L 11 R 2762/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4752/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2762/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. April 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.

Der Streitwert wird endgültig auf 1.428,92 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 4 in der Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. August 2005 bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Der am 11. August 1975 geborene Beigeladene zu 4, der polnischer Staatsangehöriger ist, meldete am 30. Juni 2005 beim Bürgermeisteramt B. ein Gewerbe des "Holz- und Bautenschutzes" an (Bl. 83 der Verwaltungsakte). Am 7. September 2005 bat die Handwerkskammer R. die Polizeidirektion B., Gewerbeüberwachung/Umweltschutz, deswegen den Betriebssitz zu überprüfen, insbesondere weil eine Postzustellung unter der genannten Adresse mit Schriftverkehr durch die Deutsche Post nicht möglich gewesen sei. Hierüber unterrichtete die Polizeidirektion B. die Beklagte mit Schreiben vom 15. September 2005 und führte aus, bei der Wohnadresse des Beigeladenen zu 4, Z. 3, in 7. B.-W. handele es sich um den Lagerplatz der Dachdeckerfirma F. GmbH. Man habe den Beigeladenen zu 4 auf dem Lagerplatz nicht angetroffen. Auf längeres Befragen habe jedoch der Sohn des Geschäftsführers der Klägerin, Jochen F., angegeben, der Beigeladene zu 4 sei heute nicht da, er würde allerdings in einem Container auf dem Betriebsgelände wohnen. Die Überprüfung habe ergeben, dass es sich hierbei um einen kleinen Wohncontainer gehandelt habe, an welchem ein Briefkasten, jedoch kein Name befestigt sei. Der Geschäftsführer der Klägerin habe erklärt, der Beigeladene zu 4 werde für Arbeiten eingesetzt, für welche keine Eintragung in die Handwerksrolle der Handwerkskammer benötigt werde. Dies seien insbesondere Dachreinigungs- oder Versiegelungsarbeiten. Der Beigeladene zu 4 sei nicht im Besitz eines eigenen Fahrzeuges, sonstiger Betriebsmittel oder Werkzeuge. Es handele sich bei ihm um den Cousin seiner Schwiegertochter, die ebenfalls in Polen geboren sei. Ob Verträge in Form von Werkverträgen oder Subunternehmerverträge bestünden, sei von dem dafür zuständigen T. F. nicht beantwortet worden. Dieser habe jedoch eingeräumt, dass der Beigeladene zu 4 mit ihm zusammen morgens auf die Baustellen fahre. Die Zahlung geschehe in der Form, dass der Beigeladene zu 4 Rechnungen stelle. Diese sei er jedoch nicht bereit gewesen vorzulegen und habe angegeben, er beschäftige zu Recht einen polnischen Staatsangehörigen seit dem EU-Beitritt von Polen. Dieser benötige für eine selbständige Erwerbstätigkeit auch keine Arbeitserlaubnis. Der Beigeladene zu 4 sei auch bemüht, Fremdaufträge von anderen Firmen zu bekommen, die er derzeit jedoch nicht erhalte. Er könne lediglich ein paar Worte deutsch sprechen. Seine Ehefrau dolmetsche.

