Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3904/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 996/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kläger Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab dem 1.März 2004 hat und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.
Der am 18.9.1962 geborene Kläger ist Epileptiker und auf Grund eines frühkindlichen Hirnschadens intellektuell minderbegabt. Nach Besuch der Sonderschule bis zur 9. Klasse arbeitete er, ohne eine Berufsausbildung absolviert zu haben, zunächst als Hochbauhelfer und sodann als Lagerarbeiter, Straßenbauhelfer sowie Möbelpacker. Im September 1983 erlitt der Kläger einen Wegeunfall mit Verletzung des linken Oberschenkels und nachfolgender Fistelbildung, auf Grund dessen er von der zuständigen Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH bezieht. Bei einem weiteren Unfall im Jahr 1996 erlitt der Kläger einen Schulterblattbruch sowie innere Verletzungen, die zur operativen Entfernung der Milz führten. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 mit den Merkzeichen "G, B" festgestellt. Der Kläger war zuletzt bis zum 29.02.2004 als Bauarbeiter/Bauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Einen ersten Rentenantrag stellte der Kläger am 16.9.2002, der mit Bescheid vom 19.3.2003 - nach Rücknahme des hiergegen erhobenen Widerspruchs - bestandskräftig abgelehnt wurde.
Am 11.2.2004 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung sowie die Überprüfung gem. § 44 Zehntes Buch Sozialbesetzbuch (SGB X).
Die von der Beklagten veranlasste nervenärztliche und orthopädische Begutachtung (zusammenfassende Würdigung Dr. R. vom 3.5.2004) erbrachte einen Zustand nach Arbeitsunfall mit Oberschenkelfraktur links und verbliebener Osteitis, ein Anfallsleiden mit Grand mal Anfällen sowie eine leichte Minderbegabung bei frühkindlichem Hirnschaden mit der Einschätzung eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens für mittelschwere Tätigkeiten bei Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 7.5.2004 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch u. a. nach Einholung einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 24.8.2004 mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2004 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 8.11.2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 24/27 und 29/35 der SG-Akte Bezug genommen) und hat sodann Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. S ... Dieser hat im Gutachten vom 28.6.2005 die Diagnosen einer unter Corticalisverbreiterung, Aufhebung des Markraumes, Verkürzung von 3 cm und Ausbildung einer chronischen Osteomyelitis mit Fistelbildung zur Ausheilung gekommene linksseitige Oberschenkelschaftfraktur, eine Weichteilverdickung mit ausgedehnter Narbenbildung am linken Oberschenkel, flächiger Narbe am rechten Oberschenkel sowie Narben an beiden Beckenkämmen, eine Funktionsbeeinträchtigung des linken Beines durch schmerzhafte Kniebeugebehinderung infolge Weichteilverklebungen am linken Oberschenkel, die Notwendigkeit, orthopädisches Schuhwerk mit Schuhhöhenausgleich von 3 cm zu tragen, eine endgradige Rotationsbeeinträchtigung des linken Hüftgelenks sowie eine endgradige Beugebehinderung im linken Kniegelenk, eine eitrige Sekretion aus der Fistel an der linken Oberschenkelaußenseite sowie eine durch frühkindliche Hirnläsionen bedingte Epilepsie mit wechselnder, aktuell reduzierter Anfallshäufigkeit festgestellt. Aus orthopädischer Sicht könnten leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden am Tag verrichtet werden.
Das SG hat die Beklagte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2005 durch Urteil vom selben Tag unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 11.2.2004 zu gewähren. Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften entschieden, dass beim Kläger zwar noch ein quantitatives Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden am Tag gegeben sei, jedoch die Voraussetzungen für die Annahme einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorlägen, die die Verpflichtung zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedinge. Eine solche Tätigkeit sei nicht ersichtlich und die von der Beklagten benannte und in das Verfahren eingeführte Tätigkeit eines Produktionshelfers sei nicht zumutbar. Der Eintritt des Leistungsfalls sei mit der Rentenantragstellung am 11.2.2004 anzunehmen und die Rente sei wegen wahrscheinlicher Besserungsfähigkeit auf drei Jahre zu befristen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 22.2.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.2.2006 Berufung eingelegt mit der Begründung, das Urteil sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Im Tenor des Urteils sei eine Befristung nicht erfolgt, der Rentenbeginn bei befristeter Rente sei unzutreffend, es fehle eine Klageabweisung im Übrigen. Darüber hinaus hat sie sich gegen die vom SG angenommene Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. gegen die Unzumutbarkeit einer Tätigkeit als Produktionshelfer gewendet und hierzu entsprechende berufskundliche Feststellungen (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 5/16 der LSG-Akte) vorgelegt.
