L 1 U 10/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2939/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 10/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Dezember 2007 wird zurückgewiesen

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch der Klägerin auf Verletztenrente wegen der am 17. Januar 2002 und 11. April 2002 erlittenen Unfälle.

Die Klägerin ist 1980 geboren und erlitt am 11. April 2002 bei ihrer Tätigkeit als Außendienstmitarbeiterin der A. GmbH einen Unfall, als sie als angeschnallte Fahrerin an einer Ampel auf den vor ihr stehenden Pkw auffuhr (Unfallanzeige vom 13. Juni 2002). Sie erlitt eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) (Durchgangsarztbericht Dr. S. vom 24. April 2002). Am Unfalltag waren als Befund Schmerzen in der HWS und zunehmende Nacken steife bei unauffälligem Röntgenbefund erhoben worden. Ärztliche Behandlungsmaßnahmen wurden nicht veranlasst (Durchgangsarztbericht von Dr. S. vom 30. August 2002 zur Untersuchung am 11. April 2002). Im Durchgangsarztbericht vom 24. April 2002 war auf eine HWS-Distorsion am 17. Januar 2002 hingewiesen worden. Im Krankheitszwischenbericht vom 14. Juni 2002 teilte Dr. S. mit, es bestehe noch eine endgradige Bewegungseinschränkung der HWS ohne Blockierung und geringer Druckschmerz im Nacken. Arbeitsunfähigkeit bestehe voraussichtlich noch 2 bis 3 Wochen. Unter dem 2. August 2002 teilte er mit, eine neurologische Untersuchung veranlasst zu haben.

Bereits am 17. Januar 2002 hatte die Klägerin einen Autounfall erlitten (Seitenanprall eines Lkw). Sie erlitt eine Platzwunde parietal links und eine HWS-Distorsion. Für das Unfallgeschehen selbst besteht eine retrograde Amnesie. Ab 2. April 2002 war die Klägerin wieder arbeitsfähig.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. berichtete unter dem 19. August 2002 über die neurologische Untersuchung am 8. August 2002. Danach klage die Klägerin seit dem Unfall vom 11. April 2002 über Kopfschmerzen, Konzentrations- und Sprachstörungen. Als Diagnose teilte er eine Distorsion der HWS mit.

Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei.

Die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums T. teilte unter dem 21. November 2002 mit, im Rahmen der Untersuchung am 19. November 2002 wegen des am 17. Januar 2002 erlittenen Unfalls bestehe der Verdacht auf traumatische Migräne und chronischen Spannungskopfschmerz.

Im Rahmen einer stationären Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (14. November bis 4. Dezember 2002) wurde im Entlassbericht vom 16. Dezember 2002 mitgeteilt, bei einer HNO-ärztlichen Vorstellung wegen der geklagten Schwindelbeschwerden sei kein pathologischer Befund erhoben worden. Insbesondere habe sich kein Anhalt für einen otogenen Schwindel ergeben. Eine neurologische Konsiliaruntersuchung habe den Verdacht auf eine traumatische Migräne und einen chronischen Spannungskopfschmerz ergeben. Eine Kernspintomografie des Schädels am 3. Januar 2003 war unauffällig (Arztbrief von Dr. S. vom 3. Januar 2003).

Die ab 7. Januar 2003 durchgeführte Belastungserprobung brach die Klägerin am 10. Januar 2003 wegen Schwindel ab.

Die Beklagte zog weiter die Akten des Landratsamts T. wegen des Bußgeldverfahrens aus Anlass des Unfalls vom 11. April 2002 bei.

Aktenkundig sind mehrere Zwischenberichte des behandelnden Durchgangsarztes und Chirurgen Dr. B ... Dieser teilte der Beklagten im Bericht vom 16. Dezember 2002 als Diagnosen eine Schädelprellung mit anhaltenden Kopfschmerzen sowie eine posttraumatische Belastungsstörung mit Angst und Gewichtsverlust sowie mehrfache HWS-Distorsion mit. Unter dem 22. April 2003 berichtete er, er habe bei unverändert geschilderten Beschwerden den Vorgang an den Neurologen und Psychiater Dr. M. übergeben, da es sich bei den Unfallfolgen ausschließlich um ein neurologisch-psychiatrisches Krankheitsbild handle.

Der Radiologe Dr. H. erhob bei der MR-Tomographie der HWS am 14. März 2002 einen unauffälligen Befund. Unter dem 12. März 2003 teilte Dr. M. der Beklagten mit, die Klägerin habe mittlerweile eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Die Klägerin berichte über Ängste und weiteren Gewichtsverlust.

