L 7 AL 1800/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1724/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 1800/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 16. Januar 2004.

Die am 1957 geborene verheiratete Klägerin, indische Staatsangehörige, war ab 5. August 1991 bei der R. K. GmbH & Co. KG (im Folgenden: K. GmbH & Co. KG) in Pf. als Lager- und Versandarbeiterin beschäftigt. Am 3. Januar 1999 wurde die Tochter M. geboren. Während der Mutterschutzfrist erhielt die Klägerin vom 22. Dezember 1998 bis 28. Februar 1999 Mutterschaftsgeld. Danach bezog sie bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats des Kindes (2. Januar 2001) Erziehungsgeld. Nach Ablauf des dreijährigen gesetzlichen Erziehungsurlaubs (Elternzeit) gewährte die K. GmbH & Co. KG der Klägerin - ohne Entgeltzahlung - weitere zwei Jahre Elternurlaub. Zum ersten Arbeitstag am 3. Januar 2004 erschien diese nicht; zuvor hatte es mit der Arbeitgeberin Unstimmigkeiten hinsichtlich des Teilzeitverlangens der Klägerin gegeben. Nach fristloser Kündigung durch die K. GmbH & Co. KG am 13. Januar 2004 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Pforzheim einen Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum vorgenannten Datum gegen Zahlung einer Abfindung von 2.500,00 Euro.

Am 16. Januar 2004 meldete sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit Pforzheim arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Diese Leistung wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 26. Februar 2004 abgelehnt, weil die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe; einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) erfülle sie gleichfalls nicht, da sie innerhalb der Vorfrist vor dem 16. Januar 2004 kein Alg bezogen habe. Mit ihrem Widerspruch berief sich die Klägerin auf die in § 124 Abs. 3 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - SGB III - (in der Fassung des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266)) geregelte Verlängerung der Rahmenfrist. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rahmenfrist nach der vorgenannten Bestimmung umfasse den Zeitraum vom 16. Januar 1998 bis 15. Januar 2004; in dieser Zeit habe die Klägerin vom 16. Januar bis 21. Dezember 1998, also nur für 340 Tage statt der erforderlichen 360 Tage Entgelt erzielt. Versicherungspflicht bestehe auch nicht nach der mit Wirkung vom 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bestimmung des § 26 Abs. 2a SGB III (in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443)), weil das Kind der Klägerin das dritte Lebensjahr bereits vor dem 1. Januar 2003 vollendet gehabt habe.

Deswegen hat die Klägerin am 3. Mai 2004 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat sich nunmehr in erster Linie auf die Bestimmung des § 26 Abs. 2a SGB III berufen und einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz geltend gemacht. Mit Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2005 hat das SG die Klage abgewiesen; in den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Rahmenfrist des § 124 Abs. 2 Nr. 3 SGB III habe sich - zwischen den Beteiligten insoweit "unstreitig" - für die Zeit vom 16. Januar 1998 bis 15. Januar 2004 verlängert; in dieser Zeit habe die Klägerin lediglich vom 16. Januar bis 21. Dezember 1998, also 340 Tage, ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt und anschließend Mutterschaftsgeld bezogen. Versicherungspflicht sei auch nicht nach § 26 Abs. 2a SGB III eingetreten, weil erst mit Inkrafttreten dieser Bestimmung zurückgelegte Erziehungszeiten unter den dort genannten Voraussetzungen Berücksichtigung finden könnten.

Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 1. August 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29. August 2005 beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt (seinerzeitiges Az. L 7 AL 3769/05). Das Berufungsverfahren hat zunächst mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. März 2006 - 1 BvL 10/01 - (BVerfGE 115, 259 = SozR 4-4300 § 123 Nr. 3) geruht (Beschluss der Berichterstatterin vom 15. Mai 2006). Am 5. April 2007 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen.

Zur Begründung der fortgeführten Berufung hat die Klägerin vorgebracht, nach der früheren Fassung des § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III habe die Rahmenfrist - wie unter den Beteiligten erstinstanzlich unstreitig und damit für diese bindend - den Zeitraum vom 16. Januar 1998 bis 15. Januar 2004 umfasst; in dieser Zeit habe aber ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vom 16. Januar 1998 bis 15. Januar 2001 bestanden. Im Übrigen liege eine Verletzung der Hinweis- und Beratungspflichten seitens der Beklagten vor.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2004 zu verurteilen, ihr ab 16. Januar 2004 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Der Gesetzgeber habe nunmehr in Umsetzung des Beschlusses des BVerfG vom 28. März 2006 die Bestimmung des § 427a SGB III in das Gesetz eingefügt; danach sei § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung für die Erfüllung der Anwartschaftszeit und für die Dauer des Anspruchs sinngemäß anzuwenden. Im Falle der Klägerin bedeute dies, dass der Bezug von Mutterschaftsgeld vom 22. Dezember 1998 bis 28. Februar 1999 die Anwartschaftszeit begründend sei. Da die Mutterschutzzeit jedoch außerhalb der Rahmenfrist liege, bestehe auch unter Berücksichtigung der Neuregelung kein Anspruch auf Alg. Die verlängerte Rahmenfrist umfasse hier die Zeit vom 30. Januar 2000 bis 15. Januar 2004; sie ergebe sich daraus, dass in die bei der Klägerin an sich vom 16. Januar 2001 bis 15. Januar 2004 laufende Rahmenfrist die Zeit nicht einzurechnen sei, in der diese vor dem 1. Januar 2003 ein Kind unter drei Jahren betreut habe, also die Zeit vom 16. Januar 2001 bis zum 2. Januar 2002 (Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes am 3. Januar 2002); dies seien 352 Kalendertage, um welche die dreijährige Rahmenfrist zu verlängern sei. Ein Beratungsverstoß liege nicht vor; die Klägerin habe sich erstmals am 16. Januar 2004 an sie gewandt. Den Beratungsbedarf könne sie nicht erkennen, wenn diese den Kontakt mit ihr nicht suche.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG). Die Beschwerdewertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, der hier - mangels Übergangsregelung im Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) - unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelsicherheit (vgl. hierzu BVerfGE 87, 48) in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) weiterhin anzuwenden ist, ist überschritten. Die Berufung ist indessen nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Alg in der streitbefangenen Zeit.

Gemäß § 117 Abs. 1 SGB III (in der Fassung bis 31. Dezember 2004) haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Dem vorliegend erhobenen Anspruch der Klägerin auf Alg steht bereits entgegen, dass die Anwartschaftszeit nicht erfüllt ist.

Die Erfüllung der Anwartschaftszeit ist in §§ 123, 124 SGB III geregelt; diese Bestimmungen sind vorliegend aufgrund der Übergangsvorschrift des § 434j Abs. 3 SGB III (eingefügt durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848)) in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Nach § 123 Satz 1 Nr. 1 SGB III in dieser Fassung hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs. 1 SGB III (in der Fassung bis 31. Dezember 2003) drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen auf Alg. Nachdem die Klägerin sich wegen ihrer zum 14. Januar 2004 eingetretenen Arbeitslosigkeit am 16. Januar 2004 (Freitag) arbeitslos gemeldet hatte, umfasst die Rahmenfrist vorliegend den Zeitraum vom 16. Januar 2001 bis 15. Januar 2004; innerhalb dieses Zeitraums stand die Klägerin indessen nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis, weil sie weder als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig war (vgl. hierzu § 24 Abs. 1 SGB III). Als Beschäftigte versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt versicherungspflichtig beschäftigt sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Dies war bei der Klägerin innerhalb der vorbezeichneten Rahmenfrist nicht der Fall; in dieser Zeit war sie nicht gegen Arbeitsentgelt beschäftigt. Zwar bestand das Arbeitsverhältnis zur K. GmbH & Co. KG auch nach dem dreijährigen (gesetzlichen) Erziehungsurlaub (Elternzeit) zunächst ungekündigt fort, weil die Arbeitgeberin der Klägerin nach den betrieblichen Regelungen noch für weitere zwei Jahre Elternurlaub gewährte. Allerdings konnte die Klägerin in dieser Zeit kein Arbeitsentgelt beanspruchen; solches wurde von der Arbeitgeberin auch nicht gezahlt. Nach Ende des betrieblichen Elternurlaubs (2. Januar 2004) trat sie ihre Arbeit nicht mehr an und erhielt deshalb ebenfalls keine Entgeltleistungen. Auch ein sonstiges Versicherungspflichtverhältnis (§ 26 SGB III) bestand nicht. Die Bestimmung des § 26 Abs. 2a SGB III (in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes vom 10. Dezember 2001), welche den mit Wirkung vom 1. Januar 2003 eingeführten neuen Tatbestand der Versicherungspflicht von Zeiten der Kindererziehung regelt, greift vorliegend nicht ein, weil die Versicherungspflicht an das Lebensalter des Kindes, nämlich die Zeit vor Vollendung des dritten Lebensjahres geknüpft ist. Die Tochter der Klägerin hatte indessen bereits am 3. Januar 2002, und damit schon weit vor dem 1. Januar 2003 das dritte Lebensjahr vollendet (vgl. dazu auch Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4300 § 147 Nr. 3 Rdnr. 20). Eine Verlängerung der Rahmenfrist unter den Voraussetzungen des § 124 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1, 3 bis 5, Satz 2 SGB III (in der Fassung vom 1. bis 31. Dezember 2003) kommt hier nicht in Betracht, weil keine der dortigen Streckungszeiten gegeben ist; die Regelung des § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III (eingeführt mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594); geändert durch Gesetz vom 16. Februar 2001) über die Verlängerung der Rahmenfrist für Zeiten der Kindesbetreuung und -erziehung ist durch das Job-AQTIV-Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2003 aufgehoben worden.

Allerdings bestimmt die Übergangsvorschrift des § 434d Abs. 2 SGB III (ebenfalls in der Fassung des Job-AQTIV-Gesetzes), dass § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung für Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes vor dem 1. Januar 2003 weiterhin anzuwenden ist. Indessen vermag auch diese Bestimmung dem Begehren der Klägerin nicht zum Erfolg zu verhelfen; denn hiernach werden nur Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht in die Rahmenfrist eingerechnet (vgl. hierzu auch BSG SozR 4300 § 124 Nr. 1). Da die Tochter der Klägerin am 3. Januar 2002 das dritte Lebensjahr vollendet hatte, verlängert sich die Rahmenfrist um die Zeit der Kindesbetreuung und -erziehung vom 16. Januar 2001 bis 2. Januar 2002 (Tag vor Vollendung des dritten Lebensjahres der Tochter der Klägerin), also um 352 Tage. Da in die Rahmenfrist nur diese 352 Tage der Betreuungszeit nicht eingerechnet werden können (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 67/01 R - (juris); insoweit die Vorinstanz (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2001 - L 12 AL 181/00 -, juris) bestätigend), verschiebt sich das Ende der (verlängerten) Rahmenfrist auf den 30. Januar 2000, sodass sich vorliegend ein Zeitraum vom 30. Januar 2000 bis 15. Januar 2004 ergibt, innerhalb dessen die Klägerin die Anwartschaftszeit auf Alg hätte erfüllen müssen. In dieser Zeit vermag die Klägerin indes keine die Anwartschaftszeit auf Alg begründenden Tatbestände vorzuweisen.

Entgegen der Auffassung des SG, die ursprünglich auch von der Beklagten geteilt worden war, ist als Ende der Rahmenfrist nicht der 16. Januar 1998 anzunehmen. Obwohl das Kind der Klägerin am 30. Januar 2000 das dritte Lebensjahr noch lange nicht vollendet hatte, kommt eine nochmalige Verlängerung der vorstehend errechneten Rahmenfrist wegen der Betreuung dieses Kindes nicht in Betracht (missverständlich Valgoglio in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 Rdnr. 33). Zwar könnte die Bestimmung des § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III in der hier über Übergangsrecht anwendbaren Fassung von ihrem Wortlaut her auch so zu lesen sein, dass sie auch die Zeiten der Betreuung und Erziehung desselben (unter dreijährigen) Kindes umfasst, welche in die verlängerte Rahmenfrist fallen. Eine solche "doppelte" Nichteinrechnung der Betreuungszeit war nach der vorstehenden Bestimmung indessen nicht gemeint; eine solche Auslegung würde dazu führen, dass der Erziehenden die Privilegierung durch die vorgenannte Vorschrift in jedem Fall bereits ab der Geburt des Kindes zugute käme, wenn nur ein Tag der Betreuungszeit in die reguläre Rahmenfrist fiele. Das hat der Gesetzgeber aber gerade nicht gewollt; dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte. Der von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. am 18. Juni 1996 eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (Bundestags-Drucksache 13/4941) sah in § 124 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III zunächst vor, dass sich die Rahmenfrist u.a. um die innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist liegenden Zeiten der Betreuung und Erziehung eines aufsichtsbedürftigen Kindes, längstens jedoch auf sechs Jahre, verlängern sollte; damit sollte dem besonderen Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer(innen) Rechnung getragen werden, welche ihre Berufsausübung zur Kindererziehung unterbrochen haben (vgl. Bundestags-Drucksache a.a.O. S. 177 (zu § 124)). Die Regelung wurde indes im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aufgrund einer Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung geändert (Bundestags-Drucksache 13/5435). Der Ausschuss äußerte Bedenken, weil mit der im Entwurf vorgesehenen Regelung einerseits der Schutz nach der Geburt eines Kindes über die nach dem seinerzeit geltenden Recht (vgl. § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchst. c AFG) mögliche Dauer verlängert, andererseits nicht berücksichtigt werde, wenn mehrere Kinder in kurzen Abständen geboren würden. Sachgerecht erscheine es daher, Zeiten der Betreuung und Erziehung aufsichtsbedürftiger Kinder in den ersten drei Lebensjahren nicht in die Rahmenfrist einzurechnen. Insgesamt sollte mit der vom Ausschuss vorgeschlagenen Regelung gewährleistet werden, dass für jedes neugeborene Kind bei Ausschöpfung des längstmöglichen Erziehungsurlaubes der Anspruch auf Alg erhalten bleibe (vgl. Bundestags-Drucksache 13/5936 S. 28 (zu Nr. 124)). Demgegenüber empfahl der Ausschuss den vollständigen Verzicht auf eine Begrenzung der Rahmenfrist für Zeiten der Angehörigenpflege, wie sie im Gesetzesentwurf - parallel zu den Kinderbetreuungszeiten - noch vorgesehen gewesen war (vgl. Bundestags-Drucksache a.a.O.). Aus all dem ergibt sich, dass eine nochmalige Verlängerung der Rahmenfrist wegen Kindererziehung nur dann in Betracht kommt, wenn innerhalb der verlängerten Rahmenfrist weitere Kinder vor Vollendung des dritten Lebensjahres betreut und erzogen worden sind. Dies war aber bei der Klägerin, die nach ihrer Tochter M. bis zur Arbeitslosmeldung keine weiteren Kinder geboren hat, nicht der Fall. Da die Klägerin in der verlängerten Rahmenfrist vom 30. Januar 2000 bis 15. Januar 2004 weder versicherungspflichtig beschäftigt war noch sonstige versicherungspflichtige Tatbestände gegeben sind, vermag sie die Anwartschaftszeit auch über die Übergangsregelung des § 434d Abs. 3 SGB III nicht zu erfüllen.

Schließlich hilft der Klägerin auch die - schließlich doch noch in Umsetzung des Beschlusses des BVerfG vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 259) eingefügte - Vorschrift des § 427a Abs. 1 SGB III (Fassung durch das Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen vom 19. April 2007 (BGBl. I S. 538); in Kraft ab 1. Mai 2007) nicht weiter. Danach gilt für Personen, die in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2002 Mutterschaftsgeld bezogen haben, für die Erfüllung der für einen Anspruch auf Alg erforderlichen Anwartschaftszeit und für die Dauer des Anspruchs § 107 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b AFG in der bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung entsprechend. Nach dieser Bestimmung standen Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleich; sie sind damit unter den Voraussetzungen des § 427a SGB III anwartschaftsbegründend. Da der Mutterschaftsgeldbezug der Klägerin (22. Dezember bis 28. Februar 1999) jedoch außerhalb der oben dargestellten Rahmenfrist des § 124 Abs. 1 und 3, § 434d Abs. 2 SGB III (30. Januar 2000 bis 15. Januar 2004) liegt, kann er hier zur Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht beitragen.

Damit scheitert ein Anspruch der Klägerin auf Alg vorliegend schon an der fehlenden Anwartschaftszeit. Soweit sich diese zur Stützung ihres Begehrens auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch beruft, vermag sie damit schon deswegen nicht durchzudringen, weil die Erfüllung der Anwartschaftszeit über dieses Rechtsinstitut nicht kompensiert werden kann (vgl. BSG SozR 4100 § 102 Nr. 6), ganz abgesehen davon, dass die Klägerin nie mit einem entsprechenden Beratungsbegehren an die Beklagte herangetreten ist. Soweit die Klägerin meint, aus der ursprünglichen Berechnung der Rahmenfrist durch die Beklagte im Widerspruchsbescheid sowie den diesbezüglichen Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid etwas zu ihren Gunsten herleiten zu können, sei darauf hingewiesen (vgl. auch Verfügung vom 15. Februar 2008), dass die Berechnung der Rahmenfrist lediglich zur Begründung der Verwaltungsentscheidung gehört und als solche nicht in Bestandskraft (§ 77 SGG) erwächst; ebenso wenig nehmen die Gründe einer gerichtlichen Entscheidung an der Rechtskraft (§ 141 SGG) teil (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage, § 141 Rdnr. 7b).

Einem Anspruch auf Alhi, den die Klägerin jedenfalls nicht ausdrücklich geltend gemacht, steht zumindest die fehlende Vorfrist (§ 190 Abs. 1 Nr. 4, § 192 SGB III (beide in der Fassung bis 31. Dezember 2004)) entgegen.

Verfassungsverstöße vermag der Senat nicht zu erkennen. Insbesondere kann aus Art. 6 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), wonach jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft hat, nicht hergeleitet werden, dass der Gesetzgeber gehalten sei, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende Belastung auszugleichen (vgl. BVerfGE 60, 68, 74; 115, 259, 271; BSG SozR 4-4300 § 147 Nr. 3). Eine verfassungswidrige Benachteiligung im Sinne einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ist gleichfalls nicht ersichtlich. Insbesondere kann ein Verfassungsverstoß nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin für die Zeiten der Erziehung ihrer am 3. Januar 1999 geborenen Tochter keine neue Anwartschaft auf Alg erwerben konnte, weil der Versicherungspflichttatbestand des § 26 Abs. 2a SGB III erst mit dem Job-AQTIV-Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2003 eingeführt worden ist. Denn mit der - mit erheblichen Kostenbelastungen verbundenen - Neuregelung sollte der Arbeitslosenversicherungsschutz für den betroffenen Personenkreis nur aktuell verbessert werden (vgl. Bundestags-Drucksache 14/6944 S. 2, 26 (zu Nr. 7) und 30 (zu § 26)); dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BSG SozR 4-4300 § 147 Nr. 3) Im Übrigen verpflichtet Art. 3 Abs. 1 GG den Gesetzgeber, der sich im Rahmen seines Ermessens bei der Ausgestaltung von staatlichen Leistungen für eine familienpolitische Förderung durch bestimmte arbeits- und sozialrechtliche Vergünstigungen (z.B. Erziehungsgeld und Elternzeit) entschieden hat, auch nicht, diese Förderung auch auf andere Regelungsbereiche zu übertragen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 124 Nr. 1 (bestätigt durch BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. November 2004 - 1 BvR 2303/03 -, juris); BSG SozR 4-4300 § 147 Nr. 3). Hätte sich die Klägerin zeitnah nach dem Ende des gesetzlichen Erziehungsurlaubs (Elternzeit) bei der Beklagten arbeitslos gemeldet, wäre - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für das Alg - die Anwartschaft zweifellos erhalten geblieben. Dass sie sich im Anschluss an die Elternzeit für den von der K. GmbH & Co. KG gewährten zusätzlichen Elternurlaub entschieden hat, beruht auf ihrer eigenen Entschließung; eine Verpflichtung des Gesetzgebers, diese Zeit beim Arbeitslosenversicherungsschutz zu berücksichtigen, bestand von Verfassungs wegen jedenfalls nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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