Der Senat hat von Dr. H., Arzt für Psychiatrie und Neurologie - Psychotherapie -, Zentrum für Psychiatrie Emmendingen, das psychiatrische Sachverständigengutachten vom 31.8.2006 mit entsprechender testpsychologischer Zusatzbegutachtung, mehreren Explorationen und einem Hausbesuch eingeholt. Als leistungseinschränkende Befunde erhoben worden sind u. a. nach den jeweiligen, ca. zweieinhalb Stunden dauernden Explorationen eine deutliche Erschöpfung, die sich bei der ersten Untersuchung in einer deutlichen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung sowie einer Beeinträchtigung der räumlichen Orientierung geäußert hat. Bei der testpsychologischen Untersuchung sei das äußerst langsame Bearbeitungstempo (mit Einordnung zu den langsamsten 10% der Altersgruppe) bei ungewöhnlich guter Sorgfaltsleistung aufgefallen. Die äußerst langsame Testbearbeitung erweise sich im Vergleich mit der altersgleichen Normstichprobe als ineffektiv. Auch im Rahmen eines Konzentrations-Verlaufstests habe sich eine ungewöhnliche Diskrepanz zwischen Fehlerwert und Zeitwert ergeben, was wiederum als ineffektive Leistung zu interpretieren sei. Im Rahmen eines Tests zur Ermittlung depressiver Störungen habe sich ein Ergebnis gezeigt, das als schwere depressive Symptomatik zu interpretieren sei. Gezeigt hätten sich auch deutliche Einbußen bei der Gedächtnisleistung. Als herausragender Befund bei der testpsychologischen Untersuchung ist die erhebliche Langsamkeit der Denk- und Handlungsabläufe betont worden. Diese habe ihre Ursache hauptsächlich in der epileptischen Wesensänderung, wozu auch die übrigen erhobenen psychischen Befunde, die Neigung zu Verstimmbarkeit, Hafttendenz, Merk- und Konzentrationsstörungen, Affektlabilität und Libidominderung zu zählen seien. Festgestellt worden sind ferner deutliche kognitive Defizite. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei zusammenfassend in erster Linie eine epileptische Wesensänderung zu diagnostizieren, die sich hauptsächlich in einer starken Verlangsamung der Denk- und Handlungsabläufe zeige. Zu diagnostizieren sei ferner eine depressive Störung mit trauriger Verstimmung, Antriebstörung und Perspektivlosigkeit entsprechend dem erhobenen Tagesablauf mit sozialem Rückzug und allgemein reduziertem sozialen Leben. Hinsichtlich des Tagesablaufs seien eine besonders lange Schlafzeit sowie ein zwanghaft anmutender genauer Tagesplan fest zu halten. Hobbies fehlten, soziale und sexuelle Aktivitäten seien erloschen. Sportliche Betätigungen und Urlaube würden nicht durchgeführt. Damit sei der Kläger in seinen sozialen Aktivitäten beeinträchtigt. Wenn er für sich alleine unter eigener Zeiteinteilung sorgen könne, besitze er hierfür die nötigen Fähigkeiten. Darüber hinaus sei er untätig und unfähig, ein aktiveres Leben zu gestalten. Für eine Simulation oder Aggravation bestehe kein Anhaltspunkt. Insbesondere wegen der depressiven Störung mit Antriebsarmut und vermehrter Ruhebedürftigkeit bestünde eine maximal leistbare Stundenzahl von etwa vier Stunden. Die wesentliche Einschränkung hinsichtlich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe in der Langsamkeit und den kognitiven Störungen. Erforderlich sei daher ein Arbeitsplatz, bei dem der Kläger nicht auf das Zuarbeiten von oder zu Mitarbeitern angewiesen sei, bei dem er sein Arbeitstempo selbst bestimmen könne und bei dem er nicht in Schwierigkeiten wegen der kognitiven Störungen komme. Menschen mit diesen Einschränkungen würden gewöhnlich auf beschützende Werkstätten verwiesen. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten, die nicht eine ganz individuelle Bestimmung des Arbeitstempos zuließen. Sitzende Arbeitspositionen und vor allem geschlossene Räume seien wegen der nicht ungewöhnlichen Empfindlichkeit des Klägers auf diese entsprechenden Trigger zu vermeiden. Wegen der kognitiven Störungen erscheine die Tätigkeit eines Pförtners als ungeeignet, die Tätigkeit als Museumswärter stelle wegen der Verrichtung in geschlossenen Räumen eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung für den Kläger dar. Die Tätigkeit als Produktionshelfer sei ausgeschlossen wegen des Erfordernisses einer individuellen Arbeitstempogestaltung und der Verrichtung in geschlossenen Räumen. Die Abweichung zu Vorgutachten beruhe insbesondere auf den im Rahmen der psychologischen Testung erhobenen Befunden.
Dieser Leistungseinschätzung ist die Beklagte unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 9.11.2006 entgegengetreten (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 82 der LSG-Akte).
Aufgrund des von ihr angegriffenen Urteils hat die Beklagte den Rentenbescheid vom 13.12.2006 erlassen, mit welchem sie Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 17.11.2005 bis zum 31.10.2008 gewährt hat (Blatt 88 ff. der LSG-Akte).