Im Auftrag der Beklagten erstellte am 16. Juli 2003 Prof. Dr. K. mit Ltd. Oberarzt Dr. G. ein unfallchirurgisches Gutachten. In diesem gab er als Diagnosen einen Zustand nach Kopfplatzwunde mit reizlos abgeheilter Narbenbildung, einen Zustand nach Halswirbelsäulendistorsion, subjektive Beschwerden und eine Einschränkung der Merkfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit habe sich vom 17. Januar bis 1. April 2002 auf 100 v.H., vom 1. April bis 11. April 2002 auf 30 v.H., vom 11. April bis 31. Dezember 2002 auf 100 v.H. und vom 1. Januar 2003 bis 5. Juni 2003 auf 20 v.H. belaufen. Seitdem bestehe auf unfallchirurgischem Fachgebiet keine unfallbedingte MdE mehr. Zur Zusammenhangsfrage führten die Gutachter aus, dass sowohl eine Schädelprellung mit Kopfplatzwunde wie auch eine HWS-Distorsion eine mögliche Ursache für die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden sein könnten. Ob die Beschwerden auf den ersten Unfall zurückzuführen seien und eine Verschlimmerung durch den zweiten Unfall aufgetreten sei, oder ob die Beschwerden auf den zweiten Unfall zurückzuführen seien, lasse sich nicht feststellen, da die Klägerin im Zeitpunkt des zweiten Unfalls noch nicht vollständig beschwerdefrei gewesen sei.

Der Nervenarzt Dr. G. führte in seinem Gutachten vom 22. Juli 2003 aus, bei der Klägerin bestehe ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma mit Kopfplatz-Quetschwunde und Commotio cerebri sowie HWS-Distorsion durch den Unfall vom 17. Januar 2002, ein posttraumatischer Kopfschmerz mit teils anhaltendem, teilweise attackenartigem Kopfschmerz, ein Zustand nach HWS-Trauma durch Auffahrunfall am 11. April 2002 und eine somatoforme Störung, teilweise als Belastungsreaktion.

Die um beratungsärztliche Stellungnahme gebetene Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. führte unter dem 9. September 2003 aus, die von Dr. M. angenommene posttraumatische Belastungsstörung sei völlig abwegig, da es sich bei keinem der Unfälle um ein lebensbedrohendes, katastrophales Ereignis gehandelt habe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass unfallunabhängige Faktoren die Kopfschmerzsymptomatik trotz ausreichender Behandlungsmaßnahmen in Gang hielten. Darüber hinaus sei auch ein cervikales Reizbild bei bestehender Skoliose als Kopfschmerzauslöser denkbar. Es liege in psychischer Hinsicht eine abnorme Erlebnisreaktion vor oder eine reaktive psychische Störung mit Somatisierung bei entsprechender primärpersönlicher Besonderheit. Die Behandlungskosten oblägen der Krankenkasse, eine rentenberechtigende MdE sei nach dem 2. Unfall nicht verblieben.

Mit Schreiben vom 17. September 2003 an die behandelnden Ärzte teilte die Beklagte mit, dass die Behandlungsbedürftigkeit ab 26. April 2002 nicht Folge des Arbeitsunfalls sei und Leistungen durch die Beklagte nicht mehr erstattet würden.

Die Beklagte gab nach Gesprächen mit dem Bevollmächtigten der Klägerin sodann allerdings ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. in Auftrag. In seinem Gutachten vom 10. Dezember 2003 diagnostizierte er einen Zustand nach Commotio cerebri am 17. Januar 2002 und HWS-Distorsion sowie Zustand nach HWS-Distorsion am 11. April 2002. Die von der Klägerin nach den Unfällen geklagten diffusen Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Sprachstörungen, Schwindelzustände und eine Gewichtsabnahme seit dem Unfall von ca. 14 kg (jetzt: 47 kg Gewicht bei einer Größe von 1,68 m) und bei der Untersuchung durch ihn erstmals geklagt auch ein Tinnitus (etwa 1mal monatlich auftretend) ließen sich ihrer Art nach nicht einer cerebral-organischen oder spinalen Läsion zuordnen. Auch eine hno-Untersuchung habe keinen Anhalt für eine organische Ursache der Beschwerden ergeben. Es hätten sich allerdings Hinweise auf eine psychische Ursache gefunden, in denen auch die Möglichkeit einer Essstörung wegen der erheblichen Gewichtsabnahme sowie auch auf die Möglichkeit eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes hingewiesen worden sei. Das angeschuldigte Ereignis vom 11. April 2002 sei aber nicht mit Wahrscheinlichkeit geeignet, die bestehenden Gesundheitsstörungen, auch nicht als wesentliche Teilursache, herbeizuführen. Wesentlich für die Beschwerdeentwicklung sei die vorbestehende Persönlichkeitsstörung. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe maximal bis 10. Mai 2002 bestanden.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2004 stellte die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld ab 11. Januar 2004 ein. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde vom Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2004 zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2004 erkannte die Beklagte den Unfall vom 11. April 2002 als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch Leistungsansprüche über den 10. Mai 2002 hinaus ab, insbesondere einen Anspruch auf Verletztenrente. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde vom Widerspruchsausschuss der Beklagten ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2004 zurückgewiesen.