Die Beklagte führte daraufhin am 28. September 2005 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. August 2005 durch und leitete das Anhörungsverfahren nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ein. Die Klägerin ließ mitteilen, der Sachverhalt sei nicht sachgerecht erhoben worden. Denn alleiniger Geschäftsführer der Klägerin sei W. F ... Demzufolge sei es fehlerhaft gewesen, seinen Sohn T. F. zu befragen. Dessen Ehefrau verfüge über Verwandschaftsverhältnisse in Polen. Es sei die Idee aufgekommen, den Beigeladenen zu 4 beim Aufbau einer selbständigen Tätigkeit in Deutschland aus verwandschaftlichen Gründen zu helfen. Dieser habe mehrere Auftraggeber in Aussicht gehabt, vorwiegend in Süddeutschland. Er sei legal in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und habe sein Gewerbe auch beim Bürgermeisteramt B. angemeldet. Man habe ihm mit Zustimmung der Klägerin den unbewohnten Wohncontainer, Z. 3, angeboten. Dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sei völlig irrelevant. Aufgrund seiner Verwandschaftsverhältnisse hätte es genügend Aussichten gegeben, allein mit der polnischen Sprache zurecht zu kommen. Für die Abwicklung der für die Klägerin erteilten Aufgaben seien auch keine Sprachkenntnisse erforderlich gewesen. Er besitze eigene Arbeitsmittel, diese seien allerdings beschränkt (einfaches Werkzeug wie Hammer und Zange sowie Besen und Schaufel). Dass er über kein eigenes Fahrzeug verfüge, sei ein Schicksal, welches er mit vielen selbständigen Existenzgründern teile. Es treffe auch nicht zu, dass er ausschließlich mit dem Arbeitstrupp der Klägerin gereist sei. Das sei nur dann geschehen, wenn sich zufällig ein Gleichklang im Arbeitsplatz ergeben habe. Er habe ein erhebliches Unternehmerrisiko zu tragen, denn seine Existenzgründung hätte auch scheitern können. Dieses Scheitern habe sich durch das Dazwischentreten der Beklagten drastisch realisiert. Insgesamt könne von einem scheinselbständigen Vertragsverhältnis nicht die Rede sein.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2005, an Herrn W. F. adressiert, stellte die Beklagte fest, die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung betrage insgesamt 3.261,72 EUR. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Vertragsparteien (Firma W. F. GmbH & Co. KG auf der einen Seite und der polnische Gewerbetreibende Herr B. auf der anderen Seite) hätten sich darauf geeinigt, dass die Beschäftigung auf selbständiger Basis ausgeübt werden solle, mit der Folge, dass Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung bestünde. Die Beurteilung der Frage, ob dies tatsächlich der Fall sei, richte sich jedoch nicht nach dem Willen der Vertragsparteien, sondern ausschließlich nach dem Recht der Sozialversicherung. Hierfür seien primär die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend. Der Beigeladene zu 4 wäre aufgrund seiner persönlichen Voraussetzungen (kaum Deutschkenntnisse, kein eigenes Kfz, keine Büroräume, keine Werbung, keine eigenen Mitarbeiter) gar nicht in der Lage gewesen, unternehmerisch am Markt aufzutreten und damit unternehmerische Chancen wahrzunehmen. Auch das Vorhandensein einfachen Werkzeuges spreche nicht für eine selbständige Tätigkeit, da es mehrere Handwerksberufe gäbe, bei denen der Mitarbeiter seinen Hammer oder anderes Kleinwerkzeug selbst zu besorgen habe. Auch wenn eine ausdrückliche Festlegung der Arbeitszeit nicht erfolgt sei, könne die Gestaltung der Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter jede Möglichkeit zur freien Disposition nehmen. Der Beigeladene zu 4 habe sich an die Zeitvorgaben der Mitarbeiter der Firma W. F. binden müssen, da er mit deren Angestellten auf die Baustellen gefahren sei. Somit habe auch keine freie Gestaltung der Arbeitszeit stattgefunden. Er sei auch auf die Anwesenheit von fachkundigem Personal angewiesen gewesen, da er mangels sprachlicher Kenntnisse sich mit anderen Mitarbeitern nicht habe verständigen können. Er werde auch für die Hilfsarbeiten von der Klägerin herangezogen und sei für diese Tätigkeiten fest eingeplant. Dieser Umstand sei in dem Gespräch mit der Firma deutlich gemacht worden. Er verfüge über keinerlei unternehmerische Struktur. Das Material sei ihm ausschließlich von der Firma gestellt worden. Die von ihm verrichteten Arbeiten hätten ein Mindestmaß an Kontrolle und Einweisung bedurft. Dies sei auch dem Umstand geschuldet gewesen, dass es sich nur um ein einfachen Arbeiter gehandelt habe, der zunächst hätte eingelernt und überwacht werden müssen. Es habe dementsprechend eine Tätigkeit mit Weisungsgebundenheit vorgelegen. Er sei auch nur für einen Auftraggeber tätig gewesen, ein maßgeblicher Kapitaleinsatz sei nicht erfolgt und er wäre unternehmerisch am Markt nicht aufgetreten.

Hiergegen erhob ausdrücklich die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, wenn der Beigeladene zu 4 nicht abhängig beschäftigt gewesen sei, dann mit Sicherheit nicht bei W. F. als Privatmann.