Der Senat hat weiter Dr. C., Fachärztin für Neurologie, als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat unter dem 18.03.2008 mitgeteilt, nach Implantation eines Vagusnerv-Stimulators im Jahr 2005 habe sich die Anfallssituation des Klägers leicht gebessert, es träten jetzt jedoch rezidivierend Nebenwirkungen auf. Auch bestehe weiterhin der schwere, zum Teil medikamenteninduzierte Tremor, der die Feinmotorik stark beeinträchtige.
Vom 01.01.2005 bis 28.02.2006 und seit dem 01.03.2007 ist der Kläger zuletzt 10 Stunden wöchentlich im Lager des Edeka-Marktes seines Großcousins geringfügig beschäftigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch überwiegend unbegründet.
Der aufgrund des angegriffenen Urteils erlassene Rentenbescheid vom 13.12.2006 ist nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich der Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 11.02.2004. Ab diesem Datum hat das SG im angefochtenen Urteil die Gewährung einer Rente zugesprochen. Soweit mit dem Rentenantrag vom 11.02.2004 auch die Überprüfung der früher ergangenen ablehnenden Bescheide gem. § 44 SGB X beantragt worden war, hat der Kläger, der lediglich die Zurückweisung der Berufung beantragt, dies nicht weiter verfolgt.
Das SG hat dem Kläger zutreffend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zugesprochen. Maßgeblich ist die Entscheidungsformel oder der Tenor gem. § 136 Abs. 1 Nr. 4 SGG. Nur wenn dieser nicht aus sich heraus verständlich ist oder Anlass zu Zweifeln über seinen Inhalt gibt, sind Tatbestand und Gründe des Urteils zu seiner Auslegung heranzuziehen (BSG, Urteil vom 12.02.1998 - B 8 KN 19/97 B - in juris). Der Tenor des angefochtenen Urteils ist aus sich heraus verständlich und vollständig. Das SG hat Rente wegen voller Erwerbsminderung zugesprochen, ohne diese zu befristen. Es hat auch keine Klagabweisung im Übrigen ausgesprochen, so dass der lediglich im vorletzten Absatz der Urteilsgründe enthaltene Hinweis auf die Möglichkeit der Befristung für den Tenor des Urteils nicht maßgeblich ist.
Wegen der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes.
Der Senat stützt seine diesbezügliche Überzeugung in erster Linie auf das Sachverständigengutachten von Dr. H ... Die von ihm vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt. Danach bestehen beim Kläger eine Vielzahl ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die nach den vom SG im Ergebnis zutreffend dargelegten Grundsätzen die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen, die hier nicht festgestellt werden kann.
Dass beim Kläger nicht unerhebliche kognitive Einschränkungen bestehen, wurde ansatzweise schon im Rahmen der Begutachtung im Rentenverfahren festgestellt, nunmehr auch testpsychologisch untermauert und letztlich auch von Dr. G. nicht in Abrede gestellt. Im Ergebnis zu Recht hat vor allem auf Grund dieser geistigen Einschränkungen bereits die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung eingeräumt, dass damit Kontroll- und Aufsichtstätigkeiten sowie Tätigkeiten mit Kunden- und Publikumsverkehr ausscheiden.
Keine Einwendungen vorgebracht worden sind von Dr. G. aber auch hinsichtlich des vom Sachverständigen aus den Beschwerdeschilderungen des Klägers, im Rahmen derer weder eine Simulation noch eine Aggravation festzustellen waren und die deshalb als glaubhaft anzusehen sind, nachvollziehbar unter Hinweis auf anfallsauslösende Trigger abgeleiteten Erfordernisses der Vermeidung des Aufenthalts in geschlossenen und wohltemperierten Räumen.
Des weiteren wurden von Dr. G. keine durchgreifenden Bedenken gegen das vom Sachverständigen angenommene Erfordernis der Notwendigkeit einer individuellen Arbeitstempogestaltung vor dem Hintergrund der festgestellten Langsamkeit der Denk- und Handlungsabläufe erhoben.
Bereits vor dem Hintergrund dieser - ungewöhnlichen - qualitativen Einschränkungen scheiden sowohl Tätigkeiten als Pförtner und Museumswärter (als Aufsichtstätigkeiten bzw. Kontrolltätigkeiten - jedenfalls zum Teil mit Publikumsverkehr - und Tätigkeiten in geschlossenen Räumen) als auch Tätigkeiten in der Produktion (geschlossene Räume, fremdbestimmtes Arbeitstempo) aus.