Mit weiterem Bescheid vom 20. Juli 2004 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 17. Januar 2002 als Arbeitsunfall an, lehnte einen Rentenanspruch deshalb jedoch ab. Die am 17. Januar 2002 erlittene Gehirnerschütterung und HWS-Distorsion habe bis einschließlich 28. März 2002 unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit verursacht und sei folgenlos ausgeheilt. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 6. September 2004 zurück.

Gegen die Ablehnung von Ansprüchen wegen des Unfalls vom 11. April 2002 hat die Klägerin am 13. September 2004 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben (Az.: S 7 U 2939/04), gegen die Ablehnung von weiterer Verletztengeldzahlung ebenfalls am 13. September 2004 (Az.: S 7 U 2940/04), gegen die ablehnenden Entscheidungen in Bezug auf den Unfall vom 17. Januar 2004 ebenfalls am 13. September 2004 unter dem Az.: S 7 U 2942/04. Gegen den Bescheid vom 8. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2004 hat die Klägerin auch am 13. September 2004 Klage zum SG erhoben (Az.: S 7 U 2941/04).

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2004 hat das SG die Verfahren S 7 U 2941/04 und S 7 U 2942/04 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 7 U 2941/04 verbunden. Mit weiterem Beschluss vom 7. Oktober 2004 hat das SG die Verfahren S 7 U 2939/04 und S 7 U 2940/04 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 7 U 2939/04 verbunden.

Das SG hat den Ltd. Medizinaldirektor D., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 26. April 2005 mit psychologischem Zusatzgutachten des Diplom-Psychologen M. vom 15. April 2005 (zusammenfassende Beurteilung: die Ergebnisse deuten auf eine in sozialer Situation wenig durchsetzungsfähige Persönlichkeit mit gering ausgeprägter Fähigkeit zur Bewältigung interner und externer Anforderungen hin; die kognitive Verarbeitung der wahrgenommenen Schmerzen erfolge vorwiegend behindernd und führe in Verbindung mit narzistischem Krankheitsgewinn zu Vermeidungsverhalten und sozialem Rückzug) führte er aus, bei der Klägerin bestehe auf nervenärztlichem Gebiet ein Zustand nach Verkehrsunfall mit Schädelprellung am 17. Januar 2002, Zustand nach Auffahrunfall mit Distorsion der HWS am 11. April 2002 mit nachfolgendem multiplen Beschwerdekomplex, Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion bei Verdacht auf asthenische Persönlichkeitsstörung und Tramadol-Abhängigkeit. Der Unfall vom 17. Januar 2002 habe zu einer Arbeitsunfähigkeit von 10 Wochen geführt, eine rentenberechtigende MdE sei nicht verblieben. Das Unfallereignis vom 11. April 2002 habe zu einer Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion geführt. Diese Störung müsse vor dem Hintergrund der bei der Klägerin im Rahmen der psychologischen Untersuchung festgestellten Grundpersönlichkeit gesehen werden. Ohne die zwei kurz nacheinander eingetretenen Unfälle wäre es nicht zur Anpassungsstörung gekommen. Dass diese allerdings nunmehr 2 Jahre anhalte, hänge sicherlich mit der Primärpersönlichkeit aber auch der Schmerzmittelabhängigkeit zusammen. Man könne von einer unfallbedingten Anpassungsstörung für die Dauer von 12 Monaten ausgehen, danach habe vom 13. bis 24. Monat eine MdE um 40 v.H. und danach um 10 v.H. vorgelegen.

Nachdem die Klägerin und die Beklagte Einwände gegen das Gutachten erhoben hatten, hat das SG den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt (Auskunft vom 17. November 2005 mit Anlagen, u.a. sachverständige Zeugenauskunft an das SG im Verfahren S 12 R 481/05, wonach u.a. im Juni 2000 eine einmalige Behandlung wegen depressivem Syndrom mit psychovegetativer Erschöpfungssymptomatik erfolgt sei).

