Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 2843/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1842/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. April 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.
Der am 1956 geborene Kläger, der seit 1995 in einem Campingwagen auf dem Campingplatz in F. lebt, erlernte nach Abschluss der Schule den Beruf eines Kochs, wobei er die Lehre nach drei Jahren abbrach. Im Anschluss daran war der Kläger bei unterschiedlichen Arbeitgebern als Koch beschäftigt, unter anderem von November 1995 bis 30. April 1997 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei der E. H. (als Beikoch) und vom 15. April bis 30. November 1998 in einem Restaurant in F ... Seither ist er arbeitslos und bezieht zuletzt Arbeitslosengeld II. Bereits am 03. November 1996 erlitt der Kläger auf dem Arbeitsweg einen Mofaunfall, der zu tiefen Riss- und Quetschwunden mit Durchtrennung der kurzen Wurzelsehnen sowie der Strecksehnen geführt hatte. In der Folgezeit entwickelte sich daraus ein postthrombotisches Syndrom im rechten Bein. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege (BG) gewährte dem Kläger deswegen eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) als vorläufige Entschädigung vom 05. Mai bis 08. Oktober 1997 (Bescheid vom 23. Juli 1998), vom 23. Dezember 1998 bis 16. November 1999 und vom 22. November 1999 bis 06. Juni 2000 Verletztengeld sowie vom 02. Mai bis 15. November 2002 Übergangsgeld. Mit Bescheid vom 13. November 2002 stellte das Versorgungsamt R. den Grad der Behinderung (GdB) mit 50 seit 03. November 1996 mit folgenden Funktionsstörungen fest: Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes, postthrombotisches Syndrom des rechten Beines, wiederkehrende Beingeschwüre rechtsseitig, chronisches Schmerzsyndrom, depressive Verstimmung, Sprechstörung, Sehminderung beidseits und Schielen.
Am 21. Mai 2002 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) Rente wegen Erwerbsminderung. Er sei berufsunfähig, da er seinen Beruf als Koch nicht mehr ausüben könne. Im Vordergrund stehe eine chronische Insuffizienz des venösen Systems mit postthrombotischem Syndrom des rechten Beines. Wegen des weiterhin bestehenden Stotterns, einer arteriellen Hypertonie sowie einer eingeschränkten Sehfähigkeit könne er nicht mehr als Koch arbeiten oder andere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden verrichten. Die Beklagte zog daraufhin Berichte über die Behandlung des postthrombotischen Syndroms sowie von der BG das unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. W., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T., vom 28. August 2000 bei, wonach für das chronisch rezidivierende Ulcus am rechten Bein eine MdE von 10 v.H. anzunehmen sei, das gefäßchirurgische Gutachten des Prof. Dr. Z., Universitätsklinikum T., vom 29. November 2001, wonach der Kläger eine stehende Tätigkeit durchaus ausüben könne, jedoch intermittierende Ruhepausen mit Beinhochlagerung gewährleistet sein müssten, das hautfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. R. von der Hautklinik T. vom 10. Juni 2002, wonach derzeit kein Ulcus cruris venosum bestehe und empfohlen werde, bei stehenden Tätigkeiten (ca. alle zwei Stunden) regelmäßige Pausen für ca. eine viertel Stunde einzulegen sowie die Beine während dieser Zeit oberhalb dem Herzniveau zu lagern, und das Gutachten des Dr. Gö. (Arbeitsamtsarzt, Facharzt für Chirurgie) vom 10. Oktober 2000, wobei Dr. Gö. zu der Einschätzung gelangte, der Kläger könne leichte Arbeiten vollschichtig in wechselnder Körperhaltung verrichten. Nach Auswertung der beigezogenen Unterlagen hielt Neurologe und Psychiater Dipl.-Med. Gohlke den Kläger zwar nicht mehr für die Tätigkeit als Koch, aber für eine entsprechende Verweisungstätigkeit vollschichtig leistungsfähig (Stellungnahme vom 07. Januar 2003). Mit Bescheid vom 16. Januar 2003 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Seinen hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass eine Summierung besonderer Leistungseinschränkungen vorliege und die Beklagte keinen konkreten Verweisungsberuf benannt habe. Mittlerweile sei vom Versorgungsamt R. ein GdB von 50 festgestellt worden. Da er die Tätigkeit als Koch nicht mehr ausüben könne, liege teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor. Die Beklagte befragte daraufhin den früheren Arbeitgeber des Klägers (E. H.), der mitteilte, der Kläger habe als (Zweit-)Koch in der Heimküche gearbeitet, wobei es sich um eine ungelernte bzw. angelernte Arbeit gehandelt habe (Auskünfte vom 16. April und 16. Juni 2003). Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 25. September 2003), da der Kläger noch in der Lage sei, mittelschwere Tätigkeiten ohne ständiges Stehen oder Sitzen regelmäßig sechs Stunden und mehr zu verrichten. Er habe eine Ausbildung als Koch zwar zweimal begonnen, diese aber jeweils aus privaten Gründen abgebrochen. Der vorletzte Arbeitgeber habe angegeben, dass er als Beikoch angelernte Arbeiten verrichtet habe, so dass er nach dem Mehrstufenschema auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen sei. Erwerbsminderung liege mithin nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger unter Hinweis auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren am 29. September 2003 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er legte Stellungnahmen des ihn behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. W. vor. In der Stellungnahme vom 09. Juli 2004 teilte dieser mit, dass letztendlich das postthrombotische Syndrom maßgeblich sei. Eine Umschulung sei deshalb abgebrochen worden, da der Kläger selbst bei sitzender Tätigkeit starke Schmerzen im rechten Bein in Folge der venösen Stauungen habe. In seinen vorgelegten Stellungnahmen vom 15. und 25. Oktober 2004 gab er an, es liege auch eine erhebliche reaktive Depression vor, die es dem Kläger unmöglich mache, auch leichte Tätigkeiten zu verrichten. Er sei nicht in der Lage, drei Stunden täglich zu arbeiten. In der mündlichen Verhandlung des SG begehrte er Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie bezog sich auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids und legte die Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. He. vom 22. Januar 2004 vor.
