Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 2980/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 694/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Eigenheimzulage, welche für die Finanzierung einer selbstgenutzten und nicht als Vermögen zu berücksichtigenden Immobilie verwendet wird, ist unabhängig von der Art der Einbindung der Eigenheimzulage in die Finanzierung und auch unabhängig davon, ob sie überhaupt voll für die Finanzierung verwendet wird, nicht auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen, sofern jedenfalls durch eine vorzeitige Tilgungsvereinbarung die Einbindung der vollständigen Eigenheimzulage in die Finanzierung jederzeit möglich wäre.
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.12.2007 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf die Anrechenbarkeit einer den Klägern gewährten Eigenheimzulage im Streit.
Die Kläger zu Ziffer 1. und 2. sind miteinander verheiratet und bewohnen mit zehn ihrer Kinder, den zwischen 1987 und 2003 geborenen weiteren Klägern zu Ziff. 3 bis Ziff. 12, ein seit November 2002 bezugsfertiges eigenes Haus mit einer Grundfläche von 200 Quadratmetern. Das älteste Kind der Kläger zu Ziff. 1 und 2, ihre 1985 geborene Tochter M., ist bereits ausgezogen. Der Kläger zu Ziffer 1. ist am 29.09.1943 geboren und bezieht eine Unterhaltsrente in Höhe von derzeit 649,06 EUR. Die am 09.08.1958 geborene Klägerin zu Ziffer 2. hat aus nicht selbständiger Tätigkeit ein monatliches Bruttoeinkommen von 400 EUR. Außerdem beziehen die Kläger zu Ziffer 1. und 2. derzeit ein monatliches Kindergeld in Höhe von 1715 EUR.
Aufgrund Fortzahlungsantrags vom 01.05.2006 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 15.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2006 in Höhe von 394,61 EUR für Mai 2006, 440,61 EUR für Juni 2006 und 532,61 EUR monatlich für Juli bis Oktober 2006. Auf den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 3137,78 EUR rechnete die Beklagte unter anderem eine Eigenheimzulage in Höhe von monatlich 639,17 EUR an.
Die Kläger haben am 07.08.2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zu Unrecht rechne die Beklagte die den Klägern gewährte Eigenheimzulage in Höhe von 7.670,04 EUR als Einkommen an. Die Eigenheimzulage sei nach § 1 Abs. 1 Ziffer 7 der Alg II-Verordnung kein berücksichtigungsfähiges Vermögen, wenn dieses nachweislich zur Finanzierung eines nicht als Vermögen zu berücksichtigenden Hausgrundstückes verwendet werde. Das Hausgrundstück der Kläger könne deswegen nicht als Vermögen berücksichtigt werden, da es für den Wohnbedarf der großen Familie angemessen sei. Zur Erbringung der Zins- und Tilgungsleistungen seien die Kläger auf die Eigenheimzulage angewiesen. Auch müssten noch einige Restarbeiten an dem Hausgrundstück durchgeführt werden. Sämtliche Ansprüche auf die Auszahlung der Eigenheimzulage seien außerdem an die Bank, S. für B.-W., abgetreten.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 17.12.2007 unter Abänderung des Bescheides vom 15.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 verurteilt, den Klägern höhere Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der bezogenen Eigenheimzulage zu gewähren. Die Eigenheimzulage falle insgesamt nicht unter das als Einkommen zu berücksichtigende Vermögen im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Zweckbestimmte Einnahmen seien nach dieser Vorschrift Einnahmen, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienten und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussten, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt seien (unter Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.05.2007 - L 12 AS 32/06 - m.w.N.). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise die Kammer auf die Ausführungen in den genannten Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen und mache sich dessen rechtliche Auffassung zu eigen. Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 06.02.2008 zugestellt.
