Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 705/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1711/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. Februar 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (BK Nr. 2108) streitig.
Der 1952 geborene Kläger hat von September 1967 bis August 1970 eine Lehre als Zimmermann absolviert und war sodann, unterbrochen durch die Zeit bei der Bundeswehr von Januar 1972 bis April 1974 und Zeiten der Arbeitslosigkeit von November 1986 bis März 1987 und Juli 1994 bis November 1994, bei verschiedenen Zimmereibetrieben und Bauunternehmungen als Zimmermann u.a. bei Dacharbeiten und Einschaler tätig. Ab November 1994 arbeitete er als Fensterbauer bei der Fa. B. bis zu deren Konkurs im März 1997. Seit dem 1. April 1997 war der Kläger arbeitslos. Nach einer berufsfördernden Maßnahme war er von August 1999 bis zum 31. März 2003 als Lagerist beschäftigt und ist seit dem 01.04.2003 erneut arbeitslos.
Am 16. Februar 1998 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Anerkennung der BKen nach Nrn. 2108, 2109 und 2110 BKV.
Im Rahmen der daraufhin angestellten Ermittlungen teilte die Holzberufsgenossenschaft der Beklagten am 25. Juni 1998 unter Vorlage einer Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) Dr. H. vom 16. Juni 1998 mit, bei der Fa. B. sei der Kläger überwiegend mit Arbeiten an der Rahmenpresse beschäftig gewesen und habe Lasten mit einem durchschnittlichen Gewicht von weniger als 10 kg zu heben und zu tragen gehabt. Diese Tätigkeit sei nicht als gefährdend i.S.d. BK Nr. 2108 und 2109 einzustufen.
Unter dem 10. August 1998 teilte der Technische Aufsichtdienst (TAD) der Beklagten mit, in den Jahren 1967 bis 1987 und von 1990 bis 1993 habe der Kläger insgesamt 23 Jahre (276 Monate) Hebe- oder Tragetätigkeiten oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung durchgeführt, wie sie in der Dokumentation für den typischen Zimmererberuf beurteilt werde. Von März 1987 bis November 1990 und von August 1993 bis Juli 1994 habe er insgesamt 57 Monate Hebe- oder Tragetätigkeiten oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeführt, wie sie in der Dokumentation für den typischen Bauhelfer/Bauwerkerberuf beurteilt worden sei.
In der Belastungsbeurteilung nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) vom 07. Mai 2001 errechnete der TAD eine berufliche Gesamtdosis des Klägers für den Zeitraum vom 02.09.1967 bis 31.03.1997 in Höhe von 22,01 x 106 Nh (Newton-Stunden). Dieser Wert liege unter dem Richtwert zur Mindestexposition von 25 x 106 Nh für Männer. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 seien nicht erfüllt.
Im Rahmen der medizinischen Ermittlungen zog die Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Ulm bei und befragte die behandelnden Ärzte des Klägers (Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. und Dr. Sch., Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. und Arzt für Orthopädie Dr. K.), die verschiedene Arztbriefe und Berichte vorlegten, aus denen sich ergab, dass beim Kläger im März 1989 eine Fußheberschwäche rechts aufgetreten war, welche auf einen durch eine lumbale Myelographie in der Praxis der Radiologen Dr. J. und Dr. E. am 23. März 1989 festgestellten großen medialen Bandscheibenvorfall bei L3/4 zurückgeführt wurde. Hingegen fanden sich in den Segmenten L 4/5 und L5/ S1 lediglich Bandscheibenprotrusionen ohne signifikanten Prolaps. Während des stationären Aufenthalts in der orthopädischen Klinik Bertele vom 22. März bis 21. April 1989 wurde am 23. März eine Fenestrotomie von L 3 bis S1 mit Ausräumung eines riesigen Bandscheibensequesters L 3/4 sowie Ausräumung einer Bandscheibenprotrusion L4/L5 rechts medial durchgeführt.
Vorgelegt wurde u.a. auch der ärztliche Entlassungsbericht der Kurklinik Bad Rappenau vom 22.08.1996, wo sich der Kläger wegen eines degenerativen LWS-Syndroms bei Zustand nach Nukleotomie L5/S1 1989 und postoperativer Fußheberschwäche rechts sowie Adipositas vom 23. Juli1996 bis 20. August 1996 in stationärer Behandlung befunden hatte.
Die Beklagte beauftragte Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, mit der gutachterlichen Untersuchung des Klägers. Im Gutachten vom 05. Februar 1999 mit ergänzender Stellungnahme vom 4. November 1999 führte Prof. Dr. W. aus, der klinische, radiologische und computertomograpische Befund sei ebenso wie der intraoperative Befund bei der Bandscheibenoperation im Jahr 1989 im Sinne eines bandscheibenbedingten Schadens der Lendenwirbelsäule mit Befall mehrerer Segmente der besonders belasteten unteren Wirbelsäule zu werten. Es bestünden persistierende neurologische Ausfallserscheinungen mit Fußheberparese rechts nach Bandscheibenoperation in den Segmenten L3/L4 sowie L4/L5 sowie bandscheibenbedingte degenerative Veränderungen des Bewegungssegmentes L5/S1. Hierbei handle es sich um eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK Nr. 2108, da andere, für die Zusammenhangsbeurteilung bedeutsame Erkrankungen oder Veränderungen des Skelettsystems nicht hätten festgestellt werden können. Während die degenerativen Veränderungen der anderen Wirbelsäulenabschnitte nicht über die Altersnorm hinausgingen, überschritten die degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäulenabschnitte die Altersnorm. Außerberufliche Ursachen oder Mitursachen für die Lendenwirbelsäulenerkrankung seien nicht festzustellen. Es fehle jedoch an die Aufgabe der rückenbelastenden Tätigkeit. Da der Kläger nach seiner Bandscheibenoperation im Jahr 1989 die Tätigkeit in seinem rückenbelastenden Beruf als Zimmermann, Bauzimmermann und Bauhelfer noch bis 1994 ausgeübt habe, habe kein Zwang zum Unterlassen der rückenbelastenden Tätigkeit bestanden. Eine Beendigung dieser Tätigkeit sei erst 1994 aufgrund arbeitsmarktbedingter Umstände erfolgt. Da somit das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 nicht angenommen werden könne, entfalle auch die Einschätzung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Der Beratungsfacharzt der Beklagten Dr. K. vertrat demgegenüber in der Stellungnahme vom 15. Dezember 1999 die Auffassung, aus medizinischen Gründen habe der objektive Zwang zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit bestanden, zumal eine Fußheberschwäche weiterhin als Folge des Bandscheibenvorfalles vorliege. Im Hinblick hierauf sei eine Gesamt-MdE von 20% anzunehmen. Er empfehle eine neurologische Begutachtung.
Nach Beiziehung aktueller Röntgenbilder wurde der Kläger im Auftrag der Beklagten erneut durch den Orthopäden Dr. E. gutachterlich untersucht. Im Gutachten vom 08. Oktober 2002 stellte Dr. E. die Diagnosen eines verbliebenen Nervenwurzelschadens des rechten Beines des lumbalen Dermatoms L4/L5 rechts mit kompletter Parese der Fuß- und Zehenheber und Sensibilitätsstörung im distalen Dermatom L5 rechts nach operiertem Bandscheibenvorfall des Segmentes L3/L4 und einer Protrusion der Bandscheibe L4/L5 vom 23. März 1989 ohne verbliebene Funktions- oder Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule. Nach den vorliegenden Befunden sei von einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule auszugehen. Darüber hinaus bestünden eine Beinverkürzung rechts von 1 cm und eine krankhafte Hohlkreuzbildung des lumbosakralen Wirbelsäulenübergangs. Außer den beruflichen Einwirkungen seien keine weiteren Ursachen oder Mitursachen für die LWS-Erkrankung in Form von anlagebedingten Faktoren, außerberuflichen Einwirkungen oder beruflichen Einwirkungen, die nicht in der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV genannt seien, festzustellen. Der monosegmentale Bandscheibenschaden des Segmentes L3/L4 mit der Wurzelkompression des rechten Beines sei jedoch nicht ursächlich der beruflichen Belastung zuzuordnen. Bei einer beruflichen Belastung sei nämlich zu fordern, dass sich Belastungsspuren nicht nur an den mechanisch am meisten belasteten Segmenten nach W.n ließen, sondern auch im Bereich der mittleren und oberen Lendenwirbelsäule. Die obere Lendenwirbelsäule in den Segmenten L1 bis L3 zeige beim Kläger keinerlei und auch nicht nur geringgradig die Altersnorm übersteigende degenerative Veränderungen. Sowohl die Bandscheibenräume L1 bis L3 seien normal weit wie auch ventrale Spondylosen nicht nachweisbar. Die im Laufe der Jahre in den einzelnen Aufnahmen etwas zunehmende linksseitige Spondylose der Wirbelkörperkanten L2/L3 sei der linkskonvexen Seitausbiegung der LWS zuzuordnen und der asymmetrischen Belastung dieses lumbalen Bewegungssegmentes. So zeige sich auch im Vergleich linksseitig an Grund- und Deckplatte des operierten Segmentes L3/L4 eine wesentlich geringere Spondylose als in Höhe L2/L3 auf den aktuellen Bildern. Die im Laufe der Jahre zunehmende dorsale Verschmälerung des Bandscheibenraumes L5/S1 als Zeichen der Degeneration sei der dort bestehenden erheblichen Hyperlordose des lumbosakralen Übergangsabschnittes zuzuordnen.
