Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KNU 6387/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KNU 466/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Bescheids der Beklagten vom 28. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2002 sowie die Zahlung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) ab 1. Januar 2000 wegen der Folgen eines im Juni 1978 erlittenen Arbeitsunfalls.
Der 1956 geborene Kläger war im Steinkohlebergwerk S. in R. S./Polen beschäftigt, vom 9. Januar 1976 bis 31. Juli 1982 - unterbrochen durch die Ableistung des Grundwehrdiensts von April 1976 bis April 1978 - als Bergmann unter Tage sowie nach Rentenbezug vom 11. Januar 1984 bis 26. Januar 1992 zunächst als Pförtner und ab Februar 1982 als Lagerausgeber über Tage. Er zog am 27. Januar 1990 in die Bundesrepublik Deutschland um. Er ist Inhaber des Bundesvertriebenenausweises B.
Am 11. März 1999 machte der Kläger bei der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen eines während seiner Beschäftigung im Steinkohlebergwerk S. erfolgten Arbeitsunfalls geltend. Seinen Angaben nach erlitt er am "6. Juni 1978" bei seiner Tätigkeit unter Tage in der Kohlengrube einen Unfall. Er habe einen Motor für die Kettenförderungsanlage transportiert. Beim Absetzen des Motors auf den Stollenboden sei ihm der Motor aus der Hand geglitten und auf die Beine unterhalb der Oberschenkel gefallen. Hierdurch sei sein linkes Knie verletzt worden. Er reichte der Beklagten ein &61656; den Arztbrief des Orthopäden Dr. F. vom 5. September 1997, der auf Grund einer Untersuchung am 2. September 1997 eine Chondropathia patellae, eine mediale Gonarthrose sowie möglicherweise eine alte Teilruptur des Außenmeniskus des linken Kniegelenks diagnostizierte, &61656; Berichte des Städtischen Krankenhauses R. S./Polen über die stationären Behandlungen vom 17. November bis 3. Dezember 1980 (Bericht vom 3. November 1980, Diagnose: Meniskusläsion links, am 19. November 1980 Meniskektomie), vom 22. Februar bis 16. März 1982 (Bericht vom 16. März 1982, Diagnose: Läsion des medialen seitlichen Innenbands des linken Knies, operative Behandlung am 24. Februar "1981"), vom 23. Mai bis 1. Juni 1984 (Bericht vom 1. Juni 1984, Diagnose: Zustand nach Bandläsion im rechten Kniegelenk, operative Behandlung am 28. Mai 1984) sowie vom 1. bis 12. September 1986 (Bericht vom 12. September 1986, Diagnose: Distorsion und Meniskusläsion des rechten Kniegelenks, operative Entfernung des Meniskus des rechten Kniegelenks am 3. September 1986), &61656; den Beschluss der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 16. März 1987, wonach der Gesundheitszustand die Einordnung in die 3. Invalidengruppe auf Grund eines Arbeitsunfalls begründe, und &61656; den Bescheid der polnischen Sozialversicherungsanstalt über die Erhöhung der Invalidenrente ab 1. Oktober 1989 vom 15. Dezember 1989.
Auf Anfrage der Beklagten übersandte die polnische Sozialversicherungsanstalt ärztliche Gutachten sowie eine Abschrift der Krankengeschichte und teilte mit, dem Kläger sei auf Grund des Arbeitsunfalls im Zeitraum vom 1. August 1982 bis 30. April 1990 Rente gezahlt worden. In der Unfallkartei ist als Unfalldatum der 5. Juni 1978 sowie weiter angegeben, der Unfall habe sich auf dem Weg von der Arbeit ereignet. Der Kläger sei beim Heruntergehen einer Treppe ausgerutscht und habe eine Verletzung des linken Kniegelenks erlitten. Er sei vom 6. Juni bis 14. Juli 1978 arbeitsunfähig gewesen. In einem Bericht vom 2. September 1982 ist als Diagnosen Distorsion des linken Kniegelenks genannt und weiter ausgeführt, der Kläger habe am 6. Juni 1978 angegeben, am Vortag auf dem Weg von der Arbeit nach Hause das linke Kniegelenk verdreht zu haben. Es hätten eine Schwellung, eine Schmerzhaftigkeit des Knies und Spuren eines Ergusses festgestellt werden können. Im Gutachten der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 13. September 1982 wurde eine Beeinträchtigung der Funktion der linken unteren Extremität mit Muskelschwund und eine Einschränkung der Funktion sowie die 3. Invalidengruppe für die Dauer eines Jahres festgestellt. Im weiteren Gutachten der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 29. April 1983 wurde die Leistungsfähigkeit des linken Kniegelenks als beeinträchtigt angesehen, was den Kläger für Arbeiten unter Tage "disqualifiziere". Auch in den weiteren Gutachten der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 1. März 1985, 16. März 1987 und 8. Februar 1989 wurde eine anhaltende Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Knochen-Gelenksystems mit einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit bzw. eine Instabilität des linken Kniegelenks beschrieben.
Zu der Angabe, es habe sich um einen Wegeunfall gehandelt, führte der Kläger aus, dies sei unrichtig. Die Angaben seien damals im Interesse des Arbeitgebers gemacht worden, da Wegeunfälle als Bagatellunfälle gegolten hätten, deshalb in den Unfallstatistiken nicht erfasst und damit Prämien oder sonstige Sonderzahlungen nicht gefährdet worden seien (Schreiben vom 1. April 2000). Seine Angaben zum Unfallhergang wiederholte der Kläger auch bei einer mündlichen Vernehmung durch die Beklagte am 14. Juni 2000.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. We. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 12. Juli 2000 ein Gutachten (ohne Datum). Eine Beurteilung der aus dem Unfallereignis vom 6. Juni 1978 resultierenden Unfallfolgen sei anhand des vorliegenden Aktenmaterials sowie der durchgeführten Untersuchung nicht möglich. Es seien nicht die Qualität des Punktionsbefunds nach dem Unfall und die Behandlung der Unfallfolgen dokumentiert. Nach Aktenlage könnten die Meniskusveränderungen beidseits eine Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) darstellen. Der beratende Arzt der Beklagten Chirurg und Arbeitsmediziner Dr. T. kam nach Durchsicht der Akten zu der Auffassung (Stellungnahme vom 12. März 2001), für den festgestellten Befund am linken Kniegelenk komme mit Wahrscheinlichkeit allein der Arbeitsunfall vom 6. Juni 1978 in Frage, eine Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV könne mit Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Sowohl am linken als auch am rechten Kniegelenk liege kein wesentliches Funktionsdefizit vor, sodass hieraus keine MdE in rentenberechtigendem Rahmen resultiere. Wegen der medialen Tibiaarthrose bei freier Beweglichkeit betrage die MdE maximal 10 v.H ...
