Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 3292/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 1583/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Februar 2008 und ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in diesem Urteil werden als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Absenkung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) um 30 vom Hundert (v.H.) für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.12.2007.
Die 1958 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten Alg II. Für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 wurden ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 02.06.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (in Höhe von monatlich 347,00 EUR ab 01.08.2007) bewilligt. Mit Bescheid vom 04.09.2007 senkte die Beklagte das Alg II für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.12.2007 um 30 v.H. der Regelleistung (104,00 EUR monatlich) ab, da die Klägerin das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses mit der T. Zeitarbeit GmbH, bei der ihr eine Stelle als Personalsachbearbeiterin angeboten worden sei, verhindert habe. Gleichzeitig wurde der Bewilligungsbescheid vom 02.06.2007 ab 01.10.2007 entsprechend aufgehoben bzw. abgeändert. Mit Bescheid vom 25.10.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg II in Höhe von 243,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01.11.2007 bis 31.12.2007 und in Höhe von 347,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.04.2008.
Gegen den Absenkungsbescheid vom 04.09.2007 legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, sie habe das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages nicht verhindert, da ihr von der T. Zeitarbeit GmbH kein Arbeitsvertrag angeboten worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2007 zurück. Die Klägerin habe sich zwar telefonisch und schriftlich beworben, sie habe der Firma jedoch telefonisch mitgeteilt, dass sie nichts von Zeitarbeit halte und sich nur wegen der Beklagten bewerben würde. Daraufhin habe die Firma von einer Einstellung abgesehen, sodass die Klägerin durch ihr Verhalten das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt habe.
Dagegen erhob die Klägerin am 27.09.2007 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG).
Den von der Klägerin am 11.10.2007 gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes lehnte das SG nach Einholung einer telefonischen Auskunft bei einer Beschäftigten der T. Zeitarbeit GmbH mit Beschluss vom 24.10.2007 ab. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 18.12.2007 zurück (L 3 AS 5604/07 ER-B).
Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin vor, sie habe das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages nicht vereitelt. Sie habe mit der Zeugin A. nie über eine konkrete Arbeitsstelle gesprochen und ihr sei auch kein Arbeitsplatz angeboten worden. Ferner seien mit ihr keine arbeitsvertraglichen Bedingungen besprochen worden. Mit Urteil vom 28.02.2008 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe durch ihre Aussagen während des Telefongesprächs mit der Zeugin A. vom 20.07.2007 die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) erfüllt. Sie habe sich in diesem Telefongespräch in einer Art und Weise geäußert, dass ein verständiger Arbeitgeber die Klägerin schon wegen ihrer Aussagen von vornherein aus dem Bewerbungsverfahren habe ausscheiden müssen. Einen wichtigen Grund für ihr Verhalten habe die Klägerin nicht gehabt. Die Berufung wurde vom SG nicht zugelassen.
Gegen das ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten am 04.03.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.04.2008 Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Ziel festhält. Neben umfangreichen Ausführungen zur Sache macht sie geltend, die Berufung sei entsprechend dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in eine Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten. Dies sei hier im Hinblick auf das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erforderlich. Sie selbst treffe kein Verschulden daran, dass zunächst das falsche Rechtsmittel eingelegt worden sei. Sie legt hierzu das Schreiben ihres früheren Prozessbevollmächtigten vom 29.04.2008 vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Februar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 4. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2007 aufzuheben, hilfsweise die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält die Berufung für unzulässig, da der Beschwerdewert nicht erreicht sei. Im Übrigen sei die Berufung auch unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens gem. § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die unzulässige Berufung durch Beschluss entscheiden können, denn eine mündliche Verhandlung war nach dem schriftlichen Vorbringen der Beteiligten nicht erforderlich. Auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 158 SGG ist nicht gesondert hinzuweisen, denn eine Anhörungsmitteilung ist in § 158 SGG, anders als in vergleichbaren Regelungen (§§ 105 Abs. 1 Satz 2, 153 Abs. 4 Satz 2 SGG), nicht vorgesehen und war vorliegend auch entbehrlich.
Die am 03.04.2008 frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht statthaft, weil die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht ist und die Berufung vom SG auch nicht zugelassen worden ist.
Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG a. F.). Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung der Klägerin betrifft eine Geldleistung in Höhe von 312,00 EUR. Damit ist die Berufungssumme von mehr als 500,00 EUR nicht erreicht. Die Berufung betrifft Leistungen für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.12.2007 und damit nicht - wie nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG erforderlich - für mehr als ein Jahr. Seit 01.04.2008 beträgt die Berufungssumme mehr als 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG n.F.). Die Berufungssumme wäre mithin bei Anwendung des neuen Rechts erst recht nicht erreicht.