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat unter dem 8. Mai 2006 Dr. V., Facharzt für Psychiatrie, Oberarzt der Abteilung Allgemeine Psychiatrie der Münsterklinik in Z., ein psychiatrisches Fachgutachten erstellt. Im Verfahren S 12 R 481/05 hatte er bereits unter dem 18. Dezember 2005 ein Gutachten über die Klägerin gefertigt. In seiner zusammenfassenden Bewertung hat Dr. V. ausgeführt, bei der Klägerin liege schon vorbestehend eine abhängige asthenische Persönlichkeit vor mit schon vor beiden Unfällen auftretenden und beschriebenen psychovegetativen Erschöpfungszuständen. Als unmittelbare Folge des Unfalls vom 17. Januar 2002 sei eine commotio cerebri aufgetreten, möglicherweise noch eine kurz andauernde akute Belastungsreaktion als spezifische persönlichkeitsbedingte Reaktionsform. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zur Wiederaufnahme der Arbeit am 3. April 2002 bestanden. Bezüglich des Unfalls vom 11. April 2002 sei bei abhängig asthenischer Persönlichkeit eine erneute Belastungsreaktion aufgetreten, es bestehe zudem eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Anpassungsstörung mit Entwicklung einer ängstlich depressiven Symptomatik und allmählichem sozialem Rückzug sowie ein sekundärer schädigender Schmerzmittel- und Alkoholgebrauch ggf. mit Abhängigkeit. Unmittelbar auf den Unfall zurückzuführen sei die akute Belastungsreaktion mit sich hieraus entwickelnder somatoformer Schmerzstörung und Anpassungsstörung mit sekundärem Schmerzmittelabusus und sekundärer schädigender Alkoholabhängigkeit. Bis zu ihrer Kündigung durch den ehemaligen Arbeitgeber sei die Klägerin nicht arbeitsfähig gewesen und auch fortbestehend arbeitsunfähig. Aufgrund der psychischen Beeinträchtigung bestehe ab dem 1. Tag nach dem Unfall eine MdE um 30 v.H., nach dem gescheiterten Arbeitsversuch von 40 v.H. und nach der Kündigung mit 50 v.H.

Die Beklagte hat die neurologisch/psychiatrische Gutachten nach Aktenlage des Dr. K. vom 30. Mai 2005 und 16. Juni 2006 vorgelegt, worin dieser ausgeführt hat, dass aufgrund der nur sehr geringen körperlichen Verletzungen durch die Unfälle ein Zusammenhang der noch geklagten Beschwerden mit den angeschuldigten Ereignissen nicht wahrscheinlich sei. Vielmehr sei auch aufgrund der vorliegenden Gutachten davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine gravierende Persönlichkeitsstörung vorbestanden habe, die bereits im Jahr 2000 eine psychiatrische Behandlung erfordert habe. Diese spiele eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der geklagten Beschwerden.

Auf Antrag der Klägerin hat Dr. V. unter dem 5. Januar 2007 ergänzend zu den Einwendungen von Dr. K. Stellung genommen. Die Beklagte hat daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. K., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 22. März 2007 vorgelegt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2007 hat das SG durch Beschluss die Klageverfahren S 7 U 2939/04 und S 7 U 2941/04 zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung unter dem Aktenzeichen S 7 U 2939/04 verbunden. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat den Rechtsstreit bezüglich des Anspruchs auf Verletztengeld für erledigt erklärt, da die Klägerin seit 1. April 2004 Rente wegen Erwerbsminderung erhalte.

Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die unmittelbaren Gesundheitsstörungen durch die Unfälle seien abgeklungen. Soweit die Klägerin weiter beantragt habe, als Unfallfolge eine "posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörung und Schmerzstörung" festzustellen, liege eine posttraumatische Belastungsstörung wie auch eine somatoforme Schmerzstörung schon der Sache nach unter Berücksichtigung der im ICD10 niedergelegten Definitionen nicht vor. Zwar habe der zweite Unfall zu einer Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion geführt, allerdings stellten die Unfallereignisse dafür nur sog. "Gelegenheitsursachen" dar, die nicht wesentlich diese Gesundheitsstörung verursacht hätten.

