Beschäftigter geblieben (Schlegel aaO § 25 Rz 39 - Stand September 2006 -). Der Bemessungsrahmen umfasst daher die Zeit vom 01.12.2004 bis 30.12.2005.
Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III - wie dargelegt - die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Jahreszeitraum umrahmt damit idR den Bemessungszeitraum (Brand in Niesel SGB III 4. Aufl. 2007 § 130 Rz 2). Beginnt jedoch ein berücksichtigungsfähiger Gehaltabrechnungszeitraum vor dem Bemessungsrahmen und reicht er teilweise in diesen hinein, so ist auch dieser Gehaltabrechnungszeitraum in vollem Umfang in den Bemessungszeitraum einzubeziehen, auch wenn schon ohne seine Berücksichtigung die erforderlichen Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt sind. Denn das Gesetz sieht nur die Berücksichtigung von vollen Lohn-, nicht aber von Teilabrechnungszeiträumen vor (BSG 25.01.1996 SozR 3-4100 § 112 Nr 24; SozR 4100 § 111 Nr. 3; Brand aaO). Ausgehend hiervon umfasst der Bemessungszeitraum im konkreten Fall die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01.12.2004 bis 30.12.2005. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens war auch der Monat Dezember 2005 abgerechnet. Dies folgt aus der vom Kläger vorgelegten Gehaltsabrechnung vom 20.12.2005 (Bl. 39 der Verwaltungsakte).
Im Bemessungszeitraum hat der Kläger in 395 Tagen (364 Tage im Jahr 2005 + 31 Tage im Jahr 2004) ein Arbeitsentgelt von mehr als 76.700 EUR erzielt (13-5.900 EUR). Da Bemessungsentgelt aber das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragpflichtige Arbeitsentgelt ist (§ 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III), kann das Arbeitsentgelt nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Die monatliche Beitragsbemessungsgrenze betrug im Jahr 2004 5.150 EUR und im Jahr 2005 5.200 EUR. Daraus errechnet sich für den Bemessungszeitraum ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 67.550,00 EUR (1 Monat zu 5.150 EUR und 12 Monate zu je 5.200 EUR). Sowohl für die Berechnung von Leistungen allgemein (§ 339 Abs. 1 Satz 1 SGB III) als auch für die Berechnung des Arbeitslosengeldes (§ 134 Satz 2 SGB III) sowie auch für die Berechnung der Beiträge (§ 341 Abs. 3 Satz 2 SGB III) ist der Monat zu 30 Tagen anzusetzen. Daher ist das Gesamtentgelt nicht durch die tatsächliche Zahl an Kalendertagen - dies wären 395 Kalendertage - zu teilen, sondern durch 390 Kalendertage - 360 für das Jahr 2005 und 30 für Dezember 2004. Daraus ergibt sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 173,20 EUR.
Soweit sich der Kläger auf einen Beratungsfehler der Beklagten beruft und geltend macht, ohne den nicht zutreffenden Hinweis darauf, dass die Inanspruchnahme des Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III nur noch möglich sei, wenn der Anspruch vor dem 01.01.2006 entstanden ist, wäre im Aufhebungsvertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht schon zum 30.12.2005, sondern erst zum 31.12.2005 vereinbart worden, führt dies auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu keinem anderen Ergebnis. Denn mit Hilfe dieses Anspruchs kann eine Änderung tatsächlicher Gegebenheiten oder vertraglicher Vereinbarungen nicht nachträglich fingiert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, wie der Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis, mit dem nach § 24 Abs. 4 SGB III das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte endet, im Falle einer einvernehmlichen und unwiderruflichen Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge zu bestimmen ist, ebenso grundsätzliche Bedeutung hat wie die Frage, ob bei der Berechnung des Bemessungsentgelts der Monat mit 30 Tagen anzusetzen ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bemessung des Arbeitslosengeldes für die Zeit ab 31.12.2005 streitig.