Die Berufung ist vom SG auch nicht zugelassen worden. Die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil ist zutreffend. Soweit die Klägerin vorbringt, dass das SG in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2008 nicht verkündet bzw. entschieden habe, dass die Berufung nicht zugelassen werde, ist das rechtsunerheblich. Dies ändert nichts daran, dass eine - wie erforderlich - ausdrückliche Zulassung der Berufung nicht vorliegt und der Senat hieran gebunden ist.
Auch der Hilfsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg. Die geltend gemachte Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zulässig.
Soweit die Klägerin meint, das als Berufung bezeichnete Rechtsmittel sei als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln, weil bei der Auslegung von (Prozess-)Erklärungen nicht am Wortlaut festgehalten werden dürfe, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen sei, sieht sich der Senat an einer solchen Auslegung gehindert. Dem vorgelegten Schreiben des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.04.2008 ist der eindeutige Wille zu entnehmen, dass mit der Rechtsmittelschrift vom 31.03.2008 Berufung eingelegt werden sollte. Die das zutreffende Rechtsmittel angebende Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts sei übersehen worden. Maßgebend für die Auslegung der Erklärung ist der Wille des Erklärenden und nicht der Wille desjenigen, den er rechtsgeschäftlich vertritt. Weder ist erkennbar, dass nur eine falsche Bezeichnung des eigentlich gewollten Rechtsbehelfs gewählt wurde, noch ergeben sich sonstige Hinweise darauf, dass eine andere Prozesserklärung als die abgegebene gemeint war.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist auch eine Umdeutung der Prozesserklärung vom 31.03.2008 in eine fristwahrende Nichtzulassungsbeschwerde rechtlich ausgeschlossen. Der Begriff der Umdeutung wird im Gesetz für fehlerhafte Verwaltungsakte (vgl. § 43 SGB X, § 47 VwVfG) und für nichtige Rechtsgeschäfte verwendet (vgl. die Überschrift zu § 140 BGB in der seit 1. Januar 2002 geltenden Fassung). Von der Möglichkeit der Auslegung ist diejenige der Umdeutung zu unterscheiden: Letztere greift erst dann, wenn trotz Auslegung feststeht, dass das Rechtsgeschäft nichtig, der Verwaltungsakt fehlerhaft ist (vgl. §§ 133, 140 BGB; zum Vorrang der Auslegung auch BGH LM ZPO § 515 Nr 38 = NJW 2000, 3215; BGH LM BGB § 1361 Nr 67 = NJW 1997, 735; BGH LM Nr 3 zu § 1612 BGB = NJW 1983, 2200). Da es sich bei einem unzulässigen Rechtsmittel weder um das eine noch um das andere handelt, ist bei der Annahme von Umdeutungsmöglichkeiten Zurückhaltung geboten (vgl. auch BGH FamRZ 2000, 1565 = NJW-RR 2001, 279 m.w.N.). Dennoch ist insbesondere für den Zivilprozess anerkannt, dass in besonderen Konstellationen eine unzulässige Prozesshandlung und ausnahmsweise auch eine Rechtsmittelerklärung in ein nach Intention und rechtlicher Wirkung vergleichbares Pendant umzudeuten ist, wenn dessen Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Prozessgegners entgegensteht (vgl. insgesamt BSG, Urteil v. 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 R -, SozR 4-1500 § 158 Nr. 1 m. w. H.)
Für das Verhältnis von Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde kann das aber schon wegen der unterschiedlichen Zielrichtung der beiden Rechtsmittel nicht gelten. Beide zielen zwar im Ergebnis auf eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch die höhere Instanz. Unmittelbar richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht gegen den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens, sondern gegen eine prozessuale Teilentscheidung – der Nichtzulassung der Berufung, die nur unter den in § 144 Abs. 2 SGG bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden kann und was auch nur erst die Durchführung des Berufungsverfahrens eröffnet - ; dementsprechend ist der Prüfungsgegenstand ein anderer als im Berufungsverfahren. Infolgedessen lässt sich die Vergleichbarkeit in Intention und rechtlicher Wirkung nicht von vornherein bejahen. Es ist auch nicht in allen Fällen als selbstverständlich anzunehmen, dass die Umdeutung dem Beteiligtenwillen entsprechen würde. Vielmehr erscheint es zumindest denkbar, dass der Rechtsmittelführer den zusätzlichen Aufwand einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf sich genommen hätte, wenn ihm die Unzulässigkeit der Berufung und der die Unzulässigkeit begründende geringe Beschwerdewert bewusst gewesen wäre ( vgl. BSG a. a. O.; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 145 Rdnr. 3a).