Das SG hörte Dr. W. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit (Auskunft vom 10. Februar 2004), es sei bis 28. Februar 2003 eine kontinuierliche Behandlung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls erfolgt. Neben der Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms bestehe eine ausgeprägte Ichnophonie, eine reaktive Depression nach langer Arbeitslosigkeit und eine Adipositas. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, eine stehende oder sitzende Tätigkeit über zwei Stunden täglich zu verrichten, da die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt habe, dass schon kurzzeitige Belastungen zu erheblichen Schwellungszuständen des rechten Beines führten.
Das SG erhob daraufhin das Gutachten des Internisten Dr. Sc. vom 09. Mai 2004 und das Zusatzgutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. He. vom 21. April 2004. Dr. He. gelangte zu folgenden orthopädischen Diagnosen: chronische Lumbalgie, degenerative Veränderungen mit Osteochondrosse L 5 /S1 und Spondylarthrose L 4 bis S 1, Lateralisierungstendenz beider Kniescheiben bei Beugung, insuffiziente aktive Muskelführung, Senk-Spreizfuß und Hallux valgus beidseits, Großzehennagelmykose rechts, Zustand nach Verkehrsunfall mit tiefer Riss-Quetschwunde und Durchtrennung der kurzen Fußwurzelsehnen sowie der Strecksehnen D II bis D V rechts, chronisch venöse Insuffizienz beidseits, Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose rechts mit abgeheiltem Ulcus cruris (Umfangsvermehrung rechtes Bein) und massive Adipositas. Weitreichende Einschränkungen, die sich auf die Leistungsfähigkeit so stark auswirkten, dass auch leichteste Tätigkeiten nicht mehr zugemutet werden könnten, lägen nicht vor. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte und anteilig mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten, die mit ständigem Heben und Tragen von Lasten, Klettern auf Gerüsten oder Leitern verbunden seien, Tätigkeiten ausschließlich bzw. überwiegend in einseitiger Körperposition sowie Arbeiten mit häufigem Bücken oder in nasskalter Witterung. Die Tätigkeit als Koch könne er nicht mehr ausüben. Diese Einschränkungen bestünden seit dem Arbeitsunfall. Dr. Sc. gelangte zu folgenden Diagnosen: Blutabflussstörung mit Schwellneigung des rechten Beines nach tiefem Venenverschluss, wiederkehrendes, jetzt länger mit Defekt abgeheiltes Unterschenkelgeschwür (postthrombotisches Syndrom), geringe Funktionsbeeinträchtigung des rechten Fußes nach tiefer Riss-Quetschwunde, Senk-Spreizfüße, Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule an den unteren Segmenten mit wiederkehrenden Beschwerden, wechselndes Stottern, depressive Verstimmung in biographisch unbefriedigender Situation, massives Übergewicht, derzeit kein Bluthochdruck, sowie angeborene Sehminderung mit Verschlechterung in Zusammenhang mit Alterssichtigkeit. Infolge der Blutabflussstörung bestehe eine Schwellneigung des rechten Beines, welche auch durch einen Kompressionsstrumpf nur unvollkommen unterdrückt werden könne. Als Koch könne der Kläger nicht mehr tätig sein. Das Stottern und das verminderte Sehvermögen hätten den Kläger in den Jahren zuvor jedoch nicht gehindert, eine Arbeit als Koch auszuüben. Eine Depression liege aufgrund der derzeitigen Lebensumstände in leichtem Ausmaß vor. Der Kläger sei unter Beachtung der im orthopädischen Gutachten genannten Einschränkungen aber noch in der Lage, Erwerbstätigkeiten vollschichtig auszuüben. Zu vermeiden seien zudem Arbeiten mit Publikumsverkehr, Tätigkeiten mit vorrangig sprachlich kommunikativen und besonderen geistigen Anforderungen sowie mit besonderer Verantwortung. Diese Leistungseinschränkungen bestünden seit dem Auftreten des chronischen Geschwürs im Rahmen des postthrombotischen Syndroms 1999.
Auf Nachfrage des SG teilte Dr. Sc. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Juli 2004 mit, die Tatsache, dass vier Jahre lang das Geschwür nicht aufgebrochen sei, zeige, dass unter Beachtung der Vorgabe, dass kein längeres Stehen erfolgen dürfe, die venöse Situation kompensiert gehalten werden könne, zumal im Alltagsleben des Klägers im Wesentlichen die selben Körperhaltungen eingenommen würden, die auch für das Arbeitsleben notwendig seien. Die beim Kläger vorhandenen erheblichen Vermittlungsnachteile führten nur dazu, dass etwa Tätigkeiten mit Publikumsverkehr nicht möglich seien.