Mit Bescheid vom 28. Mai 2001 lehnte es die Beklagte ab, eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Der Kläger habe keinen Nachweis über den von ihm behaupteten Arbeitsunfall vorgelegt. Weitere Ermittlungen, ob ein versicherter Arbeitsunfall oder ein Wegeunfall vorgelegen habe, könnten dahinstehen, weil die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente nicht gegeben seien. Der Unfall vom 6. Juni 1978 habe eine MdE rentenberechtigenden Grades (mindestens 20 v.H.) nicht hinterlassen und es bestehe auch kein Anspruch auf eine Stützrente. Mit Bescheid vom selben Tag lehnte es die Beklagte auch ab, eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der BKV festzustellen. Den vom Kläger erhobenen Widerspruch vom 6. Juni 2001 sah die Beklagte als gegen den Bescheid betreffend die Ablehnung der Feststellung der Berufskrankheit gerichtet an. Diesen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2001). Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg (SG - S 2 KN 195/02 -) erklärte sich die Beklagte bereit, auch bezüglich des Bescheids betreffend die Ablehnung der Gewährung einer Verletztenrente wegen eines Arbeits- oder Wegeunfalls vom 6. Juni 1978 ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Den Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2002). Das genaue Unfalldatum könne dahinstehen, weil nach dem Gutachten des Prof. Dr. We. keine wesentliche Folgen eines Arbeits- oder Wegeunfalls festzustellen seien. Insbesondere liege kein wesentliches Funktionsdefizit des linken Kniegelenks vor, das die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in messbarem Grad minderen würde.
Der Kläger erhob am 1. Juli 2002 Klage beim SG (S 2 KN 1867/02). Die gut bezahlte Tätigkeit als Bergmann habe er aufgeben müssen, weil er wegen der starken Beschwerden des linken Kniegelenks nur noch leichte körperliche Tätigkeiten als Pförtner und Materialausgeber habe ausführen können. Sein linkes Kniegelenk sei auch nur bedingt belastbar. Es bestehe eine fortgeschrittene Kniegelenksarthrose.
Das SG hörte Dr. F. als sachverständigen Zeugen und zog den Bericht des Unfallchirurgen Privatdozent Dr. O. vom 11. Juli 2002 sowie den Operationsbericht des Dr. V. vom 3. September 2002 über die Arthroskopie des linken Kniegelenks bei.
Die Beklagte vertrat unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. T. vom 12. Januar 2003 die Auffassung, neben der unfallbedingten Chondromalazie des medialen linken Kniekompartiments habe die Arthroskopie eine wesentlich stärker ausgeprägte Chondromalazie des Patellagleitlagers gezeigt, die unfallunabhängig und wesentliche Ursache für die geklagten Beschwerden sowie die Bewegungsstörung sei.
Im Auftrag des SG erstattete Prof. Dr. R. das orthopädische Gutachten vom 17. Juni 2003. Aufgrund einer Untersuchung vom 27. März 2003 kam er zum Ergebnis, am linken Knie liege ein dritt- bis viertgradiger Knorpel-Knochenschaden innenseitig sowie ein viertgradiger Knorpel-Knochenschaden an der Kniescheibenrückfläche mit belastungsabhängigen Schmerzen sowie ein Zustand nach Meniskusresektion, nach Revision des Innenbands 1982, nach Metallentfernung einer eingebrachten Schraube 1984 und nach Arthroskopie 2002 vor. Da den Akten keinerlei Vorschäden vor 1978 zu entnehmen seien, sei der eingetretene Meniskusschaden wohl als Folge der Distorsion des linken Kniegelenks zu werten. Nach Meniskusektomie könne man in der Regel von einer MdE von unter 10 v.H. ausgehen. Die Auffassung des Dr. T., die schwere Chondromalazie der Kniescheibenrückfläche sei unfallunabhängig, sei in Anbetracht des langen Zeitraums zwischen dem Unfallereignis 1978 und dem aktuell vorliegenden Befund nicht hinreichend begründet. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. August 2003 führte er aus, die Wahrscheinlichkeit, dass die Innenbandlockerungen und die Chondromalazie der Kniescheibenrückfläche als mittelbare Folgeschäden des Arbeitsunfalls vom 6. Juni 1978 anzusehen seien, sei nicht nachweisbar, die Möglichkeit aber keineswegs ausgeschlossen. Der gesamte Befund entspreche einer MdE von 20 v.H ...
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 5. August 2004 ab. Aus den vom polnischen Sozialversicherungsträger vorgelegten Unterlagen ergebe sich ein Arbeitsunfall vom 6. Juni 1978, wobei es keine Rolle spiele, ob es sich dabei um einen Unfall während der Arbeit oder um einen Wegeunfall gehandelt habe. Es sei zweifelsfrei festgestellt, dass der Kläger sich dabei eine Distorsion des linken Kniegelenks zugezogen habe. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. und den Stellungnahmen des Dr. T. sei davon auszugehen, dass der mit einer MdE von 20 v.H. bewertete Gesamtschaden nur teilweise unfallbedingt sei und allenfalls mit einer MdE von 10 v.H. bewertet werden könne. Die gegenteilige Auffassung des Dr. F. sei nicht ausreichend begründet.
Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung ein (L 13 KN 4672/04). Er kündigte an, beim polnischen Sozialversicherungsträger weitere Unterlagen anzufordern. Die Beklagte sagte für den Fall der Berufungsrücknahme eine Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu. Der Kläger nahm daraufhin am 29. November 2004 die Berufung zurück.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die polnische Sozialversicherungsanstalt mit, in den Rentenakten des Klägers befänden sich keine Unterlagen aus den Jahren 1978 bis 1980. Ein Antrag auf Invalidenrente aufgrund eines Unfalls vom 5. Juni 1978 auf dem Weg von der Arbeit nach Hause sei erst am 21. Juli 1982 gestellt worden, sodass die Dokumentationen, Gutachten und Stellungnahmen erst nach diesem Zeitpunkt erstellt worden seien (Schreiben vom 2. Juni 2005). Sie übersandte der Beklagten erneut die bereits oben (S. 3) genannten Unterlagen sowie weiter: &61656; den am 5. Juli 1982 eingegangenen Antrag auf bergbauliche Invalidenrente, &61656; eine Abschrift aus der Unfallkartei vom 2. April 1982 (Wiederkehr der Verletzung aus dem Jahre 1978, Stolpern auf der Treppe - Weg zum Betriebsbus), &61656; das Protokoll vom 22. Dezember 1982 mit der Erklärung eines Zeugen (Unfall am 5. Juni 1978 auf dem Weg zum Betriebsbus auf einer Treppe), &61656; die Bescheinigungen der Betriebsambulanz des Bergwerks S. über den Gesundheitszustand vom 6. Juli 1982 (in Behandlung seit 1. Februar 1982 wegen Schädigung der seitlichen paramedialen Bänder am linken Knie), vom 2. September 1982 (Hauptleiden: Zustand nach Luxation des linken Knies, Verletzung der seitlichen paramedialen Bänder am linken Knie, Schädigung des paramedialen Meniskus) und vom 28. Dezember 1982 (Hauptleiden: Zustand nach Entfernung des paramedialen Meniskus und der seitlichen paramedialen Bänder am linken Knie), &61656; die Beschlüsse der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 29. April und 18. Mai 1983 (dauerhafte langanhaltende Gesundheitsschädigung von 15 v.H., verursacht durch den Unfall auf dem Weg von Arbeit nach Hause vom 5. Juni 1978).
