L 12 AS 3655/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 2632/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3655/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Freiburg vom 02.07.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren darum, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Zusicherung zur Anmietung einer für einen Drei-Personen-Haushalt angemessenen Wohnung zu erteilen. Die 1977 geborene Antragstellerin zu 1 und ihr 1999 geborener Sohn, der Antragsteller zu 2, beziehen seit Mitte 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Antragsgegnerin. Sie leben gemeinsam in einer 62 m2 großen Wohnung. Diese besteht aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Badezimmer, einer Diele und einem Flur. Für die Woh¬nung sind monatliche Gesamtmietkosten von 367,50 EUR zu entrichten. Die Antragstellerin zu 1 ist derzeit schwanger. Der berechnete voraussichtliche Geburtstermin ist der 21.07.2008. Die Antragsgegnerin bewilligte zuletzt mit Bescheid vom 20.02.2008 Leistungen für die Antragsteller für den Zeitraum März bis August 2008. Mit am 15.01.2008 eingegangenem Schreiben beantragte die Antragstellerin zu 1 die Kostenzusage der Antragsgegnerin für eine andere Wohnung. Diesen begründete sie damit, dass sie in Kür¬ze ihr zweites Kind zur Welt bringen werde und dann der Wohnraum nicht ausreichend sei. Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 11.02.2008 die Kostenzusage ab. Ihrer Auffassung nach sei der Wohnraum der Antragstellerin ausreichend. Hiergegen legte die Antragstellerin am 10.03.2008 Widerspruch ein. Sie benötige mehr Wohnraum, maximal 75 m2. Sie könne sich auch vorstellen, in einer kleineren Wohnung zu wohnen, allerdings sei die Aufteilung in zwei Zimmer zu klein. Für einen Drei-Personen-Haushalt benötige sie eine 3-Zimmer-Wohnung, es könne ihr nicht zugemutet werden, mit dem Umzug zu warten. Unzureichend sei nicht die Wohnfläche, sondern der Zuschnitt der Wohnung. Die Antragsgegnerin ließ durch ihren Außendienst die tatsächlichen Gegebenheiten der Wohnung feststellen. Die Ermittlungen ergaben, dass im Flur der Wohnung ein Ess¬platz integriert ist, dass ein Zimmer als Wohnzimmer eingerichtet ist und ein Kinderzimmer und eine Abstellkammer existieren. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2008 zurück. Der Umzug in eine andere Wohnung sei nicht erforderlich. Der bislang als Wohnzimmer genutzte Raum könne als Schlafraum für die Antragstellerin zu 1 und das Baby umgestaltet werden. Ein Kinderbett und eine Kommode könne sehr gut unterbracht werden. Die Wohnung biete, wenn einige Dinge auf ihre Verwendbarkeit geprüft und ggf. entsorgt würden, noch einiges an sinnvoll nutzbarem Stau- und Wohnraum. Es müsse nicht zwingend ein reines Wohnzimmer vorhanden sein und es sei zumutbar und nicht unüblich, dass sich eine Mutter und ein Baby einen Schlafraum teilen und Besuch am Essplatz empfangen werde. Am 28.05.2008 haben die Antragsteller sowohl Klage (Az. S 3 AS 2633/08) erhoben als auch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht F. (SG) gestellt. Die Anforderungen an den Anspruch auf Zusicherung dürften unter dem Aspekt der Freizügigkeit nicht überzogen werden. Die An¬tragsteller benötigten eine 3-Zimmer-Wohnung. Der Antragsteller zu 2 komme nach der Schule nach Hause und brauche einen Raum, in dem er ungestört Hausaufgaben machen könne. Das Baby benötige einen Raum, in dem es auch tagsüber regelmäßig schlafen könne. Die Antragsteller und das Baby würden vollkommen unterschiedliche Schlafrhythmen haben. Von der Antragstellerin zu 1 werde doch nicht wirklich erwartet, dass sie abends mit ihren Kindern schlafen gehe. Es sei jedenfalls bei einer alleinerziehenden Frau mit zwei Kindern, deren Altersunterschied mehr als drei oder vier Jahre betrage, eine Wohnung erforderlich, deren Zimmerzahl mindestens der Zahl der Familienmitglieder entspreche. Ein konkretes Wohnungsangebot liege nicht vor. Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten: Es sei durchaus zumutbar und keinesfalls eine Verletzung der Grundrechte, dass sich die Antragstellerin zu 1 mit dem Baby einen Wohn/Schlafraum teile. Die Antragstellerin zu 1 werde sich zwangsläufig an den Schlafrhythmus des Babys anpassen müssen. Dies nicht wegen der Wohnverhältnisse, sondern weil sie für die Betreuung und Versorgung verantwortlich sein werde. Viele Eltern rich¬teten den Schlafplatz des Kindes aus praktischen Gründen in ihrem Schlafzimmer ein. Mit Beschluss vom 2.7.2008 hat das SG den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Nach § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II solle vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft der erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung des für die Leistungserbringung beim bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger sei nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Die zu treffende Entscheidung beinhalte folglich zum einen die Frage, ob der Umzug erforderlich sei und zweitens, ob die Aufwendungen der neuen Wohnung angemessen seien. Die Antragsteller hätten derzeit noch keine konkrete neue Wohnung in Aussicht. Gleichwohl könne trotz Fehlens des Kriteriums der "Aufwendungen für die neue Unterkunft" i.S.d. § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II nach Auffassung der Kammer die isolierte Feststellung der Erforderlichkeit eines Umzugs geltend gemacht und eine Entscheidung des Leistungsträgers hierüber begehrt werden. Dies ergebe sich maßgeblich aus den Gesichtspunkten einer effektiven Rechtsschutzgarantie. Ein praktisches Bedürfnis bestehe für beide Beteiligte hinsichtlich der Möglichkeit einer isolierten Feststellung der Erforderlichkeit. Denn ein Leistungsempfänger liefe andernfalls immer wieder Gefahr, dass eine ihm angebotene Wohnung bei Abschluss des Verfahrens über die Frage der Erforderlichkeit des Umzuges bereits vergeben sei. Auch der Leistungsträger würde nach erfolgreicher Wohnungssuche unter erheblichen Zeitdruck geraten, müsste er die Erforderlichkeit eines Umzugs in einem Zeitraum ermitteln und entscheiden, für den das Wohnungsangebot gegenüber dem Leistungsempfänger aufrecht erhalten werde. Konkrete Wohnungsangebote würden bei einem wie in F. ange¬spannten Wohnungsmarkt in der Regel nur für einige Tage vom Vermieter aufrecht erhalten. Ob eine umfassende Prüfung der Erforderlichkeit eines Umzugs durch die Antragsgegnerin in die¬sem Zeitrahmen gewährleistet werden könnte, erscheine daher fraglich. Konsequenz dieses Umstandes wäre die steigende Zahl einstweiliger Rechtsschutzverfahren, um Rechtsschutz zu erzielen, wobei auch bei diesen aufgrund des notwendigen Zeitablaufs die Gefahr bestünde, dass die Entscheidung erst zu spät erfolgen könne. Nach Auffassung der Kammer sei jedoch die Erforderlichkeit des Umzugs der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Ein Umzug der Antragsteller aus der Wohnung sei sowohl unter dem Aspekt des Zuschnitts der Wohnung als auch unter Berücksichtigung der Wohnungsgröße derzeit nicht erforderlich. Die Kammer teile hierbei ausdrück¬lich die Auffassung der Antragsgegnerin, wonach eine solche Einrichtung der Wohnung durch¬aus bei einer Vielzahl von jungen Eltern aus praktischen Gründen vorgenommen werde. Beeinträchtigungen des Kleinkinds durch das Betreten des Raums durch die Antragstellerin seien nicht zwingend zu erwarten. Es könne vielmehr verlangt werden, dass die Antragstellerin zu 1 sich dies so einteile, dass entweder geräuschintensivere Tätigkeiten außerhalb des Wohn-/Schlafzimmers getätigt würden oder aber dann, wenn das Kleinkind wach sei und hiervon nicht gestört werde. Das Gericht teile daher die Auffassung , dass ein eigenes Zimmer für Kinder bereits ab der Geburt zum sogenannten soziokulturellen Existenzminimum gehöre, ausdrück¬lich nicht. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb das Bedürfnis des Kleinkinds nach einem ruhigen Schlafplatz bei einem Verbleib in der bisherigen Wohnung nicht ausreichend gedeckt werden könnte. Wenn das Kleinkind in dem jetzigen Wohn-/Schlafraum schlafe, bestehe für die Antragsteller genügend Platz um sich in der restlichen Wohnung aufhalten zu können. Der Antragsteller zu 2 habe in seinem Kinderzimmer eine Rückzugsmöglichkeit. Die Antragstellerin zu 1 könne sich im Bereich der Essecke aufhalten. Das Baby werde hiervon nicht gestört. Auch ein gemeinsamer Aufenthalt der Antragstellerin zu 1 und des Antragstellers zu 2 sei im Bereich der Essecke möglich. Diese sei in dem großen Flur der Wohnung direkt neben der Küche unter¬gebracht und erfülle hiermit die Funktion einer Wohnküche, die ausreichend Platz zu einer fami¬liären Zusammenkunft bietet Die Antragsgegnerin habe zurecht darauf hingewiesen, dass an die¬ser Stelle auch Besuch empfangen werden könne, ohne dass das Kleinkind gestört werde. Das Gericht verkenne dabei nicht, dass mit zunehmendem Alter des Kleinkinds die Wohnung der An¬tragsteller zu klein werden werde. Denn mit steigendem Alter nehme zum einen der Bewegungs¬drang eines Kleinkindes zu, es bestehe ein weiterer Platzbedarf. Nach Auffassung der Kammer würden dann die Antragsteller wohl nicht darauf verwiesen werden können, dass sich die beiden Kinder ein Zimmer teilen müssten. Denn dies erscheine bereits aufgrund des erheblichen Altersunterschieds problembehaftet. Jedoch seien entsprechend den obigen Ausführungen diese Bedürfnisse noch nicht bereits im Säuglingsalter vorhanden. Auch hinsichtlich der Wohnungsgröße sei die Wohnung der Antragsteller noch ausreichend. Zwar sei grundsätzlich davon auszugehen, dass bei drei Personen in einer Bedarfsgemeinschaft eine Wohnung mit einer Größe von bis zu 75 m2 als noch angemessen zu erachten sei. Hieraus folge jedoch nicht, dass bei einer Wohnungsgröße unterhalb von 75 m2 von einem un¬genügenden Wohnraum auszugehen sei. Nach Auffassung der Kammer sei jedenfalls ca. in den ersten beiden Lebensjahren des von der Antragstellerin erwarteten Kindes die Wohnungsgröße mit ca. 62 m2 für die Bedarfsgemeinschaft noch ausreichend. Gegen diesen Beschluss legten die Antragsteller beim LSG Baden-Württemberg Beschwerde ein. Diese wurde im Wesentlichen damit begründet, ein Umzug müsse immer dann als erforderlich gelten, wenn Gründe vorlägen, von denen sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Es könne nicht gerechtfertigt werden, dass sich ein Säugling und ein Neunjähriger ein Zimmer teilen sollten, während dies von einem Zweijährigen und einem Elfjährigen nicht erwartet werden könne.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die tatsächlichen und rechtlichen Vorraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend ausgeführt und die beantragte einstweilige Anordnung zu Recht nicht erlassen. Der Senat nimmt im wesentlichen auf die Gründe der sozialgerichtlichen Entscheidung Bezug. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung scheitert auf jeden Fall am fehlenden Anordnungsgrund. Es ist den Antragstellern zuzumuten die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die erhobene Klage ist auf keinen Fall offensichtlich begründet. Es kann nach der gegebenen Rechtslage bestenfalls von einem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens ausgegangen werden. In einem solchen Fall ist eine Folgenabwägung zu treffen. Es sind die Folgen abzuwägen, die entstehen, wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen wird und sich dann im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass der geltend gemachte Anspruch besteht. Hierbei sind in die Interessensabwägung u. a. die Intensität der drohenden Rechtsverletzung - insbesonders der Verletzung von Grundrechten - einzubeziehen. Weiter sind die wirtschaftlichen Umstände und unbillige Härten zu berücksichtigen (Keller in Meyer-Ladewig, § 86b SGG m.w.N.). Die Antragsteller haben derzeit keine konkrete Wohnung in Aussicht. Es steht noch nicht einmal fest, ob sie eine Wohnung die ihren Vorstellungen entspricht, finden. Irgendwelche schweren Nachteile, die durch ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache entstehen können, sind nicht ersichtlich und auch nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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