Auch die Tätigkeit als Produktionshelfer ist dem Kläger nicht zumutbar. Das von der Beklagten vorgelegte berufskundliche Gutachten nennt als Beispiele für Produktionshelfertätigkeiten die Tätigkeit eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers, das Verpacken von kleinen Beuteln in Kartons, Etikettieren von Umschlägen bzw. Farbdosen, Nachmontagearbeiten sowie Nähen. Alle diese Tätigkeiten setzen voraus - worauf auch der berufskundliche Sachverständige hingewiesen hat - dass die Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht eingeschränkt ist. Beim Kläger liegt jedoch ein zum Teil medikamenteninduzierter Tremor vor, der seine Feinmotorik stark beeinträchtigt , so dass hieraus eine Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der Hände folgt und insbesondere die genannten Tätigkeiten nicht verrichtet werden können. Der Senat stützt sich hierbei auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. C. vom 18.03.2008.
Letztlich dürfte es vorliegend in der Tat gerechtfertigt sein, im Ergebnis von einer ineffektiven Leistungsfähigkeit zu sprechen bzw. von einer Einsatzfähigkeit nur im Rahmen einer beschützenden Werkstatt bzw. unter vom allgemeinen Arbeitsmarkt abweichenden Bedingungen, wie dies Dr. H. so auch zum Ausdruck gebracht hat. In diesem Zusammenhang kann nach Auffassung des Senats letztlich auch nicht unbeachtet bleiben und steht mit dieser Einschätzung durchaus im Einklang, dass sowohl der Integrationsfachdienst als auch die Berufshilfe der Berufsgenossenschaft eine dauerhafte und leidensgerechte berufliche Eingliederung nicht für möglich erachtet haben (Blatt 329 und 335 der Rentenakte). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Kläger im Edeka-Markt seines Großcousins ausgeübten geringfügigen Beschäftigung. Der Kläger hat dort stundenweise Kartons zu entsorgen und Regale einzuräumen. Zur Überzeugung des Senats handelt es sich hierbei lediglich um eine vergönnungsweise Tätigkeit, die der Kläger aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber und lediglich stundenweise bzw. nicht über längere Zeit mindestens drei Stunden täglich verrichten kann.
Ob der Kläger bereits in der Vergangenheit lediglich wegen besonders günstiger Arbeitsbedingungen bzw. auf Kosten seiner Gesundheit in der Lage gewesen ist, eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben, oder ob von einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustands wegen einer Zunahme der epileptischen Wesensänderung auszugehen ist, musste letztlich auch von Dr. H. offen gelassen werden, ist aber im Ergebnis auch unerheblich, weil vorliegend allein entscheidend ist, wie das berufliche Restleistungsvermögen des Klägers im streitigen Zeitraum zu bewerten ist. Die hierbei zu beachtenden und oben im Einzelnen dargelegten Einschränkungen sind - erstmals - testpsychologisch festgestellt und verifiziert worden. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit insoweit sind weder ersichtlich noch - vom versorgungsärztlichen Dienst der Beklagten - vorgebracht worden.
Im Ergebnis hat der Kläger damit materiell-rechtlich Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung und zwar unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage, weil seine Unfähigkeit, durch Arbeit Einkommen zu erzielen, nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des (Teilzeit-) Arbeitsmarktes, sondern in erster Linie auf dem Fehlen von Verweisungstätigkeiten beruht, die der Kläger mit seinem körperlichen Leistungsvermögen noch verrichten könnte (vgl. hierzu BSG, Urt. vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R - m. w. N.).
Nach § 102 Abs. 2 Satz 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) besteht hier Anspruch auf unbefristete Rente, weil nach dem Sachverständigengutachten von Dr. H. jedenfalls bezüglich der epileptischen Wesensänderung keine Besserung, sondern eine weitere Verschlechterung im Sinne einer dementiellen Entwicklung zu erwarten ist. Gerade die Folgen der epileptischen Wesensänderung (kognitive Einschränkungen, Verlangsamung und Gesundheitsgefährdung durch Aufenthalt in geschlossenen Räumen) sind es aber, die hier von entscheidender rentenrechtlicher Relevanz sind.
Dem materiell-rechtlich gegebenen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer entspricht der eindeutige und einer Auslegung deshalb nicht zugängliche Tenor des angegriffenen Urteils, auf den hier maßgeblich abzustellen ist, auch wenn das SG in den Entscheidungsgründen (nachträglich?) offenbar wegen Besserungsfähigkeit von einem lediglich befristeten Rentenanspruch ausgegangen ist. Ausgehend von dem vom SG angenommenen Eintritt des Leistungsfalls im Monat der Rentenantragstellung im Februar 2004, den auch der Sachverständige Dr. H. als Zeitpunkt des Eintritts der zeitlichen Leistungsminderung benannt hat, beginnt die Rente nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI allerdings erst am 01.03.2004. Unter Berücksichtigung des ausweislich der Niederschrift vom 17.11.2005 gestellten Antrags des Klägers, ihm Rente ab dem 01.02.2004 zu gewähren, hätte das SG nur zur Gewährung einer Rente ab dem 01.03.2004 unter Klageabweisung im Übrigen verurteilen dürfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.
