L 4 KR 3435/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2557/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3435/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin von der Beklagten verlangen kann, dass diese ihr eine Sterilisationsbehandlung zur Verfügung stellt.

Die am 1973 geborene verheiratete Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie gebar vier Kinder, zuletzt am 2006 eine Tochter. Am 12. April 2006 ging bei der Beklagten das Attest der Dres. H.-W./W., Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin, vom 12. April 2006 ein. Darin wurde ausgeführt, bei der Klägerin sei nach den vergangenen zwei Schwangerschaften ein Gestationsdiabetes (GDM) aufgetreten, der insulinpflichtig gewesen sei. Die Klägerin vertrage keine oralen Antikontrazeptiva. Die Familie habe bereits vier Kinder. Ein GDM sei immer ein nicht unerhebliches Risiko für die Schwangerschaft und das Kind. Da die Familie keine Kinder mehr wolle, sei aus medizinischen Gründen eine Sterilisation indiziert. Da ein medizinischer Grund vorliege, werde um Kostenübernahme der Sterilisation gebeten. Die Beklagte erhob dazu die Stellungnahme des Dr. E. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in S. vom 13. April 2006, in der ausgeführt wurde, nach § 24b des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) komme die Kostenübernahme für eine Sterilisation durch die Kasse nur dann in Betracht, wenn sie wegen einer Krankheit erforderlich werde. Im vorliegenden Fall liege diese Situation nicht vor. Mit Bescheid vom 19. April 2004 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten einer Sterilisation danach ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch verwies die Klägerin auf die Bestätigung der medizinischen Notwendigkeit der Sterilisation in dem Attest der Dr. H.-W. vom 12. April 2006. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2006). Zur Begründung wurde ausgeführt, Versicherte hätten Anspruch auf Leistungen bei einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation durch einen Arzt. Das bedeute, dass die Kostenübernahme bei einer Sterilisation vom Vorliegen einer sie erforderlich machenden Krankheit bei der zu sterilisierenden Person abhängig sei. Die Rechtsprechung und Verwaltungspraxis verstehe unter Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, dessen Eintritt eine Heilbehandlung zur Folge habe. Solle die Sterilisationsmaßnahme ohne medizinische Indikation freiwillig und in der Absicht vollzogen werden, künftig keine Kinder mehr zu wollen, sei der Leistungsanspruch definitiv ausgeschlossen. Die behandelnde Ärztin werde diese Aussage bestätigen. Die Behandlung von Diabetes in der Schwangerschaft gehöre heute zum medizinischen Standard.

Deswegen erhob die Klägerin am 13. Juli 2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Es sei ihr nicht zuzumuten, sich auf das Risiko einer erneuten Schwangerschaft einzulassen. Da sie bereits zweimal einen GDM gehabt habe, bestehe für eine weitere Schwangerschaft eine Wahrscheinlichkeit von 50 vom Hundert (v.H.) für das erneute Auftreten in der folgenden Schwangerschaft; außerdem hätten Frauen mit durchgemachtem GDM ein höheres Risiko insbesondere dann, wenn, wie bei ihr, bereits mehrfach derartige Schwangerschaftsstörungen aufgetreten seien, ein Risiko von 50 bis 60 v.H., anschließend einen manifesten Diabetes zu entwickeln, insbesondere dann, wenn, wie ebenfalls bei ihr, dieser Diabetes jeweils insulinpflichtig gewesen sei. Dieses Risiko würde sich durch eine dritte Schwangerschaft mit Diabetes weiter erhöhen. Die dadurch der Versichertengemeinschaft drohenden Behandlungskosten wären beträchtlich. Allgemein seien Schwangere mit GDM Risikoschwangere, und zwar zum einen wegen der sehr genau zu dosierenden und einzuhaltenden Insulinbehandlung, die immer einmal aus dem Ruder laufen könne mit entsprechenden schwerwiegenden Folgen für die Schwangere und das Kind, zum anderen wegen der besonderen Anforderung bezüglich der Stoffwechseleinstellung an die Entbindungsklinik. Problemsituationen träten bei derartigen Neugeborenen überdurchschnittlich häufig auf; außerdem sei die Sterblichkeit bei ihnen selbst dann überdurchschnittlich hoch, wenn die Mutter während der Schwangerschaft optimal auf den Diabetes eingestellt worden sei. Kritisch sei auch, dass derartige Neugeborene mit speziellen subtilen Methoden sofort nach der Geburt untersucht und gegebenenfalls behandelt werden müssten, damit die durch den Diabetes der Mutter verursachten Gefährdungen ausgeschlossen oder tatsächliche Problemsituationen sofort behandelt werden könnten. Insoweit sei ein Sachverständigengutachten zu erheben. Im Übrigen gebe es auch noch weitere Risiken. Eine erneute Schwangerschaft mit dem sehr erheblichen Risiko eines erneuten Diabetes sei für sich bereits ein entsprechendes Krankheitsrisiko, und zwar unabhängig davon, dass diese Krankheit in der Schwangerschaft, wenn rechtzeitig erkannt, behandelt werden könne. Von einer Krankheit im Sinne des § 24b SGB V sei jedenfalls dann auszugehen, wenn, wie bei ihr, die Behandlung der Krankheit in der Schwangerschaft verbleibende ganz erhebliche Risiken für Mutter und Kind keineswegs vollständig ausschließen könne. Zu den Risiken reichte sie ein Schreiben der Dres. H.-W./W. vom 18. Juli 2006 an ihre damaligen Prozessbevollmächtigten ein, ferner Bescheinigungen über Neugeborenen-Erstuntersuchungen (U 1), wobei in der Bescheinigung vom 20. März 2006, die letzte Geburt betreffend, der Verdacht auf GDM bestätigt wurde.

