L 4 R 1450/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 RA 2152/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1450/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. September 2004 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 27. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2002 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. März 2007 bis 28. Februar 2010 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Die am 1951 geborene Klägerin erlernte von 1966 bis 1970 den Beruf einer Verkäuferin und war im Anschluss daran bis 1973 in diesem Beruf, danach als Bedienung versicherungspflichtig beschäftigt. Nachdem sie 1986 einen Kurs als Schwesternhelferin absolviert hatte, arbeitete sie in diesem Beruf von 1985 bis 2002 versicherungspflichtig in einem Krankenhaus. Seit Juli 2002 ist die Klägerin arbeitsunfähig und bezog zunächst vom 14. Januar 2003 bis 13. Januar 2004 Krankengeld, im Anschluss daran bis 7. März 2006 Arbeitslosengeld und seither Arbeitslosengeld II. Das Versorgungsamt R. hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 seit dem 30. Oktober 2002 und das Merkzeichen "G" (bereits ab 18. März 1985) festgestellt (Schwerbehindertenausweis vom 20. Juli 2001).

Am 4. November 1997 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit wegen Asthma bronchiale und Parese im rechten Bein. Die Beklagte erhob das Gutachten des Internisten Dr. R. vom 03. Dezember 1997, wonach die Klägerin die Tätigkeit als Schwesternhelferin nur noch zwei Stunden bis unter halbschichtig verrichten könne sowie leichte Tätigkeiten halb- bis unter vollschichtig. Im Vordergrund stehe das Asthma bronchiale. Mit Bescheid vom 14. Januar 1998 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit seien nicht erfüllt, da sie (die Klägerin) noch eine Ganztagsbeschäftigung ausübe. Zugleich wurde eine Zusicherung nach § 34 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) dahingehend abgegeben, dass mit dem Tag der endgültigen Aufgabe der jetzigen Tätigkeit der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit eintrete, wenn die Tätigkeit innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung dieses Bescheids aufgegeben werde. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 16. September 1998).

Am 2. April 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rehabilitationsleistungen. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, die vom 18. Juni bis 09. Juli 2001 in der M. Klinik H. durchgeführt wurde. Dr. S. gab im Entlassungsbericht vom 31. Juli 2001 als Diagnose gemischtförmiges Asthma bronchiale schweren Grades an. Die Klägerin sei arbeitsfähig entlassen worden. Sie könne leichte körperliche Arbeiten ohne Exposition von inhalativen Belastungen, Nässe, Kälte oder Zugluft verrichten. Die jetzige berufliche Tätigkeit als Krankenschwester könne sie nicht mehr ausüben, wobei sie selbst aber davon ausgehe, dazu derzeit weiter in der Lage zu sein. Die Beklagte sah den Antrag auf Rehabilitationsleistungen als Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung an. Dr. H., beratender Arzt der Beklagten, hielt die Klägerin für fähig, leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen temperierten Räumen ohne Einwirkung von Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen sowie im Wechselrhythmus von Gehen, Stehen und Sitzen zu verrichten (Stellungnahme vom 10. Oktober 2001). Mit Bescheid vom 27. März 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe die Arbeitszeit auf 75 % gekürzt und könne ihre Tätigkeit nur wegen der Rücksicht ihrer Kollegen verrichten. Die Beklagte holte daraufhin eine schriftliche Auskunft bei dem behandelnden Internisten Dr. T. ein. Danach sei eine Verschlechterung im Zustand der Klägerin eingetreten (Auskunft vom 06. Juni 2002). Die Beklagte erhob daraufhin das Gutachten des Internisten Dr. R. vom 24. Juli 2002. Dieser gab an, dass für die sozialmedizinische Beurteilung ausschließlich das Asthma bronchiale von Bedeutung sei. Durch eine adäquate systemische Kortikoidtherapie sei eine Besserung zu erzielen. Mittelschwere körperliche Arbeiten seien momentan nicht möglich. Eine häufige Exposition gegenüber stark irritativ wirkenden bronchialen Reizen wie auch gegenüber den relevanten Allergenen sollte gemieden werden. Das Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Schwesternhelferin sei auf drei bis unter sechs Stunden reduziert. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne die Klägerin hingegen sechs Stunden und mehr verrichten. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2002). Die Klägerin sei noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine Erwerbsminderung liege daher nicht vor.