Mit Urteil vom 14. April 2005, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 09. Mai 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er noch in der Lage sei, zumindest leichte Tätigkeiten über sechs Stunden unter Beachtung qualitativer Einschränkungen zu verrichten. Das Stottern sei vom Kläger in das Erwerbsleben eingebracht worden und habe ihn über Jahre nicht gehindert, einer Tätigkeit nachzugehen. Die Einschätzung von Dr. W., es liege eine erheblich reaktive Depression vor, sei durch keinerlei Befunde oder fachärztliche Berichte untermauert. Auch der persönliche Eindruck, den die Kammer vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen habe, spreche nicht dafür, dass eine Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet vorliege, die die Erwerbsfähigkeit relevant beeinträchtige. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liege nicht vor. Das Erfordernis regelmäßiger Pausen mit Beinhochlagerungen werde nicht relevant, wenn von vornherein eine leichte Tätigkeit mit wechselnden Arbeitshaltungen unter Ausschluss überwiegenden Stehens und Sitzens ausgeübt werde. Ein Anspruch auf eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit habe der Kläger nicht geltend gemacht. Ein Berufsschutz sei auch nicht ersichtlich. Er habe die Ausbildung zum Koch nicht abgeschlossen und sei in seiner vorletzten Tätigkeit als angelernter Koch beschäftigt gewesen.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 09. Mai 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der Sachverhalt sei auf psychiatrischem Fachgebiet nicht ausreichend vom SG aufgeklärt worden. Es habe sich nicht allein auf den persönlichen Eindruck im Rahmen der mündlichen Verhandlung stützen dürfen, da ihm die hierfür erforderliche Sachkunde fehle.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. April 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Januar 2003 in der Gestalt Widerspruchsbescheids vom 25. September 2003 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Mai 2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Berichterstatter hat Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. zum Sachverständigen bestimmt. In seinem Gutachten vom 17. Februar 2006 gelangte er zu folgenden Diagnosen: unreife Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen, niedrige Intelligenz mit Intelligenzquotient um 80, Tic-Erkrankung mit motorischen und vokalen Tics sowie Stottern. Hinweise auf eine organische Schädigung des Gehirns lägen nicht vor. Der Kläger sei psychisch als erheblich beeinträchtigt anzusehen. Es habe sich eine überhöhte Kränkbarkeit sowie eine gestörte Einordnungs- und Unterordnungsbereitschaft in bestehende soziale Strukturen und eine Überbetonung des eigenen Ichs gezeigt. Eine Krankheitseinsicht im Hinblick auf die seit Jahren chronifizierte Persönlichkeitsstörung bestehe nicht. Es sei insgesamt von einem hohen psychischen Beeinträchtigungsgrad des Klägers durch die psychiatrische Erkrankung mit multiplen Komorbiditäten auszugehen. Die Auswirkungen auf die sozialkommunikativen Bezüge seien erheblich. Dies lasse sich durch die fehlenden ärztlichen Kontakte belegen. Nachdem Dr. Sc. die Dimension der Persönlichkeitsstörung, insbesondere in seinen sozialen Bezügen, offensichtlich nicht erfasst habe, sei seiner Einschätzung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Klägers nicht zu folgen. Aufgrund der qualifizierten komplexen psychischen Störung liege eine erhebliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit vor. Der Kläger sei nur noch in der Lage, gelegentlich einfache Tätigkeiten in einem Umfang von drei Stunden täglich zu verrichten (z. B. einfache Tätigkeiten auf dem Campingplatz), wobei er zu den Lebensumständen befragt angeben habe, er halte im Frühjahr die Containerecke sauber, fülle das Toilettenpapier auf und schaue, dass keine ungebetenen Gäste auf dem Campingplatz kämen. Der Grund für die Einschränkung sei die psychische Beeinträchtigung durch die unreife Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen, das Stottern, die Tic-Erkrankung, die niedrige Intelligenz bei überhöhter Kränkbarkeit, die gestörte Einordnungs- und Unterordnungsbereitschaft in bestehende soziale Strukturen und durch die Überbetonung des eigenen Ichs. Das jetzige Ausmaß der Störung habe sich nach dem Arbeitsunfall bzw. nach Beendigung des Heilverlaufs ab August 2000 eingestellt.
Die Beklagte ist unter Vorlage der Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. Gi. vom 27. Juni 2006 dem Gutachten entgegengetreten. Dieser hat ausgeführt, dass keine wesentliche Befundverschlechterung diagnostiziert worden sei und die gestörte Persönlichkeit mit Unreife und narzisstischen Zügen zeitlebens vorgelegen habe. Auch sei der Intelligenzquotient eher an der unteren Grenze des Normalbereichs anzusiedeln. Die Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens ließe sich lediglich mit relevanten Antriebs- und Konzentrationsstörungen begründen, diese seien jedoch anhand des psychopathologischen Befunds verneint worden.
Auf Nachfrage des Berichterstatters hat Dr. M. die ergänzende Stellungnahme vom 22. September 2006 vorgelegt. Danach sei die unreife Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen entsprechend der Literatur eindeutig der Gruppe mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit zuzuordnen. Der Kläger sei psychisch als erheblich beeinträchtigt anzusehen. Die Einschätzung des Dr. Gi., wonach das Leben auf einem Campingplatz nicht zu einer sozialen Isolation führe, erstaune. Nach den erhobenen Befunden sitze der Kläger auch über den Herbst und die Wintermonate auf einem geschlossenen Campingplatz ohne jeglichen Sozialkontakt außer dem Fernseher. Die biographischen Daten zeigten eine zunehmende Verfestigung und Verdichtung der Persönlichkeitsstörung nach dem Unfall. Insbesondere die gestörte Einordnungsbereitschaft im sozialen Kontext schränke die Leistungsfähigkeit deutlich ein.
Der Berichterstatter hat sodann Dr. W. als sachverständigen Zeugen schriftlich gehört. Dieser hat - neben zahlreichen Befunddaten aus dem Jahren 1997 bis 2008 - mitgeteilt (Auskunft vom 25. Juni 2008; Bl. 74/88 der LSG-Akte), dass die Behandlung des Klägers ausschließlich wegen der chronisch schlecht heilenden Wunde stattfinde. Als Diagnosen hat Dr. W. angeben: Adipositas per magna, chronisches Ulcus cruris als Komplikation eines Motorradunfalls, Antikoagulationstherapie, ausgeprägte Ichnophobie und einfach strukturierte Persönlichkeit. Das Hauptmerkmal der Therapie stütze sich auf die Versorgung der chronischen Wunde. Infolge der desolaten gesellschaftlichen und finanziellen Lage sei der Kläger in eine reaktive Depression verfallen. Eine medikamentöse Therapie der Depression erfolge jedoch nicht.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SG) ohne mündlich Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, auf die Gerichtsakte der ersten Instanz, auf die Senatsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Versorgungsamtes R. (Az.: 093136) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht weder ab Mai 2002 noch zu einem späteren Zeitpunkt Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.
1. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser, als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßgaben ist der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, weil er noch in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Nach dem Ergebnis der im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger nur noch in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Wie Dr. M. in seinem aufgrund einer am 13. Januar 2006 durchgeführten Untersuchung erstatteten Gutachten nachvollziehbar und schlüssig dargelegt hat, steht im Vordergrund der das Leistungsvermögen einschränkenden Erkrankungen des Klägers eine unreife Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen, eine Tic-Erkrankung, eine überhöhte Kränkbarkeit sowie eine gestörte Einordnungs- und Unterordnungsbereitschaft in bestehende soziale Strukturen bei einer Überbetonung des eigenen Ichs. Darüber hinaus bestehen beim Kläger auch internistischen Erkrankungen. Aufgrund des Gutachtens des Dr. Sc. vom 09. April 2004 steht fest, dass der Kläger an einer Blutabflussstörung mit Schwellneigung des rechten Beines, an einem wiederkehrenden Unterschenkelgeschwür (postthrombotisches Syndrom; Ulcus cruris), an massivem Übergewicht und an einer angeborenen Sehminderung leidet. Wegen des chronischen Unterschenkelgeschwürs steht der Kläger zudem in fortlaufender Behandlung bei Dr. W. (Auskunft vom 25. Juni 2008). Aus dem Gutachten von Dr. He. vom 21. April 2004 folgt zudem, dass beim Kläger eine chronische Lumbalgie bei Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule an den unteren Segmenten mit wiederkehrenden Beschwerden und eine Lateralisierungstendenz beider Kniescheiben bei Beugung vorliegen.
Das Leistungsvermögen des Klägers ist zeitlich nicht wegen der Erkrankungen auf psychiatrischem Gebiet eingeschränkt. Die von Dr. M. dargestellte Dimension der Persönlichkeitsstörung, insbesondere im Hinblick auf die sozialen Bezüge, führt nicht dazu, dass der Kläger in seiner täglichen zeitlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Die mitgeteilte Einschätzung, wonach der Kläger wegen der psychischen Beeinträchtigung nur noch in der Lage sei, drei Stunden täglich einfache Tätigkeiten zu verrichten, überzeugt nicht. Der Senat teilt die von Dr. Gi. in seiner Stellungnahme vom 27. Juni 2006 erhobenen Bedenken gegen das Gutachten des Dr. M., der im Übrigen das Vorliegen einer reaktiven Depression (im Gegensatz zu Dr. W.) nicht bestätigen konnte. Dr. M. hat in seinem Gutachten zum einen keine wesentliche Befundverschlechterung diagnostiziert und zum anderen ist zu beachten, dass die gestörte Persönlichkeit mit Unreife und narzisstischen Zügen, das Stottern, die Tic-Erkrankung und die niedrige Intelligenz zeitlebens vorgelegen haben. Diese Beeinträchtigungen standen einer früheren Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Gegen die Leistungseinschätzung des Dr. M. spricht weiterhin vor allem die Tatsache, dass der Kläger von Dr. W. wegen psychischer Leiden nicht (medikamentös) behandelt wird und sich auch sonst nicht in psychiatrischer Behandlung befindet. Dr. M. hat auch keine relevanten Antriebs- und Konzentrationsstörungen beschrieben. Vielmehr gibt er an, dass der Kläger im Frühjahr durch Tätigkeiten auf dem Campingplatz (Sauberhalten der Containerecke, Auffüllen des Toilettenpapiers, Schauen, dass keine ungebetenen Gäste auf den Platz kommen) etwas dazuverdiene. Soweit er die Auffassung vertritt, die Auswirkungen der psychischen Erkrankung zeigten sich (auch) in den fehlenden ärztlichen Kontakten, so steht dem eindeutig die Auskunft des Dr. W. vom 25. Juni 2008 entgegen. Daraus ergibt sich nämlich, dass der Kläger im Jahr 2007 von Mai bis November mehrmals im Monat bei Dr. W. zur Behandlung erschienen war. Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat der quantitativen Leistungseinschätzung des Dr. M. nicht anzuschließen.
Die auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen begründen ebenfalls keine zeitlichen Einschränkungen des beruflichen Restleistungsvermögens. Der Senat schließt sich insoweit der sozialmedizinischen Beurteilung der vom SG beauftragten Sachverständigen Dr. Sc. und Dr. He. an. Diese haben in ihren Gutachten nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die Beschwerden des Klägers auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet einer leichten Tätigkeit unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nicht entgegenstehen. Zu vermeiden sind danach Arbeiten mit überwiegendem Stehen und Sitzen, mit einseitiger Körperhaltung, häufiges Bücken, Hocken oder Knien, Klettern auf Leitern und Gerüsten, Nässe, Hitze, besondere Anforderungen an das Sehvermögen, Arbeiten mit kommunikativen und geistigen Anforderungen sowie mit besonderer Verantwortung. Aufgrund des Stotterns und der Tic-Erkrankung sind auch Tätigkeiten mit Publikumsverkehr nicht mehr möglich.
Soweit Dr. W. die Auffassung vertritt (Auskunft vom 10. Februar 2004, Bescheinigungen vom 15. und 25. Oktober 2004), der Kläger könne keine Tätigkeiten mehr über zwei bzw. drei Stunden täglich verrichten, vermag auch diese Einschätzung nicht zu überzeugen. Zum einen wird nicht näher begründet, weshalb auch eine sitzende Tätigkeit (bzw. eine Tätigkeit im Wechsel von Stehen und Sitzen) nicht mehr als zwei Stunden täglich möglich sein soll. Zum anderen stützt sich Dr. W. im Wesentlichen auf die psychische Situation bzw. auf das Erscheinungsbild des Klägers. Wie der Senat jedoch bereits dargelegt hat, führen die psychischen Beeinträchtigung nicht zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht.
Der Kläger ist mit dem festgestellten Leistungsvermögen mithin noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten mit den beschriebenen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben, sodass er keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) war nicht zu prüfen, da der Kläger dies im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.
