Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 3996/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3945/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.06.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1951 geborene Klägerin hat eine im April 1967 begonnene Ausbildung zur Industriekauffrau ohne Abschluss abgebrochen. Eine Ausbildung zur Bürokauffrau im Rahmen einer Abendschule in den Jahren 1986 und 1987 wurde erfolgreich beendet. Die Klägerin war im Januar und Februar 1970 als Bürogehilfin, von März 1970 bis Dezember 1970 als Kontoristin, von August 1971 bis November 1973 als Näherin, von Juni 1977 bis Dezember 1979 als Arbeiterin, von Januar 1980 bis März 1984 als Reinemachfrau, von März 1984 bis September 1991 als Kontoristin und zuletzt von Oktober 1991 bis März 2005 als Arbeiterin in der Fertigung beschäftigt.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 10.05.2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.08.2005 und Widerspruchsbescheid vom 30.11.2005 ab. Dem lag ein Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. L. (chronisches Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfälle; chronische Cervikalgie mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen und breitbasigem Prolaps HWK 4-5 mit Spinalkanalstenose; fortgeschrittene Heberden-Arthrose aller Fingerendgelenke, fortgeschrittene multisegmentale Verschleißzeichen im Bereich der Brustwirbelsäule, Dorsalgie; initiale Hüfgelenksarthrose beidseits; die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Arbeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und regelmäßige Hebe- und Tagebelastung über etwa acht bis zehn Kilogramm, ohne Arbeiten mit festem Zufassen der Hände, ohne höhere feinmotorische Anforderungen, ohne gleichförmige Bewegungen und anhaltende Belastungen der Finger weiterhin in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben) zu Grunde.
Die Klägerin hat am 13.12.2005 unter Vorlage eines Befundberichts des behandelnden Orthopäden Dr. B. (rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Osteochondrose L5/S1 und ISG-Arthrose beidseits, chronisch rezidivierendes Cervicalsyndrom, Coxarthrose beidseits; bei einer Tätigkeit seien Bücken, Heben und Tragen von Lasten über fünf Kilogramm, Arbeiten in Zwangshaltungen der Wirbelsäule und Überkopfarbeiten, langes Stehen und langes Sitzen zu vermeiden) Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben.
Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte C. und Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und Gutachten von dem Orthopäden Dr. H. und dem Neurologen und Psychiater Dr. W. eingeholt. Der Arzt für Allgemeinmedizin C. hat angegeben, die Klägerin leide an einem chronischen Schmerzsyndrom der HWS, einem chronischen Lumbalsyndrom, einer beginnenden Coxarthrose, einem kalten Schilddrüsenknoten, einer Osteoporose, chronischen Unterbauchschmerzen bei Bridenbildung und Zustand nach mehrfachen operativen Eingriffen, einer fibrozystischen Mastopathie, einer reaktiven, teils involutiven Depression und einer Polyarthrose der Fingergelenke. In rein sitzender Tätigkeit sei der Klägerin eine halbschichtige Tätigkeit möglich. Der behandelnde Orthopäde Dr. B. hat angegeben, die Klägerin leide an einem Lumbal- und Cervicalsyndrom, einer ISG-Arthrose beidseits und einer Coxarthrose beidseits. Der Klägerin sei eine leichte Arbeit halbschichtig zumutbar. Der Sachverständige Dr. H. hat chronische Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule bei älterem Bandscheibenvorfall C5/C6 ohne Hinweis auf eine Schädigung des Rückenmarks oder von Nervenwurzeln, mäßiggradige bis fortgeschrittene spondylotische Veränderungen in der unteren Hälfte der Brustwirbelsäule und eine diskrete Bandscheibendegeneration der mittleren Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfallerscheinungen, belastungsabhängige Hüftschmerzen beidseits bei diskreten radiologischen Hinweisen auf beginnende Hüftarthrosen, eine schmerzhafte Funktionsstörung der Fingerendgelenke 1 bis 5 beidseits bei fortgeschrittener Heberdenarthrose und Schmerzen im linken Schultereckgelenk bei Überkopfarbeiten bei mäßiger Schultereckgelenksarthrose festgestellt. Die Klägerin könne leichte, abwechslungsreiche Tätigkeiten in unterschiedlichen Körperhaltungen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (kein Heben und Tragen schwerer Lasten, keine längeren Zwangshaltungen, stündlicher, besser halbstündlicher Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, keine mechanisch belastenden Arbeiten und keine Arbeiten in nasskalter Umgebung, keine feinmechanischen Arbeiten, keine anhaltenden häufigen Überkopfarbeiten, kein Besteigen von Leitern und Gerüsten und keine Arbeiten unter Akkord- oder Fließbandbedingungen) noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Dr. W. hat eine depressive Anpassungsstörung insgesamt leichter Symptomatik bei chronifiziertem Schmerzsyndrom und ein diskretes Carpaltunnelsyndrom beidseits festgestellt. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Arbeiterin am Fließband scheide auf Grund der psychischen Einschränkungen aus, alle anderen Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine vermehrten Anforderungen an die manuelle Geschicklichkeit, keine Arbeiten mit erheblicher manueller Kraft, keine Arbeiten im Akkord oder am Fließband, Vermeidung von Schichtarbeit) könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Mit Urteil von 19.06.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in der Begründung ausgeführt, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Leichte, abwechslungsreiche Tätigkeiten wie z.B. leichte Überwachungsaufgaben könne die Klägerin nach den schlüssigen Feststellungen des im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachters Dr. L. und den im gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. H. und Dr. W. noch vollschichtig ausüben.
Gegen das am 17.07.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.08.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, ihre behandelnden Ärzte C. und Dr. B. hätten nachvollziehbar dargelegt, dass ihr auch leichte Tätigkeiten maximal halbschichtig zumutbar seien. Außerdem würden so umfangreiche qualitative Einschränkungen vorliegen, dass selbst bei unterstellter abstrakter vollschichtiger Leistungsfähigkeit volle Erwerbsminderung vorliege.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.06.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 16.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.06.2005 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Orthopäden Dr. B. und ein Gutachten des Orthopäden Dr. H. eingeholt. Dr. B. hat angegeben, der Gesundheitszustand der Klägerin sei im Wesentlichen gleich geblieben, die Klägerin habe jedoch im Februar 2008 angegeben, seit Mitte Dezember 2007 starke Rücken- und Kreuzbeschwerden zu haben, weswegen ein MRT der Lendenwirbelsäule (Discusdegeneration LWK2 bis SWK1 mit Osteochondrose, breitbasiger mäßiger Bandscheibenvorfall LWK4/5 mit möglicher Irritation der Wurzel L5 beidseits, deutliche ossäre Foraminalstenose bei Spondylarthrosen lumbosacral beidseits mit möglicher Wurzelirritation L5 beidseits, geringer Bandscheibenvorfall LWK2/3, LWK 3/4 und LWK5/SWK1 ohne signifikante raumfordernde Wirkung, sondylotische Randreaktion BWK 11/12) durchgeführt worden sei. Dr. H. hat ausgeführt, im Vergleich zu der im erstinstanzlichen Verfahren vorgenommenen Untersuchung habe sich bei der erneuten Untersuchung der Klägerin eine leichte endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks gezeigt, die übrigen Untersuchungsbefunde seien weitgehend identisch mit den Vorbefunden, auch die Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom Februar 2008 zeige gegenüber der Voruntersuchung keine eindeutig relevant erscheinenden Veränderungen. Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung länger anhaltender Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie häufiges mittelschweres oder gar schweres Heben und Tragen von Lasten, stündlicher, besser halbstündlicher Wechsel der Körperhaltung zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, keine mechanisch belastenden Arbeiten oder Arbeiten in nasskalter Umgebung, keine feinmechanischen Arbeiten, keine länger anhaltenden, mechanisch belastenden Überkopfarbeiten, Vermeidung von Arbeiten im Knien oder in der Hockstellung, kein häufiges Stehen und Gehen auf sehr unebenem oder rutschigem Gelände, kein Besteigen von Leitern und Gerüsten) auszuüben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist weiterhin in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung länger anhaltender Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie häufiges mittelschweres oder gar schweres Heben und Tragen von Lasten, stündlicher, besser halbstündlicher Wechsel der Körperhaltung zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, keine mechanisch belastenden Arbeiten oder Arbeiten in nasskalter Umgebung, keine feinmechanischen Arbeiten, keine länger anhaltenden, mechanisch belastenden Überkopfarbeiten, Vermeidung von Arbeiten im Knien oder in der Hockstellung, kein häufiges Stehen und Gehen auf sehr unebenem oder rutschigem Gelände, kein Besteigen von Leitern und Gerüsten, keine Arbeiten im Akkord oder am Fließband, Vermeidung von Schichtarbeit) in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. und Dr. W ...