Die Beklagte hat am 12.02.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Unstreitig sei, dass die Eigenheimzulage anrechnungsfrei zu bleiben habe, wenn diese an den Finanzierungsgeber abgetreten sei und daher nicht zur Verfügung stehe. Tatsächlich erhalte der Kläger für sich und seine Bedarfsgemeinschaft eine Eigenheimzulage von jährlich 10.993 EUR (Bl. 116 der Verwaltungsakte) ausgezahlt. Nachweislich zur Finanzierung der Kredite sei jedoch lediglich ein jährlicher Betrag von 3.323 EUR an die Bank abgetreten, und auf die Tochter M., die volljährig und mittlerweile ausgezogen sei, weswegen sie keine Leistungen nach dem SGB II beziehe, entfalle ein Baukindergeld von 767 EUR (jährlich). Das Baukindergeld der ältesten Tochter M. bleibe anrechnungsfrei, ebenso die abgetretene Summe in Höhe von 3.323 EUR, mithin ein Betrag von insgesamt 4.090 EUR. Demnach würde aber zur freien Disposition auf das Konto der Kläger noch der Restbetrag von 6.903 EUR an Eigenheimzulage überwiesen, der zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehe. Dabei sei es nach Ansicht der Beklagten unerheblich, ob unter anderem mit diesem Geld auch Tilgungszahlungen für das Eigenheim erfolgten, denn auch in anders gelagerten Fällen seien Tilgungszahlungen zum Erwerb von Wohneigentum kein anzuerkennender Bedarf im Rahmen der Gewährung von Unterkunftskosten nach § 22 SGB II.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.12.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger halten die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, weil die den Klägern gewährte Eigenheimzulage nicht auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II anzurechnen ist. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Das SG ist in der Sache (allerdings nicht nach dem Rubrum seiner Entscheidung) zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger zu Ziff. 1 - 12. als gemeinsame Kläger gegen die streitgegenständlichen Bescheide anzusehen sind. Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II, für die der Kläger zu 1. nach § 38 SGB II die Berechtigung besitzt, Leistungen zu verlangen. Im Hinblick auf die besonderen Probleme, die mit der Bedarfsgemeinschaft des SGB II verbunden sind, ist hinsichtlich der subjektiven Klagehäufung eine großzügige Auslegung für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 erforderlich. Für eine gesetzliche Prozessstandschaft ist kein Raum und bei den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht um Gesamtgläubiger iS des § 428 BGB, weil sie nicht berechtigt sind, als Gläubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu verlangen; vielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eigener Ansprüche. Unhaltbar ist auch die Annahme einer Prozessstandschaft in Verbindung mit einer Gesamtgläubigerschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -). Für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 sind daher Anträge im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie Urteile, die eine Bedarfsgemeinschaft betreffen, großzügig auszulegen; im Zweifel ist von Anträgen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder, vertreten durch eines der Mitglieder, und von Entscheidungen über die Ansprüche aller Mitglieder auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -). Vorliegend liegt der streitgegenständliche Zeitraum noch gänzlich vor dem genannten Stichtag, weswegen von Amts wegen nach Auslegung des klägerischen Begehrens das Rubrum wie oben aufgeführt zu berichtigen war.
Streitgegenstand ist vorliegend allein die Höhe von Leistungen für den Zeitraum vom 01.05. bis 31.10.2006. Denn eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Wurden die Leistungen jedoch ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt, ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R -). Bescheide über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für Folgezeiträume werden daher - anders als im Arbeitsförderungsrecht - regelmäßig nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG Gegenstand bereits laufender Klageverfahren (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -).
Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Nachdem der Verordnungsgeber durch die Neufassung von § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V ausdrücklich klargestellt hat, dass die Eigenheimzulage eine zweckbestimmte Einnahme ist, die nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II grundsätzlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist, ist es aus den vom SG genannten Gründen nicht angängig, diesen gesetzgeberischen Willen dadurch zu umgehen, dass die Eigenheimzulage aufgrund der Modalitäten der Einbindung der Eigenheimzulage in die Immobilienfinanzierung im Einzelfall für bestimmte Fälle außer Kraft zu setzen. Nach der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers über die Nichtanrechnung verbleibt kein Raum für die Bildung von Fallgruppen, in denen die Eigenheimzulage für eine angemessene selbstgenutzte Immobilie doch anzurechnen ist (vgl. das Urteil des Senats vom 30.05.2008 - L 12 AS 1993/07 -).