Der am 1956 geborene Kläger, der seit 1995 in einem Campingwagen auf dem Campingplatz in F. lebt, erlernte nach Abschluss der Schule den Beruf eines Kochs, wobei er die Lehre nach drei Jahren abbrach. Im Anschluss daran war der Kläger bei unterschiedlichen Arbeitgebern als Koch beschäftigt, unter anderem von November 1995 bis 30. April 1997 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei der E. H. (als Beikoch) und vom 15. April bis 30. November 1998 in einem Restaurant in F ... Seither ist er arbeitslos und bezieht zuletzt Arbeitslosengeld II. Bereits am 03. November 1996 erlitt der Kläger auf dem Arbeitsweg einen Mofaunfall, der zu tiefen Riss- und Quetschwunden mit Durchtrennung der kurzen Wurzelsehnen sowie der Strecksehnen geführt hatte. In der Folgezeit entwickelte sich daraus ein postthrombotisches Syndrom im rechten Bein. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege (BG) gewährte dem Kläger deswegen eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) als vorläufige Entschädigung vom 05. Mai bis 08. Oktober 1997 (Bescheid vom 23. Juli 1998), vom 23. Dezember 1998 bis 16. November 1999 und vom 22. November 1999 bis 06. Juni 2000 Verletztengeld sowie vom 02. Mai bis 15. November 2002 Übergangsgeld. Mit Bescheid vom 13. November 2002 stellte das Versorgungsamt R. den Grad der Behinderung (GdB) mit 50 seit 03. November 1996 mit folgenden Funktionsstörungen fest: Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes, postthrombotisches Syndrom des rechten Beines, wiederkehrende Beingeschwüre rechtsseitig, chronisches Schmerzsyndrom, depressive Verstimmung, Sprechstörung, Sehminderung beidseits und Schielen.
Am 21. Mai 2002 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) Rente wegen Erwerbsminderung. Er sei berufsunfähig, da er seinen Beruf als Koch nicht mehr ausüben könne. Im Vordergrund stehe eine chronische Insuffizienz des venösen Systems mit postthrombotischem Syndrom des rechten Beines. Wegen des weiterhin bestehenden Stotterns, einer arteriellen Hypertonie sowie einer eingeschränkten Sehfähigkeit könne er nicht mehr als Koch arbeiten oder andere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden verrichten. Die Beklagte zog daraufhin Berichte über die Behandlung des postthrombotischen Syndroms sowie von der BG das unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. W., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T., vom 28. August 2000 bei, wonach für das chronisch rezidivierende Ulcus am rechten Bein eine MdE von 10 v.H. anzunehmen sei, das gefäßchirurgische Gutachten des Prof. Dr. Z., Universitätsklinikum T., vom 29. November 2001, wonach der Kläger eine stehende Tätigkeit durchaus ausüben könne, jedoch intermittierende Ruhepausen mit Beinhochlagerung gewährleistet sein müssten, das hautfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. R. von der Hautklinik T. vom 10. Juni 2002, wonach derzeit kein Ulcus cruris venosum bestehe und empfohlen werde, bei stehenden Tätigkeiten (ca. alle zwei Stunden) regelmäßige Pausen für ca. eine viertel Stunde einzulegen sowie die Beine während dieser Zeit oberhalb dem Herzniveau zu lagern, und das Gutachten des Dr. Gö. (Arbeitsamtsarzt, Facharzt für Chirurgie) vom 10. Oktober 2000, wobei Dr. Gö. zu der Einschätzung gelangte, der Kläger könne leichte Arbeiten vollschichtig in wechselnder Körperhaltung verrichten. Nach Auswertung der beigezogenen Unterlagen hielt Neurologe und Psychiater Dipl.-Med. Gohlke den Kläger zwar nicht mehr für die Tätigkeit als Koch, aber für eine entsprechende Verweisungstätigkeit vollschichtig leistungsfähig (Stellungnahme vom 07. Januar 2003). Mit Bescheid vom 16. Januar 2003 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Seinen hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass eine Summierung besonderer Leistungseinschränkungen vorliege und die Beklagte keinen konkreten Verweisungsberuf benannt habe. Mittlerweile sei vom Versorgungsamt R. ein GdB von 50 festgestellt worden. Da er die Tätigkeit als Koch nicht mehr ausüben könne, liege teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor. Die Beklagte befragte daraufhin den früheren Arbeitgeber des Klägers (E. H.), der mitteilte, der Kläger habe als (Zweit-)Koch in der Heimküche gearbeitet, wobei es sich um eine ungelernte bzw. angelernte Arbeit gehandelt habe (Auskünfte vom 16. April und 16. Juni 2003). Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 25. September 2003), da der Kläger noch in der Lage sei, mittelschwere Tätigkeiten ohne ständiges Stehen oder Sitzen regelmäßig sechs Stunden und mehr zu verrichten. Er habe eine Ausbildung als Koch zwar zweimal begonnen, diese aber jeweils aus privaten Gründen abgebrochen. Der vorletzte Arbeitgeber habe angegeben, dass er als Beikoch angelernte Arbeiten verrichtet habe, so dass er nach dem Mehrstufenschema auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen sei. Erwerbsminderung liege mithin nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger unter Hinweis auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren am 29. September 2003 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er legte Stellungnahmen des ihn behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. W. vor. In der Stellungnahme vom 09. Juli 2004 teilte dieser mit, dass letztendlich das postthrombotische Syndrom maßgeblich sei. Eine Umschulung sei deshalb abgebrochen worden, da der Kläger selbst bei sitzender Tätigkeit starke Schmerzen im rechten Bein in Folge der venösen Stauungen habe. In seinen vorgelegten Stellungnahmen vom 15. und 25. Oktober 2004 gab er an, es liege auch eine erhebliche reaktive Depression vor, die es dem Kläger unmöglich mache, auch leichte Tätigkeiten zu verrichten. Er sei nicht in der Lage, drei Stunden täglich zu arbeiten. In der mündlichen Verhandlung des SG begehrte er Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie bezog sich auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids und legte die Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. He. vom 22. Januar 2004 vor.