Dr. T. empfahl zunächst im Hinblick auf den Bericht vom 2. September 1982, ein erneutes Gutachten zu veranlassen (Stellungnahme vom 27. November 2005), hielt hieran aber nicht fest (Vermerk vom 12. Dezember 2005). Mit Bescheid vom 10. Januar 2006 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 28. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2002, mit dem die Gewährung einer Entschädigung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. Juni 1978 abgelehnt worden sei, zurückzunehmen. Die durchgeführten Ermittlungen beim polnischen Sozialversicherungsträger hätten keine neuen Tatsachen erbracht, insbesondere seien keine medizinischen Unterlagen für den Zeitraum von 1978 bis 1980 übersandt worden. Auch der Kläger habe keine neuen wesentlichen Tatsachen vorgebracht und Beweismittel vorgelegt. Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006). Wesentlicher Grund für die Ablehnung einer Entschädigung sei gewesen, dass für die Zeit vom 15. Juli 1978 bis zur Meniskusentfernung im November 1980 jegliche medizinischen Unterlagen fehlten, sodass der Zusammenhang zwischen den operativen Behandlungen und dem angeschuldigten Ereignis nicht zweifelsfrei habe nachgewiesen werden können. Im Rahmen der Überprüfung seien alle weiteren Versuche gescheitert, vom polnischen Sozialversicherungsträger Dokumente zu dem genannten Zeitraum zu erhalten. Die polnische Sozialversicherungsanstalt habe ihre gesamten Unterlagen übersandt. Darin hätten sich jedoch keine medizinischen Befunde befunden, die nicht schon vor Bescheiderteilung vorgelegen hätten. Somit fehle es auch weiter an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitsunfall außer der Innenmeniskusentfernung und der medialen Gelenkspaltsverschmälerung weitere krankhafte Veränderungen am linken Kniegelenk verursacht habe.
Der Kläger erhob am 22. Dezember 2006 Klage beim SG. Vom polnischen Sozialversicherungsträger seien Unterlagen übersandt worden, die die Zeit vom Arbeitsunfall (1978) bis zur operativen Behandlungen des Innenbands (1982) erfassten. Die Behandlungen bis etwa Ende 1979 hätten mehr oder weniger Erfolg gehabt. Zu Beginn des Jahres 1980 habe sich der Zustand des linken Kniegelenks stark verschlechtert und nach erfolglosen Behandlungen sei im November 1980 die Meniskektomie am linken Kniegelenk erfolgt. In Polen sei ihm die Invalidenrente mit dem klaren Hinweis auf die aus dem Arbeitsunfall resultierenden Beeinträchtigungen ab 1. August 1982 bewilligt worden. Kniegelenksverletzungen, die zu spät oder falsch behandelt worden seien, führten immer zur Instabilität des Kniegelenks. Es sei zu spät erkannt worden, dass der Innenmeniskus bei dem Unfall schwer verletzt worden sei und deshalb erst 30 Monate nach dem Unfall entfernt worden sei. Folge sei die Auslösung des Knorpelabriebs im linken Kniegelenk gewesen. Dies habe Prof. Dr. R. in seinem Gutachten nicht beurteilt. Er habe auch nicht hinterfragt, weshalb die Heilung der Verletzung des Kniegelenks fast vier Jahre in Anspruch genommen habe. Ebenso sei nicht erkannt worden, dass der Unfall eine Überdehnung des Innenbands im linken Kniegelenk verursacht habe, die durch die Entfernung des Innenmeniskus verstärkt worden sei. Zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls sei sein linken Kniegelenk völlig gesund gewesen. Aufgrund des Zeitablaufs müsse für den Kausalzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend sein. Der Kläger legte eine Aufstellung mit Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 1978 sowie 1980 bis 1982, Kopien seines polnischen Versicherungsbuchs, den Arztbrief des Dr. Kr., Orthopädische Universitätsklinik H., vom 23. Januar 2007 über die stationäre Behandlung vom 10. bis 23. Januar 2007, in dessen Verlauf am linken Kniegelenk eine Schlittenprothese implantiert, eine offene Gelenkosteophytenresektion und eine offene chirurgische Teilresektion des Innenmeniskus durchgeführt wurde.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf ihren Bescheid entgegen.
Herr Ro., Leiter der Planungs- und Organisationsabteilung des Städtischen Krankenhauses Ru. S., teilte auf Anfrage des SG mit (Schreiben vom 3. September 2007), die im Jahre 1978 erstellte medizinische Dokumentation sei nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren im Jahre 2001 vernichtet worden. Dr. M.-K., Leiterin der Ambulanz bei dem Steinkohlebergwerk S., gab auf Anfrage des SG an (Schreiben vom 5. September 2007), dass das Ambulanzarchiv keine medizinische Dokumentation des Klägers enthalte.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2007 ab. Im Urteil vom 5. August 2004 sei die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitsunfall weitere Gesundheitsstörungen als nur die Entfernung des Innenmeniskus und eine Verschmälerung des medialen Gelenkspalts verursacht habe, zu Recht verneint worden. Prof. Dr. R. habe in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt, dass sich anhand der vorhandenen ärztlichen Unterlagen über den 1978 erfolgten Arbeitsunfall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Verursachung weiterer Gesundheitsstörungen nicht ableiten lasse. Dass 30 Jahre seit dem Unfall vergangen seien, führe nicht dazu, weniger strenge Anforderungen an die Bejahung der haftungsausfüllenden Kausalität zu stellen.
Gegen den ihm am 29. Dezember 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28. Januar 2008 Berufung eingelegt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass zwischen dem Unfallereignis und den Gesundheitsstörungen am linken Kniegelenk ein ursächlicher Zusammenhang bestehe und dieser sich aus den vorliegenden Unterlagen aus Polen ergebe. Diese Unterlagen seien maßgeblich. In der Bundesrepublik Deutschland seien die Gutachten mit großem Zeitabstand zum Unfallereignis erstattet worden. Er hat Kopien der Unterlagen, die der polnischen Sozialversicherungsträger der Beklagten übersandt hat, eine Kopie seines polnischen Versicherungsbuchs sowie den Arztbrief des Radiologen Dr. Ru. vom 9. Oktober 2007 über eine Dreiphasen-Skelettszintigraphie des linken Kniegelenks (Verdacht auf eine Prothesenlockerung im Kniegelenk) eingereicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 28. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2002 zurückzunehmen sowie Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. ab 1. Januar 2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte L 13 KN 4672/04, die Akten des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte und auch nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 ist rechtmäßig.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006. Mit diesem Bescheid entschied die Beklagte über einen Antrag des Klägers, den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 28. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2002 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Demgemäß ist im Berufungsverfahren nur darüber zu entscheiden, ob dieser bestandskräftig gewordene Bescheid rechtswidrig war, nicht aber darüber, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, etwa auf Grund der Implantation der Schlittenprothese im linken Kniegelenk.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Da der Kläger Vertriebener nach § 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) ist, gelten für die Entschädigung von Arbeitsunfällen die bundesgesetzlichen Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 5, 7 FRG).
Der vom Kläger erhobene Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung richtet sich nach den Vorschriften des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes) Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Nach § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Da die Beklagte erstmals im Jahre 1999 Kenntnis von dem Versicherungsfall erlangte und Gründe, die den Kläger hinderten, den Versicherungsfall früher der Beklagten anzuzeigen, nicht erkennbar sind, wäre eine Rente erstmals für einen Zeitpunkt nach dem 1. Januar 1997 festzusetzen gewesen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 19. August 2003 - B 2 U 9/03 R - und 4. Dezember 2007 - B 2 U 34/06 R -).
