L 8 SB 3937/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 1051/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3937/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist (noch) die Neufeststellung eines höheren Grad der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) streitig.

Bei dem 1949 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt Stuttgart mit Bescheid vom 08.03.2004 wegen einer Lähmung des linken Schienbeinnervs den GdB mit 30 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit 19.12.2003 fest.

Am 29.04.2004 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt Stuttgart (VA) die die Feststellung eines höheren GdB sowie der Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) wegen der Verschlimmerung der bisher berücksichtigten Gesundheitsstörungen (Taubheit des linken Fußes) sowie einer neu aufgetretenen Gesundheitsstörung (starke Gehbehinderung nach einer Venenoperation). Das VA nahm zahlreiche medizinische Befundunterlagen zu den Akten (Befundberichte der Ärztin L. vom 25.09.2003 und 29.04.2004 sowie des Klinikum S.vom 25.09.2003 und 26.09.2003, Reha-Entlassungsbericht der O. Klinik St. W. vom 05.01.2004, ärztliches Attest des Universitätsklinikums T. ohne Datum und Befundbericht vom 25.02.2004, Befundschein der Dr. S. vom 23.05.2004, Befundberichte des Dr. R. vom 16.09.1994 und 06.10.1994, Arztbrief des R.-B.-Krankenhaus vom 17.06.1998 und Befundbericht vom 25.06.1998, Befundschein Dr. K.-S. vom 10.08.2004). Nach versorgungsärztlicher Auswertung durch Dr. K. vom 29.09.2004 lehnte das VA mit Bescheid vom 13.10.2004 den Antrag des Klägers auf Neufeststellung des GdB sowie auf Feststellung des Merkzeichens "G" ab.

Hiergegen legte der Kläger am 21.10.2004 Widerspruch ein und bat um erneute Prüfung. Das VA holte daraufhin den Befundschein der Ärztin L. vom 28.10.2004 ein. Dr. G. empfahl in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 19.11.2004 wegen einer Lähmung des linken Schienbeinnervs den GdB mit 30 festzustellen und eine Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform, operierte Krampfadern, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, den Verlust der Gallenblase und einen Herzklappenfehler nicht als Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen. Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 26.01.2005 wurde daraufhin den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, in den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 08.03.2004 zugrunde gelegen hätten, sei nach Auswertung der vorliegenden Befundunterlagen eine wesentliche Änderung nicht eingetreten.

Hiergegen erhob der Kläger am 25.02.2005 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), mit dem Ziel, den GdB mit mindestens 50 seit 29.04.2004 festzustellen. Er führte zur Begründung aus, unstreitig sei, dass für die Lähmung des linken Schienbeinnervs ein Einzel-GdB in Höhe von 30 zuerkannt werden könne. Der Beklagte habe jedoch eine Funktionsstörung durch beidseitige Fußfehlform, Krampfadern, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, den Verlust der Gallenblase/Oberbauchbeschwerden, und einen Herzklappenfehler als weitere Funktionsbeeinträchtigungen nicht berücksichtigt, die gleichfalls einen Einzel-GdB in Höhe von mindestens 20 bedingten.

Das SG hörte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie L., die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. und die Orthopädin Dr. K.-S. jeweils schriftlich als sachverständige Zeugen. Die Ärztin L. teilte in ihrer Stellungnahme vom 06.07.2005 unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen die erhobenen Befunde und als Diagnose eine Läsion des Nervus tibialis links in Höhe der Kniekehle mit Plegie (d. h. vollständige Lähmung) der Fuß- und Zehensenker links mit. Auf neurologischem Fachgebiet schätzte sie den GdB auf 50. Dr. S. teilte in ihrer Stellungnahme vom 10.07.2005 unter Vorlage von medizinischen Befundunterlagen den Behandlungsverlauf und die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen mit. Zu einer Stellungnahme zum GdB sah sie sich nicht in der Lage. Dr. K.-S. teilte in ihrer Stellungnahme vom 13.09.2005 die erhobenen Befunde und Diagnosen seit April 2004 mit. Bezüglich der Lähmung des linken Schienbeinnervs, der Nichtberücksichtigung der Fußfehlform und der Krampfadern teilte sie die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes. Für eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und der rechten Hüfte schätzte sie den GdB auf 10 und den Gesamt-GdB auf 40.

