L 4 R 2507/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 4302/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2507/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 06. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erhebt im Zugunstenverfahren Anspruch auf höhere Rente unter Berücksichtigung der Zeit von Januar 1945 bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres am 24. Dezember 1946.

Der am 24. Dezember 1932 geborene Kläger stammt aus L./Ostpreußen, wo sein Großvater evangelischer Pfarrer war und sein Vater gegen Kriegsende im Volkssturm diente. Im Januar 1945 erreichten die sowjetischen Truppen das Dorf und verschleppten die Familie unter Beteiligung polnischer Miliz ins Lager S. (deutsch: S.). Von dort wurden die Angehörigen Ende Februar 1945 nach Russland zur Zwangsarbeit abtransportiert. Der Kläger wurde etwa Anfang März 1945 einem polnischen Bauern zugeteilt, wo er unterschiedlichste niedrige Arbeiten zu verrichten hatte. Zwischendurch wurde er nochmals ins Lager nach S. gebracht. 1949 kam er über ein Lager in Warschau nach L. (Sachsen). Später fand sich die Familie in M. wieder, wo der Kläger am 15. Juli 1950 eine Tischlerlehre aufnehmen konnte. Am 16. Oktober 1953 übersiedelte er ins damalige Bundesgebiet, wo er ab Januar 1954 im Wesentlichen durchgängig versicherungspflichtig beschäftigt war.

Der Kläger ist seit 1981 verwitwet. Aufgrund der Schädigungsfolge "praktische Fußgelenksversteifung links nach Gelenkverletzung in Gefangenschaft" bezieht er Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vom Hundert (v.H). zuzüglich einer Erhöhung um 10 v.H. wegen besonderer beruflicher Betroffenheit im später ausgeübten Beruf als Maschinenarbeiter, zusammen 40 v.H ...

Auf den Antrag vom 14. September 1993 bewilligte die Beklagte (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg, später Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg, jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1. Dezember 1993 mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag von DM 2.085,57 (Bescheid vom 8. Dezember 1993). Der Versicherungsverlauf enthält die Zeit vom 24. bis 31. Dezember 1946 als "pauschale" Ersatzzeit der Vertreibung/Flucht, die Zeit vom 1. Januar 1947 bis 30. November 1948 als Ersatzzeit "im Ausland festgehalten" und die vom 24. Dezember 1948 bis 15. Oktober 1953 zurückgelegten Zeiten als Zeiten mit Pflichtbeiträgen nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Ein erster am 25. Juli 2000 gestellter Zugunstenantrag, wegen "Kinderzwangsarbeit" die Zeit ab Vollendung des 12. Lebensjahres bei der Rente zu berücksichtigen, blieb erfolglos (Bescheid vom 11. September 2000, Widerspruchsbescheid vom 30. November 2000). Ersatzzeiten könnten frühestens ab dem 14. Lebensjahr, Beschäftigungszeiten ohne nachgewiesene Beitragsleistung ab dem vollendeten 16. Lebensjahr berücksichtigt werden. Entsprechende Zeiten seien im Rentenbescheid berücksichtigt. Hiergegen erhob der Kläger zum Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage (S 10 RJ 3119/00), aufgrund welcher im Termin vom 28. März 2001 ein Vergleich dahingehend geschlossen wurde, dass die Beklagte sich verpflichtete, über die geltend gemachten Zeiten unter Berücksichtigung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (DPSVA) zu entscheiden und einen rechtsmittelfähigen Bescheid hierüber zu erteilen, sowie der Kläger die Klage im Übrigen zurücknahm. Durch Bescheid vom 18. Mai 2001 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf die geltenden Rechtsvorschriften eine Neufeststellung der mit Bescheid vom 08. Dezember 1993 gewährten Altersrente ab. Weitere Rentenzeiten, insbesondere ab dem 12. Lebensjahr, könnten nicht berücksichtigt werden. Eine andere Entscheidung erfolgte auch nicht aufgrund einer Eingabe des Klägers an das Sozialministerium Baden-Württemberg (zuletzt Schreiben des Direktors der Beklagten vom 20. März 2002 an das Ministerium).

Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der neue Zugunstenantrag vom 22. März 2007, mit dem der Kläger wiederum geltend machte, die Zwangsarbeit in Polen ab dem 12. Lebensjahr sei als rentenrechtliche Zeit zu berücksichtigen. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 11. April 2007 eine Neufeststellung der Rente unter Anrechnung der landwirtschaftlichen Zwangsarbeitszeiten im heutigen Polen ab Januar 1945 wiederum ab. Eine Beitragszeit nach § 15 FRG liege nicht vor, da für landwirtschaftliche Zwangsarbeitszeiten keine Versicherungspflicht bestanden habe, Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG könnten - wie im Rentenbescheid erfolgt - nur nach Vollendung des 16. Lebensjahres und Ersatzzeiten frühestens - wie im Rentenbescheid erfolgt - nach Vollendung des 14. Lebensjahres berücksichtigt werden. Mit dem Widerspruch verwies der Kläger wiederum auf sein seit Vollendung des 12. Lebensjahres erlittenes schweres Schicksal. Für andere Sozialleistungen (Kindergeld, Baukredite für Spätaussiedler usw.) stünden genügend Mittel zur Verfügung. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 21. August 2007). Zeiten vor Vollendung des 14. Lebensjahres kämen - außer hier nicht vorliegende Beitragszeiten - nicht in Betracht.

Mit dem am 17. September 2007 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 13. September 2007 erhob der Kläger "Widerspruch" gegen den Widerspruchsbescheid und erklärte auf Anfrage der Beklagten, sein Schreiben sei als Klage beim Sozialgericht anzusehen. Er verfolgte sein Begehren weiter. Es habe sich um Kinderzwangsarbeit gehandelt. Da Kinderarbeit menschenunwürdig und in seinem Fall grausam gewesen sei, gebe es kein Recht, diese bei der Rente nicht zu berücksichtigen. Aufgrund dessen sei bei ihm eine Ausnahme von den gesetzlichen Vorschriften zu machen. Offenbar werde die Berücksichtigung der Zeit bei der Rente abgelehnt, weil er der einzige sei, der dies geltend mache. Die Arbeit bei den Bauern sei "die Hölle" gewesen. Erst beim Bauern K. sei es erträglich gewesen, so dass er sich dort noch habe bedanken wollen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Durch Gerichtsbescheid vom 06. Mai 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung verwies es auf den Widerspruchsbescheid vom 21. August 2007, in welchem die Rechtslage ausführlich und zutreffend dargelegt worden sei. Eine rentenrechtliche Zeit vor Vollendung des 14. Lebensjahres könne - außer bei hier nicht erfolgter Beitragsentrichtung - nicht in Betracht kommen.

Gegen den am 14. Mai 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Mai 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er verweist erneut auf seinen bereits dargelegten Lebenslauf mit dem Verlust seiner Gesundheit und Familienangehöriger. Die im Widerspruchsbescheid genannten gesetzlichen Regelungen seien nicht für seinen Einzelfall anwendbar. Aufgrund der Mithilfe in einer Werkstatt für Wagenräder, Spinnräder und Scheunenbau beim Bauernhof sei er später Schreinerlehrling geworden. Das Facharbeiterzeugnis als Tischler aus Schwerin datiere vom 31. August 1953. Es sei nochmals darauf zu verweisen, dass es nicht angehe, wenn für Bedienstete der Rentenversicherung Traumgehälter bezahlt würden, während eine Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Zeiten abgelehnt werde. Auch für andere Kreise stehe genug Geld zur Verfügung. Allein auf den Wortlaut des Gesetzes dürfe man sich nach alledem nicht berufen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 06. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2007 zu verurteilen, nach Teilrücknahme des Bescheids vom 08. Dezember 1993 ihm ab 01. Januar 2003 höhere Altersrente unter Berücksichtigung einer Ersatzzeit von Januar 1945 bis 23. Dezember 1946 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die mehrmals in ihren Bescheiden dargestellte Rechtslage.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Im Streit steht die Höhe von Leistungen für die Dauer von mehr als einem Jahr (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Der Kläger hat auch im jetzt eingeleiteten Zugunstenverfahren keinen Anspruch auf höhere Altersrente.

1. Der Kläger hat wirksam Klage erhoben. Bereits im Schreiben vom 13. September 2007 an die Beklagte kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass er die ablehnende Entscheidung der Beklagten überprüft haben will. Zwar gab er in seinem Schreiben vom 13. September 2007 an, eine Klage beim SG abzulehnen. Allerdings bat er auf die Rückfrage der Beklagten sowie deren Hinweis, das einzige Rechtsmittel sei die Klage, das Schreiben als Klage anzusehen und an das SG weiterzuleiten.

