Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1636/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3417/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Erkrankungen des Klägers als Berufskrankheit (BK) oder wie eine BK.
Der 1953 geborene Kläger ist seit 1993 als Technischer Angestellter (NC-Programmierer) in einer Gesenkschmiede beschäftigt. Zuvor war er von 1969 bis 1982 als Bohrwerksdreher/Fräser tätig, dann von 1982 bis 1993 als NC-Programmierer in einem Maschinenbauunternehmen.
Mit der ärztlichen Anzeige über eine BK vom 2. Oktober 2004 zeigte Dr. M., Dermatologe und Venerologe, den Verdacht des Bestehens einer BK an. Er teilte mit, der Kläger leide unter einer Sensibilisierung gegen Molybdän, Kobalt, Vanadium, einer Niereninsuffizienz, Hypertonie und EMS durch die inhalative und resorptive Belastung durch Metalle. Es läge ggf. eine BK nach Nr. 1103 oder 1107 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) oder eine BK nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) vor. In dem ihm von der Beklagten übersandten Fragebogen führte der Kläger aus, er habe am 1. August 2002 eine Gehirnblutung mit Lähmung der rechten Körperhälfte erlitten, habe vorher Bluthochdruck gehabt. Er gehe davon aus, dass dies durch Metallstäube verursacht worden sei. Weiter führte er aus, er sei bei seinen Tätigkeiten bis 1993 mit Grauguss und Kugelgraphitguss in Kontakt gekommen, seitdem mit legiertem Stahl.
Der Arbeitgeber, bei dem der Kläger seit 1993 tätig ist, teilte im Fragebogen vom 20. Dezember 2004 mit, bis 31. Juli 2003 habe der Kläger in einem Büroraum im Werkzeugbau, seitdem im Qualitätsmanagement/Logistikhalle gearbeitet. Eine Gefährdung durch Metallstäube läge nicht vor.
Beigezogen wurde weiter das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse; Dr. F. gab in dem von der Beklagten angeforderten Fragebogen vom 5. Januar 2005 an, der Kläger sei seit 1995 bei ihm wegen Hypertonie in Behandlung. Im Jahre 2002 habe er im Rahmen einer malignen essentiellen Hypertonie eine Stammganglienblutung mit Hemiparese rechts bei bekannter kompensierter Niereninsuffizienz erlitten. Beigefügt war der Bericht des Ostalb-Klinikums A. vom 20. August 2002, der neuropsychologische Bericht der Abteilung Psychologie der Fachklinik I. vom 31. Januar 2003, der Arztbrief der Fachklinik I. vom 7. Februar 2003 sowie weitere Arztbriefe.
Der Präventionsdienst der Beklagten nahm am 14. und 15. Februar 2005 telefonisch Ermittlungen über die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten beim Beschäftigungsbetrieb auf. Auf den Inhalt des Berichts wird verwiesen. Die vom Betriebsarzt des Beschäftigungsbetriebs übersandten Staubproben wurden vom Messtechnischen Dienst der Beklagten analysiert. Im Bericht vom 18. April 2005 wurde ausgeführt, die übersandte Staubprobe stamme vom Fensterrahmen des ehemaligen Büros des Klägers. Darin seien gefunden worden 0,45 % Chrom, Eisen und seine Verbindungen, Nickel und seine Verbindungen und Vanadium und seine Verbindungen, außer Vanadiumcarbid. Der Präventionsdienst der Beklagten führte in seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2005 aus, es sei nicht bekannt, in welcher Oxidationsstufe das Chrom vorliege. Der Gehalt von Vanadium liege unterhalb der Nachweisgrenze. Da abgelagerter Staub entnommen worden sei, sei keine Aussage darüber möglich, ob Grenzwerte überschritten würden. Im Bürobereich sei mit einer Überschreitung des TRK-Wertes von Chrom (VI-)Verbindungen nicht zu rechnen.
Die Gewerbeärztin schlug in ihrer Stellungnahme vom 27. Mai 2005 eine BK nach § 9 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB VII nicht zur Anerkennung vor.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte die Beklagte das Bestehen einer BK ab. Die beim Kläger aufgetretene Hirnblutung sei keine BK im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII. Sie sei auch nicht wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass insbesondere eine Anerkennung der Erkrankkungen als BK nach den Nrn. 1103 und 1107 der Anlage zur BKV ausscheide, da die Einwirkung von chrom- und vanadiumhaltigen Stäuben nach dem derzeitigen arbeitsmedizinischen Kenntnisstand nicht als geeignet angesehen werden könne, das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild zu verursachen. Auch lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine BK nicht vor.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und legte zur Begründung ein Schreiben des Dr. M. vom 12. August 2005 vor. Darin ist ausgeführt, dass richtigerweise ausgeführt worden sei, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers nicht um eine Krankheit handle, die in der Berufskrankheitenliste geführt werde. Zu Recht beantrage er allerdings, die Erkrankung nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Es lägen vor eine Hirnblutung sowie eine therapieresistente Hypertonie bei Sensibilisierung auf das am Arbeitsplatz verwendete Molybdän. Dieses komme in den Stäuben am Arbeitsplatz in großer Menge vor. Durch die chronische Zufuhr von Metallstäuben komme es zur Induktion von Zelladhäsionsmolekülen an Endothelien, was diese schwellen lasse und den Blutdruck erhöhe. Dies habe zur Hirnblutung geführt. Der Nachweis des Kausalzusammenhangs sei auch deshalb erbracht, weil durch die durchgeführte Therapie mit einem Binder von Molybdän der Blutdruck habe erstmals gut eingestellt werden können.
Der um Stellungnahme gebetene Präventionsdienst der Beklagten führte in seiner Stellungnahme vom 11. November 2005 aus, der Beschäftigungsbetrieb verwende legierte Stähle mit Molybdänanteilen, z.B. 42 Cr Mo 4, 25 Mo Cr, 17 Cr Ni Mo. Diese Stähle enthielten zwischen 0,15 % bis 0,3 % Molybdän, welches in gebundener Form als Legierungsbestandteil vorkomme. Im Messbericht der Staubanalyse sei Molybdän nicht aufgeführt. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Januar 2006 führte Prof. Dr. Dr. L. aus, nach Datenbankrecherchen zur Frage Molybdän und Hypertonie liege lediglich eine ältere Publikation in russischer Sprache vor, der allerdings auch wieder durch eine andere Publikation in russische Studie widersprochen worden sei. Auch könnten elektromagnetische Felder, die vom Kläger ebenfalls als mögliche Ursache der Hypertonie in Betracht gezogen worden seien, nach Auffassung aller Fachwissenschaftler nicht geeignet sein, eine Hypertonie zu verursachen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 2. Mai 2006 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung führt er aus, es lägen Berufskrankheiten nach den "Anfangsziffern" 11 der BKV vor, hilfsweise sei seine Erkrankung wie eine BK nach § 9 Abs. 2 BKV anzuerkennen. Der Büroraum, in dem er gearbeitet habe, sei in unmittelbarer Nähe der maschinellen Bearbeitung von Werkstoffen gelegen gewesen. Dabei seien Metallstäube freigesetzt worden. Auf den Fensterrahmen seien sehr hohe Metallstaubschichten gelegen, das Fenster habe auch die einzige Lüftungsmöglichkeit des Büroraums dargestellt. Aufgrund der Mischexposition verschiedenster Metallstäube sei die bloße Orientierung an MAK-Grenzwerten unzulässig. Bluthochdruck und Hirnblutungen seien sowohl auf Metallstäube wie elektromagnetische Felder zurückzuführen, auf die er reagiere. Bezüglich der Mischbelastungen liege ein Systemversagen im Berufskrankheitenrecht vor, das dem Kläger nicht angelastet werden könne. Darüber hinaus liege beim Kläger eine Polyneuropathie vor, die nach den Ziff. 1317 bzw. 1302 zu entschädigen sei. Darüber sei allerdings noch kein Verwaltungsverfahren geführt worden.