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Nach den vorliegenden Unterlagen geht der Senat davon aus, dass der Kläger am 5. Juni 1978 einen Wegeunfall hatte. Die Beklagte hat dies zwar nicht ausdrücklich festgestellt. Im Bescheid vom 28. Mai 2001 hatte sie offen gelassen, ob das vom Kläger behauptete Unfallereignis vom 5. Juni 1978 ein Arbeitsunfall war. Aus dem Bescheid vom 10. Januar 2006 ergibt sich nunmehr allerdings, dass auch die Beklagte davon ausgeht, dass der Kläger am 5. Juni 1978 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Denn in diesem Bescheid hat sie ausgeführt, die Gewährung einer Entschädigung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom "6. Juni 1978" (richtig 5. Juni 1978) abgelehnt zu haben, weil der Kläger infolge des genannten Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit nicht im rentenberechtigendem Maße gemindert gewesen sei. Bei dem Wegeunfall am 5. Juni 1978 erlitt der Kläger eine Distorsion des linken Kniegelenks. Dies ergibt sich aus dem Bericht an die polnische Sozialversicherungsanstalt vom 2. September 1982.
Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der eingetretenen bzw. bestehenden Gesundheitsstörung (haftungsausfüllende Kausalität). Für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, die Theorie der wesentlichen Bedingung. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Haben mehrere Bedingungen zu einem Erfolg beigetragen, so sind nur solche Bedingungen wesentlich, die gegenüber anderen von überragender Bedeutung sind (ständige Rechtsprechung, vgl. zum Ganzen: z.B. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 22/03 R -; Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R -; Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -; jeweils m.w.N.). Was den anzuwendenden Beweismaßstab anbelangt, gelten für das Vorliegen des Ursachenzusammenhangs verminderte Anforderungen. Während die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Einwirkung, Erkrankung - mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein müssen, genügt für den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R - m.w.N.). Von diesen Grundsätzen ist nicht deshalb abzuweichen, weil das Unfallereignis längere Zeit zurückliegt.
Im Bereich des linken Kniegelenks besteht ein dritt- bis viertgradiger Knorpel-Knochenschaden innenseitig sowie ein viertgradiger Knorpel-Knochenschaden an der Kniescheibenrückfläche mit belastungsabhängigen Schmerzen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. R. vom 17. Juni 2003. Ein entsprechender Befund ergibt sich auch aus dem Operationsbericht des Dr. V. vom 3. September 2002. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der gesamte krankhafte Befund des linken Kniegelenks Folge des Wegeunfalls vom 5. Juni 1978 ist. Die insoweit erforderliche hinreichender Wahrscheinlichkeit lässt sich nicht bejahen. Folge der bei dem Arbeitsunfall erlittenen Distorsion des linken Kniegelenks ist nur der eingetretene Meniskusschaden. Wie das SG folgt der Senat der Auffassung des Prof. Dr. R ... Der Annahme der hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen den Knorpel-Knochenschäden im linken Kniegelenk und dem Wegeunfall steht entgegen, dass für den Zeitraum von 1978 bis zur Meniskektomie im November 1980 medizinische Befunde fehlen. Auf diese Gesichtspunkte hatte auch bereits Prof. Dr. We. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten aufgrund der ambulante Untersuchung vom 12. Juli 2000 hingewiesen. Unterlagen für diesen Zeitraum sind auch nicht mehr vorhanden, wie sich aus den Auskünften des städtischen Krankenhauses Ru. S. vom 3. September 2007 und der Werksambulanz bei dem Steinkohlebergwerk S. vom 5. September 2007 ergibt. Die Berichte über die Krankenhausbehandlungen in Polen sowie die in Polen für die Ärztliche Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. erstatteten Gutachten, die der Kläger auch mit der Berufungsbegründung des vorliegenden Verfahrens nochmals einreichte, lagen bereits bei der Erteilung des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 28. Mai 2001 und damit auch Prof. Dr. R. bei der Abfassung seines Gutachtens vor. Auch von der polnischen Sozialversicherungsanstalt konnten im Jahre 2005 mit Ausnahme von drei Bescheinigungen über den Gesundheitszustand der Betriebsambulanz keine weiteren Unterlagen übersandt werden. Die Bescheinigungen enthalten keine weiteren medizinischen Befunde, sondern nur die aus anderen Unterlagen bekannten Angaben zu Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und zu Krankenhausbehandlungen.
Die MdE wegen eines Meniskusschadens, der nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. als Unfallfolge angenommen werden kann, liegt unter 20 v.H ... Die MdE richtet sich nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE hängt von zwei Faktoren ab, den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG SozR Nr. 25 zu § 128 SGG; SozR 2200 § 581 Nr. 6). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 22, 23; SozR 3-2200 § 581 Nr. 5 mwN). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; zum Ganzen: SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 m.w.N.).
Die Höhe der MdE wird im Bereich der Kniegelenke hauptsächlich durch Verminderung der Beweglichkeit, unphysiologische Zunahme der Beweglichkeit (Überstreckbarkeit, Wackelbeweglichkeit, Verschieblichkeit oder Bereitschaft zu Teilverrenkungen) und Schmerzhaftigkeit (objektive Grundlage) bestimmt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 723). Nach den Erfahrungssätzen der unfallmedizinischen Literatur werden Bewegungseinschränkungen des Kniegelenks mit Begrenzung der Beugefähigkeit ab 90 Grad mit einer MdE von 20 v.H., ab 120 Grad mit einer MdE von 10 v.H., eine straffe Kniescheibenpseudarthrose ohne Funktionsbehinderung des Streckapparats mit einer MdE von 10 bis 20 v.H. bzw. eine Arthrose des Kniegelenks je nach Funktionsbehinderung mit einer MdE von 10 bis 30 v.H. bewertet (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 724). Im Hinblick darauf, dass nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. eine Beugefähigkeit des linken Knie 120 Grad besteht und diese Einschränkung der Beugefähigkeit durch den Gesamtbefund des linken Kniegelenks bedingt ist, ergibt sich ohne weiteres, dass für den unfallbedingten Meniskusschäden die MdE weniger als 20 v.H. beträgt. Auch aus weiteren medizinischen Unterlagen ergibt sich kein anderer Befund. Prof. Dr. We. beschrieb in seinem Gutachten eine Beugefähigkeit des linken Kniegelenks bis 130 Grad, Dr. F. gab in seiner Auskunft als sachverständige Zeuge vom 26. September 2002 gegenüber dem SG eine endgradige schmerzhafte "Beugung" im linken Knie an. Seine Einschätzung der MdE mit 20 v.H. ist unter Berücksichtigung der zuvor genannten Erfahrungswerte nicht zutreffend. Der Senat braucht im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob eine MdE von 10 v.H. oder von unter 10 v.H. (so Prof. Dr. R.) vorliegt. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, sodass auch die Gewährung einer Stützrente nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Bescheids der Beklagten vom 28. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2002 sowie die Zahlung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) ab 1. Januar 2000 wegen der Folgen eines im Juni 1978 erlittenen Arbeitsunfalls.
