Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 284/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 3938/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2006 abgeändert. Die über das Teilanerkenntnis des Beklagten vom selben Tag hinausgehende Klage wird abgewiesen.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist der Grad der Behinderung (GdB).
Bei dem 1942 geborenen Kläger stellte der Beklagte auf den Erstantrag vom 4.4.2003 mit Bescheid vom 8.8.2003 einen GdB von 30 auf Grund der Funktionsbeeinträchtigungen "Bandscheibenschaden operiert (Teil-GdB 20), Knorpelschädigung am linken Kniegelenk, Funktionsbehinderung des rechten Sprunggelenks (Teil-GdB 20), Sehminderung links, Schielen (Teil-GdB 10)" fest und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2003 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 27.1.2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft weiterverfolgt hat.
Das SG hat den Augenarzt Dr. S. als sachverständigen Zeugen befragt, der in seiner - zweiten - Auskunft vom 30.3.2005 aufgrund der von ihm festgestellten Visuswerte unter Korrektur von 0,8 rechts und 0,1 links auch unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgebrachten erhöhten Blendungsempfindlichkeit hierfür keinen höheren Teil-GdB als 20 angenommen hat (zur näheren Feststellung der Einzelheiten seiner Auskünfte wird auf Blatt 24/27 und 56 der SG-Akte Bezug genommen).
Ferner hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. K. vom 26.7.2004. Darin erhoben worden sind chronische Lumbalgien bei Zustand nach Bandscheibenoperation L 4/5 rechts mit Osteochondrose L 4/5 und L 5/S 1, ein chronisches Zervikalsyndrom bei Osteochondrose C 5/6 und 6/7 sowie Knorpelschäden am linken Kniegelenk bei Zustand nach Innenmeniskusteilresektion, eine beginnende Coxarthrose beidseits sowie ein Zustand nach mehrfachen Distorsionen im Bereich beider OSG. Die Einschränkung im Bereich der Halswirbelsäule sei als leichte funktionelle Einschränkung und die im Bereich der Lendenwirbelsäule als mittelgradige funktionelle Einschränkung zu bewerten, sodass sich hieraus ein Teil-GdB von 30 ergebe. Im Übrigen bestehe bei freier Beweglichkeit der Knie-, Sprung- und Hüftgelenke maximal ein weiterer Teil-GdB von 10. Der Gesamt-GdB betrage 30.
In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 5.1.2005 hat sich Dr. G. der von Dr. S. und Dr. K. vorgenommenen Bewertung der Teil-GdB angeschlossen und einen Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen, worauf der Beklagte ein entsprechendes Vergleichsangebot unterbreitet hat (Blatt 45/47 der SG-Akte), welches der Kläger jedoch nicht angenommen hat.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG sodann das orthopädische Sachverständigengutachten von Dr. O. vom 5.10.2005 eingeholt. Darin diagnostiziert worden sind rezidivierende, chronifizierte Lumbalgien und Lumboischialgien rechts nach Nukleotomie L 4/5 rechts mit Osteochondrose L 4/5 und L 5/S 1 und erheblicher schmerzhafter Bewegungseinschränkung der gesamten Lendenwirbelsäule sowie ein degeneratives Halswirbelsäulensyndrom mit Osteochondrose C 5/6 und C 6/7 mit Einschränkung der Rotation beidseits, klinische Hinweise auf ein Supraspinatussehnensyndrom links, hinsichtlich des linken Kniegelenkes eine geringe varische Beinachse mit radiologisch sichtbarer Verschmälerung des medialen Kniegelenkspaltes und radiologischen Zeichen einer beginnenden medialen und retropatellaren Gonarthrose sowie Senk-Spreizfüße beidseits. Die Wirbelsäulenveränderungen seien mit einem Teil-GdB von 40, die Veränderung des linken Kniegelenkes mit einem Teil-GdB von 10 und diejenigen im Bereich der linken Schulter ebenfalls mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Auf orthopädischem Fachgebiet betrage der Gesamt-GdB 40 und unter Einschluss der Sehminderung 50.
Mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 24.11.2005 hat Dr. F. im Wesentlichen für die Funktionsbeeinträchtigung des linken Schultergelenks einen Teil-GdB von 10 anerkannt, die Wirbelsäulenschäden jedoch weiterhin mit einem Teil-GdB von 30 bewertet und unverändert einen Gesamt-GdB von 40 angenommen (Blatt 90 der SG-Akte).
In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 29.12.2005 hat Dr. O. daraufhin klargestellt, dass er von schweren funktionellen Auswirkungen der Lendenwirbelsäule und mittelgradigen funktionellen Auswirkungen der Halswirbelsäule ausgeht.
Der Versorgungsarzt D. hat hierauf unter dem 29.3.2006 erwidert, dass bei schweren funktionellen Einschränkungen der Lendenwirbelsäule, die nicht bestritten würden, und lediglich mittelgradigen Auswirkungen der Halswirbelsäule nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) lediglich ein Teil-GdB von 30 festgestellt werden könne. Lediglich bei schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten komme ein Teil-GdB von 40 in Betracht. Vorliegend lägen nach den von Dr. O. erhobenen Befunden ohnehin lediglich leichte Bewegungseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule vor.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.6.2006 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben, wonach bei dem Kläger ab dem 4.4.2003 ein GdB von 40 festgestellt werde. Ferner bestehe weiterhin eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.
Das SG hat den Beklagten sodann durch Urteil vom selben Tag unter Abänderung der angegriffenen Bescheide verurteilt, bei dem Kläger über das Teilanerkenntnis hinaus ab dem 1.1.2006 einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen und ihm drei Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Wirbelsäule ist das SG dabei von schweren funktionellen Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und - an sich - lediglich leichten funktionellen Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule ausgegangen, die für sich betrachtet lediglich einen Teil-GdB insoweit von 30 rechtfertigten. Bei dem Kläger bestünden jedoch aufgrund der Halswirbelsäulenveränderungen Schwindelerscheinungen, die die Veränderungen der Halswirbelsäule deshalb jetzt als mittelgradig erscheinen ließen, weshalb der GdB für beide Wirbelsäulenabschnitte im Ergebnis mit 40 zu bewerten sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 27.7.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 4.8.2006 Berufung eingelegt, mit der er sich unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 28.7.2006 gegen die zusätzliche Berücksichtigung von auf die Veränderungen der Halswirbelsäule zurückzuführenden Schwindelerscheinungen und damit gegen eine Bewertung der Wirbelsäulenveränderungen mit einem Teil-GdB von 40 wendet.
Der Senat hat bezüglich der Schwindelerscheinungen den Allgemeinmediziner Dr. R. und den Neurologen und Psychiater Dr. N. als sachverständigen Zeugen befragt. Dr. R. hat unter dem 15.12.2006 über eine unspezifische Schwindelsymptomatik im Sinne eines zervikogenen Schwindels berichtet. Dr. N. hat in seiner Auskunft vom 7.2.2007 ebenfalls eine unspezifische Schwindelsymptomatik und darüber hinaus eine leichtgradige bein- und distal betonte Polyneuropathie und eine leichtgradige sensible Ausfallssymptomatik als Folge des Bandscheibenvorfalls angenommen. Die unspezifische Schwindelsymptomatik sei möglicherweise zum Teil mitzuerklären durch die Schielstellung und die Polyneuropathie. Für die unspezifische Schwindelsymptomatik und die Polyneuropathie sei ein Teil-GdB von 20 anzusetzen.
Dagegen hat sich Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 23.2.2007 (Blatt 32/33 der LSG-Akte) gewandt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Schwerbehindertenakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und in der Sache begründet.
Der Kläger hat keinen - über das angenommene Teilanerkenntnis des Beklagten hinausgehenden - Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehindert anzuerkennen ist, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Der Senat wendet zur Beurteilung des Grades der Behinderung im Einzelfall die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP), derzeit in der Ausgabe 2008, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SozR 4 - 3250 § 69 Nr. 2), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.).