Hiergegen erhob die Klägerin am 18. November 2002 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Seit Juli 2002 bestehe als weitere Erkrankung ein Restless Legs-Syndrom sowie ein Wirbelsäulensyndrom, hauptsächlich die Halswirbelsäule betreffend. Wegen dieser Erkrankungen müsse sie stärkste Medikamente einnehmen, wie Kortison und Dopamin. Wegen der hinzugekommenen Erkrankungen sei sie derzeit nicht in der Lage, irgendeiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zur weiteren Begründung legte sie das Gutachten des Dr. Sc.-M. des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 27. Mai 2003 vor, wonach aus medizinischer Sicht auf Dauer Arbeitsunfähigkeit und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege, ferner das Attest des Dr. D., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 27. September 2004 vor, wonach sie unter einem chronischen Schmerzsyndrom und Schwäche in den Beinen mit Einschränkungen der Gehstrecke leide. Es handle sich nicht um ein psychosomatisches Krankheitsbild im ursprünglichen Sinn. Stimmungsschwankungen ergäben sich reaktiv wegen der chronischen Beschwerdesymptomatik. Des Weiteren reichte sie das Attest des Dr. N., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 29. September 2004 ein, wonach sie wegen Beschwerden einer Heberden- und Bouchart-Polyarthrose behandelt werde.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und bezog sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Das SG zog die Berichte des Prof. Dr. N., Psychiatrisches Landeskrankenhaus W., vom 21. Januar 1994 über die stationäre Behandlung vom 21. bis 31. Dezember 1993 (Diagnose: pasagere Paraparese unklarer Genese), des Dr. Sch., Reha-Klinik S., vom 16. Februar 1994 über die stationäre Behandlung vom 19. Januar bis 16. Februar 1994 (Diagnose: rechtsbetonte spastische Paraparese unklarer Genese, kortisonpflichtiges Asthma bronchiale und Adipositas) sowie des Dr. Sche., Neurologische Klinik des Klinikums A., vom 20. November 2002 über die ambulante Untersuchung zur Abklärung unklarer Schmerzen in den Beinen am "30. November 2002" bei und holte schriftliche Auskünfte bei den behandelnden Ärzten ein. Dr. T. (Auskunft vom 25. Februar 2003) schloss sich den Ausführungen des Gutachters Dr. R. - auch hinsichtlich des Leistungsvermögens - an. Dr. D. teilte mit (Auskunft vom 01. April 2003), die berufliche Leistungsfähigkeit müsse internistisch-pulmologisch beurteilt werden. Die bei der Klägerin zuletzt bestehende Arbeitsunfähigkeit lasse sich mit der Schwäche und den Schmerzen in den Beinen begründen.

Auf Anregung der Krankenkasse der Klägerin erfolgte vom 19. Februar bis 26. März 2003 in der M. Klinik H. eine erneute stationäre Behandlung. Dr. S. nannte im Entlassungsbericht vom 28. März 2003 als Diagnosen ein COPD (chronic obstructive pulmonary disease) Stadium II B nach GOLD mit Exazerbationen, nach Vorbefund ein atypisches Restless Legs-Syndrom sowie ein Erschöpfungssyndrom. Die Entlassung erfolgte als arbeitsunfähig für den letzten Arbeitsplatz als Schwesternhelferin. Er hielt aus internistischer Sicht eine Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten ohne Exposition gegenüber infektbegünstigenden Arbeitsbedingungen gegeben.