Beim Kläger sei somit zum einen ein belastungskonformes Schadensbild im Sinne von die Altersnorm übersteigenden degenerativen Veränderungen im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule nicht nachzuW.n. Zum anderen seien die zu fordernden vordergründigen Schädigungen der mechanisch am meisten belasteten Lumbalsegmente L4/L5 und L5/S1 nicht festzustellen. Die nachzuW.nden Bandscheibendegenerationen dieser Segmente seien nach dem radiologischen Befund keinesfalls als der Altersnorm vorauseilend anzusehen. Beim Kläger liege ein schicksalhafter monosegmentaler Bandscheibenschaden bzw. Bandscheibenvorfall bei L3/L4 vor, welcher nicht einer Berufserkrankung zuzuordnen sei. Es habe auch kein Zwang zur konstanten Unterlassung der Tätigkeiten bestanden, die für die Erkrankung hätten ursächlich sein können. Überdies zeigten die Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 1989 bis 1993, die lediglich einmal eine längere Phase im Jahr 1991 von maximal 41 Tagen beinhalteten, dass krankheitsbedingt eine Aufgabe der Tätigkeit als Zimmerer und Bauhelfer nicht erforderlich gewesen sei.
Mit Bescheid vom 07. November 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, sowohl die arbeitstechnischen Voraussetzungen als auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule seien nicht erfüllt.
Den Widerspruch, zu dessen Begründung vorgetragen wurde, aus den Erhebungen des TAD ergebe sich gerade, dass der Kläger in den Jahren nach 1989 Tätigkeiten mit sehr viel geringerer Belastung der Wirbelsäule als in den Jahren davor ausgeübt habe, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2003 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 28. März 2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm.
Das SG hörte den behandelnden Orthopäden Dr. K. als sachverständigen Zeugen. In der schriftlichen Zeugenaussage vom 03. September 2003 teilte Dr. K. mit, der Kläger stehe seit dem 17. März 1992 in seiner ärztlichen Behandlung. Dieser leide unter einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit rezidivierenden lang anhaltenden Nerven- und Wurzelreizerscheinungen der LWS sowie einer Funktionsbehinderung der HWS, hier jedoch ohne lang anhaltende Wurzelreizerscheinungen.
Das SG beauftragte daraufhin Dr. H. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens. Im Gutachten vom 20. Januar 2004 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 20. Januar 2004 und vom 29. Dezember 2004 stellte Dr. H. die Diagnosen eines Zustandes nach großem sequestriertem Bandscheibenvorfall L3/L4 rechts mit persistierender Fuß-, Zehen- und Großzehenheberlähmung rechts sowie leichter Gefühlsstörungen im Fußinnenrand rechts und deutlicher Unterschenkelatrophie (Verschmächtigung der Muskulatur). Damit liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung vor. Diese verursache auch die hierfür typischen Symptome. Für das Vorliegen einer Berufskrankheit spreche auch die Belastungsdosis nach dem MDD. Der Wert von 25 x 106 Nh stelle einen Mittelwert und nicht einen Schwellenwert dar. Beim Kläger lägen auch keine anlagebedingten Störungen vor, die einen Bandscheibenschaden oder Rückenschmerzen begünstigten. Allerdings habe er einen relativ tiefsitzenden fünften Lendenwirbelkörper. Hierdurch sei davon auszugehen, dass das Segment L5/S1 weniger mobil als üblich sei. Hierdurch werde auch erklärt, warum dieses Segment praktisch keine Verschleißphänomene aufW ... Theoretisch sei dadurch das Segment L4/L5 stärker belastet und deshalb anfälliger für einen Bandscheibenschaden. Nach dem OP-Bericht sei der Bandscheibenvorfall primär jedoch im Segment L3/L4 gelegen, was nicht so richtig zum neurologischen Befund passe. Dieser Befund sei jedoch so zu interpretieren, dass die Etage L3/L4 - nachdem L5/S1 praktisch immobil sei - die zweite mobile Etage von unten sei und der Etage L4/L5 einer Wirbelsäule, bei der L5 nicht so tief sitze, entspreche. Damit sei die - statistisch - etwas ungewöhnliche Lokalisation des Bandscheibenvorfalls erklärt. Es liege auch kein allgemein vermehrter Verschleiß der gesamten Wirbelsäule vor. Die Kriterien für ein so genanntes schadenskonformes Muster seien weder klassisch erfüllt noch eindeutig verfehlt. Beim Kläger zeigten sich relativ diffuse Veränderungen zwischen dem 1. und 5. Lendenwirbel. Formal entspreche dies nicht dem schadenskonformen Muster. Hier müsse aber berücksichtigt werden, dass die Bandscheiben in den Etagen L4/L5 und L3/L4 vor ca. 15 Jahren operiert worden seien. Dies führe praktisch immer im Laufe der Jahre zu einem radiologisch sichtbaren Verschleißprozess. Spondylotische Veränderungen in der oberen Lendenwirbelsäule seien aber prinzipiell vereinbar mit einem schadenskonformen Muster. Damit liege eine BK nach Nr. 2108 vor. Der Kläger habe auch spätestens ab Januar 2003 die belastende Tätigkeit aufgegeben. Eine von Dr. E. als Ursache der zunehmenden linksseitigen Spondylosen in der Etage L2/L3 unterstellte Seitverbiegung der Wirbelsäule sei so geringfügig, dass sie keinerlei Relevanz habe. Diese Geringfügigkeit zeige sich auch an der stärkeren Spondylose auf der Konvexseite der Segmente L3/4 und L2/3. Darüber hinaus habe Dr. E. auch eine zunehmende dorsale Verschmälerung des Bandscheibenraumes L5/S1 beschrieben. Über die Feststellungen von Dr. E. hinaus bestünden auch spondylotische Veränderungen in der Etage L4/5. Dr. E. ignoriere im Übrigen völlig die klinische Neurologie. Ein alleiniger Bandscheibenvorfall in Höhe L3/L4 sei nicht geeignet, eine Fuß-/Zehenheberparese auszulösen. So habe schon Dr. L. bei der Nachuntersuchung im September 1989 deutliche Wurzelschäden S1 festgestellt, die mit einem Vorfall auf Höhe L3/L4 nicht zu erklären seien. Ein monosegmentaler Bandscheibenvorfall L3/L4 alleine sei nicht geeignet, die objektivierbaren neurologischen Schäden zu erklären. Die MdE schätze er auf Dauer auf 20 v.H ein.