Am 2. März 2006 erließ die Beklagte einen erneut an Herrn W. F. adressierten Änderungsbescheid, mit dem die Nachforderung auf 1.428,92 EUR reduziert wurde (Bl. 91/107 der Verwaltungsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2006, der nun wiederum an die Klägerin adressiert ist, wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, über den Teil-Abhilfebescheid vom 2. März 2006 hinaus könne dem Widerspruch nicht stattgegeben werden. Bei der Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses könne lediglich von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden, deswegen müsse die Beitragsberechnung anhand der Rechnungsstellungen ohne Mehrwertsteuer erfolgen. Dieser Sachverhalt sei mit dem Änderungsbescheid berücksichtigt worden. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 4 sei bereits durch das Finanzamt B. beurteilt worden. Dieses sei ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beigeladene zu 4 als Arbeitnehmer zu behandeln sei. Gegen diese Entscheidung sei ein Einspruchsverfahren anhängig.

Mit ihrer dagegen am 19. Dezember 2006 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte habe selbst darauf hingewiesen, dass einige Indizien für eine Selbständigkeit des Beigeladenen zu 4 sprechen würden, aber nicht ausgeführt, warum diese Indizien nicht greifen sollten. Der Beigeladene zu 4 sei eindeutig selbständig tätig gewesen. Die Verfahrensweise der Beklagten behindere die Immigrationsfreiheit Selbständiger in der Europäischen Union. Es werde auf die europarechtliche Relevanz des vorliegenden Falles hingewiesen.

Mit Beschluss vom 4. April 2007 hat das SG die Versicherungsträger sowie Herrn I. B. zum Rechtsstreit beigeladen.

Mit Urteil vom 16. April 2008, der Klägerin zugestellt am 6. Juni 2008, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die angegriffenen Bescheide seien zunächst nicht deshalb rechtswidrig, weil die Adressierung nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen worden sei. Die beiden Ausgangsbescheide seien zwar an Herrn W. F. persönlich versandt worden. Es reiche aber aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umständen hinreichend sicher bestimmt werden könne. Dies sei bei der Klägerin schon aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung, der an sie gerichteten Anhörung und schließlich aufgrund den Ausführungen der Bescheide der Fall. Dass die Klägerin sich als objektive Empfängerin angesehen habe, beweise auch die Tatsache, dass der Widerspruch durch sie und nicht durch W. F. als Privatmann erhoben worden sei. Die Nachforderungsbescheide seien auch im Übrigen rechtmäßig, denn der Beigeladene zu 4 sei zutreffend als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer eingestuft worden. Bei ihm überwögen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung deutlich. Er habe in einer von der Klägerin zur Verfügung gestellten Unterkunft auf dem Betriebsgelände der Klägerin gewohnt und sei sowohl zum Erreichen des Auftragsortes als auch zur Verrichtung der ihm übertragenen Aufgaben regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen gewesen. Der Umstand, dass er über einfaches Werkzeug verfügt und auch mit verwandschaftlicher Hilfe an den Einsatzort gelangt sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Denn es sei unstreitig, dass er über keine eigene Betriebsstätte sowie neben den genannten Kleinwerkzeugen über keine maßgeblichen eigenen Werkzeuge verfügt habe. Den Kriterien Materialbeschaffung und Lagerhaltung müsse aber entscheidende Bedeutung zugemessen werden, da ein selbständiger Handwerksbetrieb, insbesondere einer der vorgeblich Holz- und Bautenschutzarbeiten verrichte, ohne eigenes Material und Arbeitsgerät sowie der dementsprechend notwendigen Lagerhaltung nicht vorstellbar sei. Tätigkeitsbereiche des Holz- und Bautenschutzgewerbes seien Bauwerkabdichtung, Korrosionsschutz, Holzschutz, Wärmeschutz, Schallschutz und Brandschutz. Dass eine selbständige Tätigkeit in diesem Bereich nicht nur mit Hammer und Zange sowie Besen und Schaufel ausgeübt werden, sondern erheblich weitergehendes und kostenintensiveres Material und Werkzeug erfordere, sei offenkundig. Die in der Verwaltungsakte enthaltenen Rechnungen des Beigeladenen zu 4 wiesen auch überwiegend auf allgemeine Bauhilfsarbeiten hin, ohne dass darin etwa Materialaufwand oder Quadratmetergröße der bearbeiteten Fläche ausgewiesen worden wäre. Er sei deshalb maßgeblich von der Klägerin persönlich abhängig gewesen, da eine selbständige Auftragsübernahme ohne eigene Betriebsstätte und ohne eigenes Arbeitsmaterial rein faktisch nicht möglich gewesen sei. Er habe auch unstreitig kein eigenes Kapital aufgewendet und keinerlei Investitionen getätigt, die bei der Gründung eines selbständigen Handwerkbetriebes üblich seien und sich gerade auch in der vorliegenden Konstellation aufgedrängt hätten (eigenes Fahrzeug bzw. Leasing eines Fahrzeugs, Anschaffung von Material und Werkzeug, ggf. Schaltung von Werbung). Gerade der Einsatz von eigenem Kapital sei jedoch für eine selbständige Tätigkeit typisch. Ein maßgebliches Unternehmerrisiko sei daher nicht ersichtlich. Die Beziehung sei letztlich dadurch geprägt worden, dass der Beigeladene zu 4 allein seine Arbeitskraft eingesetzt habe, welches jedoch für eine abhängige Beschäftigung typisch sei. Dass die Klägerin an einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 4 nicht weiter interessiert gewesen sei und die Zusammenarbeit zwischenzeitlich beendet habe, stelle kein Unternehmerrisiko dar. Die erfolgte Gewerbeanmeldung, die vorgenommene private Krankenversicherung und die Ausstellung von Rechnungen an die Klägerin sei nach alledem nicht geeignet, die Kriterien des fehlenden Unternehmerrisikos, des Fehlens einer Betriebsstätte sowie eigenen Werkzeugs und Materials zu entkräften. Die nicht näher substantiierten europarechtlichen Bedenken würden nicht geteilt. Eine Ungleichbehandlung aufgrund der Nationalität des Beigeladenen zu 4 sei nicht ersichtlich.