Gegen das am 20. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Dezember 2007 Berufung eingelegt. Es sei unzutreffend, dass das SG von einer bloßen Gelegenheitsursache ausgegangen sei, die nicht wesentlich zu den aufgeführten Gesundheitsstörungen geführt habe. Die im Jahr 2000 erfolgte psychiatrische Behandlung habe auf einer akuten Belastungssituation (sexuelle Belästigung durch einen direkten Vorgesetzten) beruht. Danach sei bis zum Unfall 2002 keine Behandlung mehr erforderlich gewesen. Es könne daher nicht der Schluss auf eine vorbestehende Persönlichkeitsstörung gezogen werden. Weiter hat die Klägerin den Arztbrief des Schmerzzentrums des Universitätsklinikums F. vom 25. April 2008, Prof. Dr. K./Dr. G. vorgelegt, worin als Diagnose ein posttraumatischer Dauerkopfschmerz, ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz, ein Zustand nach Tramalentzug und Zustand nach Alkoholmissbrauch 2005 aufgeführt ist.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. Dezember 2007 und den Bescheid vom 20. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2004 (betreffend den Arbeitsunfall vom 17. Januar 2002) und den Bescheid vom 20. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2004 (betreffend den Arbeitsunfall vom 11. April 2002) aufzuheben und der Klägerin ab 1. Januar 2004 unter Anerkennung der weiteren Unfallfolgen "Anpassungsstörung und Schmerzstörung" Unfallrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen und führt darüber hinaus aus, dass es sich bei den angeschuldigten Unfällen um Alltagsereignisse, nämlich normale Auffahrunfälle, gehandelt habe, die durchaus als sogenannte Gelegenheitsursache gewertet werden könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der beigezogenen Gerichtsakten in den Verfahren S 12 R 481/05, S 7 U 2940/04, S 7 U 2941/04, S 7 U 2942/04 und die Gerichtsakten beider Instanzen in diesem Verfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Es liegen keine Unfallfolgen auf unfallchirurgischem oder psychischem Fachgebiet vor, die eine rentenberechtigende MdE begründen könnten.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Die Klägerin hat am 17. Januar 2002 und am 11. April 2002 versicherte Arbeitsunfälle erlitten und sich dabei eine ausgeheilte Schädelprellung mit Kopfplatzwunde (Unfall vom 17. Januar 2002) sowie eine ausgeheilte HWS-Distorsion (Unfall vom 11. April 2002) zugezogen. Diese Unfallfolgen sind folgenlos ausgeheilt.

Die bei der Klägerin noch bestehenden Gesundheitsstörungen auf psychiatrischen Fachgebiet sind nicht mit der gebotenen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis wesentlich zurückzuführen (haftungsausfüllende Kausalität) und daher auch nicht als Unfallfolgen anzuerkennen.

Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist immer die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern (BSG Urteil vom 29. Januar 1986 - 9b RU 56/84 ; vgl. BSG Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 50/02 R -). Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte, wie das BSG in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R) zusammenfassend ausgeführt hat, diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (zB ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt; DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl 2001). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, um so einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten. Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen.

Dabei gelten die Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen (BSG vom 9. Mai 2006 a.a.O.). Die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente für sie ist ebenso wie für andere Gesundheitsstörungen möglich. Denn auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht werden (vgl. schon Reichsversicherungsamt, AN 1926, 480 ; BSG vom 18. Dezember 1962, BSGE 18, 173 , 175 = SozR Nr. 61 zu § 542 RVO; BSG vom 29. Januar 1986 - 9b RU 56/84 -; BSG vom 18. Dezember 1986, BSGE 61, 113 = SozR 2200 § 1252 Nr. 6; BSG vom 18. Januar 1990 - 8 RKnU 1/89 -; vgl im Übrigen Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, Kap 5.1 S 227 ff; ebenso zum sozialen Entschädigungsrecht BSGE 19, 275 , 277 f = SozR Nr. 174 zu § 162 SGG). Entsprechendes gilt für die Frage, ob psychische Gesundheitsstörungen mittelbare Folge eines Unfallereignisses sind bzw. sein können.