Im Vordergrund stehen bei der Klägerin die Gesundheitsstörungen auf fachorthopädischem Gebiet. Insoweit hat der gerichtliche Sachverständige Dr. H. chronische Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, allerdings ohne Hinweise auf schwerwiegende strukturelle Schäden, belastungsabhängige Hüftschmerzen beidseits bei diskreten radiologischen Hinweisen auf beginnende Hüftarthrosen, eine schmerzhafte Funktionsstörung der Fingerendgelenke beidseits bei fortgeschrittener Heberdenarthrose und Schmerzen im linken Schultereckgelenk bei Überkopfarbeiten bei mäßiggradiger Schultereckgelenksarthrose festgestellt. Wesentliche Änderungen des Gesundheitszustandes haben sich im Verlauf des Verfahrens nach dem Ergebnis der erneuten Untersuchung der Klägerin durch Dr. H. im Berufungsverfahren nicht ergeben. Für die von der Klägerin subjektiv angegebenen Beschwerden in den Kniegelenken waren, wie Dr. H. dargelegt hat, keine Hinweise für eine relevante strukturelle Schädigung zu erkennen. Dr. H. hat insgesamt nachvollziehbar dargelegt, dass auf Grund der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet zwar gewisse, bereits o. g. qualitative Einschränkungen zu beachten sind, die Klägerin bei Beachtung dieser Einschränkungen jedoch weiterhin in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann.
Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet hat der gerichtliche Sachverständige Dr. W. eine depressive Anpassungsstörung mit insgesamt leichter Symptomatik bei chronifiziertem Schmerzsyndrom und ein diskretes Carpaltunnelsyndrom beidseits festgestellt. Auch hieraus ergeben sich, wie Dr. W. nachvollziehbar dargelegt hat, lediglich qualitative Einschränkungen (keine Tätigkeiten, die vermehrte Anforderungen an die manuelle Geschicklichkeit stellen oder mit erheblicher manueller Kraft ausgeübt werden müssen, keine Akkord-, Fließband- oder Schichtarbeiten), jedoch keine Minderung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht ...
Die sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte C. und Dr. B. sind nicht geeignet, die Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Maßgeblich für die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin sind nach der Aussage des Allgemeinarztes C. die Beschwerden auf orthopädischem Fachgebiet. Insoweit hat weder der Allgemeinarzt C. noch der behandelnde Orthopäde Dr. B. abweichende Befunde von den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. erhoben. Soweit der Allgemeinarzt C. und der Orthopäde Dr. B. der Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten in einem Umfang von ca. vier Stunden täglich für zumutbar erachtet haben, haben sie diese Auffassung nicht begründet. Eine derartige Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens ist im Hinblick auf die von Dr. H. erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar, vielmehr kann den Beschwerden der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet hinreichend durch die Berücksichtigung der bereits o.g. qualitativen Leistungseinschränkungen Rechnung getragen werden.
Die Klägerin kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. H. und Dr. W. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. ist die Klägerin im Übrigen auch weiterhin in der Lage, die üblichen Wegstrecken von und zu einem Arbeitsplatz zu Fuß zurückzulegen und auch öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Soweit Dr. H. ausgeführt hat, dass der Klägerin ein Sitzplatzrecht eingeräumt werden sollte, ergibt sich bereits aus der Formulierung des Sachverständigen, dass ein solches nicht zwingend ist, zumal die Klägerin nach eigenen Angaben gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. etwa ein halbe Stunde "am Stück" stehen kann.
Die Klägerin ist auch nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 SGG VI, denn im Hinblick auf ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Arbeiterin in der Fertigung ist sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1951 geborene Klägerin hat eine im April 1967 begonnene Ausbildung zur Industriekauffrau ohne Abschluss abgebrochen. Eine Ausbildung zur Bürokauffrau im Rahmen einer Abendschule in den Jahren 1986 und 1987 wurde erfolgreich beendet. Die Klägerin war im Januar und Februar 1970 als Bürogehilfin, von März 1970 bis Dezember 1970 als Kontoristin, von August 1971 bis November 1973 als Näherin, von Juni 1977 bis Dezember 1979 als Arbeiterin, von Januar 1980 bis März 1984 als Reinemachfrau, von März 1984 bis September 1991 als Kontoristin und zuletzt von Oktober 1991 bis März 2005 als Arbeiterin in der Fertigung beschäftigt.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 10.05.2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.08.2005 und Widerspruchsbescheid vom 30.11.2005 ab. Dem lag ein Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. L. (chronisches Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfälle; chronische Cervikalgie mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen und breitbasigem Prolaps HWK 4-5 mit Spinalkanalstenose; fortgeschrittene Heberden-Arthrose aller Fingerendgelenke, fortgeschrittene multisegmentale Verschleißzeichen im Bereich der Brustwirbelsäule, Dorsalgie; initiale Hüfgelenksarthrose beidseits; die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Arbeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und regelmäßige Hebe- und Tagebelastung über etwa acht bis zehn Kilogramm, ohne Arbeiten mit festem Zufassen der Hände, ohne höhere feinmotorische Anforderungen, ohne gleichförmige Bewegungen und anhaltende Belastungen der Finger weiterhin in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben) zu Grunde.
Die Klägerin hat am 13.12.2005 unter Vorlage eines Befundberichts des behandelnden Orthopäden Dr. B. (rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Osteochondrose L5/S1 und ISG-Arthrose beidseits, chronisch rezidivierendes Cervicalsyndrom, Coxarthrose beidseits; bei einer Tätigkeit seien Bücken, Heben und Tragen von Lasten über fünf Kilogramm, Arbeiten in Zwangshaltungen der Wirbelsäule und Überkopfarbeiten, langes Stehen und langes Sitzen zu vermeiden) Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben.
Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte C. und Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und Gutachten von dem Orthopäden Dr. H. und dem Neurologen und Psychiater Dr. W. eingeholt. Der Arzt für Allgemeinmedizin C. hat angegeben, die Klägerin leide an einem chronischen Schmerzsyndrom der HWS, einem chronischen Lumbalsyndrom, einer beginnenden Coxarthrose, einem kalten Schilddrüsenknoten, einer Osteoporose, chronischen Unterbauchschmerzen bei Bridenbildung und Zustand nach mehrfachen operativen Eingriffen, einer fibrozystischen Mastopathie, einer reaktiven, teils involutiven Depression und einer Polyarthrose der Fingergelenke. In rein sitzender Tätigkeit sei der Klägerin eine halbschichtige Tätigkeit möglich. Der behandelnde Orthopäde Dr. B. hat angegeben, die Klägerin leide an einem Lumbal- und Cervicalsyndrom, einer ISG-Arthrose beidseits und einer Coxarthrose beidseits. Der Klägerin sei eine leichte Arbeit halbschichtig zumutbar. Der Sachverständige Dr. H. hat chronische Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule bei älterem Bandscheibenvorfall C5/C6 ohne Hinweis auf eine Schädigung des Rückenmarks oder von Nervenwurzeln, mäßiggradige bis fortgeschrittene spondylotische Veränderungen in der unteren Hälfte der Brustwirbelsäule und eine diskrete Bandscheibendegeneration der mittleren Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfallerscheinungen, belastungsabhängige Hüftschmerzen beidseits bei diskreten radiologischen Hinweisen auf beginnende Hüftarthrosen, eine schmerzhafte Funktionsstörung der Fingerendgelenke 1 bis 5 beidseits bei fortgeschrittener Heberdenarthrose und Schmerzen im linken Schultereckgelenk bei Überkopfarbeiten bei mäßiger Schultereckgelenksarthrose festgestellt. Die Klägerin könne leichte, abwechslungsreiche Tätigkeiten in unterschiedlichen Körperhaltungen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (kein Heben und Tragen schwerer Lasten, keine längeren Zwangshaltungen, stündlicher, besser halbstündlicher Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, keine mechanisch belastenden Arbeiten und keine Arbeiten in nasskalter Umgebung, keine feinmechanischen Arbeiten, keine anhaltenden häufigen Überkopfarbeiten, kein Besteigen von Leitern und Gerüsten und keine Arbeiten unter Akkord- oder Fließbandbedingungen) noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Dr. W. hat eine depressive Anpassungsstörung insgesamt leichter Symptomatik bei chronifiziertem Schmerzsyndrom und ein diskretes Carpaltunnelsyndrom beidseits festgestellt. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Arbeiterin am Fließband scheide auf Grund der psychischen Einschränkungen aus, alle anderen Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (keine vermehrten Anforderungen an die manuelle Geschicklichkeit, keine Arbeiten mit erheblicher manueller Kraft, keine Arbeiten im Akkord oder am Fließband, Vermeidung von Schichtarbeit) könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Mit Urteil von 19.06.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in der Begründung ausgeführt, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Leichte, abwechslungsreiche Tätigkeiten wie z.B. leichte Überwachungsaufgaben könne die Klägerin nach den schlüssigen Feststellungen des im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachters Dr. L. und den im gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. H. und Dr. W. noch vollschichtig ausüben.
Gegen das am 17.07.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.08.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, ihre behandelnden Ärzte C. und Dr. B. hätten nachvollziehbar dargelegt, dass ihr auch leichte Tätigkeiten maximal halbschichtig zumutbar seien. Außerdem würden so umfangreiche qualitative Einschränkungen vorliegen, dass selbst bei unterstellter abstrakter vollschichtiger Leistungsfähigkeit volle Erwerbsminderung vorliege.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.06.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 16.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.06.2005 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Orthopäden Dr. B. und ein Gutachten des Orthopäden Dr. H. eingeholt. Dr. B. hat angegeben, der Gesundheitszustand der Klägerin sei im Wesentlichen gleich geblieben, die Klägerin habe jedoch im Februar 2008 angegeben, seit Mitte Dezember 2007 starke Rücken- und Kreuzbeschwerden zu haben, weswegen ein MRT der Lendenwirbelsäule (Discusdegeneration LWK2 bis SWK1 mit Osteochondrose, breitbasiger mäßiger Bandscheibenvorfall LWK4/5 mit möglicher Irritation der Wurzel L5 beidseits, deutliche ossäre Foraminalstenose bei Spondylarthrosen lumbosacral beidseits mit möglicher Wurzelirritation L5 beidseits, geringer Bandscheibenvorfall LWK2/3, LWK 3/4 und LWK5/SWK1 ohne signifikante raumfordernde Wirkung, sondylotische Randreaktion BWK 11/12) durchgeführt worden sei. Dr. H. hat ausgeführt, im Vergleich zu der im erstinstanzlichen Verfahren vorgenommenen Untersuchung habe sich bei der erneuten Untersuchung der Klägerin eine leichte endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks gezeigt, die übrigen Untersuchungsbefunde seien weitgehend identisch mit den Vorbefunden, auch die Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom Februar 2008 zeige gegenüber der Voruntersuchung keine eindeutig relevant erscheinenden Veränderungen. Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung länger anhaltender Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie häufiges mittelschweres oder gar schweres Heben und Tragen von Lasten, stündlicher, besser halbstündlicher Wechsel der Körperhaltung zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, keine mechanisch belastenden Arbeiten oder Arbeiten in nasskalter Umgebung, keine feinmechanischen Arbeiten, keine länger anhaltenden, mechanisch belastenden Überkopfarbeiten, Vermeidung von Arbeiten im Knien oder in der Hockstellung, kein häufiges Stehen und Gehen auf sehr unebenem oder rutschigem Gelände, kein Besteigen von Leitern und Gerüsten) auszuüben.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist weiterhin in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung länger anhaltender Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie häufiges mittelschweres oder gar schweres Heben und Tragen von Lasten, stündlicher, besser halbstündlicher Wechsel der Körperhaltung zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, keine mechanisch belastenden Arbeiten oder Arbeiten in nasskalter Umgebung, keine feinmechanischen Arbeiten, keine länger anhaltenden, mechanisch belastenden Überkopfarbeiten, Vermeidung von Arbeiten im Knien oder in der Hockstellung, kein häufiges Stehen und Gehen auf sehr unebenem oder rutschigem Gelände, kein Besteigen von Leitern und Gerüsten, keine Arbeiten im Akkord oder am Fließband, Vermeidung von Schichtarbeit) in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. und Dr. W ...
Im Vordergrund stehen bei der Klägerin die Gesundheitsstörungen auf fachorthopädischem Gebiet. Insoweit hat der gerichtliche Sachverständige Dr. H. chronische Schmerzen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, allerdings ohne Hinweise auf schwerwiegende strukturelle Schäden, belastungsabhängige Hüftschmerzen beidseits bei diskreten radiologischen Hinweisen auf beginnende Hüftarthrosen, eine schmerzhafte Funktionsstörung der Fingerendgelenke beidseits bei fortgeschrittener Heberdenarthrose und Schmerzen im linken Schultereckgelenk bei Überkopfarbeiten bei mäßiggradiger Schultereckgelenksarthrose festgestellt. Wesentliche Änderungen des Gesundheitszustandes haben sich im Verlauf des Verfahrens nach dem Ergebnis der erneuten Untersuchung der Klägerin durch Dr. H. im Berufungsverfahren nicht ergeben. Für die von der Klägerin subjektiv angegebenen Beschwerden in den Kniegelenken waren, wie Dr. H. dargelegt hat, keine Hinweise für eine relevante strukturelle Schädigung zu erkennen. Dr. H. hat insgesamt nachvollziehbar dargelegt, dass auf Grund der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet zwar gewisse, bereits o. g. qualitative Einschränkungen zu beachten sind, die Klägerin bei Beachtung dieser Einschränkungen jedoch weiterhin in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann.
Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet hat der gerichtliche Sachverständige Dr. W. eine depressive Anpassungsstörung mit insgesamt leichter Symptomatik bei chronifiziertem Schmerzsyndrom und ein diskretes Carpaltunnelsyndrom beidseits festgestellt. Auch hieraus ergeben sich, wie Dr. W. nachvollziehbar dargelegt hat, lediglich qualitative Einschränkungen (keine Tätigkeiten, die vermehrte Anforderungen an die manuelle Geschicklichkeit stellen oder mit erheblicher manueller Kraft ausgeübt werden müssen, keine Akkord-, Fließband- oder Schichtarbeiten), jedoch keine Minderung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht ...
Die sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte C. und Dr. B. sind nicht geeignet, die Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Maßgeblich für die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin sind nach der Aussage des Allgemeinarztes C. die Beschwerden auf orthopädischem Fachgebiet. Insoweit hat weder der Allgemeinarzt C. noch der behandelnde Orthopäde Dr. B. abweichende Befunde von den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. erhoben. Soweit der Allgemeinarzt C. und der Orthopäde Dr. B. der Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten in einem Umfang von ca. vier Stunden täglich für zumutbar erachtet haben, haben sie diese Auffassung nicht begründet. Eine derartige Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens ist im Hinblick auf die von Dr. H. erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar, vielmehr kann den Beschwerden der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet hinreichend durch die Berücksichtigung der bereits o.g. qualitativen Leistungseinschränkungen Rechnung getragen werden.
Die Klägerin kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. H. und Dr. W. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. ist die Klägerin im Übrigen auch weiterhin in der Lage, die üblichen Wegstrecken von und zu einem Arbeitsplatz zu Fuß zurückzulegen und auch öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Soweit Dr. H. ausgeführt hat, dass der Klägerin ein Sitzplatzrecht eingeräumt werden sollte, ergibt sich bereits aus der Formulierung des Sachverständigen, dass ein solches nicht zwingend ist, zumal die Klägerin nach eigenen Angaben gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. etwa ein halbe Stunde "am Stück" stehen kann.
Die Klägerin ist auch nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 SGG VI, denn im Hinblick auf ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Arbeiterin in der Fertigung ist sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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