Das SG erhob daraufhin das am 08. Juli 2004 erstattete Sachverständigengutachten des Dr. M., Leitender Arzt für Innere Medizin der Fachklinik für Psychotherapie und Psychosomatik B. S.; der Sachverständige untersuchte die Klägerin am 28. Mai 2004. Dr. M. nannte folgende Diagnosen: chronisch obstruktive Bronchitis mit Lungenemphysem (COPD) vom Typ II B nach GOLD und rezidivierenden Exazerbationen bei Auftreten eines Asthma bronchiale infolge eines Infekts 1978, mittelgradige depressive Reaktion sowie Restless Legs-Syndrom somatischer wie psychosomatischer Genese. Bei einer Belastungsstufe von 50 und 75 Watt während des Belastungs-EKG sei die Klägerin in der Lage, einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig nachzugehen. Es sei glaubwürdig, wenn sie angebe, dass das Treppensteigen ab der ersten Etage Luftnot hervorrufe, und dass sie bei leichten körperlichen Tätigkeiten nach ca. einer Stunde eine Pause einlege und dann für bis zu einer Stunde spazieren gehe. Wegen des Asthma bronchiale seien mittelschwere oder schwere körperliche Arbeitsbelastungen sowie Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel von über fünf kg nicht mehr möglich. Leichte körperliche Tätigkeiten könnten nur im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen unter Vermeidung gleichförmiger Körperhaltungen erfolgen. Häufiges Bücken und häufiges Treppensteigen seien nicht möglich, das Steigen auf Leitern und das Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten sei hingegen nur bedingt möglich. Arbeiten an gefährdenden Maschinen sowie Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechselschicht, Nachtschicht und Lärm müssten ausgeschlossen werden. Die Klägerin sei zudem in der Lage, Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung, allerdings ohne besondere geistige Beanspruchung (Stressbelastung), durchzuführen. Von Seiten der mittelgradigen depressiven Reaktion sei eine relevante Beeinträchtigung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit nicht erkennbar. Als Krankenschwesternhelferin könne die Klägerin somit nicht mehr arbeiten, die Tätigkeit als Verkäuferin oder Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten jedoch vollschichtig verrichtet werden.

Mit Urteil vom 30. September 2004 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2002 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung "ausgehend von einem Eintritt des Versicherungsfalls vom 01. Januar 2004 bis 31. Dezember 2006 zu gewähren". Im Übrigen wies es die Klage ab. Die bisherige Beschäftigung als Schwesternhelferin könne nicht mehr verrichtet werden. Aus den medizinischen Unterlagen ergebe sich zwar, dass die Klägerin noch sechs Stunden und mehr arbeiten könne. Es sei jedoch davon auszugehen, dass der allgemeine Arbeitsmarkt für die Klägerin verschlossen sei, da eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliege. Dafür spreche, dass die Klägerin seit 01. August 2002 arbeitslos sei. Aus dem Gutachten des Dr. M. ergebe sich zudem, dass die Klägerin auch bei leichter körperlicher Tätigkeit nach einer Stunde eine Pause einlegen müsse. Die chronisch obstruktive Bronchitis führe weiter dazu, dass sie nicht im Freien arbeiten könne, dass aber auch die Einsatzmöglichkeit in geschlossenen Räumen stark eingeschränkt sei. Leichte Tätigkeiten, die für die Klägerin in Frage kämen, würden entweder ausschließlich im Sitzen (Montiererin oder Kassiererin) oder ausschließlich im Stehen (Kassiererin an einer Sammelkasse in einem Kaufhaus) verrichtet. Für Botengänge könne die Klägerin nicht eingesetzt werden, da es sich hierbei um eine Beschäftigung ausschließlich im Gehen handle. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Rentenantrag im Jahr 1997 nur deswegen abgelehnt worden sei, weil die Klägerin damals noch eine Ganztagsbeschäftigung ausgeübt habe. Aus dem Gutachten des Dr. M. ergebe sich, dass die "Erwerbsunfähigkeit seit Januar 2004" bestehe.