Der psychische Gesundheitszustand der Klägerin ist seit dem Unfallereignis vielfältig um- und beschrieben worden. So teilte die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums T. im November 2002 einen Verdacht auf traumatische Migräne und chronischen Spannungskopfschmerz mit, ebenso die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in ihrem Bericht vom 16. Dezember 2002. Auch der Nervenarzt Dr. G. führte in seinem Gutachten vom 22. Juli 2003 neben einem posttraumatischen Kopfschmerz eine somatoforme Störung, teils als Belastungsreaktion, auf. Dr. B./Dr. M. erwähnten eine posttraumatische Belastungsstörung. Die Beratungsärztin Dr. M. fasste das Beschwerdebild unter einer abnormen Erlebnisreaktion oder reaktiven psychischen Störung mit Somatisierung bei entsprechender Primärpersönlichkeit zusammen; Dr. K. führte in seinem Gutachten vom 10. Dezember 2003 aus, das vielfältige Beschwerdebild der Klägerin mit Kopfschmerzen, Konzentrations- und Sprechstörungen sei eher dem psychischen denn dem organischen Bereich zuzuordnen, beruhe aber nicht wesentlich auf dem Unfallereignis. Auch der Ltd. Medizinaldirektor D. umschrieb die geklagten Beschwerden als Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion bei Verdacht auf asthenische Persönlichkeitsstörung und Tramadol-Abhängigkeit. Dr. V., gehört nach § 109 SGG, formulierte eine akute Belastungsreaktion nach jedem Unfall, nach dem zweiten Unfall verbunden mit einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und Anpassungsstörung mit Entwicklung einer ängstlich-depressiven Symptomatik und allmählichem sozialem Rückzug als spezifische persönlichkeitsbedingte Reaktionsform.

Da der Bevollmächtigte im Berufungsverfahren nur noch beantragt hat, eine Anpassungsstörung und eine Somatisierungsstörung als Unfallfolgen anzuerkennen, kann offen bleiben, ob die noch im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachte und vom SG abgelehnte posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10 F 43.1) vorliegt.

Bei Anpassungsstörungen (ICD10 - F43.2) handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles oder Ruhestand). Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurecht zu kommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein. Hervorstechendes Merkmal kann eine kurze oder längere depressive Reaktion oder eine Störung anderer Gefühle und des Sozialverhaltens sein.

Der Diagnoseschlüssel DSM-IV-TR definiert Anpassungsstörungen als: A. Die Entwicklung von emotionalen oder verhaltensmäßigen Symptomen als Reaktion auf einen identifizierbaren Belastungsfaktor, der innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Belastung auftritt. B. Diese Symptome oder Verhaltensweisen sind insofern klinisch bedeutsam, als sie 1. zu deutlichem Leiden führen, welches über das hinausgeht, was man bei Konfrontationen mit diesem Belastungsfaktor erwarten würde, 2. zu bedeutsamen Beeinträchtigungen in sozialen oder beruflichen Funktionsbereichen führen. C. Das belastungsabhängige Störungsbild erfüllt nicht die Kriterien für eine andere spezifische Störung auf Achse I (klinische Störungen ) und stellt nicht nur eine Verschlechterung einer vorbestehenden Störung auf Achse I oder II (Persönlichkeitsstörungen, geistige Behinderung) dar. D. Die Symptome sind nicht Ausdruck einer einfachen Trauer. E. Wenn die Belastung oder deren Folgen beendet ist, dann dauern die Symptome nicht länger als weitere 6 Monate an. Ein chronisches Krankheitsbild liegt vor, wenn die Störung länger als 6 Monate andauert.

Unter Berücksichtigung der in den anerkannten Diagnoseschlüsseln aufgeführten Definitionen, denen der Senat keine Rangfolge, sondern eine gleichwertige Bedeutung beimisst, ist in einer Gesamtschau aller ärztlichen Äußerungen zwar davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion vorliegt.

Allerdings ist diese nicht mit der gebotenen hinreichenden Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich durch die angeschuldigten Unfallereignisse verursacht, sondern im Wesentlichen persönlichkeitsbedingt. Der Senat stützt sich bei dieser Bewertung auf die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K., der die Klägerin mit ihrem Einverständnis im Verwaltungsverfahren untersucht und daraufhin das Gutachten vom 10. Dezember 2003 erstattet und sich auch in der Folge gutachtlich geäußert hat. Er hat im Hinblick auf das Unfallgeschehen am 17. Januar und 11. April 2002, die unfallnah erhobenen Diagnosen und Beschwerden und die Krankheitsentwicklung im weiteren Verlauf die von der Klägerin geltend gemachten psychischen Beschwerden als unfallunabhängig, persönlichkeitsbedingt beurteilt.

In seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - RdNr 13 hat das BSG zu den konkurrierenden Ursachen einer Erkrankung ausgeführt: "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen und damit keine Ursache im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihrer Krankengeschichte.