Das SG erhob schriftliche Auskünfte der behandelnden Ärztinnen. Frauenärztin Hä.-V. (Auskunft vom 12. September 2006) legte dar, sie betreue die Klägerin seit Februar 2005. Bereits damals habe ein bekannter insulinpflichtiger Diabetes mellitus vorgelegen. Bei der ab September 2005 festgestellten Schwangerschaft sei dann die Betreuung von ihr und der Diabetologin übernommen worden. Der Schwangerschaftsverlauf sei erfreulicherweise relativ komplikationslos gewesen. Der Blutzuckerwert sei nicht immer optimal eingestellt gewesen, was sich dann im Geburtsgewicht des Kindes mit 4800 g gezeigt habe. Bei Nachuntersuchungen nach der Geburt spreche sie, die Ärztin, mit jeder Patientin über die weitere Kontrazeption. Die Klägerin habe von sich aus die Sterilisation angesprochen und den Wunsch dazu geäußert. Eine andere Verhütungsmethode sei von ihr, der Ärztin, nicht angesprochen worden, da dies nicht gewünscht worden sei. Der Diabetes bestehe weiter, sodass bei einer weiteren Schwangerschaft dieses Risiko bereits jetzt vorliege. Eine Schwangerschaft bei einer Diabetikerin sei immer eine Risikoschwangerschaft. Das Hauptrisiko sei der Diabetes; Übergewicht und zunehmendes Alter ergäben weitere Risiken. Unter dem 25. Oktober 2006 ergänzte die Ärztin, bei bestehenden Kinderwunsch der Klägerin hätte sie nicht zu einer Sterilisation geraten, sondern im Gegenteil alles versucht, mit intensiver und kurzfristiger Überwachung (in Kooperation mit dem Diabetologen und der Klinik) zu einem gesunden Kind und einer komplikationslosen Schwangerschaft zu verhelfen. Für die Klägerin bestehe keine absolute Notwendigkeit für eine Sterilisation; zur Kontrazeption stünden auch andere Möglichkeiten zur Verfügung. Dr. H.-W. (Auskunft vom 11. November 2006) gab an, bei neu entdeckter diabetischer Stoffwechsellage habe sie die Klägerin erstmals von Juli bis November 2003 behandelt. Der zweite Behandlungszeitraum habe von Januar bis September 2004 bei jetzt bestehender Schwangerschaft mit insulinpflichtigem GDM bestanden. Im März 2005 habe eine einmalige Kontrolluntersuchung stattgefunden. Vierter Behandlungszeitraum sei von Oktober 2005 bis April 2006 bei erneuter Schwangerschaft mit insulinpflichtigem GDM gewesen. Die letzte Behandlung sei am 12. April 2006 erfolgt. Sie berichtete über die Behandlungen seit Juli 2003 und wies darauf hin, dass sich die Führung des insulinpflichtigen GDM bei fehlenden Sprachkenntnissen der Klägerin und sowie zum Teil auch bei schwer vermittelbarer Einsicht in die Notwendigkeit einer optimalen Stoffwechselführung während der Schwangerschaft als schwierig gestaltet habe. Die Compliance sei stets mäßig ausgeprägt gewesen, was immer ein zusätzliches Risiko in der Schwangerschaft darstelle. Folgeerkrankungen der diabetischen Stoffwechsellage im Sinne von Polineuropathie, Nephropathie, Angiopathie oder Rhetinopathie hätten von ihr, der Ärztin, nicht festgestellt werden können. Die Ärztin legte auch einen Kurzbefund des Augenarztes Dr. I. vom 04. November 2003 vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Nach § 24b SGB V müsse das Vorliegen einer Krankheit die Anspruchsgrundlage zur Durchführung einer Sterilisation sein. Ein GDM trete jedoch als Folge einer Schwangerschaft auf. Die behandelnde Frauenärztin habe bestätigt, dass es der Wunsch der Klägerin gewesen sei, aus Gründen einer abgeschlossenen Familienplanung sich sterilisieren zu lassen. Dabei handle es sich jedoch um eine Maßnahme ohne medizinische Indikation, freiwillig und in der Absicht, künftig keine Kinder mehr haben zu wollen. Der Leistungsanspruch sei insoweit definitiv ausgeschlossen. Bei der Klägerin liege keine Krankheit vor, die eine Sterilisation erforderlich mache. Die Beklagte legte auch Auszüge aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch (Richtlinien) sowie Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 26. November 2003 und 01. Januar 2005 vor.