Gegen das Urteil des SG, das der Beklagten am 15. März 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde, hat die Beklagte am 12. April 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die Klägerin hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 14. März 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil am 10. Juni 2005 Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, die sozialmedizinische Notwendigkeit einer zusätzlichen Arbeitspause werde in dem Gutachten des Dr. M. nicht explizit begründet und orientiere sich eher an den subjektiven Angaben der Klägerin. Zusätzlich werde ein atypisches Restless Legs-Syndrom nur vermutet. Hiergegen spreche die Äußerung der Klägerin, sie komme im Haushalt ohne Belastungen zu Recht, wobei sie in der Lage sei, den Haushalt in Etappen sauber zu machen, was in der Regel einer körperlich nicht nur leichten Arbeit entspreche. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus der seinerzeitigen Erteilung der Zusicherung im Jahre 1998. Retrospektiv müsse von einer wohlwollenden Entscheidung im Jahre 1998 ausgegangen werden. Bezüglich des Asthma bronchiale sei dabei von einer Stabilisierung auszugehen, wobei auch die bis knapp 100 Watt mögliche Ergometriebelastung für eine ausreichende körperliche Belastbarkeit spreche. Auch werde das Restless Legs-Syndrom inzwischen als deutlich gebessert beschrieben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30. September 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch vom 1. August 2002 bis 31. Dezember 2005 sowie ab 1. Januar 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, ferner die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie trägt vor, das Urteil sei im Hinblick auf den am 01. Januar 2004 eingetretenen Versicherungsfall nicht nachvollziehbar. Dr. M. habe darauf hingewiesen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit von November 2002 bis Januar 2004 ein halb- bis unter vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden habe. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen für leichte Tätigkeiten habe zumindest ab dem 1. August 2002 vorgelegen. Im Übrigen habe sich das Restless Legs-Syndrom keineswegs gebessert. Massive Rücken- und Hüftbeschwerden seien hinzugekommen. Sie hat den Arztbrief des Dr. D. vom 10. Juli 2007 vorgelegt, der folgende Diagnosen genannt hat: schwere depressive Episode, chronisches Schmerzsyndrom mit Schwäche in den Beinen sowie nun auch Gelenkschmerzen der Hände und Füße, Verdacht auf atypisches Restless Legs-Syndrom und Asthma bronchiale. Die depressive Symptomatik habe sich bis zu Suizidgedanken verstärkt. Trotz Medikamentation habe die jetzige depressive Entwicklung nicht aufgehalten werden können.

Der Senat hat Dr. Me., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie am Bezirkskrankenhaus G., zum Sachverständigen bestimmt; dieser hat die Klägerin am 07. August 2006 zusammen mit Assistenzärztin Dr. Da. persönlich untersucht und ein neurologisches Zusatzgutachten des Dr. Fr., Arzt für Neurologie am Bezirkskrankenhaus G., vom 13. August 2006 eingeholt. Dr. Fr. hat folgende Diagnosen gestellt: Tagesmüdigkeit und Schlafstörungen bei Restless Legs-Syndrom sowie reduzierte körperliche Belastbarkeit bei latenter generalisierter Muskelschwäche aufgrund einer kortison-induzierten Myopathie. Die neurologische Untersuchung habe eine leichtgradige generalisierte Muskelatrophie, eine leichtgradige Großzehenheberparese links bei ansonsten fehlendem Nachweis von Paresen, eine Abschwächung des Patellar- und Achillessehnenreflexes links bei grenzwertigem Vibrationsempfinden links und einen etwas unsicheren Romberg’schen Stehversuch gezeigt. Aufgrund der Gesundheitsstörungen sei die Klägerin nicht in der Lage, mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten, Tätigkeiten mit Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel, Tätigkeiten mit überwiegendem Stehen, Gehen oder Sitzen, Tätigkeiten in gleichförmigen Körperhaltungen, Tätigkeiten mit häufigem Bücken sowie Akkord- und Fließbandarbeiten auszuüben. Zu vermeiden seien auch Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung oder besonderer geistiger Beanspruchung. Sie sei unter Beachtung der genannten Einschränkungen noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich auszuüben. Sie habe beim Tagesablauf angegeben, Kreuzworträtsel zu lösen, leichtere Hausarbeiten zu erledigen und ihre Hobbys (Handarbeiten und Lesen) weiter intensiv fortzuführen. Dr. Me. hat in seinem Gutachten vom 19. Oktober 2006 folgende Diagnosen genannt: chronische Erschöpfungsdepression mit erheblicher Reduzierung der psychophysischen Belastbarkeit bei diversen somatischen Begleiterkrankungen, Tagesmüdigkeit und Schlafstörungen bei Restless Legs-Syndrom, reduzierte körperliche Belastbarkeit bei latenter generalisierter Muskelschwäche aufgrund einer kortison-induzierten Myopathie und chronisch obstruktive Bronchitis mit Lungenemphysem (COPD) vom Typ II B nach GOLD mit rezidiverenden Exacerbationen bei Auftreten eines Asthma bronchiale infolge eines Infekts 1978. Es bestehe eine erhebliche Reduzierung der psychophysischen Belastbarkeit, die die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin reduziere. Sie sei nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Sie könne allenfalls drei bis unter sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Diese Leistungseinschränkung bestehe seit Antragstellung. Aus nervenärztlicher Sicht imponiere vor allem eine mittelgradige Depression mit abnormer Erschöpfbarkeit und dadurch deutlich reduzierter Belastbarkeit. Insofern stimme man mit der graduellen Einschätzung der Depressivität durch Dr. M. überein.