Darauf, dass mit der anrechnungsfreien Eigenheimzulage Eigentum gebildet wird, was durch die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose nach dem SGB II nicht unterstützt werden soll, kommt es nach der Neuregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V nicht mehr an.
Eine Ungleichbehandlung mit Mietern sieht der Senat im Übrigen hierdurch nicht, denn mit der (angemessenen) Miete bildet dieser gegebenenfalls Eigentum beim Vermieter. Dies dürfte nach Ansicht der Beklagten wohl noch weniger aus Grundsicherungsleistungen erfolgen. Es hat also bei der Entscheidung des Gesetz- und Verordnungsgebers zu verbleiben, die Eigenheimzulage anrechnungsfrei zu lassen (vgl. das Urteil des Senats vom 17.03.2008 - L 12 AS 3336/07 -).
Die Eigenheimzulage wird auch unstreitig zur Finanzierung einer selbst genutzten Immobilie im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II verwendet, weswegen eine Anrechnung unterbleiben muss (so auch Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 01.11.2007 - L 10 AS 55/06 -; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 09.05.2007 - L 12 AS 32/06 - und vom 04.10.2006 - L 12 AS 8/05 -; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.06.2006 - L 2 B 78/06 AS ER -; Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 09.05.2006 - L 9 AS 2/05 -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -; Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 07.07.2005 - L 5 B 116/05 ER AS -; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 27.04.2005 - L 8 AS 39/05 ER - und vom 25.04.2005 - L 8 AS 39/05 ER -).
Sofern nach der Rechtsansicht der Beklagten die Eigenheimzulage nicht vollständig für die Finanzierung benötigt wird, ist dies rechtlich unerheblich.
Zwar könnte nach dem Wortlaut der Vorschrift in § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V ("soweit") die Auffassung vertreten werden, insofern sei innerhalb der Eigenheimzulage nach Anteilen, die aktuell für die Finanzierung benutzt werden, zu differenzieren. Dies ist aber bereits nach der Intention des Gesetzgebers der Eigenheimzulage nicht beabsichtigt, da es sich um eine grundsätzliche Entscheidung für die Förderung der Bildung von Wohneigentum nach einem pauschalen Maßstab handelt. Außerdem wäre es für die Kläger ein Leichtes, die Finanzierung der Immobilie an das SGB II "anzupassen", etwa durch die Vereinbarung einer höheren (Sonder-)Tilgung, was nicht im Interesse der genannten Regelungen sein kann.
Unabhängig von dem voranstehend Gesagten hat die Anrechnung auch deswegen zu unterbleiben, weil die Beklagte bei ihrer Argumentation noch gar nicht berücksichtigt hat, dass die Instandhaltungskosten der von den Klägern bewohnten Immobilie erheblich sind und insofern eine Trennung zwischen Kosten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eines angemessenen Zustandes der Immobilie nicht möglich ist.
Die von der Beklagten in anderen Verfahren zitierte Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.04.2007 - L 5 B 149/07 AS-ER), nach der kein Anspruch des Hilfebedürftigen auf Übernahme der die Schuldzinsen übersteigenden Tilgungsraten bestehen soll, weil Leistungen des SGB II nicht der Vermögensbildung dienen, ist vorliegend nicht einschlägig. Dieser - nach summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen - Entscheidung lag neben der anderen Finanzierungssituation der dortigen Antragstellerin insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als die Wohnung der dortigen Antragstellerin anders als im vorliegenden Fall als unangemessen groß im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II beurteilt worden ist; nachdem die dortige Antragsgegnerin dennoch im wesentlichen unterlegen ist, kann der Senat nicht erkennen, inwieweit die zitierte Entscheidung den Rechtsstandpunkt der Beklagten zu stützen vermag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Lage nach dem Gesetz unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln (vgl. zur Nichtzulassung der Revision bei dieser Rechtsfrage auch Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 09.05.2006 - L 9 AS 2/05 -). Das BSG hat im Übrigen bereits in einem obiter dictum darauf hingewiesen, dass die Bewertung der Eigenheimzulage als Einkommen rechtlichen Bedenken unterliegt und die Änderung der Alg II-Verordnung ab 01.10.2005 insoweit nur klarstellende Funktion hatte (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf die Anrechenbarkeit einer den Klägern gewährten Eigenheimzulage im Streit.