Mit Urteil vom 22. Februar 2007 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, maßgebend sei § 24b Abs. 1 Satz 1 SGB V in der seit 01. Januar 2004 geltenden Fassung. Danach hätten Versicherte Anspruch auf Leistungen bei einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation, d. h. nur, wenn die Sterilisation wegen Krankheit erforderlich sei. Eine Krankheit im Sinne des § 27 SGB V müsse also die wesentliche Ursache einer Sterilisation sein; diese müsse erforderlich sein, mithin zwangsläufig und unvermeidlich. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Die Klägerin begründe den geltend gemachten Leistungsanspruch damit, dass bei ihr in den vergangenen beiden Schwangerschaften ein GDM aufgetreten sei. Zwar bestehe bei ihr eine diabetische Stoffwechsellage, damit auch das Risiko eines GDM bei einer weiteren Schwangerschaft und in diesem Fall ein erhöhtes Risiko für Komplikationen; dies begründe indessen nicht die medizinische Notwendigkeit einer Sterilisation. Dies ergebe sich bereits aus der Stellungnahme des Dr. E ... Die vom Gericht eingeholten Auskünfte der behandelnden Ärztinnen bestätigten dies. Die Klägerin habe danach von sich aus den Wunsch auf eine Sterilisation geäußert und andere Verhütungsmethoden nicht gewünscht. Die fehlende medizinische Notwendigkeit einer Sterilisation bestätige die Frauenärztin eindeutig mit der Angabe, bei bestehendem Kinderwunsch hätte sie der Klägerin nie zu einer Sterilisation geraten. Somit ergebe sich insgesamt die Situation, dass die bei einer Schwangerschaft immer bestehenden Risiken aufgrund der diabetischen Stoffwechsellage theoretisch höher sein könnten, aber normalerweise zu beherrschen seien; dies bedinge nicht die medizinische Notwendigkeit einer Sterilisation.