Dem trat die Beklagte unter Vorlage einer orthopädischen Zusammenhangsstellungnahme nach Aktenlage von Dr. Sch. vom 25. Mai 2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 15. Oktober 2004 entgegen. Aus den Unterlagen ergäben sich durchaus relativ typische Zeichen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Beim Kläger sei jedoch als Ursache der bandscheibenbedingten Erkrankung neben den beruflichen Belastungen ein schicksalhaft endogener Faktor in Form einer verstärkten Kippung des Kreuzbeines festzustellen, die sich erfahrungsgemäß auf die Bandscheiben der unteren Segmente auswirke. Außerdem bestünden auch geringe Asymmetrien der unteren Lendenwirbel, sodass konkurrierende Ursachenfaktoren nicht gänzlich verneint werden könnten. Beim Kläger liege jedoch kein belastungskonformes Schadensbild vor. In den beiden Segmenten L3/4 und L4/5 seien auch noch nach zehn Jahren keine bedeutsamen umformenden Veränderungen bzw. Reaktionen entstanden. Es lägen auch keine relevanten Reaktionen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose vor, die dem Alter in ihrer Ausprägung deutlich vorauseilen würden, sodass man sie als belastungsinduziert charakterisieren könne. Ein solches Befundbild lasse sich nicht mit der Verteilung und Größenordnung der einwirkenden Kräfte in Einklang bringen. Da vorliegend keine belastungsinduzierten Reaktionen vorlägen, liege auch kein belastungskonformes Schadensbild vor, wodurch die Empfehlung zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach BK Nr. 2108 nicht vertretbar sei.
Mit Urteil vom 24. Februar 2005 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 07. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2003 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger unter Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.
Zur Begründung führte es aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 18.03.2003 - B 2 U 13/02 R; 19.08.2003 - B 2 U 1/02 R) seien die Belastungswerte im MDD keine Grenz-, sondern allenfalls Orientierungswerte, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellten. Bei einem Unterschreiten des Wertes für die Tagesdosis um mehr als die Hälfte müsse das Gericht sich zur Einholung eines Zusammenhangsgutachtens nicht gedrängt sehen. Hieraus folge, dass dann, wenn die Belastungswerte sehr nahe an den Orientierungswert des MDD heranreichten, die Frage der Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht isoliert von medizinischen Befunden gesehen werden könne. Diese rechtfertigten insgesamt die Bejahung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Das Gericht folge hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen der Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. W. und Dr. H ... Danach zeige das klinische, radiologische, computertomographische Bild sowie der intraoperative Befund einen bandscheibenbedingten Schaden mit Befall mehrerer Segmente der besonders belasteten unteren Lendenwirbelsäule. Die Lokalisation des Bandscheibenvorfalls auf der Ebene L3/L4 sei durch Dr. H. nachvollziehbar dadurch erklärt worden, dass der Kläger einen relativ tief sitzenden 5. Lendenwirbelkörper habe und deshalb das Segment L5/S1 weniger mobil als üblich sei. Das SG folge Dr. H. auch hinsichtlich der Beurteilung, dass die am 1. bis 4. Lendenwirbel in unregelmäßiger Verteilung erkennbaren initialen Spondylophyten vom Grad I und der chondrotisch in der Höhe geminderte Bandscheibenraum L3/L4 einem belastungskonformen Schadensbild entspreche.
Gegen das am 8. April 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. April 2005 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, der Kläger habe den für eine Berufskrankheit Nr. 2108 geltenden Richtwert zur Mindestexposition nicht erreicht. Darüber hinaus könnten die beim Kläger vorliegenden bandscheibenbedingten Veränderungen der LWS nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit den beruflichen Belastungen zugeordnet werden, da das belastungskonforme Schadensbild fehle. Beim Kläger lägen keine dem Lebensalter vorauseilenden Reaktionen mit Osteochondrosen der unteren Lendenwirbelsäule und Begleit-Spondylosen der mittleren und oberen Lendenwirbelsäule vor. Daneben bestünden konkurrierende Ursachenfaktoren für das Bandscheibenleiden in Form einer verstärkten Kippung des Kreuzbeines und geringe Asymmetrien der unteren Lendenwirbel.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. Februar 2005 aufzuheben und die Klage abzuW.n.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuW.n.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat vom Arzt für Orthopädie -Sozialmedizin- Dr. Sch. eine ergänzende Stellungnahme vom 13. Oktober 2006 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, aus den vorliegenden Unterlagen lasse sich ableiten, dass beim Kläger - präoperativ- ausschließlich im Segment L3/L4 eine radiologisch gesicherte Bandscheibenerkrankung mit Bandscheibenvorfall vorgelegen habe, welche auch wahrscheinlich mit den klinischen Kriterien einer bandscheibenbedingten Erkrankung einhergegangen sei. Die bei späteren gutachterlichen Untersuchungen nachweisbare initiale Höhenminderung dieses Bandscheibenraumes ohne Sekundärreaktionen (Sklerose der Abschlussplatten) sei insoweit eine klassische OP-Folge (Ausräumung des weichen Bandscheibenkerns), was aber offenkundig keine Bandscheibenerkrankung darstelle. Diese wichtige und für die Entscheidung notwendige Differenzierung zwischen prä- und postoperativen Befundverhältnissen fehle in dem Gutachten von Dr. H ... Die beim Kläger vorliegenden asymmetrischen Verhältnisse mit verstärkter ventraler Beckenkippung führten immer aufgrund veränderter statischer Belastung zu einer vorauseilenden Spondylarthrose (Arthrose der Wirbelgelenke), was zeitlich verzögert über die damit verknüpften dysfunktionellen Bewegungsabfolgen in diesen Segmenten auch zu einem vorauseilenden Bandscheibenverschleiß meist in der nächst höheren oder übernächsten Etage führen könne. Exakt um so eine Befundkonstellation handele es sich beim Kläger. Es lägen daher zweifelsfrei konkurrierende Ursachen am lumbosakralen Übergang vor. Im Bandscheibenraum L4/5 habe die nicht indizierte Operation 1989 glücklicherW. nur eine leichte, kaum erkennbare Höhenminderung zurückgelassen. Einen Bandscheibenschaden in den Segmenten L4/5 und L5/S1 gebe es nicht.
Auf Antrag des Kläger gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Arzt für Orthopädie Dr. F. das Gutachten vom 15. Oktober 2007 erstellt. Der Sachverständige hat ausgeführt, der nachgewiesene Schaden des Segments L3/4 sei unbestritten. Der ebenfalls operativ behandelte Schaden des Segments L4/5 habe seinerzeit einen altersentsprechenden Befund dargestellt und sei daher nicht durch spezielle oder vermehrte berufliche Belastung entstanden. Auch die oberen Segmente der Lendenwirbelsäule des Klägers zeigten keine die Altersnorm überschreitenden Veränderungen. Schließlich sei die leicht voranschreitende Verschmälerung des Zwischenwirbelraums L5/S1 eine Folge der anlagebedingten Fehlstatik des lumbosakralen Übergangs mit den von Vorgutachtern mehrfach beschriebenen pathologisch erhöhten Kreuzbeinbasiswinkel und Kreuzbeinneigungswinkel. Insoweit handele es sich um eine reaktive Überlastung des hinteren Bandscheibenbereichs. Die fehlenden, die Altersnorm deutlich überschreitenden Schädigungen im unteren Lendenwirbelsäulenabschnitt ließen ihn zu dem Schluss kommen, dass beim Kläger keine BK vorliege.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und die Senatsakten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch sachlich begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 2108. Das Urteil des SG musste daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Streitgegenstand ist die Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 2108, die die Beklagte durch Bescheid vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2003 abgelehnt hat. Auf diesen im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemachten Anspruch finden die ab 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften des Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Anwendung, wenn man als Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit den März 1997 annimmt, sodass frühestens zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsfall hätte eintreten können. Wenn man unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die seit November 1994 bis März 1997 verrichtete Tätigkeit als Fensterbauer von der Holzberufsgenossenschaft als nicht gefährdend eingestuft wurde, den Zeitpunkt der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit auf November 1994 legt, finden die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, weil dann die geltend gemachte BK vor dem Inkrafttreten des SGB VII eingetreten wäre (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII). Allerdings gelten nach der Übergangsregel des § 214 Abs. 3 SGB VII - abweichend von der Grundregel des § 212 SGB VII - die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, wenn diese Leistungen nach dem In-Kraft-Treten erstmals festzusetzen sind. Wie die zuletzt genannte Wendung zu verstehen ist, ob damit der Zeitpunkt gemeint ist, in dem die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind, oder aber der Zeitpunkt, in dem erstmals durch Verwaltungsakt über die Leistung entschieden wird, ist umstritten und durch die Rechtsprechung bisher nicht geklärt (BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 8 unter Hinweis auf das Urteil vom 20. Februar 2001 - B 2 U 1/00 R). Eine Klärung kann auch dahinstehen, da die für den Anspruch des Klägers maßgeblichen Vorschriften des alten und des neuen Rechts in den streitigen Punkten inhaltlich übereinstimmen (BSG aaO). Dies gilt auch für die umstrittene BK Nr. 2108, welche durch Art 1 Nr 4 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2343) und mit derselben Umschreibung in die Anlage der bis heute geltenden BKV aufgenommen wurde (vgl BSG Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 27/02 R - in JURIS).