Der 1956 geborene Kläger war im Steinkohlebergwerk S. in R. S./Polen beschäftigt, vom 9. Januar 1976 bis 31. Juli 1982 - unterbrochen durch die Ableistung des Grundwehrdiensts von April 1976 bis April 1978 - als Bergmann unter Tage sowie nach Rentenbezug vom 11. Januar 1984 bis 26. Januar 1992 zunächst als Pförtner und ab Februar 1982 als Lagerausgeber über Tage. Er zog am 27. Januar 1990 in die Bundesrepublik Deutschland um. Er ist Inhaber des Bundesvertriebenenausweises B.
Am 11. März 1999 machte der Kläger bei der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen eines während seiner Beschäftigung im Steinkohlebergwerk S. erfolgten Arbeitsunfalls geltend. Seinen Angaben nach erlitt er am "6. Juni 1978" bei seiner Tätigkeit unter Tage in der Kohlengrube einen Unfall. Er habe einen Motor für die Kettenförderungsanlage transportiert. Beim Absetzen des Motors auf den Stollenboden sei ihm der Motor aus der Hand geglitten und auf die Beine unterhalb der Oberschenkel gefallen. Hierdurch sei sein linkes Knie verletzt worden. Er reichte der Beklagten ein &61656; den Arztbrief des Orthopäden Dr. F. vom 5. September 1997, der auf Grund einer Untersuchung am 2. September 1997 eine Chondropathia patellae, eine mediale Gonarthrose sowie möglicherweise eine alte Teilruptur des Außenmeniskus des linken Kniegelenks diagnostizierte, &61656; Berichte des Städtischen Krankenhauses R. S./Polen über die stationären Behandlungen vom 17. November bis 3. Dezember 1980 (Bericht vom 3. November 1980, Diagnose: Meniskusläsion links, am 19. November 1980 Meniskektomie), vom 22. Februar bis 16. März 1982 (Bericht vom 16. März 1982, Diagnose: Läsion des medialen seitlichen Innenbands des linken Knies, operative Behandlung am 24. Februar "1981"), vom 23. Mai bis 1. Juni 1984 (Bericht vom 1. Juni 1984, Diagnose: Zustand nach Bandläsion im rechten Kniegelenk, operative Behandlung am 28. Mai 1984) sowie vom 1. bis 12. September 1986 (Bericht vom 12. September 1986, Diagnose: Distorsion und Meniskusläsion des rechten Kniegelenks, operative Entfernung des Meniskus des rechten Kniegelenks am 3. September 1986), &61656; den Beschluss der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 16. März 1987, wonach der Gesundheitszustand die Einordnung in die 3. Invalidengruppe auf Grund eines Arbeitsunfalls begründe, und &61656; den Bescheid der polnischen Sozialversicherungsanstalt über die Erhöhung der Invalidenrente ab 1. Oktober 1989 vom 15. Dezember 1989.
Auf Anfrage der Beklagten übersandte die polnische Sozialversicherungsanstalt ärztliche Gutachten sowie eine Abschrift der Krankengeschichte und teilte mit, dem Kläger sei auf Grund des Arbeitsunfalls im Zeitraum vom 1. August 1982 bis 30. April 1990 Rente gezahlt worden. In der Unfallkartei ist als Unfalldatum der 5. Juni 1978 sowie weiter angegeben, der Unfall habe sich auf dem Weg von der Arbeit ereignet. Der Kläger sei beim Heruntergehen einer Treppe ausgerutscht und habe eine Verletzung des linken Kniegelenks erlitten. Er sei vom 6. Juni bis 14. Juli 1978 arbeitsunfähig gewesen. In einem Bericht vom 2. September 1982 ist als Diagnosen Distorsion des linken Kniegelenks genannt und weiter ausgeführt, der Kläger habe am 6. Juni 1978 angegeben, am Vortag auf dem Weg von der Arbeit nach Hause das linke Kniegelenk verdreht zu haben. Es hätten eine Schwellung, eine Schmerzhaftigkeit des Knies und Spuren eines Ergusses festgestellt werden können. Im Gutachten der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 13. September 1982 wurde eine Beeinträchtigung der Funktion der linken unteren Extremität mit Muskelschwund und eine Einschränkung der Funktion sowie die 3. Invalidengruppe für die Dauer eines Jahres festgestellt. Im weiteren Gutachten der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 29. April 1983 wurde die Leistungsfähigkeit des linken Kniegelenks als beeinträchtigt angesehen, was den Kläger für Arbeiten unter Tage "disqualifiziere". Auch in den weiteren Gutachten der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 1. März 1985, 16. März 1987 und 8. Februar 1989 wurde eine anhaltende Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Knochen-Gelenksystems mit einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit bzw. eine Instabilität des linken Kniegelenks beschrieben.
Zu der Angabe, es habe sich um einen Wegeunfall gehandelt, führte der Kläger aus, dies sei unrichtig. Die Angaben seien damals im Interesse des Arbeitgebers gemacht worden, da Wegeunfälle als Bagatellunfälle gegolten hätten, deshalb in den Unfallstatistiken nicht erfasst und damit Prämien oder sonstige Sonderzahlungen nicht gefährdet worden seien (Schreiben vom 1. April 2000). Seine Angaben zum Unfallhergang wiederholte der Kläger auch bei einer mündlichen Vernehmung durch die Beklagte am 14. Juni 2000.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. We. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 12. Juli 2000 ein Gutachten (ohne Datum). Eine Beurteilung der aus dem Unfallereignis vom 6. Juni 1978 resultierenden Unfallfolgen sei anhand des vorliegenden Aktenmaterials sowie der durchgeführten Untersuchung nicht möglich. Es seien nicht die Qualität des Punktionsbefunds nach dem Unfall und die Behandlung der Unfallfolgen dokumentiert. Nach Aktenlage könnten die Meniskusveränderungen beidseits eine Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) darstellen. Der beratende Arzt der Beklagten Chirurg und Arbeitsmediziner Dr. T. kam nach Durchsicht der Akten zu der Auffassung (Stellungnahme vom 12. März 2001), für den festgestellten Befund am linken Kniegelenk komme mit Wahrscheinlichkeit allein der Arbeitsunfall vom 6. Juni 1978 in Frage, eine Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV könne mit Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Sowohl am linken als auch am rechten Kniegelenk liege kein wesentliches Funktionsdefizit vor, sodass hieraus keine MdE in rentenberechtigendem Rahmen resultiere. Wegen der medialen Tibiaarthrose bei freier Beweglichkeit betrage die MdE maximal 10 v.H ...