Mit ihrer dagegen am 11. Juni 2008 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, der Beigeladene zu 4 sei mittlerweile zwar nach Polen zurückgekehrt, betrachte das Verfahren aber weiterhin mit viel Aufmerksamkeit, auch ihm Hinblick darauf, welche europarechtlichen Konsequenzen sich im Hinblick auf seine Dienstleistungsfreiheit ergeben würden. Ihr Geschäftsführer habe sich selbst ein mittelständisches Unternehmen mit einfachsten Mitteln aufgebaut, hierzu habe er auch dem Beigeladenen zu 4 verhelfen wollen, mit dem er verwandschaftlich verbunden sei. Er habe ihm eine einfache Wohnunterkunft besorgt und ihn mit Aufträgen versorgt, die deutsche Unternehmer nicht übernommen hätten. Bei der Erstellung und Übersetzung von Unterlagen habe man ihm im Büro behilflich sein können. Er habe ein eigenes Gewerbe für seine Tätigkeit angemeldet und eine eigene Krankenversicherung abgeschlossen. Er habe Aufträge übernommen, dafür eigene Rechnungen gestellt und damit begonnen, die Anfänge seines Unternehmens in die Wege zu leiten. Man sei weit davon entfernt gewesen, ihn als Arbeitnehmer einzusetzen. Das SG habe auch nicht ausreichend gewürdigt, dass die Wohnung nicht mit zur Lohnabrechnung gehört habe. Dass er sich der Übersetzung der Klägerin habe bedienen müssen, stelle eine Überwindung der sprachlichen Kommunikationshürden und damit ein Kennzeichen europäischer Einigung dar, könne aber nicht zur Begründung abhängiger Beschäftigungen verwendet werden. Man könne dem Beigeladenen zu 4 auch nicht entgegen halten, dass er über kein eigenes Kraftfahrzeug verfügt hätte. Immerhin könne man auch zu Fuß gehen, eine in Polen durchaus noch übliche Tätigkeit. Er habe Arbeiten übernommen, für die er nur die von ihm mitgebrachten "Kleinwerkzeuge" benötigt habe. Diese hätten in Aufräumarbeiten und Beseitigungsarbeiten bestanden. Er habe zunächst keinen selbständigen Handwerksbetrieb aufbauen wollen, sondern einen Betrieb, der Arbeiten auf Baustellen verrichte, die beim gegenwärtigen Markt nur sehr ungern übernommen würden. Hier habe eine Marktlücke bestanden. Es sei lediglich seine Zielvorstellung gewesen, im Holz- und Bautenschutzgewerbe tätig zu werden. Irgendwo habe er ja einmal beginnen müssen.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. April 2008 sowie den Bescheid vom 28. Dezember 2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 2. März 2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2006 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Beschäftigung des Beigeladenen zu 4 bei der Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. August 2005 nicht um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die bloße Anmeldung eines Gewerbes für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unerheblich sei. Ein Einkommensrisiko dürfe auch nicht Unternehmerrisiken gleichgestellt werden. Das Risiko, keine Arbeiten und damit keinen Lohn zu bekommen, trage jeder Beschäftigte auf dem Arbeitsmarkt. Es sei auch nicht vorausgesetzt, dass eine Beschäftigung eine gewisse Dauer haben müsse oder kontinuierlich ausgeübt werde. Man müsse davon ausgehen, dass der Beigeladene zu 4 keine Werkvertragsleistungen erbracht, sondern lediglich seine Arbeitskraft geschuldet habe. Hierfür sei er auch entlohnt worden.