Anspruch auf Rente haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (früher §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) über die 26. (früher die 13.) Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 und 6 SGB VII (§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO) genannten Tätigkeiten erleiden. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Hierzu zählen nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS - erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555 a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985 a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität) so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9 B RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Der Senat stellt zunächst fest, dass beim Kläger die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen. Der TAD der Beklagten errechnete in der Belastungsbeurteilung nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) vom 07. Mai 2001 eine berufliche Gesamtdosis des Klägers für den Zeitraum vom 02.09.1967 bis 31.03.1997 in Höhe von 22,01 x 106 Nh (Newton-Stunden). Mit diesem Wert ist die vom Bundessozialgericht im Urteil vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R - (in JURIS) als unterer Grenzwert angenommene Hälfte des bisher geltenden Orientierungswerts für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 nH, also 12,5 x 106 nH, deutlich überschritten.
Die damit erforderlichen einzelfallbezogenen medizinischen Ermittlungen haben ergeben, dass beim Kläger ein Zustand nach am 23. März 1989 operiertem Bandscheibenvorfall und Bandscheibensequester L3/L4 und Ausräumung einer Bandscheibenvorwölbung L4/L5 rechts mit verbliebenem Nervenwurzelschaden rechts mit kompletter Zehen- und Fußheberparese vorliegt. Nach den übereinstimmenden Feststellungen von Dr. E. im urkundenbeweislich verwertenen Gutachten vom 8. Oktober 2002, von Dr. Sch. in der sachverständigen Stellungnahme nach Aktenlage vom 13. Oktober 2006 und von Dr. F. im Gutachten vom 12. Oktober 2007 kann allein der am 23. März 1989 operierte Bandscheibenvorfall bei L3/L4 als bandscheibenbedingte Erkrankung angesehen werden. Demgegenüber waren die im Zeitpunkt der Operation radiologisch nachgewiesenen Bandscheibendegenerationen der Segmente L4/L5 und L5/S1 schon damals nicht als der Altersnorm vorauseilend anzusehen, sodass die Notwendigkeit des damaligen operativen Eingriffs bei L4/L5 von Dr. Sch. in Frage gestellt wird. Unabhängig davon zeigten sich radiologisch im Zeitpunkt der Begutachtungen durch Dr. E., Dr. H. und Dr. F. im Bereich der oberen Segmente der LWS keinerlei die Altersnorm übersteigende Befunde. Die Zwischenwirbelräume waren normal weit und eine übermäßige Spondylose, Chondrose, Spondyarthrose und Bandscheibenvorwölbung ließen sich nicht nachW.n. Auch in den unteren, mechanisch besonders belasteten Segmenten L4/L5 und L5/S1 zeigte sich allenfalls eine leicht voranschreitende Verschmälerung des Zwischenwirbelraums L5/S1, welche aber von Dr. E., Dr. Sch. und Dr. F. als Folge einer reaktiven Überlastung des hinteren Bandscheibenbereiches angesehen wird, da beim Kläger anlagebedingt eine Fehlstatik des lumbosakralen Übergangs besteht. Auch Dr. H. räumt ein, dass sich aus diesen Befunden ein schadenskonformes Muster im Sinne einer vermehrten Schädigung der mechanisch besonders belasteten LWS-Segmente nicht ableiten lässt.
Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob und in welchem Umfang die zuletzt auch von Dr. F. beschriebenen neurologischen Ausfallserscheinungen mit Fußheberschwäche und Zehenheberschwäche rechts mit reaktiver Atrophie der Unterschenkelmuskulatur rechts auf den operierten Bandscheibenschaden bei L3/L4 oder aber - wie Dr. Sch. meint - auf den aus seiner Sicht nicht indizierten Eingriff bei L4/L5 zurückzuführen sind. Auch wenn man annimmt, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich L3/L4 vorliegt, indem man die neurologischen Ausfallserscheinungen ursächlich auf den Bandscheibenvorfall bei L3/L4 zurückführt und somit trotz des operativen Eingriffs weiterhin einen objektivierten Schaden mit chronischen Funktionseinschränkungen feststellt (vgl. hierzu Urteil des BSG SozR 4-5671 Anl 1 Nr. 2108 Nr 2), so fehlt es doch an einem wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung im Segment L3/L4 und den nachgewiesenen Belastungen durch die versicherte Tätigkeit. Hier folgt der Senat den übereinstimmenden Beurteilungen von Dr. E., Dr. Sch. und Dr. F., die wegen des nahezu ausschließlichen Befalls des Segments L3/L4 den Bandscheibenvorfall in diesem Bereich als schicksalshaft und nicht durch die beruflichen Belastungen der LWS entstanden ansehen. Dagegen stehen auch nicht die leicht dem Lebensalter vorauseilenden degenerativen Veränderungen im Segment L5/S1, da dieses durch eine anlagebedingte Fehlstatik im Bereich des lumbosakralen Übergangs besonders belastet wird, nachdem im Bereich der oberen Segmente der LWS keinerlei die Altersnorm übersteigende Befunde erhoben werden konnten.
Die Beurteilungen durch Dr. E., Dr. Sch. und Dr. F. werden im Wesentlichen gestützt durch die Darlegungen in den Konsensempfehlungen (Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (Teil I), veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit, Heft 3/2005, S. 211 ff., online publiziert unter www.hvbg.de/d/pages/versich/risk bk/bk wirbel/index.html ), welche den aktuellen Stand der Wissenschaft wiedergeben (so auch LSG Hamburg, Urteil vom 11. August 2006, L 3 U 27/98, in JURIS). Diese W.n darauf hin, dass für die Anerkennung von entsprechenden Schäden das Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbilds Voraussetzung ist. Dieses wird beschrieben durch einen Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien a. Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, b. Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, c. Verteilungsmuster an der Lendenwirbelsäule, d. Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belstenten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und e. Entwicklung einer Begleitspondylose. Aus biomechanischer Sicht ist danach zu erwarten, dass berufsbedingte Bandscheibenschäden im Segment L3/L4 oder höher zusammen mit Bandscheibenschäden in den beiden unteren LWS-Segmenten, welche den höchsten Kompressionskräften ausgesetzt sind, auftreten. Es besteht also ein Konsens dahingehend, dass Bandscheibenschäden des Segments L3/4 oder höherer Segmente, welche im Rahmen eines mehrsegmentalen Befalls mit Beteiligung der unteren Lendenwirbelsäule auftreten, ein belastungskonformes Schadensbild sind. Eine Aussparung der beiden unteren LWS-Segmente (L4/L5 Und L5/S1) wie im Falle des Klägers spricht dagegen eher gegen eine berufliche Verursachung (Konsensempfehlungen aaO S. 216, 221).
Der abweichenden Beurteilung von Dr. H. vermag der Senat nicht zu folgen. Er räumt einerseits ein, dass ein belastungskonformes Schadensbild nicht vorliegt, andererseits führt er aber die neurologischen Ausfallerscheinungen ursächlich - auch - auf Schädigungen bei L4/L5 und bei L5/S1 zurück, ohne zu begründen, um welche Schäden es sich hierbei handelt und inwieweit diese auf der beruflichen Belastung beruhen.
Nachdem schon ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung bei L3/L4 und der beruflichen Belastung nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, kann dahingestellt bleiben, ob ein Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten bestand und ob und zu welchem Zeitpunkt als Konsequenz aus diesem Zwang die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt ist.
Das Urteil des SG musste daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (BK Nr. 2108) streitig.