Der am 18.9.1962 geborene Kläger ist Epileptiker und auf Grund eines frühkindlichen Hirnschadens intellektuell minderbegabt. Nach Besuch der Sonderschule bis zur 9. Klasse arbeitete er, ohne eine Berufsausbildung absolviert zu haben, zunächst als Hochbauhelfer und sodann als Lagerarbeiter, Straßenbauhelfer sowie Möbelpacker. Im September 1983 erlitt der Kläger einen Wegeunfall mit Verletzung des linken Oberschenkels und nachfolgender Fistelbildung, auf Grund dessen er von der zuständigen Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH bezieht. Bei einem weiteren Unfall im Jahr 1996 erlitt der Kläger einen Schulterblattbruch sowie innere Verletzungen, die zur operativen Entfernung der Milz führten. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 mit den Merkzeichen "G, B" festgestellt. Der Kläger war zuletzt bis zum 29.02.2004 als Bauarbeiter/Bauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Einen ersten Rentenantrag stellte der Kläger am 16.9.2002, der mit Bescheid vom 19.3.2003 - nach Rücknahme des hiergegen erhobenen Widerspruchs - bestandskräftig abgelehnt wurde.
Am 11.2.2004 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung sowie die Überprüfung gem. § 44 Zehntes Buch Sozialbesetzbuch (SGB X).
Die von der Beklagten veranlasste nervenärztliche und orthopädische Begutachtung (zusammenfassende Würdigung Dr. R. vom 3.5.2004) erbrachte einen Zustand nach Arbeitsunfall mit Oberschenkelfraktur links und verbliebener Osteitis, ein Anfallsleiden mit Grand mal Anfällen sowie eine leichte Minderbegabung bei frühkindlichem Hirnschaden mit der Einschätzung eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens für mittelschwere Tätigkeiten bei Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 7.5.2004 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch u. a. nach Einholung einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 24.8.2004 mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2004 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 8.11.2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt hat.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 24/27 und 29/35 der SG-Akte Bezug genommen) und hat sodann Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. S ... Dieser hat im Gutachten vom 28.6.2005 die Diagnosen einer unter Corticalisverbreiterung, Aufhebung des Markraumes, Verkürzung von 3 cm und Ausbildung einer chronischen Osteomyelitis mit Fistelbildung zur Ausheilung gekommene linksseitige Oberschenkelschaftfraktur, eine Weichteilverdickung mit ausgedehnter Narbenbildung am linken Oberschenkel, flächiger Narbe am rechten Oberschenkel sowie Narben an beiden Beckenkämmen, eine Funktionsbeeinträchtigung des linken Beines durch schmerzhafte Kniebeugebehinderung infolge Weichteilverklebungen am linken Oberschenkel, die Notwendigkeit, orthopädisches Schuhwerk mit Schuhhöhenausgleich von 3 cm zu tragen, eine endgradige Rotationsbeeinträchtigung des linken Hüftgelenks sowie eine endgradige Beugebehinderung im linken Kniegelenk, eine eitrige Sekretion aus der Fistel an der linken Oberschenkelaußenseite sowie eine durch frühkindliche Hirnläsionen bedingte Epilepsie mit wechselnder, aktuell reduzierter Anfallshäufigkeit festgestellt. Aus orthopädischer Sicht könnten leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden am Tag verrichtet werden.
Das SG hat die Beklagte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2005 durch Urteil vom selben Tag unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 11.2.2004 zu gewähren. Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften entschieden, dass beim Kläger zwar noch ein quantitatives Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden am Tag gegeben sei, jedoch die Voraussetzungen für die Annahme einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorlägen, die die Verpflichtung zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedinge. Eine solche Tätigkeit sei nicht ersichtlich und die von der Beklagten benannte und in das Verfahren eingeführte Tätigkeit eines Produktionshelfers sei nicht zumutbar. Der Eintritt des Leistungsfalls sei mit der Rentenantragstellung am 11.2.2004 anzunehmen und die Rente sei wegen wahrscheinlicher Besserungsfähigkeit auf drei Jahre zu befristen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 22.2.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.2.2006 Berufung eingelegt mit der Begründung, das Urteil sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Im Tenor des Urteils sei eine Befristung nicht erfolgt, der Rentenbeginn bei befristeter Rente sei unzutreffend, es fehle eine Klageabweisung im Übrigen. Darüber hinaus hat sie sich gegen die vom SG angenommene Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. gegen die Unzumutbarkeit einer Tätigkeit als Produktionshelfer gewendet und hierzu entsprechende berufskundliche Feststellungen (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 5/16 der LSG-Akte) vorgelegt.