Zunächst stellt der Senat fest, dass in Übereinstimmung mit dem befragten Augenarzt und dem Beklagten für die Funktionsbeeinträchtigung der Augen kein höherer Teil-GdB als 20 anzusetzen ist. Der Teil-GdB von 20 ergibt sich aus dem mitgeteilten Visus (0,8 rechts, 0,1 links) und der nach den AHP 26.4 anzuwendenden Tabelle der DOG. Ein höherer GdB ist in Übereinstimmung mit Dr. S. aus der nach objektiven Kriterien geprüften, aber nicht als erhöht beurteilten Blendungsempfindlichkeit nicht anzunehmen.
Für die außerhalb der Wirbelsäule bestehenden orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen (etwa im Bereich des linken Knie, der linken Schulter, der Hüftgelenksarthrose) sind in Übereinstimmung mit den Sachverständigengutachten jedenfalls keine höheren Teil-GdB als 10 anzusetzen. Sie sind damit im Ergebnis auch nicht GdB-erhöhend zu berücksichtigen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Bewertungen nicht in Übereinstimmung mit den AHP stünden, sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens weder ersichtlich noch wurden solche vorgetragen.
Auch die von Dr. N. beschriebene bein- und distal betonte Polyneuropathie ist lediglich leichtgradig und kann damit im Ergebnis ebenfalls nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB beitragen, zumal die von Dr. N. erhobenen Geh- und Trittprüfungen regelrecht ausgefallen sind.
Der GdB im Bereich der Wirbelsäule ist mit 30 angemessen bewertet. Mit dem SG und dem Beklagten geht auch der Senat unter Berücksichtigung der in den beiden Sachverständigengutachten beschriebenen Befunde von schweren funktionellen Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule aus. Die leichtgradige sensible Ausfallsymptomatik als Folge des Bandscheibenvorfalls ist im Rahmen dieser Bewertung der Veränderungen an der Lendenwirbelsäule mitumfasst. Sie wurde im Übrigen auch von Dr. N. im Rahmen der Wirbelsäulenveränderungen nicht zusätzlich bewertet. Er ist im Bereich der Wirbelsäulenveränderungen vielmehr ebenfalls von einem Teil-GdB von 30 ausgegangen. Im Bereich der Halswirbelsäule liegen hingegen nur leichte und nicht schon mittelgradige funktionelle Auswirkungen - wie dies Dr. O. angenommen hat - vor. Für diesen Wirbelsäulenabschnitt ist auch durch das Gutachten von Dr. O. weder eine Verformung noch eine häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades belegt noch liegen häufige oder rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome vor. Bestätigt wird dies durch die Aussage von Dr. N., der insoweit lediglich von einer endgradig eingeschränkten Beweglichkeit der Halswirbelsäule gesprochen hat.
Die Bewertung von zwei betroffenen Wirbelsäulenabschnitten hat sich daher an mittelgradigen bis schweren funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (vgl. Ziff. 26.18 AHP) zu orientieren, die hier keinen höheren Teil-GdB als 30 rechtfertigen. Bei der Tagung der Sektion Versorgungsmedizin am 15./16. April 1997 erfolgte eine Klarstellung zu Ziff. 26.18 AHP in dem Sinne, dass mittelgradige Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 30 und lediglich schwere Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 40 zu bewerten sind. Dieser Auslegung folgt auch der Senat im Grundsatz und sieht vorliegend keine besonderen Umstände, hiervon abzuweichen, zumal nur ein Wirbelsäulenabschnitt die entsprechenden Auswirkungen aufweist und die Bewertung eines Wirbelsäulenabschnitts mit schweren Auswirkungen (Teil-GdB 30 nach den AHP 26.18) und eines mit geringen funktionellen Auswirkungen (isoliert betrachtet Teil-GdB 10) den grundsätzlichen Bewertungsmaßstäben entspricht (d.h. keine Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung durch zusätzliche leichtere Gesundheitseinschränkungen, die für sich betrachtet nur einen GdB von 10 bedingen - vgl. AHP 19 (4)).