Der 1952 geborene Kläger hat von September 1967 bis August 1970 eine Lehre als Zimmermann absolviert und war sodann, unterbrochen durch die Zeit bei der Bundeswehr von Januar 1972 bis April 1974 und Zeiten der Arbeitslosigkeit von November 1986 bis März 1987 und Juli 1994 bis November 1994, bei verschiedenen Zimmereibetrieben und Bauunternehmungen als Zimmermann u.a. bei Dacharbeiten und Einschaler tätig. Ab November 1994 arbeitete er als Fensterbauer bei der Fa. B. bis zu deren Konkurs im März 1997. Seit dem 1. April 1997 war der Kläger arbeitslos. Nach einer berufsfördernden Maßnahme war er von August 1999 bis zum 31. März 2003 als Lagerist beschäftigt und ist seit dem 01.04.2003 erneut arbeitslos.
Am 16. Februar 1998 stellte der Kläger bei der Beklagten Antrag auf Anerkennung der BKen nach Nrn. 2108, 2109 und 2110 BKV.
Im Rahmen der daraufhin angestellten Ermittlungen teilte die Holzberufsgenossenschaft der Beklagten am 25. Juni 1998 unter Vorlage einer Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) Dr. H. vom 16. Juni 1998 mit, bei der Fa. B. sei der Kläger überwiegend mit Arbeiten an der Rahmenpresse beschäftig gewesen und habe Lasten mit einem durchschnittlichen Gewicht von weniger als 10 kg zu heben und zu tragen gehabt. Diese Tätigkeit sei nicht als gefährdend i.S.d. BK Nr. 2108 und 2109 einzustufen.
Unter dem 10. August 1998 teilte der Technische Aufsichtdienst (TAD) der Beklagten mit, in den Jahren 1967 bis 1987 und von 1990 bis 1993 habe der Kläger insgesamt 23 Jahre (276 Monate) Hebe- oder Tragetätigkeiten oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung durchgeführt, wie sie in der Dokumentation für den typischen Zimmererberuf beurteilt werde. Von März 1987 bis November 1990 und von August 1993 bis Juli 1994 habe er insgesamt 57 Monate Hebe- oder Tragetätigkeiten oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeführt, wie sie in der Dokumentation für den typischen Bauhelfer/Bauwerkerberuf beurteilt worden sei.
In der Belastungsbeurteilung nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) vom 07. Mai 2001 errechnete der TAD eine berufliche Gesamtdosis des Klägers für den Zeitraum vom 02.09.1967 bis 31.03.1997 in Höhe von 22,01 x 106 Nh (Newton-Stunden). Dieser Wert liege unter dem Richtwert zur Mindestexposition von 25 x 106 Nh für Männer. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 seien nicht erfüllt.
Im Rahmen der medizinischen Ermittlungen zog die Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Ulm bei und befragte die behandelnden Ärzte des Klägers (Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. und Dr. Sch., Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. und Arzt für Orthopädie Dr. K.), die verschiedene Arztbriefe und Berichte vorlegten, aus denen sich ergab, dass beim Kläger im März 1989 eine Fußheberschwäche rechts aufgetreten war, welche auf einen durch eine lumbale Myelographie in der Praxis der Radiologen Dr. J. und Dr. E. am 23. März 1989 festgestellten großen medialen Bandscheibenvorfall bei L3/4 zurückgeführt wurde. Hingegen fanden sich in den Segmenten L 4/5 und L5/ S1 lediglich Bandscheibenprotrusionen ohne signifikanten Prolaps. Während des stationären Aufenthalts in der orthopädischen Klinik Bertele vom 22. März bis 21. April 1989 wurde am 23. März eine Fenestrotomie von L 3 bis S1 mit Ausräumung eines riesigen Bandscheibensequesters L 3/4 sowie Ausräumung einer Bandscheibenprotrusion L4/L5 rechts medial durchgeführt.
Vorgelegt wurde u.a. auch der ärztliche Entlassungsbericht der Kurklinik Bad Rappenau vom 22.08.1996, wo sich der Kläger wegen eines degenerativen LWS-Syndroms bei Zustand nach Nukleotomie L5/S1 1989 und postoperativer Fußheberschwäche rechts sowie Adipositas vom 23. Juli1996 bis 20. August 1996 in stationärer Behandlung befunden hatte.
Die Beklagte beauftragte Prof. Dr. W., Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, mit der gutachterlichen Untersuchung des Klägers. Im Gutachten vom 05. Februar 1999 mit ergänzender Stellungnahme vom 4. November 1999 führte Prof. Dr. W. aus, der klinische, radiologische und computertomograpische Befund sei ebenso wie der intraoperative Befund bei der Bandscheibenoperation im Jahr 1989 im Sinne eines bandscheibenbedingten Schadens der Lendenwirbelsäule mit Befall mehrerer Segmente der besonders belasteten unteren Wirbelsäule zu werten. Es bestünden persistierende neurologische Ausfallserscheinungen mit Fußheberparese rechts nach Bandscheibenoperation in den Segmenten L3/L4 sowie L4/L5 sowie bandscheibenbedingte degenerative Veränderungen des Bewegungssegmentes L5/S1. Hierbei handle es sich um eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK Nr. 2108, da andere, für die Zusammenhangsbeurteilung bedeutsame Erkrankungen oder Veränderungen des Skelettsystems nicht hätten festgestellt werden können. Während die degenerativen Veränderungen der anderen Wirbelsäulenabschnitte nicht über die Altersnorm hinausgingen, überschritten die degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäulenabschnitte die Altersnorm. Außerberufliche Ursachen oder Mitursachen für die Lendenwirbelsäulenerkrankung seien nicht festzustellen. Es fehle jedoch an die Aufgabe der rückenbelastenden Tätigkeit. Da der Kläger nach seiner Bandscheibenoperation im Jahr 1989 die Tätigkeit in seinem rückenbelastenden Beruf als Zimmermann, Bauzimmermann und Bauhelfer noch bis 1994 ausgeübt habe, habe kein Zwang zum Unterlassen der rückenbelastenden Tätigkeit bestanden. Eine Beendigung dieser Tätigkeit sei erst 1994 aufgrund arbeitsmarktbedingter Umstände erfolgt. Da somit das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 nicht angenommen werden könne, entfalle auch die Einschätzung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Der Beratungsfacharzt der Beklagten Dr. K. vertrat demgegenüber in der Stellungnahme vom 15. Dezember 1999 die Auffassung, aus medizinischen Gründen habe der objektive Zwang zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit bestanden, zumal eine Fußheberschwäche weiterhin als Folge des Bandscheibenvorfalles vorliege. Im Hinblick hierauf sei eine Gesamt-MdE von 20% anzunehmen. Er empfehle eine neurologische Begutachtung.
Nach Beiziehung aktueller Röntgenbilder wurde der Kläger im Auftrag der Beklagten erneut durch den Orthopäden Dr. E. gutachterlich untersucht. Im Gutachten vom 08. Oktober 2002 stellte Dr. E. die Diagnosen eines verbliebenen Nervenwurzelschadens des rechten Beines des lumbalen Dermatoms L4/L5 rechts mit kompletter Parese der Fuß- und Zehenheber und Sensibilitätsstörung im distalen Dermatom L5 rechts nach operiertem Bandscheibenvorfall des Segmentes L3/L4 und einer Protrusion der Bandscheibe L4/L5 vom 23. März 1989 ohne verbliebene Funktions- oder Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule. Nach den vorliegenden Befunden sei von einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule auszugehen. Darüber hinaus bestünden eine Beinverkürzung rechts von 1 cm und eine krankhafte Hohlkreuzbildung des lumbosakralen Wirbelsäulenübergangs. Außer den beruflichen Einwirkungen seien keine weiteren Ursachen oder Mitursachen für die LWS-Erkrankung in Form von anlagebedingten Faktoren, außerberuflichen Einwirkungen oder beruflichen Einwirkungen, die nicht in der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV genannt seien, festzustellen. Der monosegmentale Bandscheibenschaden des Segmentes L3/L4 mit der Wurzelkompression des rechten Beines sei jedoch nicht ursächlich der beruflichen Belastung zuzuordnen. Bei einer beruflichen Belastung sei nämlich zu fordern, dass sich Belastungsspuren nicht nur an den mechanisch am meisten belasteten Segmenten nach W.n ließen, sondern auch im Bereich der mittleren und oberen Lendenwirbelsäule. Die obere Lendenwirbelsäule in den Segmenten L1 bis L3 zeige beim Kläger keinerlei und auch nicht nur geringgradig die Altersnorm übersteigende degenerative Veränderungen. Sowohl die Bandscheibenräume L1 bis L3 seien normal weit wie auch ventrale Spondylosen nicht nachweisbar. Die im Laufe der Jahre in den einzelnen Aufnahmen etwas zunehmende linksseitige Spondylose der Wirbelkörperkanten L2/L3 sei der linkskonvexen Seitausbiegung der LWS zuzuordnen und der asymmetrischen Belastung dieses lumbalen Bewegungssegmentes. So zeige sich auch im Vergleich linksseitig an Grund- und Deckplatte des operierten Segmentes L3/L4 eine wesentlich geringere Spondylose als in Höhe L2/L3 auf den aktuellen Bildern. Die im Laufe der Jahre zunehmende dorsale Verschmälerung des Bandscheibenraumes L5/S1 als Zeichen der Degeneration sei der dort bestehenden erheblichen Hyperlordose des lumbosakralen Übergangsabschnittes zuzuordnen.