Mit Bescheid vom 28. Mai 2001 lehnte es die Beklagte ab, eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Der Kläger habe keinen Nachweis über den von ihm behaupteten Arbeitsunfall vorgelegt. Weitere Ermittlungen, ob ein versicherter Arbeitsunfall oder ein Wegeunfall vorgelegen habe, könnten dahinstehen, weil die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente nicht gegeben seien. Der Unfall vom 6. Juni 1978 habe eine MdE rentenberechtigenden Grades (mindestens 20 v.H.) nicht hinterlassen und es bestehe auch kein Anspruch auf eine Stützrente. Mit Bescheid vom selben Tag lehnte es die Beklagte auch ab, eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der BKV festzustellen. Den vom Kläger erhobenen Widerspruch vom 6. Juni 2001 sah die Beklagte als gegen den Bescheid betreffend die Ablehnung der Feststellung der Berufskrankheit gerichtet an. Diesen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2001). Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg (SG - S 2 KN 195/02 -) erklärte sich die Beklagte bereit, auch bezüglich des Bescheids betreffend die Ablehnung der Gewährung einer Verletztenrente wegen eines Arbeits- oder Wegeunfalls vom 6. Juni 1978 ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Den Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2002). Das genaue Unfalldatum könne dahinstehen, weil nach dem Gutachten des Prof. Dr. We. keine wesentliche Folgen eines Arbeits- oder Wegeunfalls festzustellen seien. Insbesondere liege kein wesentliches Funktionsdefizit des linken Kniegelenks vor, das die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in messbarem Grad minderen würde.
Der Kläger erhob am 1. Juli 2002 Klage beim SG (S 2 KN 1867/02). Die gut bezahlte Tätigkeit als Bergmann habe er aufgeben müssen, weil er wegen der starken Beschwerden des linken Kniegelenks nur noch leichte körperliche Tätigkeiten als Pförtner und Materialausgeber habe ausführen können. Sein linkes Kniegelenk sei auch nur bedingt belastbar. Es bestehe eine fortgeschrittene Kniegelenksarthrose.
Das SG hörte Dr. F. als sachverständigen Zeugen und zog den Bericht des Unfallchirurgen Privatdozent Dr. O. vom 11. Juli 2002 sowie den Operationsbericht des Dr. V. vom 3. September 2002 über die Arthroskopie des linken Kniegelenks bei.
Die Beklagte vertrat unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. T. vom 12. Januar 2003 die Auffassung, neben der unfallbedingten Chondromalazie des medialen linken Kniekompartiments habe die Arthroskopie eine wesentlich stärker ausgeprägte Chondromalazie des Patellagleitlagers gezeigt, die unfallunabhängig und wesentliche Ursache für die geklagten Beschwerden sowie die Bewegungsstörung sei.
Im Auftrag des SG erstattete Prof. Dr. R. das orthopädische Gutachten vom 17. Juni 2003. Aufgrund einer Untersuchung vom 27. März 2003 kam er zum Ergebnis, am linken Knie liege ein dritt- bis viertgradiger Knorpel-Knochenschaden innenseitig sowie ein viertgradiger Knorpel-Knochenschaden an der Kniescheibenrückfläche mit belastungsabhängigen Schmerzen sowie ein Zustand nach Meniskusresektion, nach Revision des Innenbands 1982, nach Metallentfernung einer eingebrachten Schraube 1984 und nach Arthroskopie 2002 vor. Da den Akten keinerlei Vorschäden vor 1978 zu entnehmen seien, sei der eingetretene Meniskusschaden wohl als Folge der Distorsion des linken Kniegelenks zu werten. Nach Meniskusektomie könne man in der Regel von einer MdE von unter 10 v.H. ausgehen. Die Auffassung des Dr. T., die schwere Chondromalazie der Kniescheibenrückfläche sei unfallunabhängig, sei in Anbetracht des langen Zeitraums zwischen dem Unfallereignis 1978 und dem aktuell vorliegenden Befund nicht hinreichend begründet. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. August 2003 führte er aus, die Wahrscheinlichkeit, dass die Innenbandlockerungen und die Chondromalazie der Kniescheibenrückfläche als mittelbare Folgeschäden des Arbeitsunfalls vom 6. Juni 1978 anzusehen seien, sei nicht nachweisbar, die Möglichkeit aber keineswegs ausgeschlossen. Der gesamte Befund entspreche einer MdE von 20 v.H ...
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 5. August 2004 ab. Aus den vom polnischen Sozialversicherungsträger vorgelegten Unterlagen ergebe sich ein Arbeitsunfall vom 6. Juni 1978, wobei es keine Rolle spiele, ob es sich dabei um einen Unfall während der Arbeit oder um einen Wegeunfall gehandelt habe. Es sei zweifelsfrei festgestellt, dass der Kläger sich dabei eine Distorsion des linken Kniegelenks zugezogen habe. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. und den Stellungnahmen des Dr. T. sei davon auszugehen, dass der mit einer MdE von 20 v.H. bewertete Gesamtschaden nur teilweise unfallbedingt sei und allenfalls mit einer MdE von 10 v.H. bewertet werden könne. Die gegenteilige Auffassung des Dr. F. sei nicht ausreichend begründet.
Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung ein (L 13 KN 4672/04). Er kündigte an, beim polnischen Sozialversicherungsträger weitere Unterlagen anzufordern. Die Beklagte sagte für den Fall der Berufungsrücknahme eine Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu. Der Kläger nahm daraufhin am 29. November 2004 die Berufung zurück.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die polnische Sozialversicherungsanstalt mit, in den Rentenakten des Klägers befänden sich keine Unterlagen aus den Jahren 1978 bis 1980. Ein Antrag auf Invalidenrente aufgrund eines Unfalls vom 5. Juni 1978 auf dem Weg von der Arbeit nach Hause sei erst am 21. Juli 1982 gestellt worden, sodass die Dokumentationen, Gutachten und Stellungnahmen erst nach diesem Zeitpunkt erstellt worden seien (Schreiben vom 2. Juni 2005). Sie übersandte der Beklagten erneut die bereits oben (S. 3) genannten Unterlagen sowie weiter: &61656; den am 5. Juli 1982 eingegangenen Antrag auf bergbauliche Invalidenrente, &61656; eine Abschrift aus der Unfallkartei vom 2. April 1982 (Wiederkehr der Verletzung aus dem Jahre 1978, Stolpern auf der Treppe - Weg zum Betriebsbus), &61656; das Protokoll vom 22. Dezember 1982 mit der Erklärung eines Zeugen (Unfall am 5. Juni 1978 auf dem Weg zum Betriebsbus auf einer Treppe), &61656; die Bescheinigungen der Betriebsambulanz des Bergwerks S. über den Gesundheitszustand vom 6. Juli 1982 (in Behandlung seit 1. Februar 1982 wegen Schädigung der seitlichen paramedialen Bänder am linken Knie), vom 2. September 1982 (Hauptleiden: Zustand nach Luxation des linken Knies, Verletzung der seitlichen paramedialen Bänder am linken Knie, Schädigung des paramedialen Meniskus) und vom 28. Dezember 1982 (Hauptleiden: Zustand nach Entfernung des paramedialen Meniskus und der seitlichen paramedialen Bänder am linken Knie), &61656; die Beschlüsse der Ärztlichen Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. vom 29. April und 18. Mai 1983 (dauerhafte langanhaltende Gesundheitsschädigung von 15 v.H., verursacht durch den Unfall auf dem Weg von Arbeit nach Hause vom 5. Juni 1978).