Gegen das ihren früheren Prozessbevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 22. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02. Juli 2007 schriftlich beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie hat die Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des GDM der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Schwangerschaft der Deutschen Diabetesgesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft für materno-fetale Medizin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtsmedizin sowie der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin Empfehlungen vorgelegt und macht geltend, nachdem nach der letzten Schwangerschaft ein manifester Diabetes aufgetreten bzw. verblieben sei, wolle sie auch und gerade wegen der mit einer erneuten Schwangerschaft verbundenen Risiken keine Kinder mehr haben. Die bei ihr bestehende Disposition sei insoweit als Krankheit im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen anzusehen, die eine Sterilisation erfordere. Schon ein normaler Schwangerschaftsdiabetes erfordere zur Vermeidung von Komplikationen umfangreiche Vorsorgemaßnahmen, wie sie sich aus den vorgelegten Empfehlungen ergäben. Alle erforderlichen Vorsorge- und Behandlungsmaßnahmen setzten eine konzentrierte Mitwirkung der Schwangeren voraus. Gerade hier bestünden bei ihr erhebliche Defizite, wie sich aus der Stellungnahme der Dr. H.-W. vom 11. November 2006 ergebe. Die sozio-kulturellen Besonderheiten bedeuteten für sie ein ganz erhebliches zusätzliches Risiko gegenüber den normalen Risiken in der Schwangerschaft. Insoweit verweise sie auf die vorgelegten bzw. eingeholten Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten. Ihr bleibe nur die Möglichkeit der Sterilisation, um sich vor den erheblichen Gefahren einer erneuten Schwangerschaft zu schützen und die Geburt eines möglicherweise behinderten Kindes zu vermeiden. Sie habe die begehrte Sterilisation noch nicht durchführen lassen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2006 zu verurteilen, ihr eine Sterilisationsbehandlung zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Es liege nach wie vor keine medizinische Indikation für eine Sterilisation vor. Nach § 24b SGB V sei das Vorliegen einer Krankheit die Anspruchsgrundlage für die Durchführung einer Sterilisation. Bei der Klägerin bestehe zwar ein erhöhtes Risiko für Komplikationen, falls während einer erneuten Schwangerschaft wieder ein GDM ausgelöst werde. Dieser trete jedoch erst als Folge der Schwangerschaft auf. Wie er zu behandeln sei, könne den von der Klägerin vorgelegten Empfehlungen entnommen werden. Es handle sich also nach wie vor um eine Sterilisationswunschmaßnahme mit der Absicht, künftig keine Kinder mehr haben zu wollen. Eine medizinische Indikation sei nicht zu erkennen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entschieden hat, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Wie das SG zutreffend entschieden hat, hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte eine Sterilisationsbehandlung als Sachleistung zur Verfügung stellt.

Nach § 24b Abs. 1 Satz 1 SGB V in der seit 01. Januar 2004 geltenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Leistungen bei einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation. Durch die zum 01. Januar 2004 erfolgte Änderung des § 24b SGB V wurden die Leistungen bei einer nicht rechtswidrigen Sterilisation aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen. Diese Leistungen gehören in erster Linie zur persönlichen Lebensplanung der Versicherten. Sie sollen ausschließlich auf der eigenverantwortlichen Entscheidung der Versicherten zur Finanzierung dieser Leistungen beruhen. Erhalten blieb lediglich der Anspruch auf Leistungen bei einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation (medizinische Indikation; vgl. Bundestags-Drucksache 15/1525 S. 82 zu Nr. 11). Diese medizinische Indikation ist durch die Richtlinien (vgl. C Nr. 1) nicht näher präzisiert worden. Die Sterilisation ist durch Krankheit erforderlich, wenn eine Krankheit sie verursacht, d.h. zum Schutz der eigenen Gesundheit notwendig ist, und die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 SGB V, wonach jede Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig sein muss, erfüllt sind. Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. § 24b Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst die Fälle, in denen wegen eines vorliegenden, regelwidrigen Körper- oder Geisteszustands die Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit der Versicherten zuverlässig und auf Dauer beseitigt werden soll. Insoweit muss die Sterilisation erforderlich sein. Erforderlich - wie notwendig im Sinne des § 12 SGB V - ist die Sterilisation, wenn sie - im Hinblick auf eine Krankheit - zwangsläufig und unvermeidlich ist. Daraus ergibt sich, dass allein der Wunsch, nach vier Kindern kein weiteres Kind bekommen zu wollen, einen Anspruch auf Sterilisation nach § 24b Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht rechtfertigt. Ebenso wenig ist die Schwangerschaft eine Krankheit, die insoweit einen Leistungsanspruch nach § 24b Abs. 1 Satz 1 SGB V begründen könnte. Anspruch auf Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V besteht auch schon dann, wenn die ernste Gefahr einer Erkrankung besteht.