Weder die Dauer noch die Intensität der von der Klägerin geklagten Beschwerden konnten von den behandelnden Ärzten einer organischen Ursache zugeschrieben werden. Wenn also die geklagten Beschwerden ihre Ursache wesentlich im psychischen Bereich haben, müsste sich im Rahmen der Unfälle eine psychische Einwirkung auf die Klägerin ereignet haben, die ihrer Intensität nach geeignet gewesen wäre, bleibende Gesundheitsschäden zu verursachen. Dem entspricht die im ICD10 gewählte Definition, wonach Anpassungsstörungen nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen eintreten können. Dies ist aber nicht hinreichend wahrscheinlich.

Bei den im Streit stehenden Unfallereignissen handelt es sich weder ihrer Art nach noch nach dem Ausmaß der erlittenen Verletzungen um Ereignisse, denen im Allgemeinen gravierende Bedeutung zuzumessen wäre. Es handelte sich in beiden Fällen um leichtere (Auffahr-)Unfälle, in denen die Klägerin beim Unfall im Januar 2002 eine Gehirnerschütterung und eine Kopfplatzwunde mit längerdauernden Kopfschmerzen und im April 2002 lediglich eine Halswirbelsäulendistorsion erlitten hat. Bei den genannten Verletzungen handelt es sich um solche, die üblicherweise nach wenigen Wochen abklingen. Auch die Unfallereignisse selbst waren in ihrem Ablauf nicht in dem Sinne "dramatisch" oder "beeindruckend", dass daraus, unabhängig von der Schwere der Verletzungen der Klägerin, auf ein gravierendes Erlebnis geschlossen werden könnte, das sich von Alltagserlebnissen deutlich unterscheidet. Neben der Klägerin ist am 17. Januar 2002 kein weiterer Verkehrsteilnehmer verletzt worden. Am 11. April 2002 wurden zwar auch die Insassen des anderen unfallbeteiligten Fahrzeuges leicht verletzt, doch hatte beim Aufprall der Fahrzeuge der Airbag im Pkw der Klägerin nicht ausgelöst und die Anforderung eines DRK-Einsatzfahrzeuges wurde "energisch" von allen Unfallbeteiligten abgelehnt, wie sich aus der Verkehrsunfallbeschreibung des Polizeireviers Spaichingen vom 18. April 2002 (Blatt 101 der Verwaltungsakte der Beklagten) ergibt. Eine anhaltende psychische Belastung aus dem Unfallgeschehen kann nach Dr. K. nicht überzeugend abgeleitet werden. Entgegen dem Vorbringen des Beklagtenvertreters im Berufungsverfahren ist allein der Umstand, dass die Klägerin seit dem Unfall arbeitsunfähig ist, nicht ausreichend, um daraus eine Unfallbedingtheit der Arbeitsunfähigkeit abzuleiten. Der Unfall war zwar conditio sine qua non, nicht aber wesentliche (Teil-) Ursache im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.

Wie in der im ICD10 niedergelegten Definition weiter beschrieben wird, spielt die individuelle Prä disposition oder Vulnerabilität bei einem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutende Rolle. Die Klägerin wurde in dem psychologischen Zusatzgutachten des Dipl.-Psychologen M. vom 15. April 2005 als asthenische Persönlichkeit beschrieben, die in sozialen Situationen wenig durchsetzungsfähig ist und eine gering ausgeprägte Fähigkeit zur Bewältigung innerer und externer Anforderungen besitzt. Ähnlich wurde die Klägerin von Dr. K. in seinem Gutachten vom 10. Dezember 2003 charakterisiert, aber auch von dem nach § 109 SGG benannten Dr. V. und seinen Ausführungen auch im aktenkundigen Gutachten im Verfahren S 12 R 481/05 S. 16 ff. Insoweit vermochte der Einwand des klägerischen Bevollmächtigten im Berufungsverfahren, man charakterisiere die Klägerin in dieser Art und Weise lediglich aufgrund des Umstands, dass sie sich schon im Jahr 2000 in psychiatrische Behandlung begeben habe, ins Leere. Insbesondere die ausführliche testpsychologische Untersuchung durch Dr. M. bestätigte die Grundpersönlichkeit der Klägerin. Dem entsprechend hat schon Dr. K. in seinem Gutachten im Verwaltungsverfahren den Schluss gezogen, dass die geltend gemachten Störungen - als Ausdruck einer Anpassungsstörung - nicht wesentlich durch den Unfall vom 11. April 2002 verursacht werden, sondern maßgeblich die vorbestehende Persönlichkeitsstruktur der Klägerin sei. Etwas abweichend davon hat Dr. D. den Schluss gezogen, die Anpassungsstörung müsse vor dem Hintergrund der Primärpersönlichkeit der Klägerin gesehen werden, wenn er auch im Weiteren davon ausgegangen ist, für 12 Monate sei die Anpassungsstörung auf den Unfall zurückzuführen. Davon abweichend hat Dr. V. die Belastungsreaktion und Anpassungsstörung auf dem Boden der bestehenden Primärpersönlichkeit auf den Unfall vom 11. April 2002 zurückgeführt.