Nachdem auch Dr. N. die unspezifischen Schwindelerscheinungen letztlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit zuordnen konnte, können diese weder im Rahmen der Funktionsbeeinträchtigungen der Augen als GdB-erhöhend angesehen werden noch kann Dr. N. insoweit gefolgt werden, als er die - für sich betrachtet lediglich leichtgradige - Polyneuropathie mit - von ihm unterstellt - daraus sich ergebenden Schwindelerscheinungen zu einem Teil-GdB von 20 zusammenfasst.
Bewertet man die Schwindelerscheinungen als solche, wie sie im Zusammenhang mit Störungen des Hör- und Gleichgewichtsorgans beschrieben und bewertet werden (vgl. Ziff. 26.5 der AHP), ist sie den Gleichgewichtsstörungen ohne wesentliche Folgen zuzuordnen, die den GdB nach Geh- und Stehversuchen ohne nennenswerte Abweichungen mit 0-10 bewerten. Dr. N. hat in seiner Zeugenaussage den Romberg-Stehversuch sowie den Unterberger-Tretversuch als jeweils regelrecht bzw. ohne signifikante Seitabweichung beschrieben.
Selbst wenn man mit dem Allgemeinmediziner Dr. R. von einem zervikogenen, also einem von den Veränderungen der Halswirbelsäule ausgehenden Schwindel ausgehen wollte, ergäbe sich hierdurch keine andere Beurteilung. Denn dann wäre unter Berücksichtigung der beschriebenen Einschränkungen allenfalls von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule auszugehen, die zusammen mit den - schweren - Einschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule eine höhere Bewertung des GdB nicht rechtfertigen könnte.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ist die Einholung eines neurologischen Gutachtens, letztlich mit dem Ziel die Ursache der Schwindelbeschwerden zu klären, wie vom Kläger beantragt, nicht entscheidungsrelevant und daher auch nicht erforderlich.
Bei somit anzusetzenden Teil-GdB von 30 (Wirbelsäule), 20 (Augen) und - allenfalls - weiteren 10 ist kein höherer Gesamt-GdB als 40 festzustellen. Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (vgl. AHP 19 (1)). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Ziff. 19 (3) und (4) AHP). Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft scheidet daher vorliegend aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist der Grad der Behinderung (GdB).
Bei dem 1942 geborenen Kläger stellte der Beklagte auf den Erstantrag vom 4.4.2003 mit Bescheid vom 8.8.2003 einen GdB von 30 auf Grund der Funktionsbeeinträchtigungen "Bandscheibenschaden operiert (Teil-GdB 20), Knorpelschädigung am linken Kniegelenk, Funktionsbehinderung des rechten Sprunggelenks (Teil-GdB 20), Sehminderung links, Schielen (Teil-GdB 10)" fest und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2003 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 27.1.2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft weiterverfolgt hat.
Das SG hat den Augenarzt Dr. S. als sachverständigen Zeugen befragt, der in seiner - zweiten - Auskunft vom 30.3.2005 aufgrund der von ihm festgestellten Visuswerte unter Korrektur von 0,8 rechts und 0,1 links auch unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgebrachten erhöhten Blendungsempfindlichkeit hierfür keinen höheren Teil-GdB als 20 angenommen hat (zur näheren Feststellung der Einzelheiten seiner Auskünfte wird auf Blatt 24/27 und 56 der SG-Akte Bezug genommen).
Ferner hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. K. vom 26.7.2004. Darin erhoben worden sind chronische Lumbalgien bei Zustand nach Bandscheibenoperation L 4/5 rechts mit Osteochondrose L 4/5 und L 5/S 1, ein chronisches Zervikalsyndrom bei Osteochondrose C 5/6 und 6/7 sowie Knorpelschäden am linken Kniegelenk bei Zustand nach Innenmeniskusteilresektion, eine beginnende Coxarthrose beidseits sowie ein Zustand nach mehrfachen Distorsionen im Bereich beider OSG. Die Einschränkung im Bereich der Halswirbelsäule sei als leichte funktionelle Einschränkung und die im Bereich der Lendenwirbelsäule als mittelgradige funktionelle Einschränkung zu bewerten, sodass sich hieraus ein Teil-GdB von 30 ergebe. Im Übrigen bestehe bei freier Beweglichkeit der Knie-, Sprung- und Hüftgelenke maximal ein weiterer Teil-GdB von 10. Der Gesamt-GdB betrage 30.
In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 5.1.2005 hat sich Dr. G. der von Dr. S. und Dr. K. vorgenommenen Bewertung der Teil-GdB angeschlossen und einen Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen, worauf der Beklagte ein entsprechendes Vergleichsangebot unterbreitet hat (Blatt 45/47 der SG-Akte), welches der Kläger jedoch nicht angenommen hat.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG sodann das orthopädische Sachverständigengutachten von Dr. O. vom 5.10.2005 eingeholt. Darin diagnostiziert worden sind rezidivierende, chronifizierte Lumbalgien und Lumboischialgien rechts nach Nukleotomie L 4/5 rechts mit Osteochondrose L 4/5 und L 5/S 1 und erheblicher schmerzhafter Bewegungseinschränkung der gesamten Lendenwirbelsäule sowie ein degeneratives Halswirbelsäulensyndrom mit Osteochondrose C 5/6 und C 6/7 mit Einschränkung der Rotation beidseits, klinische Hinweise auf ein Supraspinatussehnensyndrom links, hinsichtlich des linken Kniegelenkes eine geringe varische Beinachse mit radiologisch sichtbarer Verschmälerung des medialen Kniegelenkspaltes und radiologischen Zeichen einer beginnenden medialen und retropatellaren Gonarthrose sowie Senk-Spreizfüße beidseits. Die Wirbelsäulenveränderungen seien mit einem Teil-GdB von 40, die Veränderung des linken Kniegelenkes mit einem Teil-GdB von 10 und diejenigen im Bereich der linken Schulter ebenfalls mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Auf orthopädischem Fachgebiet betrage der Gesamt-GdB 40 und unter Einschluss der Sehminderung 50.
Mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 24.11.2005 hat Dr. F. im Wesentlichen für die Funktionsbeeinträchtigung des linken Schultergelenks einen Teil-GdB von 10 anerkannt, die Wirbelsäulenschäden jedoch weiterhin mit einem Teil-GdB von 30 bewertet und unverändert einen Gesamt-GdB von 40 angenommen (Blatt 90 der SG-Akte).
In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 29.12.2005 hat Dr. O. daraufhin klargestellt, dass er von schweren funktionellen Auswirkungen der Lendenwirbelsäule und mittelgradigen funktionellen Auswirkungen der Halswirbelsäule ausgeht.
Der Versorgungsarzt D. hat hierauf unter dem 29.3.2006 erwidert, dass bei schweren funktionellen Einschränkungen der Lendenwirbelsäule, die nicht bestritten würden, und lediglich mittelgradigen Auswirkungen der Halswirbelsäule nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) lediglich ein Teil-GdB von 30 festgestellt werden könne. Lediglich bei schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten komme ein Teil-GdB von 40 in Betracht. Vorliegend lägen nach den von Dr. O. erhobenen Befunden ohnehin lediglich leichte Bewegungseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule vor.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.6.2006 hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben, wonach bei dem Kläger ab dem 4.4.2003 ein GdB von 40 festgestellt werde. Ferner bestehe weiterhin eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.
Das SG hat den Beklagten sodann durch Urteil vom selben Tag unter Abänderung der angegriffenen Bescheide verurteilt, bei dem Kläger über das Teilanerkenntnis hinaus ab dem 1.1.2006 einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen und ihm drei Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Wirbelsäule ist das SG dabei von schweren funktionellen Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und - an sich - lediglich leichten funktionellen Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule ausgegangen, die für sich betrachtet lediglich einen Teil-GdB insoweit von 30 rechtfertigten. Bei dem Kläger bestünden jedoch aufgrund der Halswirbelsäulenveränderungen Schwindelerscheinungen, die die Veränderungen der Halswirbelsäule deshalb jetzt als mittelgradig erscheinen ließen, weshalb der GdB für beide Wirbelsäulenabschnitte im Ergebnis mit 40 zu bewerten sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 27.7.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 4.8.2006 Berufung eingelegt, mit der er sich unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 28.7.2006 gegen die zusätzliche Berücksichtigung von auf die Veränderungen der Halswirbelsäule zurückzuführenden Schwindelerscheinungen und damit gegen eine Bewertung der Wirbelsäulenveränderungen mit einem Teil-GdB von 40 wendet.
Der Senat hat bezüglich der Schwindelerscheinungen den Allgemeinmediziner Dr. R. und den Neurologen und Psychiater Dr. N. als sachverständigen Zeugen befragt. Dr. R. hat unter dem 15.12.2006 über eine unspezifische Schwindelsymptomatik im Sinne eines zervikogenen Schwindels berichtet. Dr. N. hat in seiner Auskunft vom 7.2.2007 ebenfalls eine unspezifische Schwindelsymptomatik und darüber hinaus eine leichtgradige bein- und distal betonte Polyneuropathie und eine leichtgradige sensible Ausfallssymptomatik als Folge des Bandscheibenvorfalls angenommen. Die unspezifische Schwindelsymptomatik sei möglicherweise zum Teil mitzuerklären durch die Schielstellung und die Polyneuropathie. Für die unspezifische Schwindelsymptomatik und die Polyneuropathie sei ein Teil-GdB von 20 anzusetzen.
Dagegen hat sich Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 23.2.2007 (Blatt 32/33 der LSG-Akte) gewandt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Schwerbehindertenakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und in der Sache begründet.
Der Kläger hat keinen - über das angenommene Teilanerkenntnis des Beklagten hinausgehenden - Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehindert anzuerkennen ist, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Der Senat wendet zur Beurteilung des Grades der Behinderung im Einzelfall die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP), derzeit in der Ausgabe 2008, an. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handelt es sich bei den AHP um antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R in SozR 4 - 3250 § 69 Nr. 2), deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur so gewährleistet werden kann und weil es sich um ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB handelt. Den AHP kommt insoweit normähnliche Wirkung zu (vgl. BSG a.a.O.).
Zunächst stellt der Senat fest, dass in Übereinstimmung mit dem befragten Augenarzt und dem Beklagten für die Funktionsbeeinträchtigung der Augen kein höherer Teil-GdB als 20 anzusetzen ist. Der Teil-GdB von 20 ergibt sich aus dem mitgeteilten Visus (0,8 rechts, 0,1 links) und der nach den AHP 26.4 anzuwendenden Tabelle der DOG. Ein höherer GdB ist in Übereinstimmung mit Dr. S. aus der nach objektiven Kriterien geprüften, aber nicht als erhöht beurteilten Blendungsempfindlichkeit nicht anzunehmen.
Für die außerhalb der Wirbelsäule bestehenden orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen (etwa im Bereich des linken Knie, der linken Schulter, der Hüftgelenksarthrose) sind in Übereinstimmung mit den Sachverständigengutachten jedenfalls keine höheren Teil-GdB als 10 anzusetzen. Sie sind damit im Ergebnis auch nicht GdB-erhöhend zu berücksichtigen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Bewertungen nicht in Übereinstimmung mit den AHP stünden, sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens weder ersichtlich noch wurden solche vorgetragen.
Auch die von Dr. N. beschriebene bein- und distal betonte Polyneuropathie ist lediglich leichtgradig und kann damit im Ergebnis ebenfalls nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB beitragen, zumal die von Dr. N. erhobenen Geh- und Trittprüfungen regelrecht ausgefallen sind.
Der GdB im Bereich der Wirbelsäule ist mit 30 angemessen bewertet. Mit dem SG und dem Beklagten geht auch der Senat unter Berücksichtigung der in den beiden Sachverständigengutachten beschriebenen Befunde von schweren funktionellen Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule aus. Die leichtgradige sensible Ausfallsymptomatik als Folge des Bandscheibenvorfalls ist im Rahmen dieser Bewertung der Veränderungen an der Lendenwirbelsäule mitumfasst. Sie wurde im Übrigen auch von Dr. N. im Rahmen der Wirbelsäulenveränderungen nicht zusätzlich bewertet. Er ist im Bereich der Wirbelsäulenveränderungen vielmehr ebenfalls von einem Teil-GdB von 30 ausgegangen. Im Bereich der Halswirbelsäule liegen hingegen nur leichte und nicht schon mittelgradige funktionelle Auswirkungen - wie dies Dr. O. angenommen hat - vor. Für diesen Wirbelsäulenabschnitt ist auch durch das Gutachten von Dr. O. weder eine Verformung noch eine häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades belegt noch liegen häufige oder rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome vor. Bestätigt wird dies durch die Aussage von Dr. N., der insoweit lediglich von einer endgradig eingeschränkten Beweglichkeit der Halswirbelsäule gesprochen hat.