Das SG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz, das Berufsgenossenschaftliche Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin und das Institut für Gefahrstoffforschung angefragt, ob Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen würden, wonach die beim Kläger dokumentierten Schadstoffexpositionen geeignet seien, Gehirnblutungen, Bluthochdruck und Niereninsuffizienz zu verursachen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat unter dem 17. Oktober 2006 dazu Stellung genommen. Auf das Schreiben wird inhaltlich Bezug genommen. Das Berufsgenossenschaftliche Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin, B., hat unter dem 16. März 2007 eine medizinisch-wissenschaftliche Stellungnahme übersandt, auf deren Inhalt im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird. Zusammenfassend ist darin ausgeführt, dass eine umfassende Literaturstudie keinen Zusammenhang von Metallstaubexpositionen (auch als Mischexpositionen) mit den beim Kläger vorliegenden Erkrankungen ergeben hat. Auch die zum Zusammenhang von elektromagnetischen Feldern und Bluthochdruck existierenden Studien hätten keinen objektiven Kausalnachweis erbracht.
Ein Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten hat am 3. November 2006 eine Arbeitsplatzbesichtigung im Beschäftigungsbetrieb vorgenommen. Besichtigt worden ist das Büro, in dem der Kläger seit Juni 2006 arbeitet, ebenfalls das Büro, in dem der Kläger von Januar 1994 bis März 1996 gearbeitet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht verwiesen.
Der Kläger hat noch weitere Arztbriefe des Dr. M. vorgelegt sowie den Entlassungsbericht aus der im Auftrag des Rentenversicherungsträgers vom 2. bis 30. Oktober 2007 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Prof. Dr. H., Internist, das Gutachten vom 31. Januar 2008 erstellt. Dieser hat als Diagnosen einen schwer einstellbaren arteriellen Bluthochdruck, rezidivierende Bradykardien, Zustand nach Stammganglienblutung links mit rückläufiger Hemiparese rechts, Minderung der cerebralen Glukoseutilisation, kompensierte Niereninsuffizienz, Zustand nach Belastung mit Chrom, Cobalt, Molybdän, Nickel, vermehrte Entzündungszeichen, Sensibilisierung auf Molybdän, chronischer kompensierter Tinnitus aurium beidseits sowie Cholesterinerhöhung/Triglyceriderhöhung mitgeteilt. Er empfehle die Anerkennung einer BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII; die Gesundheitsstörungen seien nicht als BK nach den Ziffern 1103, 1107,1317, 1302 der Anlage zur BKV einzuordnen. Die MdE belaufe sich auf 30 v.H. Beigefügt hat Prof. Dr. H. dem Gutachten u.a. den Bericht der Gemeinschaftspraxis für Laboratoriumsmedizin Schmidt u.a. vom 13. Juli 2007, wonach im LTT der Nachweis einer grenzwertigen (fraglichen) zellulären Sensibilisierung im Sinne einer Typ IV-Immunreaktion gegenüber Nickel und Platin bestehe, gegenüber den weiterhin getesteten Metallen einschließlich Molybdän aber kein Hinweis auf eine immunologisch bedingte Unverträglichkeitsreaktion vorliege.
Mit Urteil vom 21. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten sogenannten Listenerkrankungen nach den Nr. 1101 bis 1110 der Anlage zur BKV lägen nicht vor. Soweit die Listenerkrankungen 1101, 1102, 1104, 1105, 1106, 1108, 1109 und 1110 betroffen seien, scheide die Anerkennung einer BK schon deshalb aus, weil der Kläger keinen Kontakt zu den darin genannten Stoffen gehabt habe. Die Anerkennung der Erkrankungen nach den Ziff. 1103 und 1107 (durch Vanadium bzw. Chrom und seine Verbindungen) scheide, unabhängig von der Tatsache, dass nur geringe Spuren dieser Stoffe in der Staubprobe am Arbeitsplatz festgestellt worden seien, deshalb aus, weil die im Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zu diesen Berufskrankheiten aufgeführten Voraussetzungen nicht vorliegen würden. Darüber hinaus habe auch Prof. Dr. H. das Vorliegen einer sog. Listen-BK verneint. Eine Entschädigung seiner Erkrankungen wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII komme ebenfalls nicht in Betracht. Es mangle am Nachweis, dass der Kläger einer Personengruppe angehöre, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sei, die Krankheiten solcher Art verursachten. Es lägen nämlich keine wissenschaftlichen Nachweise dafür vor, dass Metallstäube bzw. elektromagnetische Felder die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen verursachten.
Gegen das am 5. Juni 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Juli 2008 beim SG Berufung eingelegt. Er führt zur Begründung aus, schon das Bundesverfassungsgericht habe einen lückenlosen Schutz der Versicherten bei beruflich bedingten Erkrankungen gefordert. Dies müsse auch dann gelten, wenn - wie im Fall des Klägers - ein atypischer Fall vorliege. Denn das Listen-Berufskrankheitenrecht erfasse komplexe Einzelstoff- und Mischexpositionen nur unzureichend. Auch könnten die Merkblätter keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung des Bestehens oder Nichtbestehens einer BK bilden. Bezüglich § 9 Abs. 2 SGB VII liege ein Systemversagen vor, ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21. Mai 2008 sowie den Bescheid vom 28. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach den Ziffern 1101, 1102, 1103, 1104, 1105, 1106, 1107, 1108, 1109, 1110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und zu entschädigen, insbesondere eine Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und zu entschädigen bzw. eine entsprechende Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Weder liegt eine Erkrankung nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der BKV noch eine sog. "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtverordnung bezeichnet ist, oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der Anlage zur BKV sind nicht nachgewiesen.
Bezüglich der Berufskrankheiten nach den Nrn. 1101, 1102, 1104 bis 1106, 1108 bis 1110 mangelt es schon am Nachweis der beruflichen Belastung durch eines der darin aufgeführten Metalle bzw. Metalloide, was schon das SG in seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt hat.
Soweit eine Erkrankung durch Chrom (BK Nr. 1103) oder Vanadium (BK Nr. 1107) im Streit steht, waren zwar in der am Fenster des Büros des Klägers entnommenen Staubprobe Chrom und Vanadium enthalten. Unabhängig davon, dass beide Metalle in einer nur äußerst geringen Konzentration und weit unterhalb der MAK-Grenzwerte festgestellt worden sind, hat das SG unter Berücksichtigung der Merkblätter zu den jeweiligen Berufskrankheiten zutreffend festgestellt, dass keines der Krankheitsbilder, die durch Chrom und Vanadium verursacht werden können, beim Kläger vorliegt. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen wegen der Einzelheiten der Begründung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Seiten 9 und 10) Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Einwand des Klägers im Berufungsverfahren, die Merkblätter stellten keine rechtlich verbindliche Grundlage zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts dar, vermag eine abweichende Entscheidung nicht zu rechtfertigen.