Der Senat hat von Dr. H., Arzt für Psychiatrie und Neurologie - Psychotherapie -, Zentrum für Psychiatrie Emmendingen, das psychiatrische Sachverständigengutachten vom 31.8.2006 mit entsprechender testpsychologischer Zusatzbegutachtung, mehreren Explorationen und einem Hausbesuch eingeholt. Als leistungseinschränkende Befunde erhoben worden sind u. a. nach den jeweiligen, ca. zweieinhalb Stunden dauernden Explorationen eine deutliche Erschöpfung, die sich bei der ersten Untersuchung in einer deutlichen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung sowie einer Beeinträchtigung der räumlichen Orientierung geäußert hat. Bei der testpsychologischen Untersuchung sei das äußerst langsame Bearbeitungstempo (mit Einordnung zu den langsamsten 10% der Altersgruppe) bei ungewöhnlich guter Sorgfaltsleistung aufgefallen. Die äußerst langsame Testbearbeitung erweise sich im Vergleich mit der altersgleichen Normstichprobe als ineffektiv. Auch im Rahmen eines Konzentrations-Verlaufstests habe sich eine ungewöhnliche Diskrepanz zwischen Fehlerwert und Zeitwert ergeben, was wiederum als ineffektive Leistung zu interpretieren sei. Im Rahmen eines Tests zur Ermittlung depressiver Störungen habe sich ein Ergebnis gezeigt, das als schwere depressive Symptomatik zu interpretieren sei. Gezeigt hätten sich auch deutliche Einbußen bei der Gedächtnisleistung. Als herausragender Befund bei der testpsychologischen Untersuchung ist die erhebliche Langsamkeit der Denk- und Handlungsabläufe betont worden. Diese habe ihre Ursache hauptsächlich in der epileptischen Wesensänderung, wozu auch die übrigen erhobenen psychischen Befunde, die Neigung zu Verstimmbarkeit, Hafttendenz, Merk- und Konzentrationsstörungen, Affektlabilität und Libidominderung zu zählen seien. Festgestellt worden sind ferner deutliche kognitive Defizite. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei zusammenfassend in erster Linie eine epileptische Wesensänderung zu diagnostizieren, die sich hauptsächlich in einer starken Verlangsamung der Denk- und Handlungsabläufe zeige. Zu diagnostizieren sei ferner eine depressive Störung mit trauriger Verstimmung, Antriebstörung und Perspektivlosigkeit entsprechend dem erhobenen Tagesablauf mit sozialem Rückzug und allgemein reduziertem sozialen Leben. Hinsichtlich des Tagesablaufs seien eine besonders lange Schlafzeit sowie ein zwanghaft anmutender genauer Tagesplan fest zu halten. Hobbies fehlten, soziale und sexuelle Aktivitäten seien erloschen. Sportliche Betätigungen und Urlaube würden nicht durchgeführt. Damit sei der Kläger in seinen sozialen Aktivitäten beeinträchtigt. Wenn er für sich alleine unter eigener Zeiteinteilung sorgen könne, besitze er hierfür die nötigen Fähigkeiten. Darüber hinaus sei er untätig und unfähig, ein aktiveres Leben zu gestalten. Für eine Simulation oder Aggravation bestehe kein Anhaltspunkt. Insbesondere wegen der depressiven Störung mit Antriebsarmut und vermehrter Ruhebedürftigkeit bestünde eine maximal leistbare Stundenzahl von etwa vier Stunden. Die wesentliche Einschränkung hinsichtlich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestehe in der Langsamkeit und den kognitiven Störungen. Erforderlich sei daher ein Arbeitsplatz, bei dem der Kläger nicht auf das Zuarbeiten von oder zu Mitarbeitern angewiesen sei, bei dem er sein Arbeitstempo selbst bestimmen könne und bei dem er nicht in Schwierigkeiten wegen der kognitiven Störungen komme. Menschen mit diesen Einschränkungen würden gewöhnlich auf beschützende Werkstätten verwiesen. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten, die nicht eine ganz individuelle Bestimmung des Arbeitstempos zuließen. Sitzende Arbeitspositionen und vor allem geschlossene Räume seien wegen der nicht ungewöhnlichen Empfindlichkeit des Klägers auf diese entsprechenden Trigger zu vermeiden. Wegen der kognitiven Störungen erscheine die Tätigkeit eines Pförtners als ungeeignet, die Tätigkeit als Museumswärter stelle wegen der Verrichtung in geschlossenen Räumen eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung für den Kläger dar. Die Tätigkeit als Produktionshelfer sei ausgeschlossen wegen des Erfordernisses einer individuellen Arbeitstempogestaltung und der Verrichtung in geschlossenen Räumen. Die Abweichung zu Vorgutachten beruhe insbesondere auf den im Rahmen der psychologischen Testung erhobenen Befunden.
Dieser Leistungseinschätzung ist die Beklagte unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 9.11.2006 entgegengetreten (wegen der Einzelheiten vgl. Blatt 82 der LSG-Akte).
Aufgrund des von ihr angegriffenen Urteils hat die Beklagte den Rentenbescheid vom 13.12.2006 erlassen, mit welchem sie Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 17.11.2005 bis zum 31.10.2008 gewährt hat (Blatt 88 ff. der LSG-Akte).
