L 11 KR 2154/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 566/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2154/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 20. März 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Krankengeld (Krg) über den 16.11.2007 hinaus.

Der Antragssteller war zuletzt seit dem 01.01.2006 in der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Am 23.03.2007 war er wegen Ischiolumbalgie bei linkskonvexer thorakolumbaler Torsionsskoliose mit Osteochondrose L3 bis L5 arbeitsunfähig erkrankt, woraufhin ihm die Antragsgegnerin Krg ab dem 04.05.2007 von kalendertäglich 17,17 EUR zahlte.

In einem arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 09.07.2007 war die Internistin Dr. W. zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsteller voraussichtlich bis zu sechs Monate auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht leistungsfähig sei (multiples Beschwerdebild mit im Vordergrund stehenden, seit Jahren anhaltenden Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, wobei sämtliche Erkrankungen einer Behandlung zugänglich seien). Einen hierauf gestellten Antrag auf Erwerbsminderungsrente lehnte die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid vom 29.08.2007 ab.

Am 07.11.2007 wurde der Antragsteller durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachtet. Dabei kam Dr. G. zu dem Ergebnis, der Antragsteller leide unter einer Mobilitätsstörung, die vorrangig der ausgeprägten Adipositas und nachrangig einem Lumbalsyndrom zuzuordnen sei, nebenbefundlich einer begrenzten psychischen Funktionsfähigkeit, die aber einem Leistungsvermögen für leichte vollzeitlicht Tätigkeiten in wechselnden Positionen nicht entgegen stünde.

Mit Bescheid vom 09.11.2007 stellte die Antragsgegnerin daraufhin das Ende des Anspruchs auf Krg zum 15.11.2007 fest, wogegen der Antragsteller Widerspruch erhob und zugleich eine Erstbescheinigung seiner Arbeitsunfähigkeit ab 16.11.2007 durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. wegen Depression vorlegte.

Ab dem 16.11.2007 meldete sich der Antragsteller wieder arbeitslos und bekam daraufhin vom 16.11. bis 27.12.2007 (Ablauf der Anspruchsdauer) Arbeitslosengeld gezahlt. Seine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin endete mit dem 27.12.2007.

Vom 10.01.2008 bis 31.01.2008 befand sich der Antragsteller in stationärer medizinischer Rehabilitation in der A.-Klinik in Kostenträgerschaft der Deutschen Rentenversicherung. Er wurde als arbeitsunfähig mit den Diagnosen eines Bewegungs- und Belastungsdefizit der Hals- und Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen, rezidivierenden Lumboischialgien, Cervicocephalgien und Cervicobrachialgien, einem metabolischem Syndrom (BMI 42 kg/m²) wie einer gemischten Angst- und depressiven Störung entlassen. Aus psychologischer Sicht sei er arbeits- und leistungsfähig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe auch im Übrigen ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten unter Vermeidung von andauernden Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufigem Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten, Überkopfarbeiten, ständigen Arm- und Handtätigkeiten, häufigem Knien, Bücken, Abhocken und wieder Aufrichten sowie schnellen Positionswechsel. Die Tagesmüdigkeit bedeute Einschränkungen insbesondere bei Tätigkeiten, die hohe Konzentrations- oder Reaktionsvermögen erforderten. Nach Durchführung der noch notwendigen diagnostischen Maßnahme (insbesondere Schlafapnoescreening und kardiovaskuläre Abklärung), stehe er voraussichtlich in vier bis sechs Wochen dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung.

Am 18.02.2008 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Ulm (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 20.03.2008, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 31.03.2008, nach vorangegangener Beweiserhebung (sachverständige Zeugenaussagen bei dem Neurologen Dr. K. und dem Allgemeinmediziner Dr. M.) abgelehnt, da es an einem Anordnungsanspruch fehle. Die bis 15.11.2007 zur Arbeitsunfähigkeit führende Diagnose des Lumbalsyndroms hätte in der sozialmedizinischen Untersuchung durch Dr. G. vom MDK nicht bestätigt werden können. Soweit nun ab 16.11.2007 eine Depression zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt haben solle, so werde dies durch die sachverständige Zeugenauskunft des Neurologen Dr. K. gerade nicht bestätigt. Eine regelmäßige und ggfs. auch engmaschige psychiatrische Behandlung habe grade nicht stattgefunden. Ein derartiger Nachweis finde sich auch nicht im Reha-Entlassungsbericht vor. Soweit es dort heiße, dass der Antragsteller erst nach Durchführung der bereits in die Wege geleiteten diagnostischen Maßnahmen dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stehen könne, vermöge dies nicht zu überzeugen, da eben keine Funktionseinschränkungen vorlägen, die einer Arbeitsaufnahme entgegenstünden.