Die Kläger zu Ziffer 1. und 2. sind miteinander verheiratet und bewohnen mit zehn ihrer Kinder, den zwischen 1987 und 2003 geborenen weiteren Klägern zu Ziff. 3 bis Ziff. 12, ein seit November 2002 bezugsfertiges eigenes Haus mit einer Grundfläche von 200 Quadratmetern. Das älteste Kind der Kläger zu Ziff. 1 und 2, ihre 1985 geborene Tochter M., ist bereits ausgezogen. Der Kläger zu Ziffer 1. ist am 29.09.1943 geboren und bezieht eine Unterhaltsrente in Höhe von derzeit 649,06 EUR. Die am 09.08.1958 geborene Klägerin zu Ziffer 2. hat aus nicht selbständiger Tätigkeit ein monatliches Bruttoeinkommen von 400 EUR. Außerdem beziehen die Kläger zu Ziffer 1. und 2. derzeit ein monatliches Kindergeld in Höhe von 1715 EUR.
Aufgrund Fortzahlungsantrags vom 01.05.2006 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 15.05.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 für die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2006 in Höhe von 394,61 EUR für Mai 2006, 440,61 EUR für Juni 2006 und 532,61 EUR monatlich für Juli bis Oktober 2006. Auf den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 3137,78 EUR rechnete die Beklagte unter anderem eine Eigenheimzulage in Höhe von monatlich 639,17 EUR an.
Die Kläger haben am 07.08.2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zu Unrecht rechne die Beklagte die den Klägern gewährte Eigenheimzulage in Höhe von 7.670,04 EUR als Einkommen an. Die Eigenheimzulage sei nach § 1 Abs. 1 Ziffer 7 der Alg II-Verordnung kein berücksichtigungsfähiges Vermögen, wenn dieses nachweislich zur Finanzierung eines nicht als Vermögen zu berücksichtigenden Hausgrundstückes verwendet werde. Das Hausgrundstück der Kläger könne deswegen nicht als Vermögen berücksichtigt werden, da es für den Wohnbedarf der großen Familie angemessen sei. Zur Erbringung der Zins- und Tilgungsleistungen seien die Kläger auf die Eigenheimzulage angewiesen. Auch müssten noch einige Restarbeiten an dem Hausgrundstück durchgeführt werden. Sämtliche Ansprüche auf die Auszahlung der Eigenheimzulage seien außerdem an die Bank, S. für B.-W., abgetreten.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 17.12.2007 unter Abänderung des Bescheides vom 15.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2006 verurteilt, den Klägern höhere Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der bezogenen Eigenheimzulage zu gewähren. Die Eigenheimzulage falle insgesamt nicht unter das als Einkommen zu berücksichtigende Vermögen im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Zweckbestimmte Einnahmen seien nach dieser Vorschrift Einnahmen, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienten und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussten, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt seien (unter Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.05.2007 - L 12 AS 32/06 - m.w.N.). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise die Kammer auf die Ausführungen in den genannten Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen und mache sich dessen rechtliche Auffassung zu eigen. Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 06.02.2008 zugestellt.