Die Beklagte ist dem Gutachten des Dr. Me. unter Vorlage der Stellungnahme der Ärztlichen Hauptreferentin Ho. vom 23. April 2007 entgegengetreten. Der Leistungsbeurteilung könne weder bezüglich der quantitativen Leistungsminderung noch bezüglich des Eintritts der Leistungsminderung gefolgt werden. Die chronische Erschöpfungsdepression sei nicht so ausgeprägt, dass sie die Klägerin an einem strukturierten Tagesablauf hindere oder in den sozialen Aktivitäten und allgemeinen Interessen derart einschränke, dass von einer quantitativen Leistungsminderung ausgegangen werden müsse. Im Übrigen habe Dr. Fr. angegeben, dass eine Änderung der Medikation die Schlafprobleme der Klägerin mindern und auch die muskuläre Schwäche bessern könne, allerdings nicht in signifikantem Ausmaß. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liege nicht vor. Die Klägerin könne durchaus 60 % der Arbeitszeit im Sitzen verbringen, wenn die Möglichkeit zum Haltungswechsel mit gelegentlichem Gehen und Stehen bestehe. Wegen der Lungenerkrankung müsse sie in geschlossenen Räumen ohne inhalative Belastung mit atemwegsreizenden Dämpfen, Gasen und Stäuben tätig sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, die Akten des SG sowie auf die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Die erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte, von der Berufung der Beklagten in ihrem Bestand abhängige Anschlussberufung der Klägerin (vgl. § 202 SGG in Verbindung mit § 524 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 der Zivilprozessordnung [ZPO]) ist teilweise begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit (sog. Arbeitsmarktrente) nur für den Zeitraum vom 01. März 2007 bis 28. Februar 2010, nicht aber für einen früheren Zeitraum seit dem 01. August 2002 sowie nicht bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze.

1. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin hat nach dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 28. Januar 2008 - worüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht - nicht nur die allgemeine Wartezeit, sondern bei einem Leistungsfall im August 2006 (dazu sogleich) auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des SGB VI). Darüber hinaus ist die Klägerin ab August 2006 teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI.

Nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin jedenfalls seit August 2006 nur noch in der Lage ist, selbst leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten. Bei der Klägerin besteht eine chronische Erschöpfungsdepression mit erheblicher Reduzierung der psychophysischen Belastbarkeit bei diversen somatischen Begleiterkrankungen, Tagesmüdigkeit und Schlafstörungen bei Restless Legs-Syndrom, eine reduzierte körperliche Belastbarkeit bei latenter generalisierter Muskelschwäche aufgrund einer kortison-induzierten Myopathie sowie eine chronisch obstruktive Bronchitis mit Lungenemphysem (COPD) vom Typ II B nach GOLD mit rezidivierenden Exacerbationen. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der im Berufungsverfahren beauftragten Sachverständigen Dr. Me. und Dr. Fr ... Aufgrund der genannten Gesundheitsstörungen ist die Klägerin nicht in der Lage, mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten, Tätigkeiten mit Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel, Tätigkeiten mit überwiegendem Stehen, Gehen oder Sitzen, mit gleichförmigen Körperhaltungen oder häufigem Bücken, mit besonderer Verantwortung oder besonderer geistiger Beanspruchung sowie Akkord- und Fließbandarbeiten auszuüben. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aufgrund der von Dr. Fr. in seinem Gutachten vom 13. August 2006 genannten qualitativen Leistungseinschränkungen. Zu vermeiden sind wegen des Asthma bronchiale auch Arbeiten mit Atemwegsreizstoffen. Tätigkeiten mit Wechselschicht, Nachtschicht und Lärm sowie häufiges Treppensteigen sind ebenfalls nicht möglich. Diese Einschränkungen entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. M. vom 08. Juli 2004. Diesen Leistungsbeurteilungen hat sich Dr. Me. angeschlossen. Die Klägerin kann demgemäß nur noch leichte körperliche Tätigkeiten in geschlossenen Räumen ohne Nässe, Kälte oder Zugluft verrichten.