Die Beigeladenen zu 1 und 2 haben darauf hingewiesen, dass die Beklagte im Rahmen der Betriebsprüfung tätig geworden sei. Insoweit sei eine weitere Stellungnahme nicht beabsichtigt. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, denn die erforderliche Berufungssumme von 750,- EUR wird überschritten. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 4 war bei der Klägerin im streitigen Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. August 2005 abhängig beschäftigt und unterlag deshalb der Sozialversicherungspflicht.

Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass die Adressierung der Bescheide vom 28. Dezember 2005 und 2. März 2006 an den Geschäftsführer persönlich keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide begründet. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X sind Beteiligte des Verwaltungsverfahrens "diejenigen, an die die Verwaltungsbehörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat". Damit im Einklang heißt es in § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass ein Verwaltungsakt demjenigen bekannt zu geben ist, "für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird". Nach der materiellen Rechtslage durfte die Beklagte den Bescheid nur an die Klägerin "bestimmen". Im vorliegenden Fall besteht aber kein Zweifel daran, dass nach dem Inhalt des Bescheides der Adressat die Klägerin sein sollte. Dies ergibt sich daraus, dass aufgrund der bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung auf eine Beschäftigung des Beigeladenen zu 4 bei der Klägerin geschlossen wurde. Dies hat die Klägerin auch objektiv so verstanden, weswegen von ihr selbst Widerspruch erhoben wurde. In einem solchen Falle reicht es aus, wenn der Empfänger den Adressaten des Verwaltungsaktes, wenn auch nicht unbedingt aus dem Anschriftenfeld, so doch dem (sonstigen) Inhalt des Bescheides mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit entnehmen kann (BSG, Urteil vom 21. Februar 1985, 11 Ra 6/84, SozR 1300 § 37 Nr. 1).

Dass die Beklagte für die Prüfung der Sozialversicherungspflicht zuständig ist, folgt aus § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach überprüft sie bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und die sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die in Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Insbesondere prüft sie hierbei die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Nach Satz 5 der Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen dieser Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist die selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgeblich ist dabei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSGE 45, 199, 200 ff.; SozR 3-2490 § 7 Nr. 13; SozR 3-3400 § 7 Nr. 15, jeweils m.w.N.; zuletzt Urteil des BSG vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).