Wegen der oftmals recht unbestimmten Fassung der Berufskrankheiten sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die Gerichte verpflichtet, über den Wortlaut der einzelnen BK-Ziffer hinaus den Inhalt der jeweiligen Berufskrankheiten zu bestimmen (BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 5). Für diese Auslegung gelten die allgemein anerkannten juristischen Regeln und Methoden (Wortlaut, Zusammenhang, Historie, Zweck). Dabei kommt für die Auslegung von Berufskrankheiten dem Willen des Verordnungsgebers, also dem Sinn und Zweck der Vorschrift, besondere Bedeutung zu, sodass auch eine Einschränkung des Anwendungsbereichs einer Norm gegenüber ihrem Wortlaut (sog teleologische Reduktion) möglich ist (BSG SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1 m.w.N.). Darüber hinaus ist insbesondere zu beachten, dass der Verordnungsgeber die Berufskrankheiten zum Teil bewusst offen formuliert hat, damit Verwaltung und Rechtsprechung die sich ändernden Erkenntnisse berücksichtigen können, ohne dass der Wortlaut der Verordnung geändert werden muss (Begründung zur Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf gewerbliche Berufskrankheiten, RArbBl-Amtl Teil, 1925, 263). Somit kann insbesondere auf die zu den Entwürfen der jeweiligen Verordnung verfasste Begründung als Material zurückgegriffen werden (BSG aaO). Daneben können die vom jeweils zuständigen Bundesministerium zu einzelnen Berufskrankheiten herausgegebenen Merkblätter herangezogen werden. Diese richten sich primär an den Allgemeinarzt, dem sie rechtlich unverbindliche Hinweise für die Beurteilung im Einzelfall aus arbeitsmedizinischer Sicht bieten sollen. Sie sind aber auch vom einschlägig tätigen Juristen zumindest in Teilen zu verstehen und daher verwertbar. Sie stellen eine wichtige, aber nicht unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis dar, ohne dass ihnen rechtliche Verbindlichkeit zukommen würde (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2401 Nr. 1; BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Obgleich sie in der Regel einen guten Überblick über die jeweilige BK bieten, sind sie nicht immer auf dem neuesten Stand, sodass sie insbesondere für die Entnahme medizinischer Erfahrungssätze grundsätzlich der Auswertung durch einen medizinischen Sachverständigen bedürfen (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Über Materialien und Merkblätter hinaus muss für die Auslegung der BKen auf den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zurückgegriffen werden, wie er sich aus der einschlägigen Fachliteratur und anderen Veröffentlichungen ergibt (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 1).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der Senat nicht erkennen, dass das SG durch die Bezugnahme auf die einschlägigen Merkblätter die durch das BSG entwickelten Rechtsgrundsätze nicht beachtet hätte.
Denn auch dann, wenn den Merkblättern rechtliche Verbindlichkeit nicht zukommt, bilden sie eine wichtige und unverzichtbare Informationsquelle für das Gericht und dienen insbesondere als Beurteilungsgrundlage dafür, ob die geltend gemachten Erkrankungen nach dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand überhaupt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die angeschuldigten Belastungen mit Metallstäuben zurückgeführt werden können. Erst wenn sich nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand, wie er in den Merkblättern niedergelegt ist oder den sich das Gericht darüber hinaus verschafft hat, überhaupt ein Ansatz für einen Zusammenhang der vorliegenden Erkrankungen mit der angeschuldigten Substanz ergibt, ist es Aufgabe des Gerichts, über die Einschaltung eines Sachverständigen weitergehende medizinische Erfahrungssätze zu ermitteln.
Die Merkblätter zu den Berufskrankheiten nach den Nrn. 1103 und 1107 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung befinden sich auf neuestem Stand. Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass über die darin aufgeführten Erkrankungen hinaus, die durch Vanadium oder Chrom verursacht werden können, auch die beim Kläger bestehenden Erkrankungen in Gestalt von Bluthochdruck, Niereninsuffizienz oder Hirnschlag verursacht werden können. Dies hat insbesondere die ausführliche Recherche des Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstituts für Arbeitsmedizin, die das SG veranlasst hat, ergeben. Das Ergebnis dieser Recherche spiegelt den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand wider und belegt, dass ein Zusammenhang einer Belastung mit Chrom bzw. Vanadium mit Bluthochdruck, Niereninsuffizienz und Hirnschlag nicht belegt ist. Auch der Bevollmächtigte des Klägers hat nichts vorgetragen, was einen abweichenden Erkenntnisstand belegen würde. Liegen aber schon keine Erkrankungen vor, die nach Maßgabe der einschlägigen Erkenntnismittel durch die angeschuldigten Substanzen verursacht werden können, besteht auch für das Gericht kein Anlass zu weitergehenden medizinischen Ermittlungen z.B. durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen. Im Übrigen hat, auch darauf hat schon das SG zutreffend hingewiesen, selbst der nach § 109 SGG benannte Gutachter das Vorliegen einer Erkrankung nach den Nrn. 1101 bis 1110 verneint. Es ist daher auch unter Berücksichtigung dieses Gutachtens für den Senat nicht nachvollziehbar, dass eine entsprechende Anerkennung auch im Berufungsverfahren noch verfolgt wird.
Soweit eine Anerkennung der Erkrankungen nach § 9 Abs. 2 SGB VII begehrt wird, hat auch insoweit das SG zu Recht dem Antrag nicht entsprochen.
Das Tatbestandsmerkmal der gruppentypischen Risikoerhöhung wäre dann als erfüllt anzusehen, wenn hinreichende Feststellungen in Form medizinischer Erkenntnisse dafür vorliegen würden, dass die Personengruppe "Technische Angestellte in Hüttenwerken bzw. metallverarbeitenden Betrieben" durch die Arbeit Einwirkungen ausgesetzt wäre, mit denen die übrige Bevölkerung nicht in diesem Maße in Kontakt käme (Einwirkungshäufigkeit) und die geeignet wäre, Bluthochdruck, Niereninsuffizienz und Hirnschlag hervorzurufen (generelle Geeignetheit). Das Erfordernis einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen bezieht sich auf das allgemeine Auftreten einer Krankheit innerhalb dieser Gruppe. Auf eine Verursachung der Krankheit durch die gefährdende Tätigkeit im Einzelfall kommt es dabei nicht an. Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um dann daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (BSG vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R unter Verweis auf BSGE 79, 250, 253 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 9 m.w.N.). Ist im Ausnahmefall die gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht mit der im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung derartiger Krankheitsbilder zum Nachweis einer größeren Anzahl gleichartiger Gesundheitsstörungen zu belegen, da etwa aufgrund der Seltenheit der Erkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können, kann zur Feststellung der generellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der betreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten, sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten wie Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 2 SGB VII und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden (vgl. BSGE 79, 250, 252 = SozR 3 aaO; BSG, Beschluss vom 27. Mai 1997 - 2 BU 43/97 = HVBG-Info 1997, 2113). Die gruppenspezifische Risikoerhöhung muss sich in jedem Fall letztlich aus "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" ergeben. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es muss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln; nicht erforderlich ist, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG, Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 = HVBG-Info 1997, 1105; Brackmann/Krasney, aaO, RdNr 47 mwN).
Es liegen schon keine hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse für die zu fordernde Einwirkungshäufigkeit vor. Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, da es schon - wie bereits dargestellt - an dem wissenschaftlichen Nachweis der generellen Geeignetheit der nachgewiesenen Metallstäube für das Krankheitsbild des Klägers fehlt. Weder ist der Nachweis einer gruppenspezifischen Risikoerhöhung zu erbringen, noch liegen Einzelfallstudien, Erkenntnisse aus anderen Staaten oder frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten wie Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 2 SGB VII und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vor.