Der Senat hat weiter Dr. C., Fachärztin für Neurologie, als sachverständige Zeugin gehört. Diese hat unter dem 18.03.2008 mitgeteilt, nach Implantation eines Vagusnerv-Stimulators im Jahr 2005 habe sich die Anfallssituation des Klägers leicht gebessert, es träten jetzt jedoch rezidivierend Nebenwirkungen auf. Auch bestehe weiterhin der schwere, zum Teil medikamenteninduzierte Tremor, der die Feinmotorik stark beeinträchtige.
Vom 01.01.2005 bis 28.02.2006 und seit dem 01.03.2007 ist der Kläger zuletzt 10 Stunden wöchentlich im Lager des Edeka-Marktes seines Großcousins geringfügig beschäftigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch überwiegend unbegründet.
Der aufgrund des angegriffenen Urteils erlassene Rentenbescheid vom 13.12.2006 ist nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich der Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 11.02.2004. Ab diesem Datum hat das SG im angefochtenen Urteil die Gewährung einer Rente zugesprochen. Soweit mit dem Rentenantrag vom 11.02.2004 auch die Überprüfung der früher ergangenen ablehnenden Bescheide gem. § 44 SGB X beantragt worden war, hat der Kläger, der lediglich die Zurückweisung der Berufung beantragt, dies nicht weiter verfolgt.
Das SG hat dem Kläger zutreffend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zugesprochen. Maßgeblich ist die Entscheidungsformel oder der Tenor gem. § 136 Abs. 1 Nr. 4 SGG. Nur wenn dieser nicht aus sich heraus verständlich ist oder Anlass zu Zweifeln über seinen Inhalt gibt, sind Tatbestand und Gründe des Urteils zu seiner Auslegung heranzuziehen (BSG, Urteil vom 12.02.1998 - B 8 KN 19/97 B - in juris). Der Tenor des angefochtenen Urteils ist aus sich heraus verständlich und vollständig. Das SG hat Rente wegen voller Erwerbsminderung zugesprochen, ohne diese zu befristen. Es hat auch keine Klagabweisung im Übrigen ausgesprochen, so dass der lediglich im vorletzten Absatz der Urteilsgründe enthaltene Hinweis auf die Möglichkeit der Befristung für den Tenor des Urteils nicht maßgeblich ist.
Wegen der für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes.
Der Senat stützt seine diesbezügliche Überzeugung in erster Linie auf das Sachverständigengutachten von Dr. H ... Die von ihm vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt. Danach bestehen beim Kläger eine Vielzahl ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die nach den vom SG im Ergebnis zutreffend dargelegten Grundsätzen die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen, die hier nicht festgestellt werden kann.
Dass beim Kläger nicht unerhebliche kognitive Einschränkungen bestehen, wurde ansatzweise schon im Rahmen der Begutachtung im Rentenverfahren festgestellt, nunmehr auch testpsychologisch untermauert und letztlich auch von Dr. G. nicht in Abrede gestellt. Im Ergebnis zu Recht hat vor allem auf Grund dieser geistigen Einschränkungen bereits die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung eingeräumt, dass damit Kontroll- und Aufsichtstätigkeiten sowie Tätigkeiten mit Kunden- und Publikumsverkehr ausscheiden.
Keine Einwendungen vorgebracht worden sind von Dr. G. aber auch hinsichtlich des vom Sachverständigen aus den Beschwerdeschilderungen des Klägers, im Rahmen derer weder eine Simulation noch eine Aggravation festzustellen waren und die deshalb als glaubhaft anzusehen sind, nachvollziehbar unter Hinweis auf anfallsauslösende Trigger abgeleiteten Erfordernisses der Vermeidung des Aufenthalts in geschlossenen und wohltemperierten Räumen.
Des weiteren wurden von Dr. G. keine durchgreifenden Bedenken gegen das vom Sachverständigen angenommene Erfordernis der Notwendigkeit einer individuellen Arbeitstempogestaltung vor dem Hintergrund der festgestellten Langsamkeit der Denk- und Handlungsabläufe erhoben.
Bereits vor dem Hintergrund dieser - ungewöhnlichen - qualitativen Einschränkungen scheiden sowohl Tätigkeiten als Pförtner und Museumswärter (als Aufsichtstätigkeiten bzw. Kontrolltätigkeiten - jedenfalls zum Teil mit Publikumsverkehr - und Tätigkeiten in geschlossenen Räumen) als auch Tätigkeiten in der Produktion (geschlossene Räume, fremdbestimmtes Arbeitstempo) aus.