In Ansehung dieser rechtlichen Gegebenheiten ist der Beigeladene zu 4 im streitigen Zeitraum bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Dies hat das SG im Urteil ausführlich und zutreffend begründet dargelegt. Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des SG in vollem Umfang an und sieht deswegen insoweit von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren zu keinem anderen Ergebnis führt. Der Beigeladene zu 4 muss sich daran festhalten lassen, dass er nach Anmeldung eines entsprechenden Gewerbes auch Rechnungen im Holz- und Bautenschutz gestellt hat. Insofern kann er nicht damit gehört werden, dass dies eine reine Zukunftsperspektive seiner unternehmerischen Tätigkeit gewesen sei und er deswegen sein Gewerbe auch hätte mit einfachen Werkzeugen durchführen können. Zwar hat er tatsächlich einfache Arbeiten verrichtet, wie dies auch zur Überzeugung des Senats aus den vorgelegten Rechnungen hervorgeht. Diese beschreiben überwiegend das Abräumen von Kies, das Säubern von Profilblechen oder Dächern sowie das Demontieren und Entfernen von Randblechen. Für das angemeldete Gewerbe hätte der Beigeladene zu 4 aber der vom SG beschriebenen Werkzeuge bedurft, um Bauwerksabdichtung, Korrosions-, Holz-, Wärme-, Schall- und Brandschutz durchführen zu können. Die dafür erforderliche Materialbeschaffung und Lagerhaltung, wie sie für diese gewerbliche Tätigkeit Voraussetzung gewesen wäre, hat der Beigeladene zu 4 unstreitig nicht durchgeführt, sondern lediglich wie die übrigen Angestellten der Klägerin seine Arbeitskraft eingesetzt.

Dies wird im Weiteren dadurch belegt, dass der Beigeladene zu 4 überhaupt nicht über die persönlichen Voraussetzungen verfügte, unternehmerisch am Markt aufzutreten. Er war der Sprache nicht mächtig, postalisch unter der von ihm angegebenen Adresse nicht erreichbar, verfügte über kein eigenes Kfz, keine Büroräume und keine eigenen Mitarbeiter. Demzufolge hat er auch keine Werbung für sein Unternehmen betrieben. Die Klägerin hat auch eingeräumt, dass es andere Auftraggeber nicht gegeben hat.

Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 4 stellt sich damit typischerweise als eine solche dar, die in abhängiger Beschäftigung erbracht wird. Der Beigeladene zu 4 hat reine Bauaushilfstätigkeiten ausgeführt und war an die Zeitvorgaben der Mitarbeiter der Klägerin gebunden, musste auch mangels sprachlicher Kenntnisse durch Handzeichen in seine Arbeit eingewiesen werden. Dies belegt sowohl seine zeitliche wie auch sonstige Eingliederung in den Betrieb der Klägerin.

Der Umstand, dass der Beigeladenen zu 4 in einem Container auf dem Grundstück der Klägerin wohnte, wurde vom SG auch nur in dem Zusammenhang gewertet, dass er zum Erreichen des Auftragortes wie zur Verrichtung der ihm übertragenen Aufgaben auf die Hilfe der Klägerin angewiesen war. Die Beklagte hat davon abgesehen, den geldwerten Vorteil einer möglicherweise kostenfreien Unterkunft ebenfalls der Beitragspflicht zu unterziehen, welches alleinige Folge des klägerischen Vorbringens wäre.

Der Umstand, dass der Kläger ein Gewerbe angemeldet hat, ist lediglich Rechtsfolge einer selbständigen Tätigkeit und sagt über den Status einer Beschäftigung nichts aus (so bereits Urteil des Senats vom 11. Oktober 2006, L 11 KR 3378/05). Ebenso ohne Bedeutung ist, dass die Beschäftigung nur 2 Monate andauerte. Das Sozialgesetz setzt nicht voraus, dass eine Beschäftigung kontinuierlich ausgeübt wird (so Urteil des Senats vom 18. Mai 2004, L 11 KR 3663/03).

Der Senat geht deswegen mit der Beklagten und dem SG davon aus, dass der Beigeladene zu 4 keine Werkvertragsleistungen erbrachte, sondern lediglich seine Arbeitskraft schuldete, wofür er nach den vorliegenden Rechnungen auch entlohnt wurde. Er hat somit keinerlei unternehmerisches Risiko getragen oder ein unternehmerisches Handeln entfaltet.

Dadurch besteht keinerlei europarechtlicher Bezug, die Klägerin hat einen solchen auch nicht im Berufungsverfahren aufgezeigt. Dieser wird nicht allein durch den Umstand begründet, dass es sich bei dem Beigeladenen zu 4 um einen polnischen Staatsangehörigen handelt, sondern maßgeblich ist allein, ob sich eine Beschäftigung nach den eingangs dargestellten Kriterien als selbständige darstellt oder nicht.

Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2, 172 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Der Streitwert wird im Hinblick auf die festgestellten Versicherungsbeiträge nach § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG endgültig auf 1.428,92 EUR festgesetzt.
Rechtskraft
Aus
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