L 10 R 2136/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 1716/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2136/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.02.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der am 1956 geborene Kläger hat den Beruf eines Drehers erlernt und war anschließend in diesem Beruf tätig, zuletzt ab 01.07.1997 bei der Firma H. Maschinenbau GmbH an einer manuellen Fräs- bzw. Drehmaschine. Das Arbeitsverhältnis wurde aus betriebsbedingten Gründen zum 30.06.2003 beendet, wobei der Kläger in Folge eines privaten Verkehrsunfalls bereits seit 03.11.2002 arbeitsunfähig war. Er bezog bis 30.06.2003 Krankengeld und ist seitdem arbeitslos.

Den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 05.10.2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.12.2004 und Widerspruchsbescheid vom 19.05.2004 ab und führte zur Begründung aus, der Kläger könne weiterhin mindestens sechs Stunden täglich als Dreher arbeiten. Dem lag ein von der Beklagten beigezogenes Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit H. , Dr. A. (Zustand nach operativer Versorgung eines Ober- und Unterarmbruches links mit leichtem Streckdefizit im Ellenbogengelenk und chronisch wiederkehrende Wirbelsäulenbeschwerden bei Verschleißerscheinungen; vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in trockenen Räumen ohne häufige Rumpfzwangshaltungen und ohne Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck oder mit Nachtschicht) und ein im Auftrag der Beklagten erstattetes Gutachten der Anästhesistin und Sozialmedizinerin Dr. E. (leichte Gebrauchsminderung des linken Armes und rezidivierende belastungsabhängige Wirbelsäulenbeschwerden; Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich sowohl für die bisherige Tätigkeit als Dreher als auch für sonstige leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Stehen, ständig im Gehen oder überwiegend im Sitzen) ohne Rumpf-Zwangshaltungen, häufiges Bücken und Absturzgefahr zu Grunde.

Der Kläger hat am 03.06.2005 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben. Das Sozialgericht hat u.a. die behandelnden Ärzte Dr. B. , Orthopäde (auf orthopädischem Fachgebiet Übereinstimmung mit Dr. E. , zu vermeiden seien zusätzlich das Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg sowie Zwangsdauerhaltungen) und Dr. M. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie (eher unregelmäßige Behandlung, zum Teil in mehrmonatigen aber auch mehrjährigen Abständen seit Januar 1998 wegen einer Anpassungsstörung mit reaktiv depressiven Verstimmungen und periodischem Alkoholabusus; das Leistungsvermögen sei aus nervenärztlicher Sicht im Beruf als Dreher oder Fräser nicht gemindert, Arbeiten mit Absturzgefahr bzw. auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr möglich) schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Orthopäde W. hat ein chronisches Thorakolumbalsyndrom bei leichter Spondylose, ein chronisches Zervikalsyndrom mit leichter Arthrose der kleinen Wirbelbogengelenke, eine Periarthritis humero-scapularis rechtsseitig mit leichter Omarthrose, einen Zustand nach Oberarm- und Unterarmfraktur links mit osteosynthetisch versorgtem Ellenbogengelenk und Ellenbogengelenksarthrose festgestellt. Der Kläger könne körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Gehen und Stehen, überwiegend im Sitzen noch ca. acht Stunden täglich verrichten, möglich sei das Heben und Tragen von Lasten von 5 kg, gelegentlich bis zu 10 kg, zu vermeiden seien einseitige Körperhaltungen, Knien, häufiges Bücken oder vornübergeneigte Rumpf- und Zwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Kälte oder Nässe und solche Arbeiten, die eine besondere Kraftentfaltung des linken Armes erfordern. An Drehbänken herkömmlicher Art könne der Kläger Werkstücke von Hand nicht mehr einspannen. Automatisierte Tätigkeiten, bei denen die Werkstücke automatisch eingespannt und der Arbeitsablauf im Wesentlichen nur noch überwacht und geregelt werden müsse, seien hingegen noch möglich.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Dr. K. , Arzt für Orthopädie, Chirotherapie, Dipl.-Ing. (TH) Maschinenbau vorgelegt (Hebe- und Tragebelastungen seien auf 10 kp bei gelegentlicher Spitzenbelastung bis 15 kp zu begrenzen, der Kläger könne deshalb Werkstücke mit einem höheren Gewicht nur dann bearbeiten, wenn diese mit Hilfsmitteln in die Maschine eingeführt werden könnten; der Kläger könne auch Werkstücke von Hand in das Backenfutter schließen, weil er Rechtshänder und der linke Arm sehr gut bemuskelt sei) vorgelegt und ausgeführt, der Kläger könne außerdem auf die Tätigkeit eines Registrators und Hochregallagerarbeiters verwiesen werden.

Der Kläger hat daraufhin vorgetragen, er sei berufsunfähig, weil er mit den von dem Orthopäden W. beschriebenen Einschränkungen als Dreher nicht mehr arbeiten könne. Auch die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten eines Hochregallagerarbeiters oder Registrators seien ihm nicht zumutbar.

Mit Urteil vom 28.02.2007 hat das Sozialgericht die lediglich noch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne seinen bisherigen Beruf als Dreher weiter ausüben, weil er trotz seiner Einschränkungen Gewichte bis 5 kg bzw. - mittels der dann üblicherweise vorhandenen Hilfsmittel - ab 20 kg bearbeiten könne. Damit stehe ihm eine Vielzahl von Arbeitsplätzen offen, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung im Grunde bestätigt habe.