Die Beklagte hat am 12.02.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Unstreitig sei, dass die Eigenheimzulage anrechnungsfrei zu bleiben habe, wenn diese an den Finanzierungsgeber abgetreten sei und daher nicht zur Verfügung stehe. Tatsächlich erhalte der Kläger für sich und seine Bedarfsgemeinschaft eine Eigenheimzulage von jährlich 10.993 EUR (Bl. 116 der Verwaltungsakte) ausgezahlt. Nachweislich zur Finanzierung der Kredite sei jedoch lediglich ein jährlicher Betrag von 3.323 EUR an die Bank abgetreten, und auf die Tochter M., die volljährig und mittlerweile ausgezogen sei, weswegen sie keine Leistungen nach dem SGB II beziehe, entfalle ein Baukindergeld von 767 EUR (jährlich). Das Baukindergeld der ältesten Tochter M. bleibe anrechnungsfrei, ebenso die abgetretene Summe in Höhe von 3.323 EUR, mithin ein Betrag von insgesamt 4.090 EUR. Demnach würde aber zur freien Disposition auf das Konto der Kläger noch der Restbetrag von 6.903 EUR an Eigenheimzulage überwiesen, der zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehe. Dabei sei es nach Ansicht der Beklagten unerheblich, ob unter anderem mit diesem Geld auch Tilgungszahlungen für das Eigenheim erfolgten, denn auch in anders gelagerten Fällen seien Tilgungszahlungen zum Erwerb von Wohneigentum kein anzuerkennender Bedarf im Rahmen der Gewährung von Unterkunftskosten nach § 22 SGB II.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.12.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger halten die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, weil die den Klägern gewährte Eigenheimzulage nicht auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II anzurechnen ist. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Das SG ist in der Sache (allerdings nicht nach dem Rubrum seiner Entscheidung) zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger zu Ziff. 1 - 12. als gemeinsame Kläger gegen die streitgegenständlichen Bescheide anzusehen sind. Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II, für die der Kläger zu 1. nach § 38 SGB II die Berechtigung besitzt, Leistungen zu verlangen. Im Hinblick auf die besonderen Probleme, die mit der Bedarfsgemeinschaft des SGB II verbunden sind, ist hinsichtlich der subjektiven Klagehäufung eine großzügige Auslegung für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 erforderlich. Für eine gesetzliche Prozessstandschaft ist kein Raum und bei den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht um Gesamtgläubiger iS des § 428 BGB, weil sie nicht berechtigt sind, als Gläubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu verlangen; vielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eigener Ansprüche. Unhaltbar ist auch die Annahme einer Prozessstandschaft in Verbindung mit einer Gesamtgläubigerschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -). Für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 sind daher Anträge im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie Urteile, die eine Bedarfsgemeinschaft betreffen, großzügig auszulegen; im Zweifel ist von Anträgen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder, vertreten durch eines der Mitglieder, und von Entscheidungen über die Ansprüche aller Mitglieder auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -). Vorliegend liegt der streitgegenständliche Zeitraum noch gänzlich vor dem genannten Stichtag, weswegen von Amts wegen nach Auslegung des klägerischen Begehrens das Rubrum wie oben aufgeführt zu berichtigen war.
Streitgegenstand ist vorliegend allein die Höhe von Leistungen für den Zeitraum vom 01.05. bis 31.10.2006. Denn eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Wurden die Leistungen jedoch ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt, ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R -). Bescheide über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für Folgezeiträume werden daher - anders als im Arbeitsförderungsrecht - regelmäßig nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG Gegenstand bereits laufender Klageverfahren (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -).
Das Berufungsvorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Nachdem der Verordnungsgeber durch die Neufassung von § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V ausdrücklich klargestellt hat, dass die Eigenheimzulage eine zweckbestimmte Einnahme ist, die nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II grundsätzlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist, ist es aus den vom SG genannten Gründen nicht angängig, diesen gesetzgeberischen Willen dadurch zu umgehen, dass die Eigenheimzulage aufgrund der Modalitäten der Einbindung der Eigenheimzulage in die Immobilienfinanzierung im Einzelfall für bestimmte Fälle außer Kraft zu setzen. Nach der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers über die Nichtanrechnung verbleibt kein Raum für die Bildung von Fallgruppen, in denen die Eigenheimzulage für eine angemessene selbstgenutzte Immobilie doch anzurechnen ist (vgl. das Urteil des Senats vom 30.05.2008 - L 12 AS 1993/07 -).
Darauf, dass mit der anrechnungsfreien Eigenheimzulage Eigentum gebildet wird, was durch die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose nach dem SGB II nicht unterstützt werden soll, kommt es nach der Neuregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V nicht mehr an.