Beim Kläger sei somit zum einen ein belastungskonformes Schadensbild im Sinne von die Altersnorm übersteigenden degenerativen Veränderungen im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule nicht nachzuW.n. Zum anderen seien die zu fordernden vordergründigen Schädigungen der mechanisch am meisten belasteten Lumbalsegmente L4/L5 und L5/S1 nicht festzustellen. Die nachzuW.nden Bandscheibendegenerationen dieser Segmente seien nach dem radiologischen Befund keinesfalls als der Altersnorm vorauseilend anzusehen. Beim Kläger liege ein schicksalhafter monosegmentaler Bandscheibenschaden bzw. Bandscheibenvorfall bei L3/L4 vor, welcher nicht einer Berufserkrankung zuzuordnen sei. Es habe auch kein Zwang zur konstanten Unterlassung der Tätigkeiten bestanden, die für die Erkrankung hätten ursächlich sein können. Überdies zeigten die Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 1989 bis 1993, die lediglich einmal eine längere Phase im Jahr 1991 von maximal 41 Tagen beinhalteten, dass krankheitsbedingt eine Aufgabe der Tätigkeit als Zimmerer und Bauhelfer nicht erforderlich gewesen sei.
Mit Bescheid vom 07. November 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, sowohl die arbeitstechnischen Voraussetzungen als auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule seien nicht erfüllt.
Den Widerspruch, zu dessen Begründung vorgetragen wurde, aus den Erhebungen des TAD ergebe sich gerade, dass der Kläger in den Jahren nach 1989 Tätigkeiten mit sehr viel geringerer Belastung der Wirbelsäule als in den Jahren davor ausgeübt habe, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2003 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 28. März 2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm.
Das SG hörte den behandelnden Orthopäden Dr. K. als sachverständigen Zeugen. In der schriftlichen Zeugenaussage vom 03. September 2003 teilte Dr. K. mit, der Kläger stehe seit dem 17. März 1992 in seiner ärztlichen Behandlung. Dieser leide unter einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit rezidivierenden lang anhaltenden Nerven- und Wurzelreizerscheinungen der LWS sowie einer Funktionsbehinderung der HWS, hier jedoch ohne lang anhaltende Wurzelreizerscheinungen.
Das SG beauftragte daraufhin Dr. H. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens. Im Gutachten vom 20. Januar 2004 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 20. Januar 2004 und vom 29. Dezember 2004 stellte Dr. H. die Diagnosen eines Zustandes nach großem sequestriertem Bandscheibenvorfall L3/L4 rechts mit persistierender Fuß-, Zehen- und Großzehenheberlähmung rechts sowie leichter Gefühlsstörungen im Fußinnenrand rechts und deutlicher Unterschenkelatrophie (Verschmächtigung der Muskulatur). Damit liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung vor. Diese verursache auch die hierfür typischen Symptome. Für das Vorliegen einer Berufskrankheit spreche auch die Belastungsdosis nach dem MDD. Der Wert von 25 x 106 Nh stelle einen Mittelwert und nicht einen Schwellenwert dar. Beim Kläger lägen auch keine anlagebedingten Störungen vor, die einen Bandscheibenschaden oder Rückenschmerzen begünstigten. Allerdings habe er einen relativ tiefsitzenden fünften Lendenwirbelkörper. Hierdurch sei davon auszugehen, dass das Segment L5/S1 weniger mobil als üblich sei. Hierdurch werde auch erklärt, warum dieses Segment praktisch keine Verschleißphänomene aufW ... Theoretisch sei dadurch das Segment L4/L5 stärker belastet und deshalb anfälliger für einen Bandscheibenschaden. Nach dem OP-Bericht sei der Bandscheibenvorfall primär jedoch im Segment L3/L4 gelegen, was nicht so richtig zum neurologischen Befund passe. Dieser Befund sei jedoch so zu interpretieren, dass die Etage L3/L4 - nachdem L5/S1 praktisch immobil sei - die zweite mobile Etage von unten sei und der Etage L4/L5 einer Wirbelsäule, bei der L5 nicht so tief sitze, entspreche. Damit sei die - statistisch - etwas ungewöhnliche Lokalisation des Bandscheibenvorfalls erklärt. Es liege auch kein allgemein vermehrter Verschleiß der gesamten Wirbelsäule vor. Die Kriterien für ein so genanntes schadenskonformes Muster seien weder klassisch erfüllt noch eindeutig verfehlt. Beim Kläger zeigten sich relativ diffuse Veränderungen zwischen dem 1. und 5. Lendenwirbel. Formal entspreche dies nicht dem schadenskonformen Muster. Hier müsse aber berücksichtigt werden, dass die Bandscheiben in den Etagen L4/L5 und L3/L4 vor ca. 15 Jahren operiert worden seien. Dies führe praktisch immer im Laufe der Jahre zu einem radiologisch sichtbaren Verschleißprozess. Spondylotische Veränderungen in der oberen Lendenwirbelsäule seien aber prinzipiell vereinbar mit einem schadenskonformen Muster. Damit liege eine BK nach Nr. 2108 vor. Der Kläger habe auch spätestens ab Januar 2003 die belastende Tätigkeit aufgegeben. Eine von Dr. E. als Ursache der zunehmenden linksseitigen Spondylosen in der Etage L2/L3 unterstellte Seitverbiegung der Wirbelsäule sei so geringfügig, dass sie keinerlei Relevanz habe. Diese Geringfügigkeit zeige sich auch an der stärkeren Spondylose auf der Konvexseite der Segmente L3/4 und L2/3. Darüber hinaus habe Dr. E. auch eine zunehmende dorsale Verschmälerung des Bandscheibenraumes L5/S1 beschrieben. Über die Feststellungen von Dr. E. hinaus bestünden auch spondylotische Veränderungen in der Etage L4/5. Dr. E. ignoriere im Übrigen völlig die klinische Neurologie. Ein alleiniger Bandscheibenvorfall in Höhe L3/L4 sei nicht geeignet, eine Fuß-/Zehenheberparese auszulösen. So habe schon Dr. L. bei der Nachuntersuchung im September 1989 deutliche Wurzelschäden S1 festgestellt, die mit einem Vorfall auf Höhe L3/L4 nicht zu erklären seien. Ein monosegmentaler Bandscheibenvorfall L3/L4 alleine sei nicht geeignet, die objektivierbaren neurologischen Schäden zu erklären. Die MdE schätze er auf Dauer auf 20 v.H ein.