Keine andere Beurteilung ist durch das Gutachten von Prof. Dr. H. gerechtfertigt. Dieser ist bei seiner Beurteilung von einer "deutlich erhöhten Exposition gegenüber Chrom, Cobalt, Nickel, Molybdän" im Staub des Arbeitsplatzes ausgegangen, was an sich schon unzutreffend ist, da in dem untersuchten Staub nur geringfügige Mengen einiger Metalle (ohne Molybdän) gefunden worden sind. Die von ihm auf Basis dieser unzutreffenden Tatsachengrundlage getroffenen Schlüsse zur Empfehlung der Anerkennung einer BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII vermögen darüber hinaus auch deshalb nicht zu überzeugen, weil sich Prof. Dr. H. nicht mit den rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen im Rahmen des § 9 Abs. 2 SGB VII auseinander gesetzt hat. Er hat vielmehr nur einen - beim Kläger möglichen - Entwicklungsprozess der Erkrankung skizziert. Selbst wenn diese - auch von Prof. Dr. H. nur als Möglichkeit formulierte - Krankheitsentwicklung tatsächlich im beruflichen Kontakt mit Metallstäuben ihre Ursache finden würden, wäre dadurch noch nicht deren Anerkennung als Berufskrankheit zu rechtfertigen, da es gerade des Nachweises im Rahmen einer größeren Zahl von Arbeitern in der Metallindustrie oder gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse eines derartigen Zusammenhangs bedürfte.
Es fehlen darüber hinaus diesbezüglich neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, dass die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind, die sog. Verordnungsreife also vorliegt. Grundsätzlich sind medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse dann "neu" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch - dies ist im Zweifel der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - feststeht (BSGE 79, 250, 253 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9; BSG, Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 -, HVBG-Info 1997, 1105), dass sie bei der letzten Änderung der BKV noch nicht berücksichtigt wurden. Dies ist stets der Fall, wenn die Erkenntnisse erst nach Erlass der letzten BKV bzw. etwaiger Änderungsverordnungen bekannt geworden sind (BSGE 21, 296, 298 = SozR Nr. 1 zu § 551 RVO). Nicht berücksichtigt vom Verordnungsgeber und somit "neu" sind aber auch diejenigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, die trotz Vorhandenseins bei Erlass der letzten BKV oder einer Änderungsverordnung vom Verordnungsgeber entweder nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erkennbar geprüft worden sind. Als neu in diesem Sinne gelten daher solche medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr, die nach erkennbarer Prüfung vom Verordnungsgeber als noch unzureichend bewertet wurden und deswegen eine Aufnahme der betreffenden Krankheit in die BK-Liste scheitert (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 14; BSGE 44, 90, 93, 94 = SozR 2200 § 551 Nr. 9). Allerdings erweisen sich dann solche bereits überprüften Erkenntnisse wiederum als neu, wenn sie sich nach diesem Zeitpunkt zusammen mit weiteren, später hinzukommenden Erkenntnissen zur BK-Reife verdichtet haben (BSGE 59, 295, 301 = SozR 2200 § 551 Nr. 27; BSGE 72, 303, 305 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 3; BSG, Urteil vom 27. Mai 1997 - 2 RU 33/96 = HVBG-Info 1997, 2107). Eine derartige Verdichtung ist anzunehmen, wenn dem Verordnungsgeber ausreichende, regelmäßig von einer herrschenden Meinung getragene medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die geeignet wären, die Einführung einer neuen BK im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII zu tragen (BSGE 84, 30, 35 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; BSG, Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 = HVBG-Info aaO).
Ob und gegebenenfalls inwieweit sich der Verordnungsgeber mit der betreffenden Krankheit und der zu ihr bestehenden wissenschaftlichen Erforschung befasst hat, welche Erkenntnisse er überhaupt berücksichtigen konnte und welche Entscheidungen eventuell diesbezüglich bereits getroffen wurden (entweder eine Ablehnung der Aufnahme in die BK-Liste wegen unzureichender Erkenntnisse oder die beabsichtigte Aufnahme in die BK-Liste oder praktisch keine Entscheidung trotz Befassung des Sachverständigenbeirates bei dem BMA mit den vorliegenden Erkenntnissen), kann - sofern vorhanden - an der Veröffentlichung von Empfehlungen des Beirates im Bundesarbeitsblatt abgelesen werden (vgl. hierzu Lauterbach/Koch, SGB VII, § 9 RdNr. 281). Ist jedoch zu dem betreffenden Krankheitsbild noch keine Empfehlung des Sachverständigenbeirats veröffentlicht worden, kann Art und Umfang der Befassung des Verordnungsgebers in erster Linie durch Einholung einer aussagekräftigen und detaillierten sachverständigen Auskunft festgestellt werden.
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG bestätigt, dass sich der Verordnungsgeber mit einer entsprechenden Fragestellung noch nicht befasst hat und auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse diesbezüglich vorliegen. Diese Aussage wurde bestätigt durch die Literaturrecherche des Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstituts für Arbeitsmedizin Bochum, wonach keine (daher auch keine "neuen") medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisse dafür vorliegen, dass eine Exposition gegenüber Chrom, Eisen, Nickel, Vanadium, Kobalt oder Molybdän zu Blutdruckerhöhung, Niereninsuffizienz oder einem Hirnschlag führt.
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers von einem "Systemversagen" spricht bzw. verfassungsrechtliche Bedenken äußert, vermochten auch diese nicht zu überzeugen.
Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 14.07.1993 - 1 BvR 1127/90, veröffentlicht in SozR 3-2200 § 551 Nr. 5 ausgeführt, dass es zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich zur Vermeidung von nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung (Versagung des Versicherungsschutzes bei Unfällen einer Personengruppe, weil der Verordnungsgeber bei Erlass der Berufskrankheiten-Verordnung vorliegende Erkenntnisse noch nicht geprüft und gewürdigt hat) notwendig ist, § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII verfassungskonform auszulegen (vgl. BVerfG, 1981-10-22, 1 BvR 1369/79, BVerfGE 58, 369 (374ff)). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seiner Entscheidung weiter ausgeführt, dass es im Zuge dieser Auslegung aber nicht geboten erscheint, eine über das gesetzliche Maß hinausgehende Lückenlosigkeit des Schutzes für alle Versicherten, die an einer durch Berufstätigkeit verursachten Krankheit leiden, zu gewährleisten.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sieht das Gericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken darin, dass selbst für den Fall, dass im konkreten Fall des Klägers die bestehenden Erkrankungen durch die Metallstäube ausgelöst worden wären, die Anerkennung als BK nicht erfolgt. Von einem "Systemversagen", welches auf den lückenlosen Schutz aller Versicherten vor beruflich bedingten Erkrankungen ausgerichtet wäre, kann keine Rede sein. Deshalb hat der Senat auch keinen Anlass gesehen, das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Darüber hinaus, darauf hat der Senat schon mehrfach hingewiesen, würde die Annahme eines Systemversagens voraussetzen, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Kenntnisse für einen möglichen Ursachenzusammenhang sprechen könnten, also eine theoretisch denkbare Kausalbeziehung in Betracht kommen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Erkrankungen des Klägers als Berufskrankheit (BK) oder wie eine BK.