Der Beklagte trat der Klage weiter entgegen und legte die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. Gö. vom 28.11.2005 vor, in der unter Berücksichtigung der Lähmung des linken Schienbeinnervs (Teil-GdB 30), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) und einer Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenkes (Teil-GdB 10) der Gesamt-GdB mit 30 seit 29.04.2004 angenommen wurde.

Mit Urteil vom 18.05.2006 verurteilte das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 13.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2005 den beim Kläger vorliegenden GdB mit 40 seit 29.04.2004 festzustellen; im Übrigen wies es die Klage ab. Das SG führte zur Begründung aus, der nahezu vollständige Ausfall des Nervus tibialis (Lähmung des linken Schienbeinnervs) sei mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Die Arthrose am rechten Kniegelenk des Klägers sei als geringgradig einzustufen und mit einem Teil-GdB von 10 und die Arthrose an der rechten Hüfte mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die Funktionseinschränkungen infolge einer Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers seien mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend bewertet. Eine Hypertonie und der Verlust der Gallenblase seien jeweils mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Ein für die Bemessung des GdB relevanter Herzklappenfehler liege nicht vor. Auch die beidseitige Fußfehlform des Klägers sei nicht mit einem Teil-GdB zu bewerten. Funktionseinschränkungen durch Varizen seien nicht ersichtlich, so dass insoweit ebenfalls keine GdB-relevante Erkrankung vorliege. Ein Gesamt-GdB von 40 seit der Antragstellung sei gerechtfertigt.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.07.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.08.2006 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, das Urteil des SG sei unter Verstoß gegen § 106 SGG zustande gekommen. Das SG habe nicht alle behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen vernommen, so insbesondere nicht den benannten HNO-Arzt. Die Zeugenaussage der Dr. K.-S. habe aufgrund der Lückenhaftigkeit nicht für die Entscheidung verwertet werden können. Weiter sei zu rügen, dass dem SG für die Beurteilung des Ausmaßes der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen keine aussagekräftigen ärztlichen Unterlagen vorgelegen hätten. Sämtliche Feststellungen des SG hinsichtlich des Fachbereiches der Orthopädie seien mehr oder minder unsubstantiierte Vermutungen. Hinsichtlich der Venen bei schwerer Varicosis leide er nach wie vor unter erheblichen Beschwerden. Weiter habe Dr. S. seine Erkrankung des Herzens als mittelschwer bis schwer eingestuft. Das SG habe für seine Bewertung, dass diese Erkrankung nicht schwerwiegend sei, Befundberichte aus dem Jahr 1994 zitiert, die schlechterdings nicht geeignet seien, die zeitnahe aktuelle Zeugenaussage zu entkräften. Soweit sich im Übrigen die behandelnde Orthopädin zum Ausmaß eventueller Funktionsbeeinträchtigungen äußere, die ihr Fachgebiet nicht beträfen, seien diese Äußerungen nicht verwertbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Mai 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2005 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, den Grad der Behinderung seit 29. April 2004 auf mindestens 50 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zur Begründung ausgeführt, die Erhöhung des GdB auf 40 unter Berücksichtigung der Arthrose der rechten Hüfte sei zwar weitreichend, aber zumindest noch vertretbar. Die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft komme nicht in Betracht. Die Fußfehlform und die Krampfadern bedingten keinen Teil-GdB von wenigstens 10. Ein GdB-relevanter Herzklappenfehler lasse sich den zeugenschaftlichen Auskünften und Befundunterlagen nicht entnehmen. Neue medizinische Gesichtspunkte, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten, seien der Berufungsschrift nicht zu entnehmen.

Der Senat hat (auf der Grundlage der Angaben des Klägers) Dr. S., den Hautarzt/Allergologe Dr. H. und den HNO-Arzt Dr. E. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. H. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 26.03.2007 unter Vorlage von medizinischen Unterlagen mitgeteilt, er habe den Kläger wegen einer Varicosis in seiner Praxis nie behandelt. Die Beschwerden oder Beeinträchtigungen durch die Varicosis seien zwischen ihm und dem Kläger nie besprochen worden. Zum GdB könnten keine Angaben gemacht werden. Dr. E. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 27.03.2007 unter Vorlage von Tonaudiogrammen über die Behandlung des Klägers und den festgestellten Befund sowie die Diagnose berichtet und den GdB mit 10 bewertet. Dr. S. hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 06.04.2007 unter Vorlage von Befundberichten über die Herzerkrankung des Klägers in den Jahren 1994 und 1996 und die erhobenen Befunde berichtet. Sie hat weiter mitgeteilt, der Kläger habe sich seit 1996 wegen Herzbeschwerden nicht wieder gemeldet und keine Überweisung zum Facharzt angefordert. Zum GdB könne sie keine Stellung nehmen. Der Kläger befinde sich wegen verschiedener anderer Erkrankungen regelmäßig in ihrer hausärztlichen Behandlung. Über Herzbeschwerden habe er seit dem genannten Zeitpunkt nicht geklagt und habe dafür keinerlei medikamentöse Therapie erhalten.

Der Kläger hat im Verlaufe des Berufungsverfahrens weitere medizinische Befundberichte vorgelegt (Dr. S. vom 25.07.2007 und 19.06.2008, Universitätsklinikum T. vom 03.07.2007).

Der Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Gö. vom 08.01.2008 ergänzend ausgeführt, nach Auswertung der im Berufungsverfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen könne als weitere Funktionsbeeinträchtigung "Schwerhörigkeit rechts" mit einem Teil-GdB von 10 ohne Auswirkungen auf die Höhe des Gesamt-GdB berücksichtigt werden.

Der Rechtstreit ist durch den Berichterstatter in nichtöffentlicher Sitzung am 25.04.2008 mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift vom 25.04.2008 wird verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf ein Band Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit der Kläger die Feststellung eines GdB von 50 oder mehr begehrt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufeststellung eines GdB von mehr als 40.

Der Beklagte wird seit 01.01.2005 wirksam durch das Regierungspräsidium Stuttgart vertreten. Nach § 71 Abs. 5 SGG wird in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts das Land durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten. In Baden-Württemberg sind die Aufgaben des Landesversorgungsamts durch Art 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz - VRG -) vom 01.07.2004 (GBl S. 469) mit Wirkung ab 01.01.2005 (Art 187 VRG) auf das Regierungspräsidium Stuttgart übergegangen.

Der Bescheid des Beklagten vom 13.10.2004 ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, soweit mit diesem Bescheid die beantragte Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "G" abgelehnt wurde. Der Kläger hat gegen diese Ablehnung beim SG nicht geklagt. Er hat sich vielmehr mit seiner Klage nur gegen die Höhe des GdB gewandt, wie sich aus seinem Klageantrag und der Klagebegründung zweifelsfrei ergibt. Dem entspricht auch sein Antrag im Berufungsverfahren. Damit ist der Bescheid vom 13.10.2004 hinsichtlich der Nichtfeststellung des Merkzeichens "G" - teilweise - bestandskräftig geworden.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5).

Auf Antrag des Behinderten stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den daraus resultierenden GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX), so dass auch hier die AHP heranzuziehen sind.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).

Hiervon ausgehend beträgt der Gesamt-GdB beim Kläger 40. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung mit dem SG zu dem Ergebnis, dass beim Kläger die Lähmung des linken Schienbeinnervs ein Teil-GdB von 30 und die Arthrose an der rechten Hüfte ein Teil-GdB von 20 bedingen, die mit einem Gesamt-GdB von 40 zu bewerten sind und dass die weiteren Gesundheitsstörungen des Klägers keine bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigende Funktionseinschränkungen hervorrufen. Dies hat das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen voll umfänglich Bezug (§ 153 Absatz 2 SGG).

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers bleibt ergänzend auszuführen:

Die vom Senat durchgeführten weiteren Ermittlungen rechtfertigen einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht.

Zwar besteht nach der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. E. vom 27.03.2007 beim Kläger zusätzlich eine Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts mit einem prozentualen Hörverlust von 75% (links 5%). Hieraus resultiert nach den AHP Nr. 26.5 Seite 59 ein Teil-GdB von 10, wie auch Dr. E. angenommen hat. Diese Beeinträchtigung ist nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhend zu berücksichtigen.

Dass beim Kläger Venenbeschwerden vorliegen, die eine Erhöhung des GdB auf 50 oder mehr rechtfertigen, ist nicht der Fall. Der Kläger hat hierzu auf ausdrückliche Nachfrage des Berichterstatters angegeben, wegen einer Varikose bei Dr. H. in Behandlung zu sein. Dr. H. hat demgegenüber in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 26.03.2007 mitgeteilt, den Kläger wegen einer Varikose nie behandelt zu haben und dass der Kläger Beschwerden oder Beeinträchtigungen durch eine Varikose nie mit ihm besprochen habe. Aufgrund dieser Angaben ist davon auszugehen, dass das (operierte) Venenleiden des Klägers, wenn überhaupt, nur geringfügige Funktionsbeeinträchtigungen hervorruft, die bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht zu berücksichtigen sind und die überdies die Schwerbehinderteneigenschaft nicht begründen können. Nach den AHP Nr. 26.9 Seite 74f. ist eine chronisch-venöse Insuffizienz erst mit erheblicher Ödembildung, häufig (mehrmals im Jahr) rezidivierenden Entzündungen ein- oder beidseitig mit einen Teil-GdB von 20 bis 30 zu bewerten. Dass dies beim Kläger der Fall ist, ist nicht ersichtlich. Bei einem Lymphödem an einer Gliedmaße beträgt nach den AHP Nr. 26.9 Seite 75 der GdB 20 bis 40 mit stärkerer Umfangsvermehrung (mehr als 3 cm) je nach der Funktionsbeeinträchtigung. Dass dies beim Kläger zutrifft, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dem vom Kläger vorgelegten Befundbericht des Dr. S. vom 19.06.2008, der bis auf eine neu diagnostiziertes prim. Lymphödem II links (sekundär verschlechtert) dem Befundbericht vom 25.07.2007 entspricht, lassen sich Befunde, die nach den AHP einen bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden GdB von über 10 wegen der Varikose bzw. einem Lymphödem rechtfertigen, nicht entnehmen und sind auch aus den sonst vorliegenden Befundberichten nicht ersichtlich.

Auch eine Herzerkrankung, die eine Erhöhung des GdB auf 50 oder mehr rechtfertigt, liegt beim Kläger nicht vor. Nach der hierzu vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der Dr. S. vom 06.04.2007 befand sich der Kläger wegen Herzbeschwerden lediglich im August 1994 und 1996 in Behandlung. Nach den hierzu vorliegenden Befundberichten liegt eine zu berücksichtigende Herzerkrankung des Klägers nicht vor, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Seit 1996 hat sich der Kläger wegen Herzbeschwerden bei Dr. S. nicht wieder gemeldet. Auch eine Überweisung zu einem Facharzt ist vom Kläger nicht angefordert worden. Im Verlaufe der regelmäßigen hausärztlichen Behandlung des Klägers durch Dr. S. hat der Kläger seit 1996 über Herzbeschwerden nicht geklagt und hat dafür auch keine medikamentöse Therapie erhalten, wie Dr. S. weiter ausgeführt hat. Vom Vorliegen einer GdB-relevanten, die Schwerbehinderteneigenschaft begründenden Herzerkrankung des Klägers kann bei dieser Sachlage nicht ausgegangen werden.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und der durchgeführten Ermittlungen im Verfahren erster und zweiter Instanz aufgeklärt. Aus diesen Befunden kann zuverlässig auf die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft geschlossen werden. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die sachverständige Zeugenaussage der Dr. K.-S. an das SG, die die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule des Klägers sowie der Hüfte jeweils mit einem Teil-GdB von 10 und den Gesamt-GdB mit 40 bewertet hat, könne aufgrund einer Lückenhaftigkeit nicht für die Entscheidung verwertet werden. Sein hierzu gemachtes Vorbringen zieht die Verwertbarkeit der Angaben und der Bewertung des GdB durch Dr. K.-S. nicht in Zweifel. Das Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren lässt keine Tatsachen erkennen, dass die Bewertung des GdB durch Dr. K.-S. nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Dies gilt auch für die sonst vorliegenden medizinischen Befundunterlagen. Eine wesentliche Verschlechterung, die in den aktenkundigen Unterlagen noch nicht enthalten ist, hat der Kläger nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Der Einholung von Sachverständigengutachten bedarf es daher nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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