Der 1946 geborene Kläger ist verheiratet; das jüngste Kind ist 1969 geboren. Der Kläger war ab 01.10.2000 als Vertriebsingenieur bei der Firma T. I., Zweigniederlassung Deutschland, versicherungspflichtig beschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug in den Jahren 2004 und 2005 mehr als 5.900 EUR; auf die vom Arbeitgeber unterschriebene Arbeitsbescheinigung vom 18.11.2005 wird verwiesen (Bl. 10/11 der Verwaltungsakte der Beklagten). Auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2005 waren die Steuerklasse III, aber kein Kinderfreibetrag eingetragen. Mit Schreiben vom 19.09.2005 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.12.2005. Die Kündigung wurde mit einem anhaltenden, krankheitsbedingten Abfall der Leistungsfähigkeit des Klägers nach einem im April 2004 erlittenen Herzinfarkt begründet.
In einer Erklärung vom 05.10.2005 teilte der Kläger der Agentur für Arbeit (AA) mit, er wolle Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beziehen. Altersrente ohne Rentenminderung könne er frühestens ab November 2011 beziehen, frühester Rentenbeginn mit Abschlag sei der 01.11.2009. Bei einem Telefongespräch mit einem Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit Ü. am 18.11.2005 wurde der Kläger darüber informiert, dass in seinem Fall § 428 SGB III nicht mehr angewandt werden könne, da der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) erst am 01.01.2006 eintrete. Dem Kläger wurde geraten, sich vom behandelnden Arzt bestätigen zu lassen, dass er seine Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen wegen eines Herzinfarktes nicht mehr ausüben könne. In diesem Falle könnten ohne Rechtsfolgen eine Kündigung, ein Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung zum 30.12.2005 erfolgen. Daraufhin schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin am 23.11.2005 einen "Aufhebungsvertrag zur Kündigung vom 19.09.2005." Danach endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.12.2005 (§ 1). Der Kläger erhält eine Abfindung in Höhe von 40.000,00 EUR (§ 3) und wird mit Wirkung zum 01.12.2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung ggf. noch zustehenden Urlaubs- und eventueller zusätzlicher Freizeitansprüche unwiderruflich freigestellt (§ 4). Zu Beginn der Freistellung am 01.12.2005 waren die Abrechnungszeiträume von November 2004 bis Oktober 2005 abgerechnet. Das Arbeitsentgelt (einschließlich Einmalzahlungen) betrug in diesem Zeitraum insgesamt 77.701,00 EUR.
Am 25.11.2005 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 31.12.2005 arbeitslos. Er legte die ärztliche Bescheinigung des Privatdozenten Dr. K. vom 18.11.2005 vor. Darin wurde ihm aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes empfohlen, seine momentan ausgeübte berufliche Tätigkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden. Ferner legte der Kläger einen Aufhebungsvertrag vom 23.11.2005 vor.
Mit Bescheid vom 22.12.2005 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 31.12.2005 Alg nach einem Bemessungsentgelt von 170,60 EUR in Höhe von täglich 62,51 EUR mit einer Anspruchsdauer von 900 Tagen. Rechtsbehelfe gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt. Mit Änderungsbescheid vom 29.12.2005 wurde die Anspruchsdauer auf 960 Kalendertage verlängert. Auch gegen diesen Bescheid wurden Rechtsbehelfe nicht eingelegt.
Am 06.02.2006 teilte der Kläger der AA telefonisch mit, dass zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Firma auch der Monat November 2005 abgerechnet gewesen sei. Daraufhin ergingen die Änderungsbescheide vom 08.02.2006 und 09.02.2006, mit denen für die Zeit ab 31.12.2005 - bei unveränderter Dauer des Anspruchs - unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 171,01 EUR der tägliche Leistungsbetrag auf 62,63 EUR festgesetzt wurde. Der Bemessungsrahmen umfasse die Zeit vom 31.12.2004 bis 30.12.2005 und das beitragspflichtige Arbeitsentgelt betrage 67.550,00 EUR (1 - 5.150,00 EUR + 12 - 5.200,00 EUR).