Der 1953 geborene Kläger ist seit 1993 als Technischer Angestellter (NC-Programmierer) in einer Gesenkschmiede beschäftigt. Zuvor war er von 1969 bis 1982 als Bohrwerksdreher/Fräser tätig, dann von 1982 bis 1993 als NC-Programmierer in einem Maschinenbauunternehmen.
Mit der ärztlichen Anzeige über eine BK vom 2. Oktober 2004 zeigte Dr. M., Dermatologe und Venerologe, den Verdacht des Bestehens einer BK an. Er teilte mit, der Kläger leide unter einer Sensibilisierung gegen Molybdän, Kobalt, Vanadium, einer Niereninsuffizienz, Hypertonie und EMS durch die inhalative und resorptive Belastung durch Metalle. Es läge ggf. eine BK nach Nr. 1103 oder 1107 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) oder eine BK nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) vor. In dem ihm von der Beklagten übersandten Fragebogen führte der Kläger aus, er habe am 1. August 2002 eine Gehirnblutung mit Lähmung der rechten Körperhälfte erlitten, habe vorher Bluthochdruck gehabt. Er gehe davon aus, dass dies durch Metallstäube verursacht worden sei. Weiter führte er aus, er sei bei seinen Tätigkeiten bis 1993 mit Grauguss und Kugelgraphitguss in Kontakt gekommen, seitdem mit legiertem Stahl.
Der Arbeitgeber, bei dem der Kläger seit 1993 tätig ist, teilte im Fragebogen vom 20. Dezember 2004 mit, bis 31. Juli 2003 habe der Kläger in einem Büroraum im Werkzeugbau, seitdem im Qualitätsmanagement/Logistikhalle gearbeitet. Eine Gefährdung durch Metallstäube läge nicht vor.
Beigezogen wurde weiter das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse; Dr. F. gab in dem von der Beklagten angeforderten Fragebogen vom 5. Januar 2005 an, der Kläger sei seit 1995 bei ihm wegen Hypertonie in Behandlung. Im Jahre 2002 habe er im Rahmen einer malignen essentiellen Hypertonie eine Stammganglienblutung mit Hemiparese rechts bei bekannter kompensierter Niereninsuffizienz erlitten. Beigefügt war der Bericht des Ostalb-Klinikums A. vom 20. August 2002, der neuropsychologische Bericht der Abteilung Psychologie der Fachklinik I. vom 31. Januar 2003, der Arztbrief der Fachklinik I. vom 7. Februar 2003 sowie weitere Arztbriefe.
Der Präventionsdienst der Beklagten nahm am 14. und 15. Februar 2005 telefonisch Ermittlungen über die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten beim Beschäftigungsbetrieb auf. Auf den Inhalt des Berichts wird verwiesen. Die vom Betriebsarzt des Beschäftigungsbetriebs übersandten Staubproben wurden vom Messtechnischen Dienst der Beklagten analysiert. Im Bericht vom 18. April 2005 wurde ausgeführt, die übersandte Staubprobe stamme vom Fensterrahmen des ehemaligen Büros des Klägers. Darin seien gefunden worden 0,45 % Chrom, Eisen und seine Verbindungen, Nickel und seine Verbindungen und Vanadium und seine Verbindungen, außer Vanadiumcarbid. Der Präventionsdienst der Beklagten führte in seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2005 aus, es sei nicht bekannt, in welcher Oxidationsstufe das Chrom vorliege. Der Gehalt von Vanadium liege unterhalb der Nachweisgrenze. Da abgelagerter Staub entnommen worden sei, sei keine Aussage darüber möglich, ob Grenzwerte überschritten würden. Im Bürobereich sei mit einer Überschreitung des TRK-Wertes von Chrom (VI-)Verbindungen nicht zu rechnen.
Die Gewerbeärztin schlug in ihrer Stellungnahme vom 27. Mai 2005 eine BK nach § 9 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB VII nicht zur Anerkennung vor.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte die Beklagte das Bestehen einer BK ab. Die beim Kläger aufgetretene Hirnblutung sei keine BK im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII. Sie sei auch nicht wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass insbesondere eine Anerkennung der Erkrankkungen als BK nach den Nrn. 1103 und 1107 der Anlage zur BKV ausscheide, da die Einwirkung von chrom- und vanadiumhaltigen Stäuben nach dem derzeitigen arbeitsmedizinischen Kenntnisstand nicht als geeignet angesehen werden könne, das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild zu verursachen. Auch lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine BK nicht vor.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und legte zur Begründung ein Schreiben des Dr. M. vom 12. August 2005 vor. Darin ist ausgeführt, dass richtigerweise ausgeführt worden sei, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers nicht um eine Krankheit handle, die in der Berufskrankheitenliste geführt werde. Zu Recht beantrage er allerdings, die Erkrankung nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Es lägen vor eine Hirnblutung sowie eine therapieresistente Hypertonie bei Sensibilisierung auf das am Arbeitsplatz verwendete Molybdän. Dieses komme in den Stäuben am Arbeitsplatz in großer Menge vor. Durch die chronische Zufuhr von Metallstäuben komme es zur Induktion von Zelladhäsionsmolekülen an Endothelien, was diese schwellen lasse und den Blutdruck erhöhe. Dies habe zur Hirnblutung geführt. Der Nachweis des Kausalzusammenhangs sei auch deshalb erbracht, weil durch die durchgeführte Therapie mit einem Binder von Molybdän der Blutdruck habe erstmals gut eingestellt werden können.
Der um Stellungnahme gebetene Präventionsdienst der Beklagten führte in seiner Stellungnahme vom 11. November 2005 aus, der Beschäftigungsbetrieb verwende legierte Stähle mit Molybdänanteilen, z.B. 42 Cr Mo 4, 25 Mo Cr, 17 Cr Ni Mo. Diese Stähle enthielten zwischen 0,15 % bis 0,3 % Molybdän, welches in gebundener Form als Legierungsbestandteil vorkomme. Im Messbericht der Staubanalyse sei Molybdän nicht aufgeführt. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Januar 2006 führte Prof. Dr. Dr. L. aus, nach Datenbankrecherchen zur Frage Molybdän und Hypertonie liege lediglich eine ältere Publikation in russischer Sprache vor, der allerdings auch wieder durch eine andere Publikation in russische Studie widersprochen worden sei. Auch könnten elektromagnetische Felder, die vom Kläger ebenfalls als mögliche Ursache der Hypertonie in Betracht gezogen worden seien, nach Auffassung aller Fachwissenschaftler nicht geeignet sein, eine Hypertonie zu verursachen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 2. Mai 2006 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung führt er aus, es lägen Berufskrankheiten nach den "Anfangsziffern" 11 der BKV vor, hilfsweise sei seine Erkrankung wie eine BK nach § 9 Abs. 2 BKV anzuerkennen. Der Büroraum, in dem er gearbeitet habe, sei in unmittelbarer Nähe der maschinellen Bearbeitung von Werkstoffen gelegen gewesen. Dabei seien Metallstäube freigesetzt worden. Auf den Fensterrahmen seien sehr hohe Metallstaubschichten gelegen, das Fenster habe auch die einzige Lüftungsmöglichkeit des Büroraums dargestellt. Aufgrund der Mischexposition verschiedenster Metallstäube sei die bloße Orientierung an MAK-Grenzwerten unzulässig. Bluthochdruck und Hirnblutungen seien sowohl auf Metallstäube wie elektromagnetische Felder zurückzuführen, auf die er reagiere. Bezüglich der Mischbelastungen liege ein Systemversagen im Berufskrankheitenrecht vor, das dem Kläger nicht angelastet werden könne. Darüber hinaus liege beim Kläger eine Polyneuropathie vor, die nach den Ziff. 1317 bzw. 1302 zu entschädigen sei. Darüber sei allerdings noch kein Verwaltungsverfahren geführt worden.