Eine Ungleichbehandlung mit Mietern sieht der Senat im Übrigen hierdurch nicht, denn mit der (angemessenen) Miete bildet dieser gegebenenfalls Eigentum beim Vermieter. Dies dürfte nach Ansicht der Beklagten wohl noch weniger aus Grundsicherungsleistungen erfolgen. Es hat also bei der Entscheidung des Gesetz- und Verordnungsgebers zu verbleiben, die Eigenheimzulage anrechnungsfrei zu lassen (vgl. das Urteil des Senats vom 17.03.2008 - L 12 AS 3336/07 -).
Die Eigenheimzulage wird auch unstreitig zur Finanzierung einer selbst genutzten Immobilie im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II verwendet, weswegen eine Anrechnung unterbleiben muss (so auch Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 01.11.2007 - L 10 AS 55/06 -; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 09.05.2007 - L 12 AS 32/06 - und vom 04.10.2006 - L 12 AS 8/05 -; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.06.2006 - L 2 B 78/06 AS ER -; Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 09.05.2006 - L 9 AS 2/05 -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B -; Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 07.07.2005 - L 5 B 116/05 ER AS -; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 27.04.2005 - L 8 AS 39/05 ER - und vom 25.04.2005 - L 8 AS 39/05 ER -).
Sofern nach der Rechtsansicht der Beklagten die Eigenheimzulage nicht vollständig für die Finanzierung benötigt wird, ist dies rechtlich unerheblich.
Zwar könnte nach dem Wortlaut der Vorschrift in § 1 Abs. 1 Nr. 7 Alg II-V ("soweit") die Auffassung vertreten werden, insofern sei innerhalb der Eigenheimzulage nach Anteilen, die aktuell für die Finanzierung benutzt werden, zu differenzieren. Dies ist aber bereits nach der Intention des Gesetzgebers der Eigenheimzulage nicht beabsichtigt, da es sich um eine grundsätzliche Entscheidung für die Förderung der Bildung von Wohneigentum nach einem pauschalen Maßstab handelt. Außerdem wäre es für die Kläger ein Leichtes, die Finanzierung der Immobilie an das SGB II "anzupassen", etwa durch die Vereinbarung einer höheren (Sonder-)Tilgung, was nicht im Interesse der genannten Regelungen sein kann.
Unabhängig von dem voranstehend Gesagten hat die Anrechnung auch deswegen zu unterbleiben, weil die Beklagte bei ihrer Argumentation noch gar nicht berücksichtigt hat, dass die Instandhaltungskosten der von den Klägern bewohnten Immobilie erheblich sind und insofern eine Trennung zwischen Kosten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eines angemessenen Zustandes der Immobilie nicht möglich ist.
Die von der Beklagten in anderen Verfahren zitierte Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.04.2007 - L 5 B 149/07 AS-ER), nach der kein Anspruch des Hilfebedürftigen auf Übernahme der die Schuldzinsen übersteigenden Tilgungsraten bestehen soll, weil Leistungen des SGB II nicht der Vermögensbildung dienen, ist vorliegend nicht einschlägig. Dieser - nach summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen - Entscheidung lag neben der anderen Finanzierungssituation der dortigen Antragstellerin insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als die Wohnung der dortigen Antragstellerin anders als im vorliegenden Fall als unangemessen groß im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II beurteilt worden ist; nachdem die dortige Antragsgegnerin dennoch im wesentlichen unterlegen ist, kann der Senat nicht erkennen, inwieweit die zitierte Entscheidung den Rechtsstandpunkt der Beklagten zu stützen vermag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Lage nach dem Gesetz unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln (vgl. zur Nichtzulassung der Revision bei dieser Rechtsfrage auch Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 09.05.2006 - L 9 AS 2/05 -). Das BSG hat im Übrigen bereits in einem obiter dictum darauf hingewiesen, dass die Bewertung der Eigenheimzulage als Einkommen rechtlichen Bedenken unterliegt und die Änderung der Alg II-Verordnung ab 01.10.2005 insoweit nur klarstellende Funktion hatte (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved