L 4 P 35/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 P 1912/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 35/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) hat.

Der am 1946 geborene verheiratete Kläger ist bei der Beklagten als Rentner pflegepflichtversichert. Er bezieht seit 01. Oktober 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei ihm besteht seit 20. Juni 1996 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100; ferner ist das Merkzeichen G anerkannt. Im Bescheid des Versorgungsamts F. vom 27. August 1996 sind folgende Behinderungen insoweit festgestellt: Diabetes mellitus; Beschwerden nach Umstellungsoperation beiderseits bei Hüftarthrose beiderseits, Varizen, Spreizfüße; statische Wirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden; Herzminderleistung nach Infarkt, Neigung zu Bluthochdruck; Restbeschwerden nach Schlaganfall.

Am 07. Januar 2005 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit. Er machte bei den Verrichtungen der Grundpflege Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, bei der Darm- und Blasenentleerung sowie beim An- und Auskleiden geltend. Diesen Hilfebedarf erläuterte er im Schreiben vom 31. Dezember 2004. Die Hilfe werde durch Familienangehörige, überwiegend von der Ehefrau, erbracht. Die Ehefrau des Klägers war bis April 2008 zu 70% im Schichtdienst in einem Krankenhaus an der Pforte beschäftigt. Der Kläger reichte auch ein Pflegetagebuch ein, das für die Zeit vom 12. bis 18. Januar 2005 geführt war. Die Beklagte veranlasste die Untersuchung des Klägers durch die Pflegefachkraft G. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in S., die am 16. Februar 2005 in der häuslichen Umgebung des Klägers durchgeführt wurde. Im Gutachten vom 23. Februar 2005 wurde ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege von 21 Minuten (15 Minuten beim Duschen und sechs Minuten beim Stuhlgang) und bei der Mobilität sechs Minuten (vier Minuten beim Ankleiden und zwei Minuten beim Entkleiden), insgesamt 27 Minuten, festgestellt. Darauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 24. Februar 2005 ab, da bei einem Hilfebedarf bei der Grundpflege von insgesamt 27 Minuten pro Tag die Voraussetzungen für die Zuordnung zur Pflegestufe I nicht erfüllt seien; der Pflegebedarf betrage insoweit nicht mehr als 45 Minuten. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er geltend machte, im Gutachten sei zweimal tägliche Darm- und Blasenentleerung vermerkt. Er, der Kläger, habe jedoch bei der gutachterlichen Untersuchung erklärt, dass er aufgrund gestörter Magen- und Darmflora an vielen Tagen bis zu viermal die Toilette aufsuchen müsse und dies nicht nach vorheriger Programmierung des Dickdarms. Dabei müsse er nach dem Stuhlgang an dem im Bad befindlichen Bidet mit Wasser und Seifenlotion gründlich abgewaschen werden. Wegen der nicht vorher programmierbaren Zeitpunkte sei es danach erforderlich, dass immer eine Person seines Vertrauens in der Nähe sein müsse, um die erwähnte Reinigung zu bewerkstelligen. Die angegebenen sechs Minuten reichten im Übrigen nicht aus; es seien in der Regel 15 bis 20 Minuten erforderlich. Der Zeitaufwand für die Bereitschaft, um immer zur Verfügung zu stehen, müsse auch berücksichtigt werden. Die Beklagte erhob eine weitere Stellungnahme nach Aktenlage der Dr. F. vom MDK in S. vom 13. April 2005, in der ausgeführt wurde, ausreichendes Reinigen nach dem Stuhlgang solle in drei Minuten möglich sein; bei viermaliger Berücksichtigung der täglichen Hilfeleistung wären somit weitere sechs Minuten hinzuzurechnen. Auch in diesem Fall bleibe der vorliegende Hilfebedarf unter dem gesetzlich geforderten Umfang von mehr als 45 Minuten. Nach einem entsprechenden Hinweisschreiben der Beklagten vom 20. April 2005 hielt der Kläger seinen Widerspruch aufrecht. Der Widerspruch wurde dann mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 29. Juni 2005 zurückgewiesen. Darin wurde ausgeführt, mit einem grundpflegerischen Hilfebedarf von täglich 33 Minuten werde der für die Pflegestufe I erforderliche Zeitwert nicht erreicht. Soweit auf notwendigen intensiven Betreuungsbedarf hingewiesen werde, führe dies zu keiner anderen Entscheidung. In den Pflegebedürftigkeits-Richtlinien sei in diesem Zusammenhang dazu ausgeführt, dass die allgemeine Beaufsichtigung, die über die Sicherung der maßgeblichen Verrichtungen hinausgehe, bei der Bemessung des Hilfebedarfs nicht zu berücksichtigen sei. Auch die Tatsache, dass eine Anerkennung als Schwerbehinderter vorliege, vermöge keine Zuerkennung der Pflegestufe I zu rechtfertigen. Eine im Sinne des Schwerbehindertenrechts festgestellte Behinderung lasse keine Rückschlüsse auf das gleichzeitige Vorliegen von Pflegebedürftigkeit zu. In diesem Sinne habe auch das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 26. November 1998 (B 3 P 20/97 R) entschieden.

Deswegen erhob der Kläger am 27. Juli 2005 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Entgegen der Begutachtung durch den MDK wende seine Ehefrau mehr als 45 Minuten täglich für die Grundpflege auf. Dazu müsse seine Ehefrau gehört werden und ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Der Kläger reichte auch die Bescheinigung des Dr. K., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie - Notfallmedizin, vom 12. August 2005 ein. Danach sei der Kläger infolge gravierender Grunderkrankungen nicht in der Lage, am Erwerbsleben teilzunehmen. Auch körperlich leichte Arbeiten könne er nicht im notwendigen Ausmaß von mindestens zwei Stunden täglich verrichten. Eine eigenständige Versorgung sei bei der Teilmobilität nur eingeschränkt möglich. Es bestehe auch der dringende Verdacht auf ein obstruktives Schlafapnoesyndrom. Ferner legte der Kläger den Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 28. Juli 2006 über die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Oktober 2004 vor. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Das SG erhob das sozialmedizinische Gutachten der Dr. Be., Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen - Sozialmedizin - Umweltmedizin, vom 04. November 2005. Die Sachverständige untersuchte den Kläger in seiner häuslichen Umgebung am 28. Oktober 2005. Sie stellte beim Kläger einen täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege von 29 Minuten fest, nämlich zwölf Minuten beim Duschen, beim Stuhlgang (drei- bis viermal täglich) elf Minuten, vier Minuten beim Ankleiden und zwei Minuten beim Entkleiden. Das Schlafapnoesyndrom erhöhe den Hilfebedarf nicht. Gegen das Sachverständigengutachten erhob der Kläger Einwendungen mit den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 20. März und 16. August 2006 (Bl. 64 bis 69 und 85 bis 103 der SG-Akte). Dazu legte die Sachverständige eine ergänzende Stellungnahme vom 07. Juni 2006 vor. Ferner zog das SG noch die Rentenakte der Deutschen Rentenversicherung Bund bei und nahm daraus die Rentengutachten des Privatdozenten Dr. Di., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie, vom 10. Juni 2005, des Orthopäden Dr. Tr. sowie des Arztes für Psychotherapeutische Medizin Dr. Gr. vom 05. Mai 2006 zu den Akten. Mit Urteil vom 16. November 2006, den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 04. Dezember 2006 zugestellt, wies das SG die Klage ab. Es führte aus, nach Überzeugung des Gerichts lägen beim Kläger die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht vor. Dies ergebe sich übereinstimmend aus den Gutachten im Verwaltungsverfahren der Pflegefachkraft G. und der Dr. F., die im Wege des Urkundenbeweises verwertet worden seien, und aus dem gerichtlichen Gutachten der Dr. Be ... Diese habe überzeugend dargetan, dass der Kläger noch ausreichend beweglich sei und sich noch weitgehend selbstständig versorgen könne. Dies zeige sich auch daran, dass seine Ehefrau und Pflegeperson sich zudem wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung häufig außer Haus befinde. Aus den klägerischen Erkrankungen und der Tatsache, dass der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehe, lasse sich keine erhebliche Pflegebedürftigkeit ableiten.

Dagegen hat der Kläger am 02. Januar 2007 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er hat die weitere Bescheinigung des Dr. K. vom 12. Februar 2007 sowie das Schreiben seiner Ehefrau vom 09. Mai 2007 eingereicht. Er macht geltend, der Hilfebedarf für das Duschen sei zu gering bewertet worden. Der Hilfebedarf betrage insoweit 20 Minuten pro Tag. Ebenfalls zu gering eingeschätzt sei der Hilfebedarf bei der Darm- und Blasenentleerung, insbesondere beim Stuhlgang. Insoweit benötige er Hilfe beim Reinigen, beim Waschen nach dem Stuhlgang sowie dann beim vollständigen Wiederankleiden. Je Stuhlgang müssten deshalb mindestens zehn Minuten für die Hilfe aufgewendet werden, d.h. bei durchschnittlich drei Stuhlgängen täglich mindestens 30 Minuten. Ferner schätze seine Ehefrau den Hilfebedarf beim An- und Auskleiden auf jeweils 15 Minuten, was insgesamt 30 Minuten entspreche. Ferner müsse ein Hilfebedarf unter dem Gesichtspunkt der Mobilität (Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung) berücksichtigt werden, weil er Begleitung für das wöchentliche Aufsuchen des Thermalbads in Bad Saulgau benötige. Diese Thermalbadbesuche gehörten zur grundpflegerischen Verrichtung, denn sie seien für ihn unabdingbar notwendig, wie sich aus der vorgelegten Bescheinigung des Dr. K. vom 12. Februar 2007 ergebe. Es müsse seine Ehefrau als Zeugin vernommen und ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten erhoben werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. November 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2005 zu verurteilen, ihm ab 07. Januar 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Berichterstatter des Senats das am "16.02.2005" (Eingang am 06. März 2008) erstattete Gutachten des Dr. K. erhoben, das dieser nach dem Gutachten aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung vom "18.02.2005" (gemeint 18. Februar 2008) erstattet hat. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, je nach Häufigkeit des Stuhlgangs, zwei- bis viermal täglich, ergäben sich 47 bis 59 Minuten täglicher Hilfebedarf. Beim Kläger komme es, bedingt durch die chronischen Schmerzen, immer wieder zu schmerzbedingt verlangsamten Bewegungsabläufen und längerem Innehalten während der Hilfeverrichtung. Es entstünden somit nicht anderweitig nutzbare Wartezeiten der Pflegeperson, die bei der Bewertung zu berücksichtigen seien. Im vorliegenden Fall sei daher, abweichend von den üblichen Zeitkorridoren der Begutachtungs-Richtlinien, tatsächlich ein erhöhter Zeitaufwand anzusetzen. Für die Hilfe beim Duschen seien 15 Minuten anzusetzen, für die Intimpflege nach jedem Stuhlgang sechs Minuten, für die Hilfe beim Ankleiden zehn Minuten und beim Auskleiden sechs Minuten sowie für die Hilfe beim morgendlichen Aufstehen vier Minuten.

Der Kläger sieht durch das Sachverständigengutachten des Dr. K. seinen Standpunkt bestätigt. Er macht geltend, er benötige umfassende Hilfe beim An- und Auskleiden von Kopf bis Fuß. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass bei ihm allmorgendlich die Füße und Beine wegen Rissbildung (diabetische Füße) mit einer speziellen Fußcreme behandelt und nach Einziehen der Creme dann die erforderlichen Stützstrümpfe mit Hilfe seiner Ehefrau angezogen werden müssten. Es müsse weiter berücksichtigt werden, dass er mittags jetzt zum Schlafen das Bett bevorzuge. Mithin komme es zur weiteren Hilfe beim Aufstehen. Wegen des obstruktiven Schlafapnoesyndroms müsse er ein CPAP-Beatmungsgerät verwenden. Auch deswegen verbringe er den Mittagsschlaf im Bett. Das Anbringen der Atemmaske müsse nachts mehrmals erfolgen, da sich diese während des Schlafens selbst vom Kopf löse und dadurch die Luftturbine erhebliche Geräusche verursache. Seine Ehefrau müsse ihm beim Aufsetzen der Maske nachts ungefähr dreimal Hilfe leisten. Sein Gesundheitszustand habe sich seit dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten erheblich verschlechtert. Dr. K. habe bei ihm die Sonderumstände berücksichtigt. Seit April 2008 sei seine Ehefrau nicht mehr berufstätig. Zuvor seien die Hilfeleistungen während der Zeit, da sie beruflich abwesend gewesen sei, im Wechsel von seinem Sohn, seiner Tochter und der Schwiegertochter erbracht worden.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28. März 2008 Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten des Dr. K. erhoben. Sie macht vor allen Dingen geltend, ein Zeitaufwand von sechs Minuten für die Reinigung nach Stuhlgang sei lebensfremd. Der Kläger benötige beim An- und Entkleiden auch nur punktuell Hilfe; er müsse von der Pflegeperson nicht komplett an- und entkleidet, sondern dabei nur unterstützt werden. Mithin seien die von Dr. K. angesetzten Zeiten von zehn bzw. sechs Minuten täglich nicht nachvollziehbar, denn es handle sich dabei um die Höchstwerte der für eine vollständige Übernahme der Verrichtung festgelegten Zeitkorridore. Ebenso sei der für das Aufstehen dokumentierte Zeitwert von vier Minuten täglich nicht nachvollziehbar. Denn die Begutachtungs-Richtlinien sähen hierfür lediglich ein bis zwei Minuten vor. Das Aufstehen mittags vom Sofa müsse dem Kläger nach dem Mittagsschlaf auch alleine möglich sein.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2005 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht weder ab 07. Januar 2005 (Antragstellung) noch ab einem späteren Zeitpunkt hier allein streitiges Pflegegeld nach § 37 SGB XI zu, denn es liegen derzeit die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht vor.

Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflege ein (in unterschiedlicher Höhe zu zahlendes, vergleiche Satz 2 der Vorschrift) Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig im Sinne dieser Vorschrift ist, wer einer der drei Pflegestufen zugeordnet ist. Insoweit sind pflegebedürftig nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt demnach im einzelnen der Hilfebedarf beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und bei der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie beim selbständigen Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen sowie beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität). Zur Grundpflege gehört grundsätzlich nicht die Behandlungspflege. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind nur dann als Bestandteil der in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI aufgeführten Katalogverrichtungen zu berücksichtigen, wenn sie in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang damit durchzuführen sind (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nrn. 2, 11 und 15). Ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Verrichtung reicht nur dann aus, wenn die vorherige, gleichzeitige oder unmittelbar anschließende Durchführung der krankheitsspezifischen Maßnahme mit der Verrichtung objektiv erforderlich ist und nicht etwa, insbesondere aus medizinischen Gründen, auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden könnte. Für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen kommt es mithin allein auf den Hilfebedarf bei den in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI angeführten Verrichtungen der Grundpflege an. Maßgebend sind Funktionseinschränkungen bei den einzelnen Verrichtungen der Grundpflege, die insoweit Hilfe bedingen, nicht jedoch das Vorliegen einer Erkrankung als solcher und auch nicht ein bestimmter aufgrund von Behinderungen festgestellter GdB oder Erwerbsminderung im Sinne des Rentenrechts. Der Bezug der Pflegebedürftigkeit auf bestimmte Verrichtungen und die Nichtberücksichtigung eines allgemeinen Betreuungsaufwands ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BSG SozR 4-3300 § 14 Nr. 1). Der Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI ist abschließend; sonstige dort nicht genannte Tätigkeiten können keine Berücksichtigung finden. Die Zeitkorridore, die die auf der Ermächtigung des § 17 SGB XI beruhenden Begutachtungs-Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen (BRi) vom 21. März 1997 in der Fassung vom 11. Mai 2006 enthalten, können für die dem Normalfall entsprechenden Pflegemaßnahmen als "Orientierungswerte" zur Pflegezeitbemessung dienen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 15). Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 BRi; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 mit weiteren Nachweisen).

Der Zeitaufwand bei der Grundpflege beträgt im Falle des Klägers nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht mindestens 46 volle (= mehr als 45) Minuten. Dies hat das SG zutreffend unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens der Dr. Be. vom 04. November 2005 und deren aufgrund von Einwendungen des Klägers erstatteter ergänzender Stellungnahme vom 06. Juni 2006 entschieden. Danach besteht beim Kläger ein täglicher Hilfebedarf beim Duschen von zwölf Minuten, beim Stuhlgang, nämlich der Intimhygiene danach, von insgesamt elf Minuten (bei drei- bis viermaligem Vorgang pro Tag), beim Ankleiden von vier Minuten und beim Entkleiden von zwei Minuten. Dies ergibt einen Hilfebedarf von 29 Minuten pro Tag. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers, je nach Fleischsorte müsse bei ihm das Fleisch aufgeschnitten werden, da er das Messer nicht mehr genügend festhalten könne, hat die Sachverständige insoweit in der ergänzenden Stellungnahme noch einen weiteren Hilfebedarf von einer Minute pro Tag unterstellt. Mit dem Zeitwert von 30 Minuten ist jedoch ebenfalls die Grenze von mehr als 45 Minuten pro Tag nicht erreicht. Soweit der Kläger geltend gemacht hatte, Rasieren, Kämmen und Zähneputzen sei ihm beim Auftreten von spontanen verstärkten Schmerzen nicht möglich, ließe sich daraus ein regelmäßiger Hilfebedarf beim Rasieren, Kämmen und Zähneputzen nicht herleiten. Zutreffend hat die Sachverständige ihre Einschätzung auch unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der BRi vorgenommen, wie sich aus Bl. 17 des Gutachtens ergibt. Sie hat dabei in Rechnung gestellt, dass bei der Festlegung der Zeitorientierungswerte von einer vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Alleinpflegekraft ausgegangen wird. Mithin hat sie zutreffend im Falle des Klägers berücksichtigt, dass jeweils nicht die volle Übernahme der Verrichtungen erforderlich war, vielmehr der Kläger jeweils zu Teilverrichtungen in der Lage ist, weshalb nicht die Orientierungswerte für die vollständige Übernahme herangezogen werden konnten, die für das Duschen mit 15 bis 20 Minuten, für die Darmentleerung (Stuhlgang [Intimhygiene, Toilettenspülung]) mit drei bis sechs Minuten, beim Ankleiden insgesamt mit acht bis zehn Minuten und beim Entkleiden insgesamt mit vier bis sechs Minuten veranschlagt sind. Beim Ankleiden ist das Ausziehen der Nachtwäsche und das Anziehen von Tagesbekleidung als ein Vorgang zu werten, ebenso wie bei der Verrichtung des Auskleidens, das Ausziehen von Tagesbekleidung und das Anziehen von Nachtwäsche. So hatte der Kläger beispielsweise angegeben, zum An- und Entkleiden brauche er Hilfe, weil er sich insbesondere nicht bücken könne. Die Socken müssten ihm ebenso wie die Schuhe angezogen werden; diese müssten auch gebunden werden. Zutreffend hat die Sachverständige auch darauf hingewiesen, dass das beim Kläger festgestellte Schlafapnoesyndrom den Grundpflegebedarf nicht erhöhe. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, nachts müsse das Anbringen der Atemmaske mehrfach erfolgen, da sich diese während des Schlafens selbst vom Kopf löse, dadurch die Luftturbine erhebliche Geräusche verursache und seine Ehefrau durch diese Geräusche vor ihm aufwache, führt dies nicht zu zusätzlichem Hilfebedarf, denn das Wiederanbringen der Atemmaske nachts kann keiner genannten Grundpflegeverrichtung zugerechnet werden. Der Gesetzgeber hat bei der Aufzählung der maßgeblichen Verrichtungen nämlich nicht alle denkbaren Maßnahmen zur Gewährleistung des Schlafens in den Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI aufgenommen, sondern mit dem Aufstehen und Zu-Bett-Gehen zwei körperliche Bewegungsvorgänge genannt, die nach dem - gewollten oder ungewollten endgültigen oder einstweiligen - Ende des Schlafes erst einsetzen oder vor dem Beginn des Schlafes bereits beendet sind (BSG SozR 3-3000 § 14 Nr. 10). Auch soweit der Kläger seine Mobilität, insbesondere auch außerhalb des Hauses, als eingeschränkt bezeichnet, führt dies ebenfalls nicht zu zusätzlichem zu berücksichtigenden Hilfebedarf. Insbesondere ist kein Hilfebedarf anzurechnen, den der Kläger für Besuche des Thermalbads bzw. für Übungsbehandlungen zu Hause geltend macht. Insbesondere die Begleitung zum wöchentlichen Besuch eines Thermalbads kann nicht als Hilfeleistung beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung berücksichtigt werden. Für die Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 19, mit weiteren Nachweisen) außerhalb der Wohnung nur solche Wege beachtlich, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und bei denen das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig ist. Darunter fallen - wenn sie mindestens einmal wöchentlich anfallen - nur Wege zum Arzt oder Krankengymnasten. Auch die vom Kläger geltend gemachte Rufbereitschaft der Pflegeperson, da es jederzeit, auch nachts vorkommen könne, dass er die Toilette zur Darmentleerung aufsuchen müsse, führt nicht dazu, dass zusätzliche Pflegezeit in Ansatz gebracht werden kann.

Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass sich der Hilfebedarf nach der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. Be., die am 28. Oktober 2005 durchgeführt wurde, erheblich vermehrt hat. Selbst wenn die Ehefrau des Klägers, die jedenfalls bis April 2008 berufstätig war, nun seit Mai 2008 eine Rund-um-die-Uhr Versorgung des Klägers tatsächlich durchführen sollte, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass sich der Pflegebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege tatsächlich vermehrt hätte. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren den täglichen Hilfebedarf beim Duschen mit 20 Minuten, beim Stuhlgang (Intimhygiene) mit 30 Minuten (dreimalige Verrichtung) und beim An- und Auskleiden mit 30 Minuten angesetzt hat, sind diese Zeitwerte nicht überzeugend, zumal, wie dargelegt, nicht nachgewiesen ist, dass jeweils die volle Übernahme bei diesen Verrichtungen erforderlich ist. Ein Hilfebedarf in diesem Umfang ist auch vom Sachverständigen Dr. K. nicht bestätigt worden. Dr. K. schätzt zwar im Gutachten den täglichen Hilfebedarf beim Duschen mit 15 Minuten, bei der Blasenentleerung (Intimpflege) mit sechs Minuten pro Vorgang, wobei er zwei- bis viermalige Verrichtung pro Tag annimmt, beim Ankleiden mit zehn Minuten und beim Auskleiden mit sechs Minuten ein. Dieses würde einen Hilfebedarf pro Tag von 43 bzw. 55 Minuten ergeben. Auch diese Teilwerte sind für den Senat nicht überzeugend, zumal auch der Sachverständige Dr. K. beispielsweise hinsichtlich des Duschens hervorhebt, dass der Kläger insoweit nur vor allem Hilfe beim Waschen der unteren Extremitäten, der Intimregion und des Rückens bedürfe. Auch beim An- und Auskleiden weist er darauf hin, dass beispielweise die Oberbekleidung eigenständig angelegt werden könne, weshalb auch insoweit komplette Hilfe nicht nachgewiesen ist. Dr. K. begründet seine Beurteilung, dass im Falle des Klägers "die Zeitkorridore deutlich großzügiger gefasst werden sollten", damit, dass beim Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom im Bereich von Wirbelsäule und Extremitäten jede mögliche Mitarbeit erheblich verzögere. Der Umstand, dass es beim Kläger zu schmerzbedingt verlangsamten Bewegungsabläufen und längerem Innehalten während der Hilfeverrichtung kommen könne, rechtfertigt es jedoch nicht, dass beispielweise für die Intimhygiene beim Stuhlgang der Höchstwert für die Gesamtverrichtung beim Stuhlgang von sechs Minuten angesetzt wird. Ebenfalls lässt sich damit nicht der Höchstwert beim Ankleiden und Entkleiden für die Übernahme der gesamten Verrichtung rechtfertigen, zumal eine Zunahme des Hilfebedarfs seit Oktober 2005 nicht feststellbar ist. Insoweit kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass Dr. Be. (Seite 14 des Gutachtens) bei der Durchführung der einzelnen Funktionsgriffe Aggravation beobachtet hatte, da Bewegungen plötzlich schmerzhaft und kaum mehr durchführbar waren, zu denen er aufgefordert wurde, die vorher in der Begutachtungs- und Explorationssituation unproblematisch durchgeführt worden sind. Soweit Dr. K. im Sachverständigengutachten, abweichend von der Feststellung der Dr. Be., auch einen Hilfebedarf beim morgendlichen Aufstehen berücksichtigen will, ergäbe dies einen täglichen Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten nicht, selbst wenn der von Dr. K. insoweit in Ansatz gebrachte Zeitwert von vier Minuten berücksichtigt würde, obwohl nach den Orientierungswerte der BRi für einen einfache Hilfe zum Aufstehen nur ein bis zwei Minuten angesetzt werden könnten. Insoweit ergäbe sich ein Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten pro Tag auch dann nicht, wenn ein Hilfebedarf beim Aufstehen nicht nur einmal morgens, sondern entsprechend dem Vorbringen des Klägers auch noch mittags berücksichtigt würde, weil der Kläger die Mittagsruhe nicht mehr auf dem Sofa, sondern ebenfalls im Bett verbringt. Soweit der Kläger schließlich geltend macht, ihm müssten allmorgendlich seine Füße und Beine wegen einer Rissbildung (diabetische Füße) mit einer speziellen Fußcreme behandelt werden, ist der Zeitaufwand dafür als medizinische Behandlungspflege bei der Grundpflege nicht in Ansatz zu bringen, denn es lässt sich nicht feststellen, dass dieser Eincremvorgang untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung der Grundpflege ist, mag er auch zeitlich dem Aufstehen und Duschen nachfolgen und dem Anziehen zeitlich vorausgehen.

Die Vernehmung der Ehefrau des Klägers als Zeugin, insbesondere zu der ab Mai 2008 tatsächlich erbrachten Hilfe, war ebenso wenig geboten wie die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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