Dem trat die Beklagte unter Vorlage einer orthopädischen Zusammenhangsstellungnahme nach Aktenlage von Dr. Sch. vom 25. Mai 2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 15. Oktober 2004 entgegen. Aus den Unterlagen ergäben sich durchaus relativ typische Zeichen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Beim Kläger sei jedoch als Ursache der bandscheibenbedingten Erkrankung neben den beruflichen Belastungen ein schicksalhaft endogener Faktor in Form einer verstärkten Kippung des Kreuzbeines festzustellen, die sich erfahrungsgemäß auf die Bandscheiben der unteren Segmente auswirke. Außerdem bestünden auch geringe Asymmetrien der unteren Lendenwirbel, sodass konkurrierende Ursachenfaktoren nicht gänzlich verneint werden könnten. Beim Kläger liege jedoch kein belastungskonformes Schadensbild vor. In den beiden Segmenten L3/4 und L4/5 seien auch noch nach zehn Jahren keine bedeutsamen umformenden Veränderungen bzw. Reaktionen entstanden. Es lägen auch keine relevanten Reaktionen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose vor, die dem Alter in ihrer Ausprägung deutlich vorauseilen würden, sodass man sie als belastungsinduziert charakterisieren könne. Ein solches Befundbild lasse sich nicht mit der Verteilung und Größenordnung der einwirkenden Kräfte in Einklang bringen. Da vorliegend keine belastungsinduzierten Reaktionen vorlägen, liege auch kein belastungskonformes Schadensbild vor, wodurch die Empfehlung zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach BK Nr. 2108 nicht vertretbar sei.
Mit Urteil vom 24. Februar 2005 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 07. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2003 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger unter Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.
Zur Begründung führte es aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 18.03.2003 - B 2 U 13/02 R; 19.08.2003 - B 2 U 1/02 R) seien die Belastungswerte im MDD keine Grenz-, sondern allenfalls Orientierungswerte, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellten. Bei einem Unterschreiten des Wertes für die Tagesdosis um mehr als die Hälfte müsse das Gericht sich zur Einholung eines Zusammenhangsgutachtens nicht gedrängt sehen. Hieraus folge, dass dann, wenn die Belastungswerte sehr nahe an den Orientierungswert des MDD heranreichten, die Frage der Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht isoliert von medizinischen Befunden gesehen werden könne. Diese rechtfertigten insgesamt die Bejahung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Das Gericht folge hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen der Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. W. und Dr. H ... Danach zeige das klinische, radiologische, computertomographische Bild sowie der intraoperative Befund einen bandscheibenbedingten Schaden mit Befall mehrerer Segmente der besonders belasteten unteren Lendenwirbelsäule. Die Lokalisation des Bandscheibenvorfalls auf der Ebene L3/L4 sei durch Dr. H. nachvollziehbar dadurch erklärt worden, dass der Kläger einen relativ tief sitzenden 5. Lendenwirbelkörper habe und deshalb das Segment L5/S1 weniger mobil als üblich sei. Das SG folge Dr. H. auch hinsichtlich der Beurteilung, dass die am 1. bis 4. Lendenwirbel in unregelmäßiger Verteilung erkennbaren initialen Spondylophyten vom Grad I und der chondrotisch in der Höhe geminderte Bandscheibenraum L3/L4 einem belastungskonformen Schadensbild entspreche.
Gegen das am 8. April 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. April 2005 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, der Kläger habe den für eine Berufskrankheit Nr. 2108 geltenden Richtwert zur Mindestexposition nicht erreicht. Darüber hinaus könnten die beim Kläger vorliegenden bandscheibenbedingten Veränderungen der LWS nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit den beruflichen Belastungen zugeordnet werden, da das belastungskonforme Schadensbild fehle. Beim Kläger lägen keine dem Lebensalter vorauseilenden Reaktionen mit Osteochondrosen der unteren Lendenwirbelsäule und Begleit-Spondylosen der mittleren und oberen Lendenwirbelsäule vor. Daneben bestünden konkurrierende Ursachenfaktoren für das Bandscheibenleiden in Form einer verstärkten Kippung des Kreuzbeines und geringe Asymmetrien der unteren Lendenwirbel.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24. Februar 2005 aufzuheben und die Klage abzuW.n.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuW.n.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat vom Arzt für Orthopädie -Sozialmedizin- Dr. Sch. eine ergänzende Stellungnahme vom 13. Oktober 2006 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, aus den vorliegenden Unterlagen lasse sich ableiten, dass beim Kläger - präoperativ- ausschließlich im Segment L3/L4 eine radiologisch gesicherte Bandscheibenerkrankung mit Bandscheibenvorfall vorgelegen habe, welche auch wahrscheinlich mit den klinischen Kriterien einer bandscheibenbedingten Erkrankung einhergegangen sei. Die bei späteren gutachterlichen Untersuchungen nachweisbare initiale Höhenminderung dieses Bandscheibenraumes ohne Sekundärreaktionen (Sklerose der Abschlussplatten) sei insoweit eine klassische OP-Folge (Ausräumung des weichen Bandscheibenkerns), was aber offenkundig keine Bandscheibenerkrankung darstelle. Diese wichtige und für die Entscheidung notwendige Differenzierung zwischen prä- und postoperativen Befundverhältnissen fehle in dem Gutachten von Dr. H ... Die beim Kläger vorliegenden asymmetrischen Verhältnisse mit verstärkter ventraler Beckenkippung führten immer aufgrund veränderter statischer Belastung zu einer vorauseilenden Spondylarthrose (Arthrose der Wirbelgelenke), was zeitlich verzögert über die damit verknüpften dysfunktionellen Bewegungsabfolgen in diesen Segmenten auch zu einem vorauseilenden Bandscheibenverschleiß meist in der nächst höheren oder übernächsten Etage führen könne. Exakt um so eine Befundkonstellation handele es sich beim Kläger. Es lägen daher zweifelsfrei konkurrierende Ursachen am lumbosakralen Übergang vor. Im Bandscheibenraum L4/5 habe die nicht indizierte Operation 1989 glücklicherW. nur eine leichte, kaum erkennbare Höhenminderung zurückgelassen. Einen Bandscheibenschaden in den Segmenten L4/5 und L5/S1 gebe es nicht.
Auf Antrag des Kläger gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Arzt für Orthopädie Dr. F. das Gutachten vom 15. Oktober 2007 erstellt. Der Sachverständige hat ausgeführt, der nachgewiesene Schaden des Segments L3/4 sei unbestritten. Der ebenfalls operativ behandelte Schaden des Segments L4/5 habe seinerzeit einen altersentsprechenden Befund dargestellt und sei daher nicht durch spezielle oder vermehrte berufliche Belastung entstanden. Auch die oberen Segmente der Lendenwirbelsäule des Klägers zeigten keine die Altersnorm überschreitenden Veränderungen. Schließlich sei die leicht voranschreitende Verschmälerung des Zwischenwirbelraums L5/S1 eine Folge der anlagebedingten Fehlstatik des lumbosakralen Übergangs mit den von Vorgutachtern mehrfach beschriebenen pathologisch erhöhten Kreuzbeinbasiswinkel und Kreuzbeinneigungswinkel. Insoweit handele es sich um eine reaktive Überlastung des hinteren Bandscheibenbereichs. Die fehlenden, die Altersnorm deutlich überschreitenden Schädigungen im unteren Lendenwirbelsäulenabschnitt ließen ihn zu dem Schluss kommen, dass beim Kläger keine BK vorliege.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und die Senatsakten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch sachlich begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 2108. Das Urteil des SG musste daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Streitgegenstand ist die Anerkennung und Entschädigung einer BK nach Nr. 2108, die die Beklagte durch Bescheid vom 7. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2003 abgelehnt hat. Auf diesen im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemachten Anspruch finden die ab 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften des Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Anwendung, wenn man als Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit den März 1997 annimmt, sodass frühestens zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsfall hätte eintreten können. Wenn man unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die seit November 1994 bis März 1997 verrichtete Tätigkeit als Fensterbauer von der Holzberufsgenossenschaft als nicht gefährdend eingestuft wurde, den Zeitpunkt der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit auf November 1994 legt, finden die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, weil dann die geltend gemachte BK vor dem Inkrafttreten des SGB VII eingetreten wäre (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII). Allerdings gelten nach der Übergangsregel des § 214 Abs. 3 SGB VII - abweichend von der Grundregel des § 212 SGB VII - die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, wenn diese Leistungen nach dem In-Kraft-Treten erstmals festzusetzen sind. Wie die zuletzt genannte Wendung zu verstehen ist, ob damit der Zeitpunkt gemeint ist, in dem die materiellen Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind, oder aber der Zeitpunkt, in dem erstmals durch Verwaltungsakt über die Leistung entschieden wird, ist umstritten und durch die Rechtsprechung bisher nicht geklärt (BSG SozR 4-2700 § 9 Nr 8 unter Hinweis auf das Urteil vom 20. Februar 2001 - B 2 U 1/00 R). Eine Klärung kann auch dahinstehen, da die für den Anspruch des Klägers maßgeblichen Vorschriften des alten und des neuen Rechts in den streitigen Punkten inhaltlich übereinstimmen (BSG aaO). Dies gilt auch für die umstrittene BK Nr. 2108, welche durch Art 1 Nr 4 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2343) und mit derselben Umschreibung in die Anlage der bis heute geltenden BKV aufgenommen wurde (vgl BSG Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 27/02 R - in JURIS).