Gegen das am 03.04.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.04.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, das Sozialgericht habe das Gutachten des Orthopäden W., der zu dem Ergebnis gekommen sei, dass er als Dreher bzw. Fräser nicht mehr tätig sein könne, nicht hinreichend berücksichtigt. Völlig unzureichend sei das psychiatrische Leiden gewürdigt worden. Der Kläger hat einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. G. (Anpassungsstörung) und des Orthopäden Dr. D. (Lendenwirbelfraktur L 1 mit leichter Deckplatteneinsenkung, konsolidiert, subacromiales Schmerzsyndrom, AC-Arthrose) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteils des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.02.2007 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 08.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.11.2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente dargelegt (§ 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -SGB VI-)und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Dreher weiterhin mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit der Kläger geltend macht, der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige W. habe eine Tätigkeit als Dreher nicht mehr für zumutbar erachtet, ist ergänzend anzumerken, dass dem Sachverständigen W. als Arzt für Orthopädie nähere Kenntnisse im berufskundlichen Bereich nicht anzusinnen sind. Der Sachverständige hat sich bei seiner Beurteilung diesbezüglich offensichtlich von den Angaben des Klägers leiten lassen. Demgegenüber hat die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. K. , der nicht nur Arzt für Orthopädie und Chirotherapie, sondern auch Dipl.-Ing. (TH) im Bereich Maschinenbau ist, vorgelegt. Dr. K. hat schlüssig dargelegt, dass der Kläger eine Tätigkeit als Dreher durchaus weiterhin verrichten kann. Zwar kann der Kläger - so Dr. K. - Werkstücke von höherem Gewicht (regelmäßig über 10 kg mit gelegentlicher Spitzenbelastung bis zu 15 kg) nur dann bearbeiten, wenn diese mit einem Hilfsmittel (z. B. Laufkatze, Kran) in die Maschine eingeführt werden. Geeignete Hilfsmittel für den Transport schwerer Werkstücke stehen in der Regel am Arbeitsplatz jedoch bereits aus arbeitsschutzbedingten Gründen zur Verfügung. Dies zeigen auch die eigenen Angaben des Klägers gegenüber der Gutachterin Dr. E. , wonach am letzten Arbeitsplatz jedenfalls für Lasten über 20 kg ein Kran zur Verfügung stand. Darüber hinaus hat Dr. K. nachvollziehbar dargelegt, dass es dem Kläger trotz der Schädigung des linken Armes weiterhin möglich ist, Werkstücke auch dann zu bearbeiten, wenn sie in ein Backenfutter von Hand geschlossen werden müssen. Dies ergibt sich - so Dr. K. - daraus, dass der Kläger Rechtshänder ist und die gut ausgebildete Bemuskelung des linken Armes die Bedienung des Backenfutterschlüssels ermöglicht. Insoweit hat Dr. K. überzeugend dargelegt, dass nach den von dem Orthopäden W. angegebenen Messdaten zwar eine typische leichte Muskelverschmächtigung des linken Oberarmes gegenüber rechts (Oberarmumfang rechts 33,0 cm, links 32,0 cm), aber keine Muskelminderung des linken Unterarmes besteht (Unterarmumfang rechts und links 28,0 cm). Dies deutet auf einen Einsatz des linken Armes zumindest bei der Alltagsgebrauchsbelastung hin. Darüber hinaus war - worauf Dr. K. zu Recht hingewiesen hat - die grobe Kraft beider Hände bei der Untersuchung durch den Orthopäden W. regelgerecht.

Auch aus den Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet folgt keine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Der seit Januar 1998 behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. M. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht angegeben, dass eine Behandlung von dem Kläger nur unregelmäßig, z. T. in mehrmonatigen aber auch mehrjährigen Abständen in Anspruch genommen wurde. Dr. M. hat eine Anpassungsstörung mit reaktiv depressiven Verstimmungen und einen periodischen Alkoholabusus festgestellt, wobei er als Grund für die depressiven Verstimmungen insbesondere Schwierigkeiten im sozialen Bereich (der Kläger konnte bislang keine Partnerin finden) angegeben hat. Dr. M. hat bestätigt, dass aus nervenärztlicher Sicht die Erwerbsfähigkeit im Beruf als Dreher und Fräser nicht gemindert ist. Aus dem von dem Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. G. ergeben sich keine Hinweise auf eine wesentliche Änderung der von Dr. M. mitgeteilten Befunde. Auch Dr. G. hat eine Anpassungsstörung diagnostiziert und in der Beschwerdeschilderung die bereits von Dr. M. berücksichtigten Ängste sowie eine Belastung durch familiäre Schwierigkeiten (Ermordung des Bruders, von der Verlobten verlassen worden, kein Lottogewinn) geschildert. Hinweise auf eine wesentliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit ergeben sich hieraus nicht.

Auch aus dem von dem Kläger vorgelegten Befundbericht des Orthopäden Dr. D. ergeben sich keine Hinweise für eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Soweit darin eine Lendenwirbelfraktur L1 aufgeführt wird, ist zu bemerken, dass insoweit nach dem Befundbericht des Dr. D. nur eine leichte, konsolidierte Deckplatteneinsenkung L1 besteht. Eine Verstärkung der Beschwerden auf orthopädischem Gebiet hat der Kläger nach der im Befundbericht von Dr. D. wiedergegebenen Anamnese selbst nicht angegeben (Schmerzen "wie eh und je").

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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