Der Antragsteller hat hiergegen am 29.04.2004 Beschwerde beim SG eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt, er beziehe seit dem 01.02.2008 keine Sozialleistungen mehr und verfüge auch über kein eigenes Einkommen. Für die Rehabilitationsmaßnahme habe er Übergangsgeld erhalten. Er erachte die Auskunft des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M. für sehr wohl geeignet, im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren eine für ihn positive Bewertung zu stützen. Dieser habe neben den leistungseinschränkenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet noch eine anhaltende Depression festgestellt, welche die Annahme einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit rechtfertige. Insoweit könne auch nicht unbeachtet bleiben, dass ihm der Orthopäde Dr. S. am 28.04.2008 wieder Arbeitsunfähigkeit wegen der orthopädischen Beschwerden attestiert habe. Er hat hierzu weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis einschließlich 20.06.2008 vorgelegt.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 20. März 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm auch für die Zeit ab 16. November 2007 Krankengeld zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde des Antragsstellers zurückzuweisen.

Sie erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2008 wies sie den Widerspruch des Antragstellers als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Antragsteller am 26.05.2008 Klage beim SG erhoben (S 9 KR 1810/08).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsstellers ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).

Der Senat kann hier offen lassen, ob ein Anordnungsgrund vorliegt, woran bereits deshalb erhebliche Zweifel bestehen, weil der Antragssteller offenbar in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt seit 01.02.2008 auf andere Weise als durch Sozialleistungen zu bestreiten.

Jedenfalls fehlt es aber nach der erforderlichen summarischen Prüfung auch zur Überzeugung des Senats an der erforderlichen Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens (S 9 KR 1810/08). Dies hat das SG in Würdigung der rechtlichen Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB V ausführlich begründet dargelegt, weswegen der Senat sich den erstinstanzlichen Darlegungen in vollem Umfang anschließt und von einer weiteren Darstellung absieht. Die Arbeitsunfähigkeit des Antragsstellers mit der zu Krg-Zahlung führenden Erkrankung eines Lumbalsyndroms hat mit dem 15.11.2007 seine Beendigung gefunden. Dass ab dem 16.11.2007 eine Arbeitsunfähigkeit wegen der erstbescheinigten Depression besteht, dürfte in Auswertung der sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. M. und Dr. K. wie dem Reha-Entlassungsbericht für den insoweit - nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast - beweispflichtigen Antragssteller (BSGE 6, 70, 72) nicht nachgewiesen sein. Nach den Behandlungsunterlagen von Dr. M. dürfte im Vordergrund der Behandlung ab 16.11.2007 nur die Depression gestanden sein. Orthopädische Befunde werden erst wieder ab 17.02.2008 berichtet. Der Neurologe Dr. K. hat bei seinen zwei Behandlungsterminen vom 06.12.2007 und 14.02.2008 über eine depressive Symptomatik berichtet. Zwar ist er nur Neurologe und hat dementsprechend nur eine neurologische Abklärung der Rückenbeschwerden des Antragstellers vorgenommen. Es ist aber zu erwarten, dass er die Beschwerden des Antragstellers auf psychiatrischem Fachgebiet einer regelmäßigen und ggfs. auch engmaschigeren psychiatrischen oder medikamentösen Behandlung zugeführt hätte, wenn diese einen Schweregrad gezeigt hätten, die Arbeitsunfähigkeit begründet hätte. Dies dürfte im Ergebnis gegen die Schwere der Erkrankung sprechen, welches auch in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Reha-Entlassungsberichts steht, aus dem der Antragsteller aus psychologischer Sicht ebenfalls als arbeits- und leistungsfähig erachtet wurde. Dass die richtungsführende Diagnose einer Depression deswegen zu einer Arbeitsunfähigkeit des Antragsstellers geführt hat, dürfte dieser insgesamt nicht nachweisen können.

Dem dürfte auch das Ergebnis des Reha-Entlassungsberichts insgesamt nicht entgegenstehen, wonach der Antragsteller als arbeitsunfähig entlassen wurde. Soweit der Einschätzung, allein zur weiteren diagnostischen Abklärung müsse der Antragsteller noch weitere vier bis sechs Wochen als arbeitsunfähig angesehen werden, überhaupt gefolgt werden kann, so kann dies im Ergebnis deswegen dahingestellt bleiben, weil selbst bei einem erneuten Eintritt von Arbeitsunfähigkeit vor oder ab der Reha-Maßnahme der Antragssteller jedenfalls dann nicht mehr gegen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit bei der Antragsgegnerin versichert war, da seine Mitgliedschaft mit dem 27.12.2007 endete (Abgrenzung zu BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, NZA 2008, 578). Denn der Krg-Anspruch erlischt nach § 19 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wenn die Mitgliedschaft des Versicherten endet; allenfalls verschafft § 19 Abs 2 SGB V den aus der Versicherung ausgeschiedenen versicherungspflichtigen Mitgliedern noch einen sog "nachgehenden" Anspruch längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Letzteres scheidet aber bei dem Antragsteller aufgrund des Bezugs von Übergangsgeld aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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