Entgegen der Ansicht des SG liegt bei der Klägerin jedoch weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung (z.B. Blindheit) noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. hierzu Großer Senat des Bundessozialgerichts [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) vor. Die Tatsache, dass die Klägerin seit August 2002 arbeitslos ist, führt - entgegen der Ansicht des SG - nicht dazu, dass von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder von einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung auszugehen ist. Das Risiko, dass die Klägerin nicht in ein Arbeitsverhältnis vermittelt werden kann, trägt allein die Bundesagentur für Arbeit.

Aus dem Gutachten des Dr. M. vom 08. Juli 2004 folgen keine schweren spezifischen Leistungsbehinderungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Soweit sich das SG diesbezüglich auf die Aussage des Dr. M., wonach die Klägerin nach leichter körperlicher Tätigkeit nach einer Stunde eine Pause einlege, stützt, weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass es sich hierbei lediglich um eine subjektive Angabe der Klägerin gehandelt hat. Dass die Einhaltung von zusätzlichen Pausen nach einer Stunde leichter körperlicher Tätigkeiten medizinisch tatsächlich notwendig sei, lässt sich dem Gutachten des Dr. M. nicht entnehmen. Von diesem wurden nur die Angaben der Klägerin referiert, ohne eine zusätzliche Arbeitspause näher zu begründen. Im Übrigen konnte Dr. Me. in seinem Gutachten vom 19. Oktober 2006 - auch in Kenntnis des Gutachtens des Dr. M. - ein Erfordernis zusätzlicher Arbeitspausen nicht feststellen. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass nach § 4 Satz 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) der Klägerin bei einer zugrunde gelegten täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden Ruhepausen von mindestens 30 Minuten zustehen, die nach Maßgabe der §§ 4 Satz 2 und 7 ArbZG auch in kleinere Zeitabschnitte aufgeteilt werden können. Im Übrigen ist zu beachten, dass kurze Pausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden beispielsweise im Bereich des Öffentlichen Dienstes nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen gelten (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2007 - L 11 R 684/06 - mit weiteren Nachweisen, in juris veröffentlicht).

Bei den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen, die die Klägerin bei der Verrichtung leichter körperlicher Tätigkeiten zu beachten hat, handelt es sich nicht um ungewöhnliche Leistungseinschränkungen. Bei der Vermeidung von Nässe, Kälte und Zugluft, dem Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel, der Vermeidung gleichförmiger Körperhaltungen, häufigem Bücken und Treppensteigen sowie bei dem Ausschluss von Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechselschicht, Nachtschicht und Lärm handelt es sich um gewöhnliche Leistungseinschränkungen. Die Tatsache, dass die Klägerin Tätigkeiten mit Atemwegsreizstoffen wegen ihres Asthma bronchiale vermeiden muss, führt nicht dazu, dass sie nur unter unüblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könnte.

2. Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass die Klägerin seit August 2006 nur noch in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten unter den oben genannten qualitativen Einschränkungen drei- bis unter sechsstündig täglich zu verrichten.