2. Der Kläger hat mit dem neuen Antrag vom März 2007 ein Zugunstenverfahren betreffend den ursprünglichen Rentenbescheid vom 08. Dezember 1993 eingeleitet. Er begehrt die Teilrücknahme dieses Bescheids, soweit wegen fehlender Berücksichtigung rentenrechtlicher Zeiten von Januar 1945 bis 23. Dezember 1946 keine höhere Altersrente geleistet (worden) ist. Damit macht der Kläger geltend, dass bei Erlass des Bescheids das Recht unrichtig angewandt worden ist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB X]). Im Erfolgsfall wäre die höhere Rente ab Beginn des vierten Kalenderjahres vor dem Antrag, hier also ab 01. Januar 2003 nachzuzahlen (vgl. im Einzelnen § 44 Abs. 4 Sätze 1, 2 und 3 SGB X). Einen solchen Anspruch vermag der Kläger jedoch aus den im Folgenden darzulegenden Gründen nicht durchzusetzen. Klarzustellen ist, dass unabhängig vom Zeitraum einer etwaigen Rückwirkung des Zugunstenantrags das zum Zeitpunkt der früheren Rentenfeststellung, also bei Beginn der Altersrente mit 01. Dezember 1993 geltende Recht anwendbar wäre (vgl. allgemein Bundessozialgericht - BSG - BSGE 85, 151 = SozR 3-2600 § 300 Nr. 15).

Der Kläger nimmt Altersrente wegen Arbeitslosigkeit im Sinne von § 38 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) in der ursprünglichen seit Inkrafttreten des SGB VI mit 01. Januar 1992 geltenden Fassung in Anspruch. Die Höhe einer Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 SGB VI). Vorrangig aus den Beitragszeiten werden die "Entgeltpunkte" ermittelt (vgl. §§ 70 ff. SGB VI). Zu den rentenrechtlichen Zeiten zählen Beitragszeiten (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) und (u.a.) Ersatzzeiten als beitragsfreie Zeiten (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 2 Abs. 4 SGB VI). Soweit für die Berücksichtigung rentenrechtlicher Zeiten auf das DPSVA vom 09. Oktober 1975 (DPSVA 1975), BGBl. II 1976 S. 396, i.V.m. dem Zustimmungsgesetz vom 12. März 1976, BGBl. II 1976 S.393, Bezug genommen wird, ist durch Art. 20 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, bestimmt worden, dass alle Abkommenszeiten in Anwendung des FRG zu berücksichtigen seien, also - bei Rentenbeginn ab 01. Juli 1990 - für alle betreffenden Zeiten die Anrechnungsvoraussetzungen des FRG gelten müssen (vgl. hierzu klarstellend BSG SozR 3-2200 § 1303 Nr. 5). Durch den Beitritt Polens zur Europäischen Union (EU) zum 01. Mai 2004 ist im Übrigen eine Änderung der Rechtslage nicht eingetreten. Zwar sind mit dem Wirksamwerden des Beitritts Polens zur EU die Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 (in der Fassung der Verordnung [EG] Nr. 1992/2006 vom 18. Dezember 2006, Amtsblatt [ABl.] L 392, S. 1) und Nr. 574/72 der EWG (zukünftig Verordnung [EG] Nr. 883/2004 vom 29. April 2004, ABl. L 166, S. 1) auch im Verhältnis zu Polen anzuwenden. Nach Art. 6 der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 treten grundsätzlich die Regelungen des Gemeinschaftsrechts an die Stelle der Abkommen über soziale Sicherheit. Nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. c und Art. 3 Abs 3 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bleiben aber die in Anlage III Teil A aufgeführten Bestimmungen der Abkommen über soziale Sicherheit ungeachtet des Art. 6 der Verordnung anwendbar. Unter Nr. 19 Anlage III Teil A der EWG-Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ist das "Abkommen vom 09. Oktober 1975 über Renten- und Unfallversicherung, unter den in Art. 27 Absätze 2 bis 4 des Abkommens vom 08. Dezember 1990 über Soziale Sicherheit festgelegten Bedingungen" als gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. c weiterhin geltende Bestimmung aus Abkommen über soziale Sicherheit aufgeführt.