Das SG hörte Dr. W. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit (Auskunft vom 10. Februar 2004), es sei bis 28. Februar 2003 eine kontinuierliche Behandlung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls erfolgt. Neben der Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms bestehe eine ausgeprägte Ichnophonie, eine reaktive Depression nach langer Arbeitslosigkeit und eine Adipositas. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, eine stehende oder sitzende Tätigkeit über zwei Stunden täglich zu verrichten, da die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt habe, dass schon kurzzeitige Belastungen zu erheblichen Schwellungszuständen des rechten Beines führten.
Das SG erhob daraufhin das Gutachten des Internisten Dr. Sc. vom 09. Mai 2004 und das Zusatzgutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. He. vom 21. April 2004. Dr. He. gelangte zu folgenden orthopädischen Diagnosen: chronische Lumbalgie, degenerative Veränderungen mit Osteochondrosse L 5 /S1 und Spondylarthrose L 4 bis S 1, Lateralisierungstendenz beider Kniescheiben bei Beugung, insuffiziente aktive Muskelführung, Senk-Spreizfuß und Hallux valgus beidseits, Großzehennagelmykose rechts, Zustand nach Verkehrsunfall mit tiefer Riss-Quetschwunde und Durchtrennung der kurzen Fußwurzelsehnen sowie der Strecksehnen D II bis D V rechts, chronisch venöse Insuffizienz beidseits, Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose rechts mit abgeheiltem Ulcus cruris (Umfangsvermehrung rechtes Bein) und massive Adipositas. Weitreichende Einschränkungen, die sich auf die Leistungsfähigkeit so stark auswirkten, dass auch leichteste Tätigkeiten nicht mehr zugemutet werden könnten, lägen nicht vor. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte und anteilig mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten, die mit ständigem Heben und Tragen von Lasten, Klettern auf Gerüsten oder Leitern verbunden seien, Tätigkeiten ausschließlich bzw. überwiegend in einseitiger Körperposition sowie Arbeiten mit häufigem Bücken oder in nasskalter Witterung. Die Tätigkeit als Koch könne er nicht mehr ausüben. Diese Einschränkungen bestünden seit dem Arbeitsunfall. Dr. Sc. gelangte zu folgenden Diagnosen: Blutabflussstörung mit Schwellneigung des rechten Beines nach tiefem Venenverschluss, wiederkehrendes, jetzt länger mit Defekt abgeheiltes Unterschenkelgeschwür (postthrombotisches Syndrom), geringe Funktionsbeeinträchtigung des rechten Fußes nach tiefer Riss-Quetschwunde, Senk-Spreizfüße, Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule an den unteren Segmenten mit wiederkehrenden Beschwerden, wechselndes Stottern, depressive Verstimmung in biographisch unbefriedigender Situation, massives Übergewicht, derzeit kein Bluthochdruck, sowie angeborene Sehminderung mit Verschlechterung in Zusammenhang mit Alterssichtigkeit. Infolge der Blutabflussstörung bestehe eine Schwellneigung des rechten Beines, welche auch durch einen Kompressionsstrumpf nur unvollkommen unterdrückt werden könne. Als Koch könne der Kläger nicht mehr tätig sein. Das Stottern und das verminderte Sehvermögen hätten den Kläger in den Jahren zuvor jedoch nicht gehindert, eine Arbeit als Koch auszuüben. Eine Depression liege aufgrund der derzeitigen Lebensumstände in leichtem Ausmaß vor. Der Kläger sei unter Beachtung der im orthopädischen Gutachten genannten Einschränkungen aber noch in der Lage, Erwerbstätigkeiten vollschichtig auszuüben. Zu vermeiden seien zudem Arbeiten mit Publikumsverkehr, Tätigkeiten mit vorrangig sprachlich kommunikativen und besonderen geistigen Anforderungen sowie mit besonderer Verantwortung. Diese Leistungseinschränkungen bestünden seit dem Auftreten des chronischen Geschwürs im Rahmen des postthrombotischen Syndroms 1999.
Auf Nachfrage des SG teilte Dr. Sc. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. Juli 2004 mit, die Tatsache, dass vier Jahre lang das Geschwür nicht aufgebrochen sei, zeige, dass unter Beachtung der Vorgabe, dass kein längeres Stehen erfolgen dürfe, die venöse Situation kompensiert gehalten werden könne, zumal im Alltagsleben des Klägers im Wesentlichen die selben Körperhaltungen eingenommen würden, die auch für das Arbeitsleben notwendig seien. Die beim Kläger vorhandenen erheblichen Vermittlungsnachteile führten nur dazu, dass etwa Tätigkeiten mit Publikumsverkehr nicht möglich seien.
Mit Urteil vom 14. April 2005, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 09. Mai 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er noch in der Lage sei, zumindest leichte Tätigkeiten über sechs Stunden unter Beachtung qualitativer Einschränkungen zu verrichten. Das Stottern sei vom Kläger in das Erwerbsleben eingebracht worden und habe ihn über Jahre nicht gehindert, einer Tätigkeit nachzugehen. Die Einschätzung von Dr. W., es liege eine erheblich reaktive Depression vor, sei durch keinerlei Befunde oder fachärztliche Berichte untermauert. Auch der persönliche Eindruck, den die Kammer vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen habe, spreche nicht dafür, dass eine Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet vorliege, die die Erwerbsfähigkeit relevant beeinträchtige. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liege nicht vor. Das Erfordernis regelmäßiger Pausen mit Beinhochlagerungen werde nicht relevant, wenn von vornherein eine leichte Tätigkeit mit wechselnden Arbeitshaltungen unter Ausschluss überwiegenden Stehens und Sitzens ausgeübt werde. Ein Anspruch auf eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit habe der Kläger nicht geltend gemacht. Ein Berufsschutz sei auch nicht ersichtlich. Er habe die Ausbildung zum Koch nicht abgeschlossen und sei in seiner vorletzten Tätigkeit als angelernter Koch beschäftigt gewesen.