Allein daraus, dass an Diabetes mellitus leidende Schwangere Risiko-Schwangere sind, insbesondere auch dann, wenn bei ihnen ein GDM entstehen könnte, wie der Senat den eingeholten Auskünften der behandelnden Ärztinnen sowie auch den von der Klägerin vorgelegten Empfehlungen entnimmt, ergibt sich im Falle der Klägerin keine medizinische Indikation für die begehrte Sterilisation. Bei der Klägerin bestand zwar im Behandlungszeitraum von Juli bis November 2003 eine neu entdeckte diabetische Stoffwechsellage. Ferner bestand bei zwei Schwangerschaften, und zwar von Januar bis September 2004 sowie von Oktober 2005 bis zum 12. April 2006, ein insulinpflichtiger GDM. Der Senat vermag jedoch nicht festzustellen, dass bei der allgemein bestehenden Risikolage der Klägerin bei einer erneuten Schwangerschaft die Sterilisation zwangsläufig und unvermeidbar ist, weshalb die Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit der Klägerin auf Dauer zu beseitigen wäre. Denn die behandelnde Ärztin Dr. H.-W. hat dargelegt, dass bei der Klägerin nach der Schwangerschaft im Jahre 2004 nach September 2004 die Insulintherapie wieder abgesetzt werden konnte. Auch nach der weiteren Schwangerschaft fand ab 13. April 2006 bei der Klägerin keine weitere Behandlung wegen eines Diabetes mellitus statt, wie sich aus der Auskunft der Dr. H.-W. vom 11. November 2006 ergibt. Insoweit hat die Klägerin insbesondere auch im Berufungsverfahren auf die Anfrage vom 10. Oktober 2007 selbst nach weiteren Erinnerungen keine Angaben zu entsprechenden fachärztlichen Behandlungen wegen eines Diabetes mellitus, sei es bei ihr, sei es bei den beiden zuletzt geborenen Töchtern, gemacht. Auch hat die behandelnde Ärztin Dr. H.-W. bei der Klägerin Folgeerkrankungen einer diabetischen Stoffwechsellage nicht festgestellt. Insoweit sind bei einer erneut auftretenden Schwangerschaft im Hinblick auf einen GDM ausreichende Behandlungsmöglichkeiten gegeben, die aus medizinischer Sicht nicht etwa zwingend eine Sterilisation gebieten. Die von der Klägerin selbst eingereichten Empfehlungen belegen diagnostische und therapeutische Behandlungsmöglichkeiten beim GDM einer Schwangeren, und zwar auch hinsichtlich Nachsorge, Langzeitprognose und Prävention bei der Mutter und dem Kind. Insoweit erscheint ein GDM als beherrschbar, weshalb es nicht notwendig ist, die Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit durch Sterilisation auf Dauer beseitigen zu müssen. Daraus, dass Ärztin Dr. H.-W. in der Auskunft vom 11. November 2006 darauf hingewiesen hat, dass sich die Führung des insulinpflichtigen GDM bei mangelnden Sprachkenntnissen der Klägerin und ihres Ehemannes und zum Teil auch bei schwer vermittelbarer Einsicht in die Notwendigkeit einer optimalen Stoffwechselführung während der Schwangerschaft schwierig gestaltet habe, weshalb ein "zusätzliches Risiko" angenommen wird, ergibt sich im Falle der Klägerin ebenfalls keine medizinische Indikation für die begehrte Sterilisation. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass für die Klägerin im Hinblick auf die von ihr gewünschte Familienplanung keine absolute Notwendigkeit für eine Sterilisation besteht. Denn die behandelnde Frauenärztin Hä.-V. hat in der ergänzenden Auskunft vom 25. Oktober 2006 darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin zur Kontrazeption auch andere Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, die jedoch, weil nicht gewünscht, nicht angesprochen worden seien.

Die Erhebung eines Sachverständigengutachtens war danach nicht geboten.

Die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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