Der Senat schließt sich der sozialmedizinischen Beurteilung - allerdings nicht im Hinblick auf den Zeitpunkt des Eintritts der Leistungsminderung - des Dr. Me. vom 19. Oktober 2006 an. Dieser hat für den Senat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die chronifizierte Erschöpfungsdepression zu einer quantitativen Leistungseinschränkung der Klägerin führt, so dass sie nur noch in der Lage ist, drei bis unter sechs Stunden täglich leichte körperliche Arbeitsbelastungen zu bewältigen. Nachdem Dr. Me. die quantitative Leistungseinschränkung maßgeblich mit der chronischen Erschöpfungsdepression begründet hat, vermag sich der Senat jedoch nicht der von ihm genannten Einschätzung, dass die Leistungseinschränkung bereits seit Antragstellung bestehe, anzuschließen. Hiergegen sprechen sämtliche vorliegenden ärztlichen Befunde, die im Verwaltungs- oder Klageverfahren erhoben worden sind. In den Berichten bzw. Auskünften des Dr. G. (vom 21. Januar 1994), des Dr. Sch. (vom 16. Februar 1994), des Dr. T. (vom 25. Februar 2003), des Dr. Sche. (vom 20. November 2002), des Dr. D. (vom 01. April 2003), des Dr. S. (vom 28. März 2003) und des Dr. Sc.-M. (vom 27. Mai 2003) wird die Diagnose einer Depression nicht angegeben. Eine mittelgradige depressive Reaktion wurde erstmals durch Dr. M. in seinem Gutachten vom 08. Juli 2004 diagnostiziert. Er hat diesbezüglich aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der mittelgradigen depressiven Reaktion keine Einschränkung im Hinblick auf das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin bestehe. Auch in den Attesten des Dr. D. vom 27. September 2004 und des Dr. N. vom 29. September 2004, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung des SG vorgelegt hat, wird eine Behandlung wegen einer Depression nicht angegeben. Deshalb lässt sich eine Leistungsminderung aufgrund der chronifizierten Erschöpfungsdepression erst am Untersuchungstag (07. August 2006) feststellen. Dass die Chronifizierung insofern fortgeschritten ist, zeigt auch der Arztbrief des Dr. D. vom 10. Juli 2007, in welchem er nunmehr davon ausgeht, dass die Klägerin an einer schweren depressiven Episode leidet, sodass sich zuletzt auch Suizidgedanken eingestellt hätten. Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin jedenfalls ab August 2006 nur noch in Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten.

Da der Klägerin aufgrund des festgestellten eingeschränkten Leistungsvermögens nur noch der Teilzeitarbeitsmarkt zur Verfügung steht, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur sog. konkreten Betrachtungsweise die derzeitige Arbeitsmarktsituation zu berücksichtigen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8), weshalb die teilweise Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung durchschlägt. Dieser Rechtsprechung des BSG ist auch nach der Neuregelung des § 43 SGB VI zum 1. Januar 2001 durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, S. 1827) zu folgen. Denn der Gesetzgeber hat nunmehr in § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI ausdrücklich normiert, dass die konkrete Arbeitsmarktlage nur bei einer Erwerbsfähigkeit von mindestens sechs Stunden nicht zu berücksichtigen ist (so auch Reinhardt in LPK-SGB VI, § 43 RdNr. 11). Die sog. Arbeitsmarktrente wird jedoch nur auf Zeit gewährt.

Die Klägerin hat allerdings keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der seit 01. Januar 2001 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 29 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (Satz 2). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (Satz 3). Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (Satz 4). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (Satz 5). Seit dem 01. Januar 2001 werden in bewusster und gewollter Abkehr vom alten Recht Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit regelmäßig nur noch auf Zeit geleistet. Die in § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI formulierte Ausnahme vom Regelfall der Gewährung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit liegt bei der Klägerin nicht vor. Denn es ist nicht "unwahrscheinlich", dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei ihr behoben werden kann. "Unwahrscheinlich" im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann jedoch erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Diese schließen alle Therapiemöglichkeiten nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB V]) ein. Zwar hat Dr. Me. in seinem Gutachten vom 19. Oktober 2006 angegeben, dass eine wesentliche Besserung nicht zu erwarten sei. Im gleichen Zusammenhang hat er jedoch angegeben, dass eine ambulante Therapie durchaus durchgeführt werden könnte. Nachdem auch Dr. D. erstmals in seinem Arztbericht vom 10. Juli 2007 eine schwere depressive Episode angegeben hat, ist nicht ersichtlich, dass sämtliche Therapiemöglichkeiten nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse bislang erfolglos geblieben sind.

Nach § 101 Abs. 1 SGB VI werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Vorliegend ist von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit seit August 2006 auszugehen, so dass die Rente, die am 02. April 2001 beantragt wurde, am 01. März 2007 beginnt. Nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erfolgt die Befristung für längstens drei Jahren nach Rentenbeginn, so dass die Rente bis zum 28. Februar 2010 zu befristen war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat insoweit berücksichtigt, dass die Leistungseinschränkung, die die Erwerbsminderung begründet, erst im Berufungsverfahren eingetreten ist.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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