Die Bewertung von zwei betroffenen Wirbelsäulenabschnitten hat sich daher an mittelgradigen bis schweren funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (vgl. Ziff. 26.18 AHP) zu orientieren, die hier keinen höheren Teil-GdB als 30 rechtfertigen. Bei der Tagung der Sektion Versorgungsmedizin am 15./16. April 1997 erfolgte eine Klarstellung zu Ziff. 26.18 AHP in dem Sinne, dass mittelgradige Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 30 und lediglich schwere Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem GdB von 40 zu bewerten sind. Dieser Auslegung folgt auch der Senat im Grundsatz und sieht vorliegend keine besonderen Umstände, hiervon abzuweichen, zumal nur ein Wirbelsäulenabschnitt die entsprechenden Auswirkungen aufweist und die Bewertung eines Wirbelsäulenabschnitts mit schweren Auswirkungen (Teil-GdB 30 nach den AHP 26.18) und eines mit geringen funktionellen Auswirkungen (isoliert betrachtet Teil-GdB 10) den grundsätzlichen Bewertungsmaßstäben entspricht (d.h. keine Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung durch zusätzliche leichtere Gesundheitseinschränkungen, die für sich betrachtet nur einen GdB von 10 bedingen - vgl. AHP 19 (4)).
Nachdem auch Dr. N. die unspezifischen Schwindelerscheinungen letztlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit zuordnen konnte, können diese weder im Rahmen der Funktionsbeeinträchtigungen der Augen als GdB-erhöhend angesehen werden noch kann Dr. N. insoweit gefolgt werden, als er die - für sich betrachtet lediglich leichtgradige - Polyneuropathie mit - von ihm unterstellt - daraus sich ergebenden Schwindelerscheinungen zu einem Teil-GdB von 20 zusammenfasst.
Bewertet man die Schwindelerscheinungen als solche, wie sie im Zusammenhang mit Störungen des Hör- und Gleichgewichtsorgans beschrieben und bewertet werden (vgl. Ziff. 26.5 der AHP), ist sie den Gleichgewichtsstörungen ohne wesentliche Folgen zuzuordnen, die den GdB nach Geh- und Stehversuchen ohne nennenswerte Abweichungen mit 0-10 bewerten. Dr. N. hat in seiner Zeugenaussage den Romberg-Stehversuch sowie den Unterberger-Tretversuch als jeweils regelrecht bzw. ohne signifikante Seitabweichung beschrieben.
Selbst wenn man mit dem Allgemeinmediziner Dr. R. von einem zervikogenen, also einem von den Veränderungen der Halswirbelsäule ausgehenden Schwindel ausgehen wollte, ergäbe sich hierdurch keine andere Beurteilung. Denn dann wäre unter Berücksichtigung der beschriebenen Einschränkungen allenfalls von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule auszugehen, die zusammen mit den - schweren - Einschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule eine höhere Bewertung des GdB nicht rechtfertigen könnte.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ist die Einholung eines neurologischen Gutachtens, letztlich mit dem Ziel die Ursache der Schwindelbeschwerden zu klären, wie vom Kläger beantragt, nicht entscheidungsrelevant und daher auch nicht erforderlich.
Bei somit anzusetzenden Teil-GdB von 30 (Wirbelsäule), 20 (Augen) und - allenfalls - weiteren 10 ist kein höherer Gesamt-GdB als 40 festzustellen. Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (vgl. AHP 19 (1)). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Ziff. 19 (3) und (4) AHP). Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft scheidet daher vorliegend aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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