Das SG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz, das Berufsgenossenschaftliche Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin und das Institut für Gefahrstoffforschung angefragt, ob Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen würden, wonach die beim Kläger dokumentierten Schadstoffexpositionen geeignet seien, Gehirnblutungen, Bluthochdruck und Niereninsuffizienz zu verursachen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat unter dem 17. Oktober 2006 dazu Stellung genommen. Auf das Schreiben wird inhaltlich Bezug genommen. Das Berufsgenossenschaftliche Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin, B., hat unter dem 16. März 2007 eine medizinisch-wissenschaftliche Stellungnahme übersandt, auf deren Inhalt im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird. Zusammenfassend ist darin ausgeführt, dass eine umfassende Literaturstudie keinen Zusammenhang von Metallstaubexpositionen (auch als Mischexpositionen) mit den beim Kläger vorliegenden Erkrankungen ergeben hat. Auch die zum Zusammenhang von elektromagnetischen Feldern und Bluthochdruck existierenden Studien hätten keinen objektiven Kausalnachweis erbracht.
Ein Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten hat am 3. November 2006 eine Arbeitsplatzbesichtigung im Beschäftigungsbetrieb vorgenommen. Besichtigt worden ist das Büro, in dem der Kläger seit Juni 2006 arbeitet, ebenfalls das Büro, in dem der Kläger von Januar 1994 bis März 1996 gearbeitet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht verwiesen.
Der Kläger hat noch weitere Arztbriefe des Dr. M. vorgelegt sowie den Entlassungsbericht aus der im Auftrag des Rentenversicherungsträgers vom 2. bis 30. Oktober 2007 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Prof. Dr. H., Internist, das Gutachten vom 31. Januar 2008 erstellt. Dieser hat als Diagnosen einen schwer einstellbaren arteriellen Bluthochdruck, rezidivierende Bradykardien, Zustand nach Stammganglienblutung links mit rückläufiger Hemiparese rechts, Minderung der cerebralen Glukoseutilisation, kompensierte Niereninsuffizienz, Zustand nach Belastung mit Chrom, Cobalt, Molybdän, Nickel, vermehrte Entzündungszeichen, Sensibilisierung auf Molybdän, chronischer kompensierter Tinnitus aurium beidseits sowie Cholesterinerhöhung/Triglyceriderhöhung mitgeteilt. Er empfehle die Anerkennung einer BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII; die Gesundheitsstörungen seien nicht als BK nach den Ziffern 1103, 1107,1317, 1302 der Anlage zur BKV einzuordnen. Die MdE belaufe sich auf 30 v.H. Beigefügt hat Prof. Dr. H. dem Gutachten u.a. den Bericht der Gemeinschaftspraxis für Laboratoriumsmedizin Schmidt u.a. vom 13. Juli 2007, wonach im LTT der Nachweis einer grenzwertigen (fraglichen) zellulären Sensibilisierung im Sinne einer Typ IV-Immunreaktion gegenüber Nickel und Platin bestehe, gegenüber den weiterhin getesteten Metallen einschließlich Molybdän aber kein Hinweis auf eine immunologisch bedingte Unverträglichkeitsreaktion vorliege.
Mit Urteil vom 21. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten sogenannten Listenerkrankungen nach den Nr. 1101 bis 1110 der Anlage zur BKV lägen nicht vor. Soweit die Listenerkrankungen 1101, 1102, 1104, 1105, 1106, 1108, 1109 und 1110 betroffen seien, scheide die Anerkennung einer BK schon deshalb aus, weil der Kläger keinen Kontakt zu den darin genannten Stoffen gehabt habe. Die Anerkennung der Erkrankungen nach den Ziff. 1103 und 1107 (durch Vanadium bzw. Chrom und seine Verbindungen) scheide, unabhängig von der Tatsache, dass nur geringe Spuren dieser Stoffe in der Staubprobe am Arbeitsplatz festgestellt worden seien, deshalb aus, weil die im Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zu diesen Berufskrankheiten aufgeführten Voraussetzungen nicht vorliegen würden. Darüber hinaus habe auch Prof. Dr. H. das Vorliegen einer sog. Listen-BK verneint. Eine Entschädigung seiner Erkrankungen wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII komme ebenfalls nicht in Betracht. Es mangle am Nachweis, dass der Kläger einer Personengruppe angehöre, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sei, die Krankheiten solcher Art verursachten. Es lägen nämlich keine wissenschaftlichen Nachweise dafür vor, dass Metallstäube bzw. elektromagnetische Felder die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen verursachten.
Gegen das am 5. Juni 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Juli 2008 beim SG Berufung eingelegt. Er führt zur Begründung aus, schon das Bundesverfassungsgericht habe einen lückenlosen Schutz der Versicherten bei beruflich bedingten Erkrankungen gefordert. Dies müsse auch dann gelten, wenn - wie im Fall des Klägers - ein atypischer Fall vorliege. Denn das Listen-Berufskrankheitenrecht erfasse komplexe Einzelstoff- und Mischexpositionen nur unzureichend. Auch könnten die Merkblätter keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung des Bestehens oder Nichtbestehens einer BK bilden. Bezüglich § 9 Abs. 2 SGB VII liege ein Systemversagen vor, ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21. Mai 2008 sowie den Bescheid vom 28. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach den Ziffern 1101, 1102, 1103, 1104, 1105, 1106, 1107, 1108, 1109, 1110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und zu entschädigen, insbesondere eine Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und zu entschädigen bzw. eine entsprechende Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Weder liegt eine Erkrankung nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der BKV noch eine sog. "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII vor.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtverordnung bezeichnet ist, oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).
Die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der Anlage zur BKV sind nicht nachgewiesen.
Bezüglich der Berufskrankheiten nach den Nrn. 1101, 1102, 1104 bis 1106, 1108 bis 1110 mangelt es schon am Nachweis der beruflichen Belastung durch eines der darin aufgeführten Metalle bzw. Metalloide, was schon das SG in seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt hat.
Soweit eine Erkrankung durch Chrom (BK Nr. 1103) oder Vanadium (BK Nr. 1107) im Streit steht, waren zwar in der am Fenster des Büros des Klägers entnommenen Staubprobe Chrom und Vanadium enthalten. Unabhängig davon, dass beide Metalle in einer nur äußerst geringen Konzentration und weit unterhalb der MAK-Grenzwerte festgestellt worden sind, hat das SG unter Berücksichtigung der Merkblätter zu den jeweiligen Berufskrankheiten zutreffend festgestellt, dass keines der Krankheitsbilder, die durch Chrom und Vanadium verursacht werden können, beim Kläger vorliegt. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen wegen der Einzelheiten der Begründung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Seiten 9 und 10) Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Einwand des Klägers im Berufungsverfahren, die Merkblätter stellten keine rechtlich verbindliche Grundlage zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts dar, vermag eine abweichende Entscheidung nicht zu rechtfertigen.