Dr. T. empfahl zunächst im Hinblick auf den Bericht vom 2. September 1982, ein erneutes Gutachten zu veranlassen (Stellungnahme vom 27. November 2005), hielt hieran aber nicht fest (Vermerk vom 12. Dezember 2005). Mit Bescheid vom 10. Januar 2006 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 28. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2002, mit dem die Gewährung einer Entschädigung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. Juni 1978 abgelehnt worden sei, zurückzunehmen. Die durchgeführten Ermittlungen beim polnischen Sozialversicherungsträger hätten keine neuen Tatsachen erbracht, insbesondere seien keine medizinischen Unterlagen für den Zeitraum von 1978 bis 1980 übersandt worden. Auch der Kläger habe keine neuen wesentlichen Tatsachen vorgebracht und Beweismittel vorgelegt. Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 30. November 2006). Wesentlicher Grund für die Ablehnung einer Entschädigung sei gewesen, dass für die Zeit vom 15. Juli 1978 bis zur Meniskusentfernung im November 1980 jegliche medizinischen Unterlagen fehlten, sodass der Zusammenhang zwischen den operativen Behandlungen und dem angeschuldigten Ereignis nicht zweifelsfrei habe nachgewiesen werden können. Im Rahmen der Überprüfung seien alle weiteren Versuche gescheitert, vom polnischen Sozialversicherungsträger Dokumente zu dem genannten Zeitraum zu erhalten. Die polnische Sozialversicherungsanstalt habe ihre gesamten Unterlagen übersandt. Darin hätten sich jedoch keine medizinischen Befunde befunden, die nicht schon vor Bescheiderteilung vorgelegen hätten. Somit fehle es auch weiter an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitsunfall außer der Innenmeniskusentfernung und der medialen Gelenkspaltsverschmälerung weitere krankhafte Veränderungen am linken Kniegelenk verursacht habe.
Der Kläger erhob am 22. Dezember 2006 Klage beim SG. Vom polnischen Sozialversicherungsträger seien Unterlagen übersandt worden, die die Zeit vom Arbeitsunfall (1978) bis zur operativen Behandlungen des Innenbands (1982) erfassten. Die Behandlungen bis etwa Ende 1979 hätten mehr oder weniger Erfolg gehabt. Zu Beginn des Jahres 1980 habe sich der Zustand des linken Kniegelenks stark verschlechtert und nach erfolglosen Behandlungen sei im November 1980 die Meniskektomie am linken Kniegelenk erfolgt. In Polen sei ihm die Invalidenrente mit dem klaren Hinweis auf die aus dem Arbeitsunfall resultierenden Beeinträchtigungen ab 1. August 1982 bewilligt worden. Kniegelenksverletzungen, die zu spät oder falsch behandelt worden seien, führten immer zur Instabilität des Kniegelenks. Es sei zu spät erkannt worden, dass der Innenmeniskus bei dem Unfall schwer verletzt worden sei und deshalb erst 30 Monate nach dem Unfall entfernt worden sei. Folge sei die Auslösung des Knorpelabriebs im linken Kniegelenk gewesen. Dies habe Prof. Dr. R. in seinem Gutachten nicht beurteilt. Er habe auch nicht hinterfragt, weshalb die Heilung der Verletzung des Kniegelenks fast vier Jahre in Anspruch genommen habe. Ebenso sei nicht erkannt worden, dass der Unfall eine Überdehnung des Innenbands im linken Kniegelenk verursacht habe, die durch die Entfernung des Innenmeniskus verstärkt worden sei. Zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls sei sein linken Kniegelenk völlig gesund gewesen. Aufgrund des Zeitablaufs müsse für den Kausalzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend sein. Der Kläger legte eine Aufstellung mit Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 1978 sowie 1980 bis 1982, Kopien seines polnischen Versicherungsbuchs, den Arztbrief des Dr. Kr., Orthopädische Universitätsklinik H., vom 23. Januar 2007 über die stationäre Behandlung vom 10. bis 23. Januar 2007, in dessen Verlauf am linken Kniegelenk eine Schlittenprothese implantiert, eine offene Gelenkosteophytenresektion und eine offene chirurgische Teilresektion des Innenmeniskus durchgeführt wurde.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf ihren Bescheid entgegen.
Herr Ro., Leiter der Planungs- und Organisationsabteilung des Städtischen Krankenhauses Ru. S., teilte auf Anfrage des SG mit (Schreiben vom 3. September 2007), die im Jahre 1978 erstellte medizinische Dokumentation sei nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren im Jahre 2001 vernichtet worden. Dr. M.-K., Leiterin der Ambulanz bei dem Steinkohlebergwerk S., gab auf Anfrage des SG an (Schreiben vom 5. September 2007), dass das Ambulanzarchiv keine medizinische Dokumentation des Klägers enthalte.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2007 ab. Im Urteil vom 5. August 2004 sei die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitsunfall weitere Gesundheitsstörungen als nur die Entfernung des Innenmeniskus und eine Verschmälerung des medialen Gelenkspalts verursacht habe, zu Recht verneint worden. Prof. Dr. R. habe in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt, dass sich anhand der vorhandenen ärztlichen Unterlagen über den 1978 erfolgten Arbeitsunfall eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Verursachung weiterer Gesundheitsstörungen nicht ableiten lasse. Dass 30 Jahre seit dem Unfall vergangen seien, führe nicht dazu, weniger strenge Anforderungen an die Bejahung der haftungsausfüllenden Kausalität zu stellen.
Gegen den ihm am 29. Dezember 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28. Januar 2008 Berufung eingelegt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass zwischen dem Unfallereignis und den Gesundheitsstörungen am linken Kniegelenk ein ursächlicher Zusammenhang bestehe und dieser sich aus den vorliegenden Unterlagen aus Polen ergebe. Diese Unterlagen seien maßgeblich. In der Bundesrepublik Deutschland seien die Gutachten mit großem Zeitabstand zum Unfallereignis erstattet worden. Er hat Kopien der Unterlagen, die der polnischen Sozialversicherungsträger der Beklagten übersandt hat, eine Kopie seines polnischen Versicherungsbuchs sowie den Arztbrief des Radiologen Dr. Ru. vom 9. Oktober 2007 über eine Dreiphasen-Skelettszintigraphie des linken Kniegelenks (Verdacht auf eine Prothesenlockerung im Kniegelenk) eingereicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 28. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2002 zurückzunehmen sowie Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. ab 1. Januar 2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte L 13 KN 4672/04, die Akten des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte und auch nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006 ist rechtmäßig.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2006. Mit diesem Bescheid entschied die Beklagte über einen Antrag des Klägers, den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 28. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2002 nach § 44 SGB X zurückzunehmen. Demgemäß ist im Berufungsverfahren nur darüber zu entscheiden, ob dieser bestandskräftig gewordene Bescheid rechtswidrig war, nicht aber darüber, ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, etwa auf Grund der Implantation der Schlittenprothese im linken Kniegelenk.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Da der Kläger Vertriebener nach § 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) ist, gelten für die Entschädigung von Arbeitsunfällen die bundesgesetzlichen Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 5, 7 FRG).
Der vom Kläger erhobene Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung richtet sich nach den Vorschriften des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes) Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Nach § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Da die Beklagte erstmals im Jahre 1999 Kenntnis von dem Versicherungsfall erlangte und Gründe, die den Kläger hinderten, den Versicherungsfall früher der Beklagten anzuzeigen, nicht erkennbar sind, wäre eine Rente erstmals für einen Zeitpunkt nach dem 1. Januar 1997 festzusetzen gewesen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 19. August 2003 - B 2 U 9/03 R - und 4. Dezember 2007 - B 2 U 34/06 R -).
