L 7 SO 709/08 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 4398/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 709/08 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben worden und auch sonst zulässig. Der Beschwerdewert für den Beklagten liegt unterhalb der Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz ((SGG); in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444)). Gegenstand des sozialgerichtlichen Gerichtsbescheids sind Bescheide des Beklagten, mit denen dieser die Leistungsbewilligung i.H.v. EUR 452,05 aufgehoben hatte. Damit wird die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht; die Entscheidung betrifft keine Leistungen für mehr als Jahr i.S.d. § 144 Abs. 1 S. 2 SGG. Das Sozialgericht (SG) hat im Gerichtsbescheid die Berufung auch nicht zugelassen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung dieser Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde. Wenn also die geltend gemachte Divergenz oder grundsätzliche Bedeutung in diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben ist, weil die divergierende Rechtsprechung mittlerweile aufgegeben oder die bisher ungeklärte Rechtsfrage entschieden ist, wird die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 8. Aufl., § 145 Rdnr. 7b, § 160a Rdnr. 19b). Nichts Anderes gilt, wenn das Landessozialgericht (LSG) seine Rechtsauffassung aufgegeben hat oder ein im Rechtszug übergeordnetes Gericht die Entscheidung aufgehoben hat (Littmann in Hk-SGG, 2. Aufl., § 144 Rdnr. 16; Bundesarbeitsgericht DB 1996, 944).

Der Senat kann offen lassen, ob es an einer Divergenz i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG bereits deshalb fehlt, weil die vom Beklagten angeführte Entscheidung zu dem ab 1. Januar 2005 geltenden Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ergangen war, der Gerichtsbescheid des SG hingegen zu dem bis 31. Dezember 2004 geltenden Grundsicherungsgesetz (GSiG). Zu der Frage der Anrechnung von Krankenhausverpflegung als Einkommen auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der bis 31. Dezember 2007 geltenden Rechts- und Verordnungslage, die auch der Senatsentscheidung vom 19. Juli 2006 zugrunde lag, hat das Bundessozialgericht (BSG) am 18. Juni 2008 (vgl. Terminbericht Nr. 29/08) abweichend und im Sinne des Gerichtsbescheids des SG entschieden: Grundsätzlich lasse das SGB II eine Reduzierung der Regelleistung auf der Grundlage einer individuellen Bedarfsermittlung nicht zu, denn die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes habe pauschalierenden Charakter. Dies schließe sowohl die Berücksichtigung individuell geringerer als auch höherer Bedarfe aus. Ob hieraus zugleich folge, dass die Grundbestandteile der Regelleistung grundsätzlich auch nicht als Einnahmen bedarfsmindernd berücksichtigt werden dürften, sei nicht zu entscheiden gewesen. Denn jedenfalls in der streitigen Zeit habe es für ein solches Vorgehen noch keine Rechtsgrundlage gegeben. Ob der erst ab 1. Januar 2008 geltende § 2 Abs. 2 Alg II-Verordnung, der die Anrechnung von Vollverpflegung als Einkommen regle, eine solche zulässige Rechtsgrundlage darstelle, könne offen bleiben. Diese Entscheidung erging zwar nicht auf die vom Beklagten in Bezug genommene Senatsentscheidung. Der Senat schließt sich jedoch unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung dieser Entscheidung für die bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechtslage an. Der Zulassungsgrund der Divergenz dient der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Einer Zulassung bedarf es daher nicht mehr, wenn die Entscheidung des SG der des BSG entspricht.

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Voraussetzung hierfür wäre, dass die aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Hieran fehlt es jedoch, wenn sie eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift betrifft, sofern nicht eine noch erhebliche Zahl von Fällen noch zu entscheiden ist oder die Rechtsfrage für das neue Recht noch erheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 19 und 58). Letzteres ist nicht gegeben, da – eine dahingehende Übereinstimmung von GSiG und SGB II unterstellt – die Rechtsfrage durch die genannte Entscheidung des BSG geklärt ist. Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, inwieweit die Rechtsfrage seiner Auffassung nach in der Folge des Urteils vom 18. Juni 2008 noch klärungsbedürftig ist. Ebenso wenig hat er konkret dargelegt, dass tatsächlich noch eine erhebliche Anzahl von Fällen von der Klärung dieser Rechtsfrage für das GSiG abhängt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177). Der angefochtene Gerichtsbescheid wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Absatz 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved