L 9 R 3080/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2180/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3080/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 2007 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1957 in Rumänien geborene Klägerin, Inhaberin des Vertriebenenausweises A, war von November 1973 bis Januar 1979 in Rumänien als Arbeiterin in einer Schuhfabrik sowie von September 1982 bis Oktober 1984 als Kinderpflegerin und nach ihrem Zuzug aus Rumänien am 14. Dezember 1984 - mit Unterbrechungen - von Februar 1985 bis November 2004 als Montagearbeiterin beschäftigt. Ab November 2004 war sie arbeitsunfähig bzw. bezog Sozialleistungen.

Vom 18. November bis 09. Dezember 2004 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Abteilung Rheumatologie der Reha-Klinik am Kurpark in Bad Kissingen (Diagnosen: Stationär-degeneratives Lumbalsyndrom mit mäßigen Funktionseinschränkungen, rezidivierendes Cervikobrachial-Syndrom, beginnende Heberden- und Bouchardpolyarthrosen, chronifiziertes Schmerzsyndrom bei "mitgeteilter" sekundärer Fibromyalgie, Adipositas; Tätigkeit als Montagearbeiterin sowie bis zu mittelschweren Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen seien sechs Stunden und mehr möglich).

Unter dem 22. September 2005 beantragte die Klägerin bei der Landesversicherungsanstalt (LVA), jetzt Deutsche Rentenversicherung (DRV), Baden-Württemberg (Beigeladene) die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, da sie wegen Wirbelsäulen(WS)-Beschwerden, Bluthochdruck, Fibromyalgie, Hypercholesterinämie und psychischer Leiden erwerbsgemindert sei.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 und Widerspruchsbescheid vom 11. April 2006 lehnte die DRV Baden-Württemberg die Gewährung von Rente ab, da die Klägerin ihr zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Dem lagen im Wesentlichen auf Untersuchungen und vorliegenden Berichten behandelnder Ärzte beruhende Gutachten der Dr. H., Ärztin für Psychiatrie, und des Dr. G., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 19. Dezember 2005 (somatoforme Schmerzstörung auf dem Boden einer hypochondrisch-asthenischen Primärpersönlichkeit; gut strukturierter Tagesablauf und keine merkliche Beeinträchtigung in den sozialkommunikativen Bezügen; neurologisch keine sicheren Hinweise auf gröbere Störungen, psychiatrisch Merkmale einer somatoformen Schmerzstörung kein Hinweis auf ein schwerwiegendes hirnorganisches Psychosyndrom, eine Psychose oder eine tiefer gehende depressive Verstimmung; die Klägerin sei zu Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Zeitdruck und besondere geistige Beanspruchung sechs Stunden in der Lage) und des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. F. vom 21. Dezember 2005 (somatoforme Schmerzstörung [auswärtige Diagnose eines schweren Fibromyalgiesyndroms], Verschleißleiden der Rumpf-WS ohne schwerwiegende Funktionseinschränkungen, Cervikalsyndrom mit muskulären Verspannungen ohne schwerwiegende Funktionseinschränkungen, Großzehengrundgelenksarthrose, mäßige Fingerpolyarthrose, medikamentös behandelte Hypertonie, Pollinose mit allergischer Rhinitis ohne jeweils schwerwiegende Einschränkung; Tätigkeiten einer Maschinenarbeiterin sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen seien sechs Stunden und mehr möglich) sowie die ergänzende Stellungnahme des Dr. F. vom 17. Februar 2006 (keine neuen Aspekte aus der Widerspruchsbegründung) zu Grunde.

Deswegen hat die Klägerin am 12. Mai 2006 - zunächst gegen die DRV Baden-Württemberg - Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und - auf Hinweis des SG auf eine gesetzliche Beteiligtenänderung durch Inkrafttreten des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens zum 1. Juni 2006 - in der Folge die Klage gegen die DRV Unterfranken (jetzt DRV Nordbayern) als Funktionsnachfolgerin - gerichtet. Das SG hat auf den geänderten Antrag der Klägerin und auf Antrag der DRV Baden-Württemberg wegen des Beteiligtenwechsels das Rubrum geändert und die DRV Unterfranken anstelle der DRV Baden-Württemberg als Beklagte aufgenommen.

Die DRV Unterfranken, im weiteren Beklagte, hat sich gegen den Beteiligtenwechsel gewandt und geäußert, richtigerweise sei sie beizuladen.

Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen, unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankungen sei sie nicht in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Inzwischen seien auch Depressionen hinzugekommen. Auch leichte Tätigkeiten könne sie nicht mindestens drei Stunden verrichten.

Das SG hat behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. hat am 11. Juli 2006 die erhobenen Befunde mitgeteilt und die Auffassung vertreten, die von ihm erhobenen Befunde schlössen aus psychiatrischer Sicht eine vollschichtige leichte körperliche Berufstätigkeit nicht aus. Der Internist Dr. B. hat am 25. Juli 2006 die erhobenen Befunde mitgeteilt und u. a. auf orthopädische Beschwerden verwiesen sowie darauf, dass fast alle fibromyalgietypischen Tenderpoints positiv gewesen seien. Die Befunde schlössen eine vollschichtige Verrichtung körperlich leichter Tätigkeiten nicht aus. Hierzu hat er einen Bericht des Rheumazentrums Baden-Baden vom 07. Juli 2005 vorgelegt. Der Orthopäde Dr. G. hat am 01. August 2006 über die erhobenen orthopädischen Beschwerden und von multiplen dauerhaften Tenderpoints passend zum Fibromyalgiesyndrom berichtet. Die erhobenen Befunde schlössen eine vollschichtige Verrichtung körperlich leichter Berufstätigkeiten aus. Hierzu hat er weitere ärztliche Äußerungen vorgelegt.

Das SG hat außerdem - von Amts wegen - ein Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. C. vom 12. Oktober 2006 und ein Sachverständigengutachten des Chefarztes der Abteilung Innere Medizin/Rheumatologie der Federseeklinik Bad Buchau Dr. M. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 22. Januar 2007 eingeholt.

Dr. C. ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, die Klägerin leide unter einem Cervikalsyndrom mit rezidivierenden Blockierungen und regionalen Muskelreizerscheinungen ohne segmentale neurologische Störungen an den oberen Extremitäten, einer Dorsalgie mit rezidivierenden Blockierungen und begleitenden muskulären Verspannungen, einer Lumbalgie bei präsakraler Bandscheiben(BS)-Protrusion und Osteochondrose, S-1-Wurzelirritation beidseits und regionalen Muskelreizungen, einer beginnenden Langfingerpolyarthrose beidseits mit endgradiger Behinderung der Langfinger beim Faustschluss und einer Chondropathia patellae beiseits ohne Funktionsbehinderung der Kniegelenke. Außerdem bestehe ein Fibromyalgiesyndrom. Unter orthopädischen Gesichtspunkten könne die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen von Lasten bis zu fünf kg überwiegend im Sitzen, zeitweilig im Stehen oder Gehen - ohne häufiges Bücken und Treppengehen, Arbeiten in der Hocke, im Knien, auf Leitern und Gerüsten, mit und an laufenden Maschinen, Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit, Exposition gegenüber Kälte, Nässe und Zugluft und starker Hitze sowie Tätigkeiten, die ein kräftiges Zupacken verlangen, und Filigranarbeiten - an fünf Tagen in der Woche sechs Stunden und mehr bzw. vollschichtig verrichten. Sie könne auch täglich vier Mal 500 Meter mit einem Aufwand von jeweils 15 bis 18 Minuten zurücklegen und private sowie öffentliche Verkehrsmittel benutzen.

Dr. M. ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestehe - soweit von sozialmedizinischer Relevanz - ein Diabetes mellitus, eine Blutdruckerhöhung, eine depressive Entwicklung sowie ein Tinnitus, woraus qualitative Einschränkungen resultierten. Im Bereich des Bewegungsapparates bestünden degenerative WS-Veränderungen mäßiger Ausprägung mit bekanntem BS-Vorfall und ein Inpingementsyndrom der rechten Schulter bei passiv weitgehend freier Beweglichkeit. Eine entzündlich rheumatische Erkrankung sei nach den Röntgen- und Laborbefunden nicht zu diagnostizieren. Letztlich liege aus Sicht der kombinierten Fachgebiete, der speziellen Schmerztherapie und der internistischen Rheumatologie eine chronische Schmerzerkrankung vor, die einer klassischen somatisch betonten Form einer Fibromyalgie entspreche. Daraus resultierten näher dargelegte Einschränkungen. Unter Berücksichtigung aller Erkrankungen könne die Klägerin noch leichte körperliche Tätigkeiten mit Hebe- und Tragebelastung von etwa fünf kg zehn Mal in der Stunde und weiteren qualitativen Einschränkungen bei einer Fünf-Tage-Woche drei bis unter sechs Stunden ausführen. Betriebsunübliche Pausen seien bei dem verminderten zeitlichen Leistungsvermögen nicht erforderlich. Die Klägerin könne 500 Meter in einem zeitlichen Aufwand von etwa 18 Minuten zurücklegen und prinzipiell auch private und öffentliche Verkehrsmittel benutzen.

Die DRV Baden-Württemberg hat eine Stellungnahme des Internisten und Rheumatologen Dr. L. vom 19. März 2007 vorgelegt. In Zusammenschau aller Gutachten und medizinischen Befunde sei ein Schweregrad bei der chronifizierten Schmerzerkrankung abzuleiten, der mit einer geeigneten leichten Tätigkeit ohne (rentenrechtlich relevante) quantitative Begrenzung gut zu vereinbaren sei.

Mit Urteil vom 21. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente seien nicht erfüllt, da die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne. Dies ergebe sich aus dem Sachverständigengutachten von Dr. C ... Nicht zu folgen sei der Einschätzung des Dr. M., wonach die Klägerin nur drei bis unter sechs Stunden arbeiten könne. Eine überzeugende Begründung für die Abweichung von den Vorgutachten habe Dr. M. nicht genannt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Gegen das ihr am 13. Juni 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. Juni 2007 Berufung eingelegt. Die Beklagte hat gegen das ihr am 18. Juni 2007 zugestellte Urteil am 13. August 2007 Anschlussberufung eingelegt.

Der Senat hat die DRV Baden-Württemberg mit Beschluss vom 16. August 2007 beigeladen.

Die Klägerin, die ausdrücklich nur Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI begehrt, trägt u. a. vor, sowohl Dr. M. als auch Dr. G. hätten ein vollschichtiges Leistungsvermögen ausgeschlossen. Sie leide unter orthopädischen Beschwerden und einem Fibromyalgiesyndrom, weswegen auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden anzunehmen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Mai 2007 sowie den Bescheid vom 27. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweise Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe sie rechtsfehlerhaft als Beklagte geführt, Beklagte sei aber die DRV Baden-Württemberg und sie selbst sei beizuladen. Einen konkreten Antrag zu ihrer Anschlussberufung hat sie nicht gestellt. Im übrigen trägt sie vor, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Rente, da sie nicht erwerbsgemindert sei. Sie hat eine Stellungnahme der Dr. H. vom 03. März 2008 vorgelegt, die eine nervenärztliche Begutachtung angeregt hat.

Die Beigeladene beantragt zum Teil sinngemäß,

die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, es sei ein Beteiligtenwechsel wirksam eingetreten. Im übrigen sei es müßig zu diskutieren, ob die DRV Unterfranken oder sie Beklagte bzw. notwendig Beigeladene sei, da beider verfahrensrechtliche Stellung dadurch nicht beeinträchtigt sei. Die Anschlussberufung sei mangels Rechtsschutzinteresse aus ihrer Sicht unzulässig. Im übrigen hat sie eine Stellungnahme von Dr. G. vom 25. April 2008 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, es bestünden radiologisch nachgewiesene degenerative WS-Veränderungen. Ansonsten seien keine schwerwiegenden Beeinträchtigungen von Seiten des Bewegungsapparates objektiviert und von Seiten des neurologischen Status feststellbar. Die Klägerin habe nahezu unverändert seit Jahren eine Schmerzsymptomatik, die anhand der fachspezifischen, jedoch nicht rheumatologischen Vorbefunde im Sinne einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung interpretiert werden könne. Daraus ließen sich keine funktionellen Einschränkungen und Beeinträchtigungen erkennen und ableiten, die eine quantitative Leistungsminderung auf unter sechs Stunden begründen ließe, noch weniger die Forderung nach betriebsunüblichen Pausen.

Der Senat hat Sachverständigengutachten des Dr. T. vom 30. Dezember 2007, Facharzt für Innere Medizin, spezielle Schmerztherapie, Chirotherapie, Rehabilitationswesen, sowie der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie J. vom 05. Mai 2008 mit weiterer Stellungnahme vom 13. Mai 2008 eingeholt.

Dr. T. ist zum Ergebnis gelangt, die Klägerin leide unter einem Fibromyalgiesyndrom, degenerativen WS-Veränderungen und BS-Schädigungen, depressiven und Angststörungen, Fingerpolyathrosen und arterieller Hypertonie. Außerdem bestehe der Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung. In Zusammenschau der körperlichen Beeinträchtigungen und der kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen bestehe seit Januar 2007 nur noch eine maximale Belastbarkeit von drei bis unter sechs Stunden pro Tag. Dies gelte auch wenn - näher beschriebene - qualitative Einschränkungen beachtet seien. Bei einem Arbeitsumfang von unter sechs Stunden pro Tag wären eine bis zwei Betriebspausen empfehlenswert. Wegestrecken von 500 Metern könnten in einem Zeitraum von unter 15 Minuten vier Mal täglich bewältigt und öffentliche Verkehrsmittel uneingeschränkt genutzt werden.

Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie J. hat den ihr geschilderten Tagesablauf dargelegt und ausgeführt, auf neurologischem Fachgebiet leide die Klägerin unter Schmerzen im Bereich der WS auf Grund von Abnutzungserscheinungen, wobei ein Teil der geklagten Beschwerden der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zuzuordnen seien. Die Muskeleigenreflexe an den Armen und an den Beinen seien seitengleich auslösbar, Lähmungserscheinungen, Muskelatrophien oder trophische Störungen an den Extremitäten seien nicht nachzuweisen. Damit ergäben sich keine Hinweise für eine Schädigung eines peripheren Nerven, einer Nervenwurzel oder des Rückenmarks. Auf neurologischem Fachgebiet bestehe keine wesentliche Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Funktionen. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung auszugehen. Darüber hinaus bestünden Hinweise für eine leichte depressive Symptomatik, ohne dass die diagnostischen Leitlinien einer leichten oder mittelschweren depressiven Episode erfüllt wären. Auf Grund der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet sei die Klägerin leicht bis mäßiggradig eingeschränkt. Arbeiten mit erhöhter Verantwortung bzw. einer besonderen hohen geistigen Beanspruchung seien nicht zumutbar, ebenso Arbeiten unter besonderem Zeitdruck mit Erfordernis erhöhten Umstellungs- und Anpassungsvermögens, Tätigkeiten, die die Überwachung von komplexen Arbeitsvorgängen erfordern, Akkord-, Fließband-, Schicht-, und Nachtarbeiten und Tätigkeiten mit Publikumsverkehr und nervlicher Belastung. Wegen der Abnutzungserscheinungen der WS kämen Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie gleichförmiger Körperhaltung oder in Zwangshaltung ebenfalls nicht in Frage. Die möglichen Tätigkeiten könnten mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Die Klägerin könne auch vier Mal täglich Wegstrecken von mehr als 500 Meter zu Fuß in 15 bis unter 20 Minuten bewältigen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er einstimmig die Berufung der Klägerin für unbegründet und die Berufung der Beklagten für unzulässig und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die von der Beklagten eingelegte Anschlussberufung, allein mit der Begründung, das SG habe sie zu Unrecht als Beklagte geführt und sie zu Unrecht nicht beigeladen, ist bereits unzulässig. Es fehlt an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin bestimmt allein, wen sie verklagt. Sie hat entschieden, die Beklagte zu verklagen. Für die Beklagte ist es auch unerheblich, ob sie im Erfolgsfalle der Klage als Beklagte oder aber als - wie von ihr gewünscht - Beigeladene verurteilt würde. Auf Grund des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens, am 1. Juni 2006 in Kraft getreten, ist auf jeden Fall die Beklagte bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zahlungspflichtig. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Änderung des Beteiligtenstatus, wie von der Beklagten begehrt, besteht wie vom 4. Senat des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 20. November 2007, L 4 R 3589/07 B) und vom erkennenden Senat bereits entschieden (u. a. Beschluss vom 20. Dezember 2007, L 9 R 3809/07 B) nicht. Im übrigen wurde von ihr insofern auch kein konkreter Berufungsantrag und zuletzt auch kein Verfahrensantrag mehr gestellt. Insofern ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Auch die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Diese hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - u.a. - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen ist die Klägerin weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert, da sie zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann.

Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus den im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. H. und Dr. F. sowie den Sachverständigengutachten von Dr. C. und der Nervenärztin J ...

Die Klägerin leidet auf orthopädischem Fachgebiet nach den Feststellungen von Dr. C., die anzuzweifeln für den Senat kein Anlass besteht, im Wesentlichen unter einem Cervikalsyndrom mit rezidivierenden Blockierungen und regionalen Muskelreizerscheinungen, einer Dorsalgie mit rezidivierenden Blockierungen und begleitenden muskulären Verspannungen, einer Lumbalgie bei präsakraler Bandscheiben(BS)-Protrusion und Osteochondrose, S-1-Wurzelirritation beidseits und regionalen Muskelreizungen, einer beginnenden Langfingerpolyarthrose beidseits mit endgradiger Behinderung der Langfinger beim Faustschluss und einer Chondropathia patellae beiseits ohne Funktionsbehinderung der Kniegelenke. Das von Dr. M. diagnostizierte Impingementsyndrom der rechten Schulter ist bei passiv weitgehend freier Beweglichkeit ohne wesentliche Bedeutung.

Auf internistischem Fachgebiet bestehen ein Diabetes mellitus und ein Bluthochdruck. Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung ist - so Dr. M. - nach den Röntgen- und Laborbefunden nicht zu diagnostizieren.

Im Vordergrund steht bei der Klägerin ein Schmerzsyndrom, das zum Teil - somatisch erklärbar - auf Abnutzungserscheinungen im Bereich der WS zurückzuführen ist. Wesentliche neurologische Erkrankungen, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Funktionen führen würden, liegen dagegen - so die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie J. überzeugend - nicht vor. Insbesondere sind die Muskeleigenreflexe an den Armen und Beinen seitengleich auslösbar und Lähmungserscheinungen, Muskelatrophien oder trophische Störungen an den Extremitäten ebenso wenig nachweisbar wie eine Schädigung eines peripheren Nerven, einer Nervenwurzel oder des Rückenmarks. Zum Teil sind die geklagten Schmerzen auch auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung zurückzuführen. Darüber hinaus bestehen Hinweise für eine leichte depressive Symptomatik, ohne dass die diagnostischen Leitlinien einer leichten oder mittelschweren depressiven Episode erfüllt wären. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie J ... Soweit Dr. T. und Dr. M. depressive und Angststörungen bzw. eine depressive Entwicklung angenommen haben, resultiert daraus kein schwerer wiegender Befund, als der, den die Nervenärztin J. erheben konnte. Soweit Dr. T. und Dr. M. die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms gestellt haben, kann dies dahinstehen. Die damit erfassten Beschwerden sind auch mit den oben genannten Diagnosen auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet erfasst. Schließlich ist auch nicht die Diagnosestellung für die Beurteilung des Leistungsvermögens von entscheidender Bedeutung, sondern die Frage, inwiefern das berufliche Leistungsvermögen durch die objektivierten Beeinträchtigungen eingeschränkt ist.

Weitere dauerhafte und für die Beurteilung des Leistungsvermögens im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung bedeutsame Erkrankungen sind nicht nachgewiesen.

Die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet führen lediglich zu qualitativen, nicht aber quantitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens. Dies ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar aus den Ausführungen des Dr. C., wonach die Klägerin zumindest noch leichte körperliche Arbeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen von Lasten bis zu fünf kg überwiegend im Sitzen, zeitweilig im Stehen oder Gehen - ohne häufiges Bücken und Treppengehen, Arbeiten in der Hocke, im Knien, auf Leitern und Gerüsten, mit und an laufenden Maschinen, Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit, Exposition gegenüber Kälte, Nässe und Zugluft und starker Hitze sowie Tätigkeiten, die ein kräftiges Zupacken verlangen, und Filigranarbeiten - an fünf Tagen in der Woche sechs Stunden und mehr bzw. vollschichtig verrichten kann. Eine wesentliche weitergehende qualitative oder gar quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens ergibt sich auch aus den weiteren Gesundheitsstörungen nicht. Insbesondere besteht auf neurologischem Fachgebiet keine wesentliche Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Funktionen. Auf Grund der Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet ist die Klägerin leicht bis mäßiggradig eingeschränkt. Dies entnimmt der Senat den ihn überzeugenden Ausführungen der Nervenärztin J., die auch die in den Vorgutachten beschriebenen Befunde und Einschätzungen zum Leistungsvermögen berücksichtigt und gewürdigt hat. Danach sind der Klägerin aus Sicht des nervenärztlichen Fachgebietes Arbeiten mit erhöhter Verantwortung bzw. einer besonderen hohen geistigen Beanspruchung nicht zumutbar, ebenso Arbeiten unter besonderem Zeitdruck mit Erfordernis erhöhten Umstellungs- und Anpassungsvermögens, Tätigkeiten, die die Überwachung von komplexen Arbeitsvorgängen erfordern, Akkord-, Fließband-, Schicht-, und Nachtarbeiten und Tätigkeiten mit Publikumsverkehr und nervlicher Belastung. Die möglichen Tätigkeiten können allerdings mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Besondere Arbeitsbedingungen sind hierbei nicht erforderlich.

Die Einschätzung der Nervenärztin J. findet eine Stütze auch in dem von der Klägerin geschilderten Tagesablauf. Danach besucht diese ab und zu ihre Tochter und wird auch von Cousins eingeladen und besucht. Sie steht zu unterschiedlichen Zeiten auf, manchmal um 6:00 Uhr oder 7:00 Uhr, manchmal später. Sie braucht nach ihren Angaben eine Anlaufzeit, frühstückt dann aber. Wenn sie sich schlecht fühlt, setzt sie sich dann in den Sessel und schaut fernsehen. Ansonsten geht sie auch - wie bei Dr. T. angegeben - einkaufen. Allerdings hat sie oftmals Arzttermine oder Termine für Krankengymnastik und Massagen. Wie sie angibt, ist ihr Terminkalender voll. Wenn sie nach Hause kommt, ruht sie sich oft aus, macht dann aber ein warmes Essen oder isst manchmal kalt. Nachmittags schaut sie sich Filme an. Wenn es ihr gut geht, fährt sie abends mit ihrem Mann, die Eltern besuchen. Bei schönem Wetter geht sie mit ihm, wenn sie nicht so große Schmerzen hat, spazieren. Ihr Mann unterstütze sie bei der Hausarbeit, saugt an den Wochenenden. Bisweilen putzt sie Bad und WC. Sie wäscht die Wäsche, legt sie in den Trockner und anschließend zusammen. Das Bügeln übernimmt ihr Mann, ein gelernter Schneider. Sie fährt auch noch mit dem Auto, wenn auch wenig. Das meiste macht sie zu Fuß oder ab und zu mit dem Fahrrad. Zwei Mal in der Woche benutzt sie das Auto, z.B. um zum Arzt zu fahren. Angesichts dessen ist weder ein unüberwindbares Rückzugsverhalten, noch ein nicht weiter strukturierbarer Tagesablauf feststellbar. Unter Berücksichtigung der noch eingeräumten Tagesaktivitäten kann auch nicht nachvollzogen werden, weswegen - bei zumutbarer Willensanstrengung - leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den oben genannten qualitativen Einschränkungen nicht wenigstens sechs Stunden täglich möglich sein sollten. Die Gutachten des Dr. C. und der Nervenärztin J. sind deshalb für den Senat schlüssig und überzeugend. Sie stehen im übrigen auch im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den Einschätzungen von Dr. F. und der Dr. H. sowie den Stellungnahmen von Dr. H. und Dr. G., die im Berufungsverfahren von der Beklagten bzw. der Beigeladenen vorgelegt wurden und als qualifizierter Beteiligtenvortrag verwertbar waren.

Soweit hiervon abweichend Dr. M. und Dr. T. bei im Wesentlichen identischen Befunden zu einer quantitativen Leistungsminderung auf unter sechs Stunden täglich gelangt sind, fehlt es an einer den Senat überzeugenden Begründung. Insbesondere werden die in den Vordergrund gerückten Angaben der Klägerin nicht kritisch hinterfragt und stützen sich beide auch wesentlich auf außerhalb ihres Fachgebietes liegende Erkrankungen - Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens abgeleitet primär aus geistigen und seelischen Beeinträchtigungen (Dr. M.) bzw. einer depressive Anpassungs- und Angststörung und einer somatoformen Schmerzkomponente (Dr. T.) - , die die Nervenärztin J., in deren Fachgebiet diese Leiden fallen, nicht in dem Umfang objektivieren konnte, dass sich daraus eine quantitative Leistungsminderung ableiten ließ.

Damit besteht ein wenigstens sechsstündiges Leistungsvermögen bei Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen. Diese bedingen im übrigen auch keine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, so dass es insofern auch der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht bedarf. Ungeachtet dessen können einfache leichte Sortier- und Verpackungstätigkeiten mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch verrichtet werden.

Im übrigen besteht nach übereinstimmender Einschätzung aller Gutachter eine uneingeschränkte Wegefähigkeit, insbesondere kann die Klägerin vier Mal täglich 500 Meter in weniger als 20 Minuten zu Fuß zurücklegen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen und damit einen Arbeitsplatz erreichen.

Da die Klägerin sonach ihr zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden verrichten kann, ist sie weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert und hat sie keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Das SG hat damit die Klage zu Recht abgewiesen. Deshalb weist der Senat auch die Berufung der Klägerin zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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