Wegen der oftmals recht unbestimmten Fassung der Berufskrankheiten sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die Gerichte verpflichtet, über den Wortlaut der einzelnen BK-Ziffer hinaus den Inhalt der jeweiligen Berufskrankheiten zu bestimmen (BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 5). Für diese Auslegung gelten die allgemein anerkannten juristischen Regeln und Methoden (Wortlaut, Zusammenhang, Historie, Zweck). Dabei kommt für die Auslegung von Berufskrankheiten dem Willen des Verordnungsgebers, also dem Sinn und Zweck der Vorschrift, besondere Bedeutung zu, sodass auch eine Einschränkung des Anwendungsbereichs einer Norm gegenüber ihrem Wortlaut (sog teleologische Reduktion) möglich ist (BSG SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1 m.w.N.). Darüber hinaus ist insbesondere zu beachten, dass der Verordnungsgeber die Berufskrankheiten zum Teil bewusst offen formuliert hat, damit Verwaltung und Rechtsprechung die sich ändernden Erkenntnisse berücksichtigen können, ohne dass der Wortlaut der Verordnung geändert werden muss (Begründung zur Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf gewerbliche Berufskrankheiten, RArbBl-Amtl Teil, 1925, 263). Somit kann insbesondere auf die zu den Entwürfen der jeweiligen Verordnung verfasste Begründung als Material zurückgegriffen werden (BSG aaO). Daneben können die vom jeweils zuständigen Bundesministerium zu einzelnen Berufskrankheiten herausgegebenen Merkblätter herangezogen werden. Diese richten sich primär an den Allgemeinarzt, dem sie rechtlich unverbindliche Hinweise für die Beurteilung im Einzelfall aus arbeitsmedizinischer Sicht bieten sollen. Sie sind aber auch vom einschlägig tätigen Juristen zumindest in Teilen zu verstehen und daher verwertbar. Sie stellen eine wichtige, aber nicht unbedingt ausreichende Informationsquelle für die Praxis dar, ohne dass ihnen rechtliche Verbindlichkeit zukommen würde (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2401 Nr. 1; BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Obgleich sie in der Regel einen guten Überblick über die jeweilige BK bieten, sind sie nicht immer auf dem neuesten Stand, sodass sie insbesondere für die Entnahme medizinischer Erfahrungssätze grundsätzlich der Auswertung durch einen medizinischen Sachverständigen bedürfen (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Über Materialien und Merkblätter hinaus muss für die Auslegung der BKen auf den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zurückgegriffen werden, wie er sich aus der einschlägigen Fachliteratur und anderen Veröffentlichungen ergibt (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 1).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der Senat nicht erkennen, dass das SG durch die Bezugnahme auf die einschlägigen Merkblätter die durch das BSG entwickelten Rechtsgrundsätze nicht beachtet hätte.
Denn auch dann, wenn den Merkblättern rechtliche Verbindlichkeit nicht zukommt, bilden sie eine wichtige und unverzichtbare Informationsquelle für das Gericht und dienen insbesondere als Beurteilungsgrundlage dafür, ob die geltend gemachten Erkrankungen nach dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand überhaupt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die angeschuldigten Belastungen mit Metallstäuben zurückgeführt werden können. Erst wenn sich nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand, wie er in den Merkblättern niedergelegt ist oder den sich das Gericht darüber hinaus verschafft hat, überhaupt ein Ansatz für einen Zusammenhang der vorliegenden Erkrankungen mit der angeschuldigten Substanz ergibt, ist es Aufgabe des Gerichts, über die Einschaltung eines Sachverständigen weitergehende medizinische Erfahrungssätze zu ermitteln.
Die Merkblätter zu den Berufskrankheiten nach den Nrn. 1103 und 1107 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung befinden sich auf neuestem Stand. Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass über die darin aufgeführten Erkrankungen hinaus, die durch Vanadium oder Chrom verursacht werden können, auch die beim Kläger bestehenden Erkrankungen in Gestalt von Bluthochdruck, Niereninsuffizienz oder Hirnschlag verursacht werden können. Dies hat insbesondere die ausführliche Recherche des Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstituts für Arbeitsmedizin, die das SG veranlasst hat, ergeben. Das Ergebnis dieser Recherche spiegelt den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand wider und belegt, dass ein Zusammenhang einer Belastung mit Chrom bzw. Vanadium mit Bluthochdruck, Niereninsuffizienz und Hirnschlag nicht belegt ist. Auch der Bevollmächtigte des Klägers hat nichts vorgetragen, was einen abweichenden Erkenntnisstand belegen würde. Liegen aber schon keine Erkrankungen vor, die nach Maßgabe der einschlägigen Erkenntnismittel durch die angeschuldigten Substanzen verursacht werden können, besteht auch für das Gericht kein Anlass zu weitergehenden medizinischen Ermittlungen z.B. durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen. Im Übrigen hat, auch darauf hat schon das SG zutreffend hingewiesen, selbst der nach § 109 SGG benannte Gutachter das Vorliegen einer Erkrankung nach den Nrn. 1101 bis 1110 verneint. Es ist daher auch unter Berücksichtigung dieses Gutachtens für den Senat nicht nachvollziehbar, dass eine entsprechende Anerkennung auch im Berufungsverfahren noch verfolgt wird.
Soweit eine Anerkennung der Erkrankungen nach § 9 Abs. 2 SGB VII begehrt wird, hat auch insoweit das SG zu Recht dem Antrag nicht entsprochen.
Das Tatbestandsmerkmal der gruppentypischen Risikoerhöhung wäre dann als erfüllt anzusehen, wenn hinreichende Feststellungen in Form medizinischer Erkenntnisse dafür vorliegen würden, dass die Personengruppe "Technische Angestellte in Hüttenwerken bzw. metallverarbeitenden Betrieben" durch die Arbeit Einwirkungen ausgesetzt wäre, mit denen die übrige Bevölkerung nicht in diesem Maße in Kontakt käme (Einwirkungshäufigkeit) und die geeignet wäre, Bluthochdruck, Niereninsuffizienz und Hirnschlag hervorzurufen (generelle Geeignetheit). Das Erfordernis einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen bezieht sich auf das allgemeine Auftreten einer Krankheit innerhalb dieser Gruppe. Auf eine Verursachung der Krankheit durch die gefährdende Tätigkeit im Einzelfall kommt es dabei nicht an. Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um dann daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (BSG vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R unter Verweis auf BSGE 79, 250, 253 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 9 m.w.N.). Ist im Ausnahmefall die gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht mit der im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung derartiger Krankheitsbilder zum Nachweis einer größeren Anzahl gleichartiger Gesundheitsstörungen zu belegen, da etwa aufgrund der Seltenheit der Erkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können, kann zur Feststellung der generellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der betreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus anderen Staaten, sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten wie Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 2 SGB VII und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden (vgl. BSGE 79, 250, 252 = SozR 3 aaO; BSG, Beschluss vom 27. Mai 1997 - 2 BU 43/97 = HVBG-Info 1997, 2113). Die gruppenspezifische Risikoerhöhung muss sich in jedem Fall letztlich aus "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" ergeben. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es muss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln; nicht erforderlich ist, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG, Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 = HVBG-Info 1997, 1105; Brackmann/Krasney, aaO, RdNr 47 mwN).
Es liegen schon keine hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse für die zu fordernde Einwirkungshäufigkeit vor. Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, da es schon - wie bereits dargestellt - an dem wissenschaftlichen Nachweis der generellen Geeignetheit der nachgewiesenen Metallstäube für das Krankheitsbild des Klägers fehlt. Weder ist der Nachweis einer gruppenspezifischen Risikoerhöhung zu erbringen, noch liegen Einzelfallstudien, Erkenntnisse aus anderen Staaten oder frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten wie Berufskrankheiten nach § 9 Abs. 2 SGB VII und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vor.
Keine andere Beurteilung ist durch das Gutachten von Prof. Dr. H. gerechtfertigt. Dieser ist bei seiner Beurteilung von einer "deutlich erhöhten Exposition gegenüber Chrom, Cobalt, Nickel, Molybdän" im Staub des Arbeitsplatzes ausgegangen, was an sich schon unzutreffend ist, da in dem untersuchten Staub nur geringfügige Mengen einiger Metalle (ohne Molybdän) gefunden worden sind. Die von ihm auf Basis dieser unzutreffenden Tatsachengrundlage getroffenen Schlüsse zur Empfehlung der Anerkennung einer BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII vermögen darüber hinaus auch deshalb nicht zu überzeugen, weil sich Prof. Dr. H. nicht mit den rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen im Rahmen des § 9 Abs. 2 SGB VII auseinander gesetzt hat. Er hat vielmehr nur einen - beim Kläger möglichen - Entwicklungsprozess der Erkrankung skizziert. Selbst wenn diese - auch von Prof. Dr. H. nur als Möglichkeit formulierte - Krankheitsentwicklung tatsächlich im beruflichen Kontakt mit Metallstäuben ihre Ursache finden würden, wäre dadurch noch nicht deren Anerkennung als Berufskrankheit zu rechtfertigen, da es gerade des Nachweises im Rahmen einer größeren Zahl von Arbeitern in der Metallindustrie oder gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse eines derartigen Zusammenhangs bedürfte.
Es fehlen darüber hinaus diesbezüglich neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, dass die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind, die sog. Verordnungsreife also vorliegt. Grundsätzlich sind medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse dann "neu" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch - dies ist im Zweifel der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - feststeht (BSGE 79, 250, 253 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9; BSG, Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 -, HVBG-Info 1997, 1105), dass sie bei der letzten Änderung der BKV noch nicht berücksichtigt wurden. Dies ist stets der Fall, wenn die Erkenntnisse erst nach Erlass der letzten BKV bzw. etwaiger Änderungsverordnungen bekannt geworden sind (BSGE 21, 296, 298 = SozR Nr. 1 zu § 551 RVO). Nicht berücksichtigt vom Verordnungsgeber und somit "neu" sind aber auch diejenigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, die trotz Vorhandenseins bei Erlass der letzten BKV oder einer Änderungsverordnung vom Verordnungsgeber entweder nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erkennbar geprüft worden sind. Als neu in diesem Sinne gelten daher solche medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr, die nach erkennbarer Prüfung vom Verordnungsgeber als noch unzureichend bewertet wurden und deswegen eine Aufnahme der betreffenden Krankheit in die BK-Liste scheitert (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 14; BSGE 44, 90, 93, 94 = SozR 2200 § 551 Nr. 9). Allerdings erweisen sich dann solche bereits überprüften Erkenntnisse wiederum als neu, wenn sie sich nach diesem Zeitpunkt zusammen mit weiteren, später hinzukommenden Erkenntnissen zur BK-Reife verdichtet haben (BSGE 59, 295, 301 = SozR 2200 § 551 Nr. 27; BSGE 72, 303, 305 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 3; BSG, Urteil vom 27. Mai 1997 - 2 RU 33/96 = HVBG-Info 1997, 2107). Eine derartige Verdichtung ist anzunehmen, wenn dem Verordnungsgeber ausreichende, regelmäßig von einer herrschenden Meinung getragene medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die geeignet wären, die Einführung einer neuen BK im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII zu tragen (BSGE 84, 30, 35 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; BSG, Urteil vom 21. Januar 1997 - 2 RU 7/96 = HVBG-Info aaO).
Ob und gegebenenfalls inwieweit sich der Verordnungsgeber mit der betreffenden Krankheit und der zu ihr bestehenden wissenschaftlichen Erforschung befasst hat, welche Erkenntnisse er überhaupt berücksichtigen konnte und welche Entscheidungen eventuell diesbezüglich bereits getroffen wurden (entweder eine Ablehnung der Aufnahme in die BK-Liste wegen unzureichender Erkenntnisse oder die beabsichtigte Aufnahme in die BK-Liste oder praktisch keine Entscheidung trotz Befassung des Sachverständigenbeirates bei dem BMA mit den vorliegenden Erkenntnissen), kann - sofern vorhanden - an der Veröffentlichung von Empfehlungen des Beirates im Bundesarbeitsblatt abgelesen werden (vgl. hierzu Lauterbach/Koch, SGB VII, § 9 RdNr. 281). Ist jedoch zu dem betreffenden Krankheitsbild noch keine Empfehlung des Sachverständigenbeirats veröffentlicht worden, kann Art und Umfang der Befassung des Verordnungsgebers in erster Linie durch Einholung einer aussagekräftigen und detaillierten sachverständigen Auskunft festgestellt werden.
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG bestätigt, dass sich der Verordnungsgeber mit einer entsprechenden Fragestellung noch nicht befasst hat und auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse diesbezüglich vorliegen. Diese Aussage wurde bestätigt durch die Literaturrecherche des Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstituts für Arbeitsmedizin Bochum, wonach keine (daher auch keine "neuen") medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisse dafür vorliegen, dass eine Exposition gegenüber Chrom, Eisen, Nickel, Vanadium, Kobalt oder Molybdän zu Blutdruckerhöhung, Niereninsuffizienz oder einem Hirnschlag führt.
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers von einem "Systemversagen" spricht bzw. verfassungsrechtliche Bedenken äußert, vermochten auch diese nicht zu überzeugen.
Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 14.07.1993 - 1 BvR 1127/90, veröffentlicht in SozR 3-2200 § 551 Nr. 5 ausgeführt, dass es zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich zur Vermeidung von nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung (Versagung des Versicherungsschutzes bei Unfällen einer Personengruppe, weil der Verordnungsgeber bei Erlass der Berufskrankheiten-Verordnung vorliegende Erkenntnisse noch nicht geprüft und gewürdigt hat) notwendig ist, § 551 Abs. 2 RVO bzw. § 9 Abs. 2 SGB VII verfassungskonform auszulegen (vgl. BVerfG, 1981-10-22, 1 BvR 1369/79, BVerfGE 58, 369 (374ff)). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seiner Entscheidung weiter ausgeführt, dass es im Zuge dieser Auslegung aber nicht geboten erscheint, eine über das gesetzliche Maß hinausgehende Lückenlosigkeit des Schutzes für alle Versicherten, die an einer durch Berufstätigkeit verursachten Krankheit leiden, zu gewährleisten.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sieht das Gericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken darin, dass selbst für den Fall, dass im konkreten Fall des Klägers die bestehenden Erkrankungen durch die Metallstäube ausgelöst worden wären, die Anerkennung als BK nicht erfolgt. Von einem "Systemversagen", welches auf den lückenlosen Schutz aller Versicherten vor beruflich bedingten Erkrankungen ausgerichtet wäre, kann keine Rede sein. Deshalb hat der Senat auch keinen Anlass gesehen, das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Darüber hinaus, darauf hat der Senat schon mehrfach hingewiesen, würde die Annahme eines Systemversagens voraussetzen, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Kenntnisse für einen möglichen Ursachenzusammenhang sprechen könnten, also eine theoretisch denkbare Kausalbeziehung in Betracht kommen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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