Gegen das Urteil hat der Kläger am 09. Mai 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der Sachverhalt sei auf psychiatrischem Fachgebiet nicht ausreichend vom SG aufgeklärt worden. Es habe sich nicht allein auf den persönlichen Eindruck im Rahmen der mündlichen Verhandlung stützen dürfen, da ihm die hierfür erforderliche Sachkunde fehle.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. April 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Januar 2003 in der Gestalt Widerspruchsbescheids vom 25. September 2003 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Mai 2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Berichterstatter hat Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. zum Sachverständigen bestimmt. In seinem Gutachten vom 17. Februar 2006 gelangte er zu folgenden Diagnosen: unreife Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen, niedrige Intelligenz mit Intelligenzquotient um 80, Tic-Erkrankung mit motorischen und vokalen Tics sowie Stottern. Hinweise auf eine organische Schädigung des Gehirns lägen nicht vor. Der Kläger sei psychisch als erheblich beeinträchtigt anzusehen. Es habe sich eine überhöhte Kränkbarkeit sowie eine gestörte Einordnungs- und Unterordnungsbereitschaft in bestehende soziale Strukturen und eine Überbetonung des eigenen Ichs gezeigt. Eine Krankheitseinsicht im Hinblick auf die seit Jahren chronifizierte Persönlichkeitsstörung bestehe nicht. Es sei insgesamt von einem hohen psychischen Beeinträchtigungsgrad des Klägers durch die psychiatrische Erkrankung mit multiplen Komorbiditäten auszugehen. Die Auswirkungen auf die sozialkommunikativen Bezüge seien erheblich. Dies lasse sich durch die fehlenden ärztlichen Kontakte belegen. Nachdem Dr. Sc. die Dimension der Persönlichkeitsstörung, insbesondere in seinen sozialen Bezügen, offensichtlich nicht erfasst habe, sei seiner Einschätzung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Klägers nicht zu folgen. Aufgrund der qualifizierten komplexen psychischen Störung liege eine erhebliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit vor. Der Kläger sei nur noch in der Lage, gelegentlich einfache Tätigkeiten in einem Umfang von drei Stunden täglich zu verrichten (z. B. einfache Tätigkeiten auf dem Campingplatz), wobei er zu den Lebensumständen befragt angeben habe, er halte im Frühjahr die Containerecke sauber, fülle das Toilettenpapier auf und schaue, dass keine ungebetenen Gäste auf dem Campingplatz kämen. Der Grund für die Einschränkung sei die psychische Beeinträchtigung durch die unreife Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen, das Stottern, die Tic-Erkrankung, die niedrige Intelligenz bei überhöhter Kränkbarkeit, die gestörte Einordnungs- und Unterordnungsbereitschaft in bestehende soziale Strukturen und durch die Überbetonung des eigenen Ichs. Das jetzige Ausmaß der Störung habe sich nach dem Arbeitsunfall bzw. nach Beendigung des Heilverlaufs ab August 2000 eingestellt.
Die Beklagte ist unter Vorlage der Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. Gi. vom 27. Juni 2006 dem Gutachten entgegengetreten. Dieser hat ausgeführt, dass keine wesentliche Befundverschlechterung diagnostiziert worden sei und die gestörte Persönlichkeit mit Unreife und narzisstischen Zügen zeitlebens vorgelegen habe. Auch sei der Intelligenzquotient eher an der unteren Grenze des Normalbereichs anzusiedeln. Die Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens ließe sich lediglich mit relevanten Antriebs- und Konzentrationsstörungen begründen, diese seien jedoch anhand des psychopathologischen Befunds verneint worden.
Auf Nachfrage des Berichterstatters hat Dr. M. die ergänzende Stellungnahme vom 22. September 2006 vorgelegt. Danach sei die unreife Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen entsprechend der Literatur eindeutig der Gruppe mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit zuzuordnen. Der Kläger sei psychisch als erheblich beeinträchtigt anzusehen. Die Einschätzung des Dr. Gi., wonach das Leben auf einem Campingplatz nicht zu einer sozialen Isolation führe, erstaune. Nach den erhobenen Befunden sitze der Kläger auch über den Herbst und die Wintermonate auf einem geschlossenen Campingplatz ohne jeglichen Sozialkontakt außer dem Fernseher. Die biographischen Daten zeigten eine zunehmende Verfestigung und Verdichtung der Persönlichkeitsstörung nach dem Unfall. Insbesondere die gestörte Einordnungsbereitschaft im sozialen Kontext schränke die Leistungsfähigkeit deutlich ein.
Der Berichterstatter hat sodann Dr. W. als sachverständigen Zeugen schriftlich gehört. Dieser hat - neben zahlreichen Befunddaten aus dem Jahren 1997 bis 2008 - mitgeteilt (Auskunft vom 25. Juni 2008; Bl. 74/88 der LSG-Akte), dass die Behandlung des Klägers ausschließlich wegen der chronisch schlecht heilenden Wunde stattfinde. Als Diagnosen hat Dr. W. angeben: Adipositas per magna, chronisches Ulcus cruris als Komplikation eines Motorradunfalls, Antikoagulationstherapie, ausgeprägte Ichnophobie und einfach strukturierte Persönlichkeit. Das Hauptmerkmal der Therapie stütze sich auf die Versorgung der chronischen Wunde. Infolge der desolaten gesellschaftlichen und finanziellen Lage sei der Kläger in eine reaktive Depression verfallen. Eine medikamentöse Therapie der Depression erfolge jedoch nicht.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SG) ohne mündlich Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte, auf die Gerichtsakte der ersten Instanz, auf die Senatsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Versorgungsamtes R. (Az.: 093136) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht weder ab Mai 2002 noch zu einem späteren Zeitpunkt Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.
1. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser, als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßgaben ist der Kläger weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, weil er noch in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Nach dem Ergebnis der im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger nur noch in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Wie Dr. M. in seinem aufgrund einer am 13. Januar 2006 durchgeführten Untersuchung erstatteten Gutachten nachvollziehbar und schlüssig dargelegt hat, steht im Vordergrund der das Leistungsvermögen einschränkenden Erkrankungen des Klägers eine unreife Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen, eine Tic-Erkrankung, eine überhöhte Kränkbarkeit sowie eine gestörte Einordnungs- und Unterordnungsbereitschaft in bestehende soziale Strukturen bei einer Überbetonung des eigenen Ichs. Darüber hinaus bestehen beim Kläger auch internistischen Erkrankungen. Aufgrund des Gutachtens des Dr. Sc. vom 09. April 2004 steht fest, dass der Kläger an einer Blutabflussstörung mit Schwellneigung des rechten Beines, an einem wiederkehrenden Unterschenkelgeschwür (postthrombotisches Syndrom; Ulcus cruris), an massivem Übergewicht und an einer angeborenen Sehminderung leidet. Wegen des chronischen Unterschenkelgeschwürs steht der Kläger zudem in fortlaufender Behandlung bei Dr. W. (Auskunft vom 25. Juni 2008). Aus dem Gutachten von Dr. He. vom 21. April 2004 folgt zudem, dass beim Kläger eine chronische Lumbalgie bei Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule an den unteren Segmenten mit wiederkehrenden Beschwerden und eine Lateralisierungstendenz beider Kniescheiben bei Beugung vorliegen.
Das Leistungsvermögen des Klägers ist zeitlich nicht wegen der Erkrankungen auf psychiatrischem Gebiet eingeschränkt. Die von Dr. M. dargestellte Dimension der Persönlichkeitsstörung, insbesondere im Hinblick auf die sozialen Bezüge, führt nicht dazu, dass der Kläger in seiner täglichen zeitlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Die mitgeteilte Einschätzung, wonach der Kläger wegen der psychischen Beeinträchtigung nur noch in der Lage sei, drei Stunden täglich einfache Tätigkeiten zu verrichten, überzeugt nicht. Der Senat teilt die von Dr. Gi. in seiner Stellungnahme vom 27. Juni 2006 erhobenen Bedenken gegen das Gutachten des Dr. M., der im Übrigen das Vorliegen einer reaktiven Depression (im Gegensatz zu Dr. W.) nicht bestätigen konnte. Dr. M. hat in seinem Gutachten zum einen keine wesentliche Befundverschlechterung diagnostiziert und zum anderen ist zu beachten, dass die gestörte Persönlichkeit mit Unreife und narzisstischen Zügen, das Stottern, die Tic-Erkrankung und die niedrige Intelligenz zeitlebens vorgelegen haben. Diese Beeinträchtigungen standen einer früheren Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Gegen die Leistungseinschätzung des Dr. M. spricht weiterhin vor allem die Tatsache, dass der Kläger von Dr. W. wegen psychischer Leiden nicht (medikamentös) behandelt wird und sich auch sonst nicht in psychiatrischer Behandlung befindet. Dr. M. hat auch keine relevanten Antriebs- und Konzentrationsstörungen beschrieben. Vielmehr gibt er an, dass der Kläger im Frühjahr durch Tätigkeiten auf dem Campingplatz (Sauberhalten der Containerecke, Auffüllen des Toilettenpapiers, Schauen, dass keine ungebetenen Gäste auf den Platz kommen) etwas dazuverdiene. Soweit er die Auffassung vertritt, die Auswirkungen der psychischen Erkrankung zeigten sich (auch) in den fehlenden ärztlichen Kontakten, so steht dem eindeutig die Auskunft des Dr. W. vom 25. Juni 2008 entgegen. Daraus ergibt sich nämlich, dass der Kläger im Jahr 2007 von Mai bis November mehrmals im Monat bei Dr. W. zur Behandlung erschienen war. Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat der quantitativen Leistungseinschätzung des Dr. M. nicht anzuschließen.
Die auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen begründen ebenfalls keine zeitlichen Einschränkungen des beruflichen Restleistungsvermögens. Der Senat schließt sich insoweit der sozialmedizinischen Beurteilung der vom SG beauftragten Sachverständigen Dr. Sc. und Dr. He. an. Diese haben in ihren Gutachten nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die Beschwerden des Klägers auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet einer leichten Tätigkeit unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nicht entgegenstehen. Zu vermeiden sind danach Arbeiten mit überwiegendem Stehen und Sitzen, mit einseitiger Körperhaltung, häufiges Bücken, Hocken oder Knien, Klettern auf Leitern und Gerüsten, Nässe, Hitze, besondere Anforderungen an das Sehvermögen, Arbeiten mit kommunikativen und geistigen Anforderungen sowie mit besonderer Verantwortung. Aufgrund des Stotterns und der Tic-Erkrankung sind auch Tätigkeiten mit Publikumsverkehr nicht mehr möglich.
Soweit Dr. W. die Auffassung vertritt (Auskunft vom 10. Februar 2004, Bescheinigungen vom 15. und 25. Oktober 2004), der Kläger könne keine Tätigkeiten mehr über zwei bzw. drei Stunden täglich verrichten, vermag auch diese Einschätzung nicht zu überzeugen. Zum einen wird nicht näher begründet, weshalb auch eine sitzende Tätigkeit (bzw. eine Tätigkeit im Wechsel von Stehen und Sitzen) nicht mehr als zwei Stunden täglich möglich sein soll. Zum anderen stützt sich Dr. W. im Wesentlichen auf die psychische Situation bzw. auf das Erscheinungsbild des Klägers. Wie der Senat jedoch bereits dargelegt hat, führen die psychischen Beeinträchtigung nicht zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht.
Der Kläger ist mit dem festgestellten Leistungsvermögen mithin noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten mit den beschriebenen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben, sodass er keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) war nicht zu prüfen, da der Kläger dies im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht hat.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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