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Nach den vorliegenden Unterlagen geht der Senat davon aus, dass der Kläger am 5. Juni 1978 einen Wegeunfall hatte. Die Beklagte hat dies zwar nicht ausdrücklich festgestellt. Im Bescheid vom 28. Mai 2001 hatte sie offen gelassen, ob das vom Kläger behauptete Unfallereignis vom 5. Juni 1978 ein Arbeitsunfall war. Aus dem Bescheid vom 10. Januar 2006 ergibt sich nunmehr allerdings, dass auch die Beklagte davon ausgeht, dass der Kläger am 5. Juni 1978 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Denn in diesem Bescheid hat sie ausgeführt, die Gewährung einer Entschädigung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom "6. Juni 1978" (richtig 5. Juni 1978) abgelehnt zu haben, weil der Kläger infolge des genannten Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit nicht im rentenberechtigendem Maße gemindert gewesen sei. Bei dem Wegeunfall am 5. Juni 1978 erlitt der Kläger eine Distorsion des linken Kniegelenks. Dies ergibt sich aus dem Bericht an die polnische Sozialversicherungsanstalt vom 2. September 1982.
Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der eingetretenen bzw. bestehenden Gesundheitsstörung (haftungsausfüllende Kausalität). Für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, die Theorie der wesentlichen Bedingung. Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Haben mehrere Bedingungen zu einem Erfolg beigetragen, so sind nur solche Bedingungen wesentlich, die gegenüber anderen von überragender Bedeutung sind (ständige Rechtsprechung, vgl. zum Ganzen: z.B. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 22/03 R -; Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R -; Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -; jeweils m.w.N.). Was den anzuwendenden Beweismaßstab anbelangt, gelten für das Vorliegen des Ursachenzusammenhangs verminderte Anforderungen. Während die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Einwirkung, Erkrankung - mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein müssen, genügt für den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R - m.w.N.). Von diesen Grundsätzen ist nicht deshalb abzuweichen, weil das Unfallereignis längere Zeit zurückliegt.
Im Bereich des linken Kniegelenks besteht ein dritt- bis viertgradiger Knorpel-Knochenschaden innenseitig sowie ein viertgradiger Knorpel-Knochenschaden an der Kniescheibenrückfläche mit belastungsabhängigen Schmerzen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. R. vom 17. Juni 2003. Ein entsprechender Befund ergibt sich auch aus dem Operationsbericht des Dr. V. vom 3. September 2002. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der gesamte krankhafte Befund des linken Kniegelenks Folge des Wegeunfalls vom 5. Juni 1978 ist. Die insoweit erforderliche hinreichender Wahrscheinlichkeit lässt sich nicht bejahen. Folge der bei dem Arbeitsunfall erlittenen Distorsion des linken Kniegelenks ist nur der eingetretene Meniskusschaden. Wie das SG folgt der Senat der Auffassung des Prof. Dr. R ... Der Annahme der hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen den Knorpel-Knochenschäden im linken Kniegelenk und dem Wegeunfall steht entgegen, dass für den Zeitraum von 1978 bis zur Meniskektomie im November 1980 medizinische Befunde fehlen. Auf diese Gesichtspunkte hatte auch bereits Prof. Dr. We. in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten aufgrund der ambulante Untersuchung vom 12. Juli 2000 hingewiesen. Unterlagen für diesen Zeitraum sind auch nicht mehr vorhanden, wie sich aus den Auskünften des städtischen Krankenhauses Ru. S. vom 3. September 2007 und der Werksambulanz bei dem Steinkohlebergwerk S. vom 5. September 2007 ergibt. Die Berichte über die Krankenhausbehandlungen in Polen sowie die in Polen für die Ärztliche Bezirkskommission für Invaliden- und Erwerbsfähigkeitsangelegenheiten K. erstatteten Gutachten, die der Kläger auch mit der Berufungsbegründung des vorliegenden Verfahrens nochmals einreichte, lagen bereits bei der Erteilung des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 28. Mai 2001 und damit auch Prof. Dr. R. bei der Abfassung seines Gutachtens vor. Auch von der polnischen Sozialversicherungsanstalt konnten im Jahre 2005 mit Ausnahme von drei Bescheinigungen über den Gesundheitszustand der Betriebsambulanz keine weiteren Unterlagen übersandt werden. Die Bescheinigungen enthalten keine weiteren medizinischen Befunde, sondern nur die aus anderen Unterlagen bekannten Angaben zu Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und zu Krankenhausbehandlungen.
Die MdE wegen eines Meniskusschadens, der nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. als Unfallfolge angenommen werden kann, liegt unter 20 v.H ... Die MdE richtet sich nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE hängt von zwei Faktoren ab, den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG SozR Nr. 25 zu § 128 SGG; SozR 2200 § 581 Nr. 6). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 22, 23; SozR 3-2200 § 581 Nr. 5 mwN). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; zum Ganzen: SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 m.w.N.).
Die Höhe der MdE wird im Bereich der Kniegelenke hauptsächlich durch Verminderung der Beweglichkeit, unphysiologische Zunahme der Beweglichkeit (Überstreckbarkeit, Wackelbeweglichkeit, Verschieblichkeit oder Bereitschaft zu Teilverrenkungen) und Schmerzhaftigkeit (objektive Grundlage) bestimmt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 723). Nach den Erfahrungssätzen der unfallmedizinischen Literatur werden Bewegungseinschränkungen des Kniegelenks mit Begrenzung der Beugefähigkeit ab 90 Grad mit einer MdE von 20 v.H., ab 120 Grad mit einer MdE von 10 v.H., eine straffe Kniescheibenpseudarthrose ohne Funktionsbehinderung des Streckapparats mit einer MdE von 10 bis 20 v.H. bzw. eine Arthrose des Kniegelenks je nach Funktionsbehinderung mit einer MdE von 10 bis 30 v.H. bewertet (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 724). Im Hinblick darauf, dass nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. eine Beugefähigkeit des linken Knie 120 Grad besteht und diese Einschränkung der Beugefähigkeit durch den Gesamtbefund des linken Kniegelenks bedingt ist, ergibt sich ohne weiteres, dass für den unfallbedingten Meniskusschäden die MdE weniger als 20 v.H. beträgt. Auch aus weiteren medizinischen Unterlagen ergibt sich kein anderer Befund. Prof. Dr. We. beschrieb in seinem Gutachten eine Beugefähigkeit des linken Kniegelenks bis 130 Grad, Dr. F. gab in seiner Auskunft als sachverständige Zeuge vom 26. September 2002 gegenüber dem SG eine endgradige schmerzhafte "Beugung" im linken Knie an. Seine Einschätzung der MdE mit 20 v.H. ist unter Berücksichtigung der zuvor genannten Erfahrungswerte nicht zutreffend. Der Senat braucht im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob eine MdE von 10 v.H. oder von unter 10 v.H. (so Prof. Dr. R.) vorliegt. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, sodass auch die Gewährung einer Stützrente nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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