Auch die Tätigkeit als Produktionshelfer ist dem Kläger nicht zumutbar. Das von der Beklagten vorgelegte berufskundliche Gutachten nennt als Beispiele für Produktionshelfertätigkeiten die Tätigkeit eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers, das Verpacken von kleinen Beuteln in Kartons, Etikettieren von Umschlägen bzw. Farbdosen, Nachmontagearbeiten sowie Nähen. Alle diese Tätigkeiten setzen voraus - worauf auch der berufskundliche Sachverständige hingewiesen hat - dass die Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht eingeschränkt ist. Beim Kläger liegt jedoch ein zum Teil medikamenteninduzierter Tremor vor, der seine Feinmotorik stark beeinträchtigt , so dass hieraus eine Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der Hände folgt und insbesondere die genannten Tätigkeiten nicht verrichtet werden können. Der Senat stützt sich hierbei auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. C. vom 18.03.2008.
Letztlich dürfte es vorliegend in der Tat gerechtfertigt sein, im Ergebnis von einer ineffektiven Leistungsfähigkeit zu sprechen bzw. von einer Einsatzfähigkeit nur im Rahmen einer beschützenden Werkstatt bzw. unter vom allgemeinen Arbeitsmarkt abweichenden Bedingungen, wie dies Dr. H. so auch zum Ausdruck gebracht hat. In diesem Zusammenhang kann nach Auffassung des Senats letztlich auch nicht unbeachtet bleiben und steht mit dieser Einschätzung durchaus im Einklang, dass sowohl der Integrationsfachdienst als auch die Berufshilfe der Berufsgenossenschaft eine dauerhafte und leidensgerechte berufliche Eingliederung nicht für möglich erachtet haben (Blatt 329 und 335 der Rentenakte). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Kläger im Edeka-Markt seines Großcousins ausgeübten geringfügigen Beschäftigung. Der Kläger hat dort stundenweise Kartons zu entsorgen und Regale einzuräumen. Zur Überzeugung des Senats handelt es sich hierbei lediglich um eine vergönnungsweise Tätigkeit, die der Kläger aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber und lediglich stundenweise bzw. nicht über längere Zeit mindestens drei Stunden täglich verrichten kann.
Ob der Kläger bereits in der Vergangenheit lediglich wegen besonders günstiger Arbeitsbedingungen bzw. auf Kosten seiner Gesundheit in der Lage gewesen ist, eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben, oder ob von einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustands wegen einer Zunahme der epileptischen Wesensänderung auszugehen ist, musste letztlich auch von Dr. H. offen gelassen werden, ist aber im Ergebnis auch unerheblich, weil vorliegend allein entscheidend ist, wie das berufliche Restleistungsvermögen des Klägers im streitigen Zeitraum zu bewerten ist. Die hierbei zu beachtenden und oben im Einzelnen dargelegten Einschränkungen sind - erstmals - testpsychologisch festgestellt und verifiziert worden. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit insoweit sind weder ersichtlich noch - vom versorgungsärztlichen Dienst der Beklagten - vorgebracht worden.
Im Ergebnis hat der Kläger damit materiell-rechtlich Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung und zwar unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage, weil seine Unfähigkeit, durch Arbeit Einkommen zu erzielen, nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des (Teilzeit-) Arbeitsmarktes, sondern in erster Linie auf dem Fehlen von Verweisungstätigkeiten beruht, die der Kläger mit seinem körperlichen Leistungsvermögen noch verrichten könnte (vgl. hierzu BSG, Urt. vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R - m. w. N.).
Nach § 102 Abs. 2 Satz 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) besteht hier Anspruch auf unbefristete Rente, weil nach dem Sachverständigengutachten von Dr. H. jedenfalls bezüglich der epileptischen Wesensänderung keine Besserung, sondern eine weitere Verschlechterung im Sinne einer dementiellen Entwicklung zu erwarten ist. Gerade die Folgen der epileptischen Wesensänderung (kognitive Einschränkungen, Verlangsamung und Gesundheitsgefährdung durch Aufenthalt in geschlossenen Räumen) sind es aber, die hier von entscheidender rentenrechtlicher Relevanz sind.
Dem materiell-rechtlich gegebenen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer entspricht der eindeutige und einer Auslegung deshalb nicht zugängliche Tenor des angegriffenen Urteils, auf den hier maßgeblich abzustellen ist, auch wenn das SG in den Entscheidungsgründen (nachträglich?) offenbar wegen Besserungsfähigkeit von einem lediglich befristeten Rentenanspruch ausgegangen ist. Ausgehend von dem vom SG angenommenen Eintritt des Leistungsfalls im Monat der Rentenantragstellung im Februar 2004, den auch der Sachverständige Dr. H. als Zeitpunkt des Eintritts der zeitlichen Leistungsminderung benannt hat, beginnt die Rente nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI allerdings erst am 01.03.2004. Unter Berücksichtigung des ausweislich der Niederschrift vom 17.11.2005 gestellten Antrags des Klägers, ihm Rente ab dem 01.02.2004 zu gewähren, hätte das SG nur zur Gewährung einer Rente ab dem 01.03.2004 unter Klageabweisung im Übrigen verurteilen dürfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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