Anspruch auf Rente haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (früher §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) über die 26. (früher die 13.) Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 und 6 SGB VII (§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO) genannten Tätigkeiten erleiden. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Hierzu zählen nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS - erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555 a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985 a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität) so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9 B RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Der Senat stellt zunächst fest, dass beim Kläger die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen. Der TAD der Beklagten errechnete in der Belastungsbeurteilung nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) vom 07. Mai 2001 eine berufliche Gesamtdosis des Klägers für den Zeitraum vom 02.09.1967 bis 31.03.1997 in Höhe von 22,01 x 106 Nh (Newton-Stunden). Mit diesem Wert ist die vom Bundessozialgericht im Urteil vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R - (in JURIS) als unterer Grenzwert angenommene Hälfte des bisher geltenden Orientierungswerts für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 nH, also 12,5 x 106 nH, deutlich überschritten.
Die damit erforderlichen einzelfallbezogenen medizinischen Ermittlungen haben ergeben, dass beim Kläger ein Zustand nach am 23. März 1989 operiertem Bandscheibenvorfall und Bandscheibensequester L3/L4 und Ausräumung einer Bandscheibenvorwölbung L4/L5 rechts mit verbliebenem Nervenwurzelschaden rechts mit kompletter Zehen- und Fußheberparese vorliegt. Nach den übereinstimmenden Feststellungen von Dr. E. im urkundenbeweislich verwertenen Gutachten vom 8. Oktober 2002, von Dr. Sch. in der sachverständigen Stellungnahme nach Aktenlage vom 13. Oktober 2006 und von Dr. F. im Gutachten vom 12. Oktober 2007 kann allein der am 23. März 1989 operierte Bandscheibenvorfall bei L3/L4 als bandscheibenbedingte Erkrankung angesehen werden. Demgegenüber waren die im Zeitpunkt der Operation radiologisch nachgewiesenen Bandscheibendegenerationen der Segmente L4/L5 und L5/S1 schon damals nicht als der Altersnorm vorauseilend anzusehen, sodass die Notwendigkeit des damaligen operativen Eingriffs bei L4/L5 von Dr. Sch. in Frage gestellt wird. Unabhängig davon zeigten sich radiologisch im Zeitpunkt der Begutachtungen durch Dr. E., Dr. H. und Dr. F. im Bereich der oberen Segmente der LWS keinerlei die Altersnorm übersteigende Befunde. Die Zwischenwirbelräume waren normal weit und eine übermäßige Spondylose, Chondrose, Spondyarthrose und Bandscheibenvorwölbung ließen sich nicht nachW.n. Auch in den unteren, mechanisch besonders belasteten Segmenten L4/L5 und L5/S1 zeigte sich allenfalls eine leicht voranschreitende Verschmälerung des Zwischenwirbelraums L5/S1, welche aber von Dr. E., Dr. Sch. und Dr. F. als Folge einer reaktiven Überlastung des hinteren Bandscheibenbereiches angesehen wird, da beim Kläger anlagebedingt eine Fehlstatik des lumbosakralen Übergangs besteht. Auch Dr. H. räumt ein, dass sich aus diesen Befunden ein schadenskonformes Muster im Sinne einer vermehrten Schädigung der mechanisch besonders belasteten LWS-Segmente nicht ableiten lässt.
Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob und in welchem Umfang die zuletzt auch von Dr. F. beschriebenen neurologischen Ausfallserscheinungen mit Fußheberschwäche und Zehenheberschwäche rechts mit reaktiver Atrophie der Unterschenkelmuskulatur rechts auf den operierten Bandscheibenschaden bei L3/L4 oder aber - wie Dr. Sch. meint - auf den aus seiner Sicht nicht indizierten Eingriff bei L4/L5 zurückzuführen sind. Auch wenn man annimmt, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich L3/L4 vorliegt, indem man die neurologischen Ausfallserscheinungen ursächlich auf den Bandscheibenvorfall bei L3/L4 zurückführt und somit trotz des operativen Eingriffs weiterhin einen objektivierten Schaden mit chronischen Funktionseinschränkungen feststellt (vgl. hierzu Urteil des BSG SozR 4-5671 Anl 1 Nr. 2108 Nr 2), so fehlt es doch an einem wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung im Segment L3/L4 und den nachgewiesenen Belastungen durch die versicherte Tätigkeit. Hier folgt der Senat den übereinstimmenden Beurteilungen von Dr. E., Dr. Sch. und Dr. F., die wegen des nahezu ausschließlichen Befalls des Segments L3/L4 den Bandscheibenvorfall in diesem Bereich als schicksalshaft und nicht durch die beruflichen Belastungen der LWS entstanden ansehen. Dagegen stehen auch nicht die leicht dem Lebensalter vorauseilenden degenerativen Veränderungen im Segment L5/S1, da dieses durch eine anlagebedingte Fehlstatik im Bereich des lumbosakralen Übergangs besonders belastet wird, nachdem im Bereich der oberen Segmente der LWS keinerlei die Altersnorm übersteigende Befunde erhoben werden konnten.
Die Beurteilungen durch Dr. E., Dr. Sch. und Dr. F. werden im Wesentlichen gestützt durch die Darlegungen in den Konsensempfehlungen (Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (Teil I), veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit, Heft 3/2005, S. 211 ff., online publiziert unter www.hvbg.de/d/pages/versich/risk bk/bk wirbel/index.html ), welche den aktuellen Stand der Wissenschaft wiedergeben (so auch LSG Hamburg, Urteil vom 11. August 2006, L 3 U 27/98, in JURIS). Diese W.n darauf hin, dass für die Anerkennung von entsprechenden Schäden das Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbilds Voraussetzung ist. Dieses wird beschrieben durch einen Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien a. Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, b. Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, c. Verteilungsmuster an der Lendenwirbelsäule, d. Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belstenten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und e. Entwicklung einer Begleitspondylose. Aus biomechanischer Sicht ist danach zu erwarten, dass berufsbedingte Bandscheibenschäden im Segment L3/L4 oder höher zusammen mit Bandscheibenschäden in den beiden unteren LWS-Segmenten, welche den höchsten Kompressionskräften ausgesetzt sind, auftreten. Es besteht also ein Konsens dahingehend, dass Bandscheibenschäden des Segments L3/4 oder höherer Segmente, welche im Rahmen eines mehrsegmentalen Befalls mit Beteiligung der unteren Lendenwirbelsäule auftreten, ein belastungskonformes Schadensbild sind. Eine Aussparung der beiden unteren LWS-Segmente (L4/L5 Und L5/S1) wie im Falle des Klägers spricht dagegen eher gegen eine berufliche Verursachung (Konsensempfehlungen aaO S. 216, 221).
Der abweichenden Beurteilung von Dr. H. vermag der Senat nicht zu folgen. Er räumt einerseits ein, dass ein belastungskonformes Schadensbild nicht vorliegt, andererseits führt er aber die neurologischen Ausfallerscheinungen ursächlich - auch - auf Schädigungen bei L4/L5 und bei L5/S1 zurück, ohne zu begründen, um welche Schäden es sich hierbei handelt und inwieweit diese auf der beruflichen Belastung beruhen.
Nachdem schon ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung bei L3/L4 und der beruflichen Belastung nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, kann dahingestellt bleiben, ob ein Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten bestand und ob und zu welchem Zeitpunkt als Konsequenz aus diesem Zwang die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt ist.
Das Urteil des SG musste daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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