Es ist der Klägerin, wie sie auch im Berufungsverfahren vorgebracht hat, sicherlich zuzugeben, dass sie grundsätzlich in der ihr eigenen Primärpersönlichkeit versichert ist. Allerdings genügt dies nicht, um jede krankhafte Entwicklung, die zeitlich nach einem Unfall auftritt und ohne diesen wohl nicht zum gleichen Zeitpunkt aufgetreten wäre, als im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung wesentlich durch den Unfall verursacht zu bewerten.

Vielmehr ist, wie oben ausgeführt, immer eine Gewichtung der Verursachungsanteile erforderlich, die es gerade ermöglicht, auch den zeitlich nicht letzten Verursachungsanteil, z.B. eine vorbestehende Persönlichkeitsstörung, stärker zu werten als das Unfallereignis. Deshalb konnte auch der Schluss von Dr. V. nicht überzeugen, da er gerade diese Wesentlichkeitsbetrachtung außen vor lässt. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit Dr. K. und Dr. D. für den Senat hinreichend wahrscheinlich, dass zwar ohne die Unfälle die Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht zu diesem Zeitpunkt aufgetreten wären, sie aber dennoch wesentlich nicht durch die angeschuldigten Geschehen verursacht worden sind, sondern als Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen sind, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, ihrer Art nach unersetzlicher Einwirkungen bedurfte.

Soweit die Klägerin unfallbedingt Kopfschmerzen geltend macht, sind diese nicht organisch bedingt. Dass es sich - wie von einigen Ärzten formuliert - um einen traumatischen Kopfschmerz handelte, dürfte nur eine Vermutung darstellen, da dies durch keine objektiven Befunde nachgewiesen wurde. Insbesondere haben die durchgeführten Untersuchungen, auch per MRT, keine pathologischen Veränderungen im Schädelbereich belegt, die die geklagten Kopfschmerzen begründen könnten. Soweit möglicherweise der Kopfschmerz durch die Schmerzmitteleinnahme verursacht oder verstärkt worden ist, ist insoweit auch keine Ursächlichkeit zum Unfallgeschehen anzunehmen, da - wie oben ausgeführt - schon die zugrundeliegenden Beschwerden nicht wesentlich unfallbedingt sind. Auch die Uniklinik Freiburg hat in ihrem Arztbrief vom 28. April 2008 nur die Angaben der Klägerin übernommen, ohne eine eigene Zusammenhangsbeurteilung durchzuführen. Entsprechendes gilt für den Schmerzmittel- und Alkoholmissbrauch, der jedenfalls zeitweise vorgelegen hat. Auch dieser liegt in der vorbestehenden asthenisch-abhängigen Persönlichkeitsstruktur der Klägerin begründet.

Auch eine unfallbedingte Somatisierungsstörung liegt nicht vor. Charakteristisch für eine Somatisierungsstörung sind nach der im ICD 10 F 45.0 aufgeführten Beschreibung multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, die wenigstens zwei Jahre bestehen. Die meisten Patienten haben eine lange und komplizierte Patienten-Karriere hinter sich, sowohl in der Primärversorgung als auch in spezialisierten medizinischen Einrichtungen, wo viele negative Untersuchungen und ergebnislose explorative Operationen durchgeführt sein können. Die Symptome können sich auf jeden Körperteil oder jedes System des Körpers beziehen. Der Verlauf der Störung ist chronisch und fluktuierend und häufig mit einer lang dauernden Störung des sozialen, interpersonalen und familiären Verhaltens verbunden.

Da - wie oben ausgeführt - wesentlich für die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin nicht die angeschuldigten Unfälle, sondern vielmehr die Primärpersönlichkeit mit asthenisch-abhängigen Wesenszügen ist, konnte offen bleiben, ob nach der einschlägigen Definition des ICD 10 überhaupt eine Somatisierungsstörung vorliegt, da auch insoweit ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zu den angeschuldigten Ereignissen nicht überwiegend wahrscheinlich ist.

Da nach alldem somit keine mehr als 6 Monate bestehenden Unfallfolgen festzustellen sind, ist auch der Anspruch der Klägerin auf Verletztenrente zutreffend abgelehnt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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