Dagegen erhob der Kläger am 17.02.2006 Widerspruch und machte geltend, maßgeblich für das Bemessungsentgelt sei der im Bemessungszeitraum Januar bis Dezember 2005 erzielte Bruttoverdienst bis zur Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2005 (12 x 5.200,00 EUR = 62.400,00 EUR). Aus dem so ermittelten Bemessungsentgelt von 173,33 EUR resultiere ein Leistungsentgelt von 105,71 EUR und ein Leistungssatz von täglich 63,42 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2006 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltzeiträume vom 01.12.2004 bis 30.12.2005. Dies seien die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den Bemessungsrahmen, welcher die Zeit vom 31.12.2004 bis 30.12.2005 umfasse, fielen. Im Bemessungszeitraum habe der Kläger in 395 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 67.550,00 EUR (ein Monat zu 5.150,00 EUR und zwölf Monate zu je 5.200,00 EUR) erzielt. Hieraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 171,01 EUR. Entsprechend den Einträgen in der Steuerkarte (Steuerklasse III, Kinderfreibeträge 0) bestehe ein Anspruch auf Alg nach dem allgemeinen Leistungssatz (ohne Kind) in Höhe von täglich 62,63 EUR.
Am 31.03.2006 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, auf den Hinweis und die Beratung der Beklagten habe er mit seinem Arbeitgeber am 23.11.2005 einen neuen Aufhebungsvertrag zum 30.12.2005 geschlossen. Zuvor sei ihm auf den 31.12.2005 gekündigt worden. Er habe im Jahr 2005 volle zwölf Monate sein Gehalt bezogen und auch die vollen Beiträge zu den Sozialversicherungen bezahlt. Er habe von anderen vergleichbaren Fällen gehört, in denen das Bemessungsentgelt von 173,33 EUR gewährt worden sei. Ferner sei dies auch so im Internet nachzulesen. Es könne nicht sein, dass ihm zum einen geraten werde, die Kündigung zum 30.12.2005 zu bringen, um in den Genuss der Regelung des § 428 SGB III zu gelangen, und dass er zum anderen jetzt eine finanzielle Einbuße hinnehmen müsse.
Die Beklagte hat ausgeführt, der Kläger sei von seiner Arbeitgeberin zum 01.12.2005 unwiderruflich freigestellt worden, was bedeute, dass Arbeitslosigkeit schon zum 01.12.2005 eingetreten sei. Daher dürfe bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes nicht auf das Arbeitsentgelt der Entgeltabrechnungszeiträume bis einschließlich 31.12.2005 zurückgegriffen werden. Bemessungsrahmen sei vielmehr die Zeit vom 01.12.2004 bis 30.11.2005 und in diesem Zeitraum habe der Kläger ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 62.350,00 EUR (ein Monat zu 5.150,00 EUR und elf Monate zu je 5.200,00 EUR) erzielt. Daraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 170,82 EUR und ein Leistungssatz von täglich 62,59 EUR. Gezahlt worden sei jedoch Alg in Höhe von täglich 62,63 EUR. Bis einschließlich 30.12.2005 bestehe kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld. Bis dahin ruhe der Leistungsanspruch wegen Fortzahlung des Arbeitsentgelts.
Mit Bescheid vom 23.05.2006 bewilligte die Beklagte Alg für die Zeit vom 01.05.2006 bis 29.08.2008 in Höhe von täglich 62,63 EUR weiter.
Nach Anhörung des Klägers erging der "Teil-Rücknahme-Bescheid" vom 15.01.2007, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 22.01.2007 in Höhe von täglich 0,04 EUR zurücknahm. Alg stehe nur in Höhe von täglich 62,59 EUR zu.
Mit Urteil vom 30.05.2007 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Klage, die sich nicht nur gegen die Bewilligungsbescheide vom 08. und 09.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2006 richte, sondern auch gegen den Bewilligungsbescheid vom 23.05.2006 und den "Teil-Rücknahme-Bescheid" vom 15.01.2007, sei nicht begründet. Dem Kläger stehe Alg nicht einmal in der ursprünglich bewilligten Höhe von täglich 62,63 EUR zu, sondern lediglich in Höhe von täglich 62,59 EUR. Die Korrektur der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung mit Wirkung für die Zukunft (ab 22.01.2007) sei nicht zu beanstanden. Da das Versicherungspflichtverhältnis des Klägers wegen der unwiderruflichen Freistellung zum 01.12.2005 mit Ablauf des 30.11.2005 geendet habe, sei der maßgebliche Bemessungsrahmen die Zeit vom 01.12.2004 bis 30.11.2005. In diesem Bemessungszeitraum habe der Kläger ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 62.350,00 EUR (ein Monat zu 5.150,00 EUR und elf Monate zu 5.200,00 EUR) erzielt. Nach der Berechnungsvorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III, wonach Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt sei, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe, ergebe sich hieraus ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 170,82 EUR (62.350,00 EUR dividiert durch 365 Tage). Aus dem Bemessungsentgelt von 170,82 EUR ergebe sich nach der Berechnungsvorschrift des § 133 Abs. 1 und 2 SGB III wiederum ein Leistungsentgelt von täglich 104,31 EUR (Sozialversicherungspauschale: 35,87 EUR; Lohnsteuer: 29.05 EUR; Solidaritätszuschlag: 1,59 EUR). Der für den Kläger geltende allgemeine Leistungssatz von 60% des Leistungsentgelts gemäß § 129 Ziffer 2 SGB III betrage somit - wie von der Beklagten richtig berechnet - täglich 62,63 EUR (richtig: 62,59 EUR). Mehr stehe dem Kläger nicht zu.
Gegen das dem Kläger am 13.07.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.08.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, das SG habe zur Ermittlung des täglichen Bruttobemessungsentgelts fälschlicherweise nicht das anrechnungsfähige Bruttoeinkommen, sondern die jährliche Beitragsbemessungsgrenze von 62.400 EUR für 2005 durch 365 geteilt. Richtig sei bei Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze der Höchstbetrag des täglichen Brutto-Bemessungsentgelts von 173,33 EUR. Hierzu füge er die entsprechenden Auszüge aus dem Internet bei. Das durchschnittliche tägliche Bruttobemessungsentgelt werde laut § 129 Abs. 2 SGB III aus dem erzielten Bruttoeinkommen im Bemessungszeitraum und nicht aus der Beitragsbemessungsgrenze ermittelt. Des Weiteren sei er nach wie vor der Ansicht, dass der Bemessungszeitraum die Zeit von Januar bis einschließlich Dezember 2005 umfasse.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. Mai 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 8. Februar 2006 und 9. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 23. Mai 2006 und 12. Januar 2007 zu verurteilen, ihm vom 31. Dezember 2005 bis 29. August 2008 Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt von täglich 173,33 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Auffassung des Klägers, es müsse die tägliche Beitragsbemessungsgrenze von 173,33 EUR zugrunde gelegt werden, da das Bruttoentgelt in seinem Fall die Beitragsbemessungsgrenze übersteige, teile sie nicht. Zu berücksichtigen sei vielmehr, dass vom Arbeitsentgelt des Klägers Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze abgeführt worden seien. Dementsprechend könne das Arbeitsentgelt auch nur bis zu dieser Grenze bei der Bemessung berücksichtigt werden. Es bestehe kein Anspruch darauf, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes auf das über der Beitragsbemessungsgrenze liegende Bruttoentgelt zurückzugreifen. Die Bemessung werde vorliegend davon beeinflusst, dass der Bemessungszeitraum im Falle des Klägers die Zeit vom 01.12.2004 bis 30.11.2005 beinhalte und somit zwei verschiedene Kalenderjahre erfasse. Im Kalenderjahr 2004 habe eine Beitragsbemessungsgrenze von 5.150,00 EUR und im Kalenderjahr 2005 eine solche in Höhe von 5.200,00 EUR gegolten. Die angefochtenen Bescheide seien daher nicht zu beanstanden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Konstanz und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung (SGG) statthaft; sie betrifft laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Außerdem ist die Berufung gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist auch zum größten Teil begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 12.01.2007 und 15.01.2007 sind rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Alg für die Zeit vom 31.12.2005 bis 29.08.2008 nach einem täglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 173,20 EUR. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 08.02.2006 und vom 09.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2006 sowie - nach § 96 SGG - auch die Bescheide vom 23.05.2006, 12.01.2007 und 15.01.2007, weil sie die zuvor ergangenen Bescheide teilweise ändern. Der Bescheid vom 15.01.2007 regelt nur die Aufhebung früherer Bewilligungsentscheidungen und ist daher auf die Anfechtungsklage hin aufzuheben, der Bescheid vom 12.01.2007 ist abzuändern und die Beklagte zur Zahlung des höheren Alg zu verurteilen.
Für den Kläger, der kein berücksichtigungsfähiges Kind iSd § 32 Abs. 2 bis 3 Einkommensteuergesetz (EStG) hat, beträgt das Alg nach § 129 Nr. 2 SGB III 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III idF des Art. 1 Nr. 71 Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I S. 2848) die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Bemessungsentgelt ist nach § 131 Abs. 1 SGB III (ebenfalls idF des Art. 1 Nr. 71 Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003) das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind
Der einjährige Bemessungsrahmen ist demnach ausgehend vom Endzeitpunkt durch Rückrechnung zu ermitteln. Endzeitpunkt ist der letzte Tag des letzten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs auf Alg. Entstanden ist der Anspruch auf Alg im vorliegenden Fall am 31.12.2005. Der Kläger hat ist zwar bereits am 25.11.2005 persönlich bei der Arbeitsagentur erschienen, er hat sich aber erst mit Wirkung zum 31.12.2005 arbeitslos gemeldet und war deshalb auch während der Zeit der Freistellung ab 01.12.2005 nicht verfügbar und somit nicht arbeitslos. Damit stellt sich die Frage, an welchem Tag vor dem 31.12.2005 das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis geendet hat. Nach § 24 Abs. 4 SGB III endet das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis. Aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden ist der Kläger nicht - wie vom SG und von der Beklagten im Bescheid vom 15.01.2007 angenommen - am 30.11.2005, sondern erst am 30.12.2005. Der Senat ist der Auffassung, dass auch die Zeit vom 01.12. bis 30.12.2005, in der der Kläger einvernehmlich und unwiderruflich unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freigestellt war, noch zum versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gehört. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, die Rechtsfolgen des § 7 Abs. 1a SGB IV, der die Freistellungsphase bei so genannten Arbeitszeitkonten-Modelle regelt, nur dann eintreten zu lassen, wenn das Arbeitsentgelt für Zeit der Freistellung durch "Vorarbeiten" bzw. das Ansammeln eines Wertguthabens vor Beginn der der Freistellungsphase erworben worden ist (Schlegel in Eicher/Schlegel SGB III § 24 Rz 43 - Stand Februar 2006 -). Beantragt deshalb -wie im vorliegenden Fall der Kläger - der Arbeitnehmer das Alg nicht bereits ab Beginn seiner Freistellung, sondern erst für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der Gehaltszahlung, ist er zwar in der Zeit, in der er unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt war, in leistungsrechtlicher Hinsicht beschäftigungslos geworden, aber im Sinne der Tatbestände über die Versicherungs- und Beitragspflicht abhängig Beschäftigter geblieben (Schlegel aaO § 25 Rz 39 - Stand September 2006 -). Der Bemessungsrahmen umfasst daher die Zeit vom 01.12.2004 bis 30.12.2005.
Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III - wie dargelegt - die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Jahreszeitraum umrahmt damit idR den Bemessungszeitraum (Brand in Niesel SGB III 4. Aufl. 2007 § 130 Rz 2). Beginnt jedoch ein berücksichtigungsfähiger Gehaltabrechnungszeitraum vor dem Bemessungsrahmen und reicht er teilweise in diesen hinein, so ist auch dieser Gehaltabrechnungszeitraum in vollem Umfang in den Bemessungszeitraum einzubeziehen, auch wenn schon ohne seine Berücksichtigung die erforderlichen Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt sind. Denn das Gesetz sieht nur die Berücksichtigung von vollen Lohn-, nicht aber von Teilabrechnungszeiträumen vor (BSG 25.01.1996 SozR 3-4100 § 112 Nr 24; SozR 4100 § 111 Nr. 3; Brand aaO). Ausgehend hiervon umfasst der Bemessungszeitraum im konkreten Fall die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01.12.2004 bis 30.12.2005. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens war auch der Monat Dezember 2005 abgerechnet. Dies folgt aus der vom Kläger vorgelegten Gehaltsabrechnung vom 20.12.2005 (Bl. 39 der Verwaltungsakte).
Im Bemessungszeitraum hat der Kläger in 395 Tagen (364 Tage im Jahr 2005 + 31 Tage im Jahr 2004) ein Arbeitsentgelt von mehr als 76.700 EUR erzielt (13-5.900 EUR). Da Bemessungsentgelt aber das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragpflichtige Arbeitsentgelt ist (§ 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III), kann das Arbeitsentgelt nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Die monatliche Beitragsbemessungsgrenze betrug im Jahr 2004 5.150 EUR und im Jahr 2005 5.200 EUR. Daraus errechnet sich für den Bemessungszeitraum ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 67.550,00 EUR (1 Monat zu 5.150 EUR und 12 Monate zu je 5.200 EUR). Sowohl für die Berechnung von Leistungen allgemein (§ 339 Abs. 1 Satz 1 SGB III) als auch für die Berechnung des Arbeitslosengeldes (§ 134 Satz 2 SGB III) sowie auch für die Berechnung der Beiträge (§ 341 Abs. 3 Satz 2 SGB III) ist der Monat zu 30 Tagen anzusetzen. Daher ist das Gesamtentgelt nicht durch die tatsächliche Zahl an Kalendertagen - dies wären 395 Kalendertage - zu teilen, sondern durch 390 Kalendertage - 360 für das Jahr 2005 und 30 für Dezember 2004. Daraus ergibt sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 173,20 EUR.
Soweit sich der Kläger auf einen Beratungsfehler der Beklagten beruft und geltend macht, ohne den nicht zutreffenden Hinweis darauf, dass die Inanspruchnahme des Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III nur noch möglich sei, wenn der Anspruch vor dem 01.01.2006 entstanden ist, wäre im Aufhebungsvertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht schon zum 30.12.2005, sondern erst zum 31.12.2005 vereinbart worden, führt dies auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu keinem anderen Ergebnis. Denn mit Hilfe dieses Anspruchs kann eine Änderung tatsächlicher Gegebenheiten oder vertraglicher Vereinbarungen nicht nachträglich fingiert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, wie der Tag des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis, mit dem nach § 24 Abs. 4 SGB III das Versicherungspflichtverhältnis für Beschäftigte endet, im Falle einer einvernehmlichen und unwiderruflichen Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge zu bestimmen ist, ebenso grundsätzliche Bedeutung hat wie die Frage, ob bei der Berechnung des Bemessungsentgelts der Monat mit 30 Tagen anzusetzen ist.
Rechtskraft
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