Die Zeit von Januar 1945 bis 23. Dezember 1946 kann zunächst keine Beitragszeit sein. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Beiträge müssen in diesem Fall tatsächlich gezahlt worden sein oder als gezahlt gelten (vgl. § 55 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VI). Dass für die Kinderzwangsarbeit des Klägers im Alter von zwölf bis 14 Jahren Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden wären, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht behauptet. Derartige Zeiten sind auch in den deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen nicht erwähnt.

Ebenso wenig kommen Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG in Betracht. Gemäß Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift in der bis 31. Dezember 1996 und damit zu Rentenbeginn geltenden Fassung steht eine nach vollendetem 16. Lebensjahr vor der Vertreibung (u.a.) in Polen verrichtete Beschäftigung einer inländischen gleich. Dies gilt gemäß Satz 2 der Vorschrift aber nur, wenn die Beschäftigung nach dem am 01. März 1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht begründet hätte. Letzteres ist ausgeschlossen. Zwangsarbeit für Kinder hätte, so sie stattgefunden hätte, keinesfalls Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründen können. Es ist demgemäß nicht zu prüfen, ob die Begrenzung auf die Zeit nach dem vollendeten 16. (jetzt seit 01. Januar 1997 17.) Lebensjahr als verfassungsgemäß zu erachten ist.

Schließlich vermag der Kläger auch die Berücksichtigung einer Ersatzzeit vor dem 14. Geburtstag am 24. Dezember 1946 nicht geltend zu machen. Ersatzzeiten sind gemäß § 250 Abs. 1 SGB VI Zeiten vor dem 01. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr (u.a ...) während oder nach dem Ende eines Krieges an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze verhindert gewesen oder dort festgehalten worden sind. Eine solche Ersatzzeit wird bei der Rente des Klägers ab 24. Dezember 1946 berücksichtigt. Für die Zeit zuvor ist dies nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht möglich.

Letzteres ist auch nicht zu beanstanden. Bereits nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des SGB VI am 01. Januar 1992 bestand Einigkeit darin, dass Zeiten vor der Vollendung des 14. Lebensjahres des Versicherten nicht als Ersatzzeiten angerechnet werden könnten (vgl. zusammenfassend BSGE 51, 272 = SozR 2200 § 1251 Nr. 83). Die gesetzliche Rentenversicherung soll nicht geschichtlich bedingte Schicksalsschläge, wie diese der Kläger eindrucksvoll geltend macht, entschädigen, sondern im Bereich der Ersatzzeiten den Ausfall von Beitragszeiten ausgleichen. In der Zeit vor Vollendung des 14. Lebensjahres und damit der Zeit der Erfüllung der Schulpflicht war eine Tätigkeit stets rechtswidrig und verboten, mindestens aber unüblich und praktisch ausgeschlossen (vgl. BSG, wie zitiert, S. 274). In Betracht kämen seltene Ausnahmefälle, in welchen durch besondere Erlaubnis eine beitragspflichtige Betätigung ausgeübt wurde oder freiwillige Beiträge entrichtet wurden. Solche Ausnahmefälle lassen nicht eine Gleichbehandlung für den Bereich der Ersatzzeiten fordern. Demgemäß kommt auch die pauschale Ersatzzeit für Vertriebene vom 01. Januar 1945 bis 31. Dezember 1946 (vgl. § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI) vor Vollendung des 14. Lebensjahres nicht in Betracht (vgl. BSG SozR § 1251 RVO Nr. 44; BSGE 51, 272, 274 = SozR 2200 § 1251 Nr. 83). Dem Senat ist es demgemäß verwehrt, entgegen dem eindeutigen Sinn und Zweck des Gesetzes dem Kläger zur Durchsetzung seines Anspruchs zu verhelfen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes kommt nicht in Betracht.

Soweit der Kläger die gesetzliche Regelung in Anbetracht der für andere Zwecke und für die Besoldung von Leitungspersönlichkeiten zur Verfügung stehenden Geldmittel als ungerecht erachtet, handelt es sich um politische Anliegen, die hier nicht im Sinne einer Kompensation berücksichtigt werden können. Auch insoweit ist es den Gerichten verwehrt, politisch zu wirken oder auch nur entsprechende Empfehlungen zu erteilen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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