Diese einer Umdeutung entgegenstehenden rechtlichen Erwägungen gelten sowohl für den rechtskundig vertretenen Rechtsmittelkläger wie auch für den nicht vertretenen (vgl. BSG a. a. O.). Die Umdeutung der Prozesserklärung vom 31.03.2008 scheidet somit aus.
Sieht man zu Gunsten der Klägerin in ihrem per Fax am 11.07.2008 eingegangenen Antrag, die Berufung als Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten, auch eine selbstständige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im angefochtenen Urteil, wäre auch diese Beschwerde unzulässig. Das dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 04.03.2008 zugestellte Urteil mit zutreffend erteilter Rechtsmittelbelehrung hat die Beschwerdefrist von einem Monat in Lauf gesetzt (§§ 145 Abs. 1 Satz 2, 66 Abs. 1 SGG), weshalb eine am 11.07.2008 eingelegte Beschwerde nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingegangen ist. Eine gegebenenfalls von Amts wegen zu gewährende Wiedereinsetzung (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) in die versäumte Beschwerdefrist kommt nicht in Betracht. Nach § 67 Abs. 1 SGG kann auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§ 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i. V. m. § 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 67 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Versäumung der Beschwerdefrist beruht auf einem der Klägerin zuzurechnenden Verschulden ihres damaligen Prozessbevollmächtigten, der die ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung des Sozialgerichts übersehen und nicht binnen Frist das zulässige Rechtsmittel eingelegt hat. Darüber hinaus wäre auch die Frist für die Wiedereinsetzung versäumt, denn ausweislich des von der Klägerin selbst vorgelegten Schreibens ihres früheren Prozessbevollmächtigten vom 29.04.2008 waren ab diesem Zeitpunkt die Umstände bekannt, die zu einem unzulässigen Rechtsbehelf geführt haben. Gleichwohl wurden Gründe für ein fehlendes eigenes Verschulden – wenn auch unbeachtliche - erst nach Ablauf der Monatsfrist geltend gemacht
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde ist unanfechtbar (§§ 177, 145 Abs. 4 SGG). Im übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (vgl. § 158 Satz 3 SGG) nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Absenkung des Arbeitslosengeldes II (Alg II) um 30 vom Hundert (v.H.) für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.12.2007.
Die 1958 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten Alg II. Für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 wurden ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 02.06.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (in Höhe von monatlich 347,00 EUR ab 01.08.2007) bewilligt. Mit Bescheid vom 04.09.2007 senkte die Beklagte das Alg II für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.12.2007 um 30 v.H. der Regelleistung (104,00 EUR monatlich) ab, da die Klägerin das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses mit der T. Zeitarbeit GmbH, bei der ihr eine Stelle als Personalsachbearbeiterin angeboten worden sei, verhindert habe. Gleichzeitig wurde der Bewilligungsbescheid vom 02.06.2007 ab 01.10.2007 entsprechend aufgehoben bzw. abgeändert. Mit Bescheid vom 25.10.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg II in Höhe von 243,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01.11.2007 bis 31.12.2007 und in Höhe von 347,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.04.2008.
Gegen den Absenkungsbescheid vom 04.09.2007 legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, sie habe das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages nicht verhindert, da ihr von der T. Zeitarbeit GmbH kein Arbeitsvertrag angeboten worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2007 zurück. Die Klägerin habe sich zwar telefonisch und schriftlich beworben, sie habe der Firma jedoch telefonisch mitgeteilt, dass sie nichts von Zeitarbeit halte und sich nur wegen der Beklagten bewerben würde. Daraufhin habe die Firma von einer Einstellung abgesehen, sodass die Klägerin durch ihr Verhalten das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt habe.
Dagegen erhob die Klägerin am 27.09.2007 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG).
Den von der Klägerin am 11.10.2007 gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes lehnte das SG nach Einholung einer telefonischen Auskunft bei einer Beschäftigten der T. Zeitarbeit GmbH mit Beschluss vom 24.10.2007 ab. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 18.12.2007 zurück (L 3 AS 5604/07 ER-B).
Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin vor, sie habe das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages nicht vereitelt. Sie habe mit der Zeugin A. nie über eine konkrete Arbeitsstelle gesprochen und ihr sei auch kein Arbeitsplatz angeboten worden. Ferner seien mit ihr keine arbeitsvertraglichen Bedingungen besprochen worden. Mit Urteil vom 28.02.2008 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe durch ihre Aussagen während des Telefongesprächs mit der Zeugin A. vom 20.07.2007 die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) erfüllt. Sie habe sich in diesem Telefongespräch in einer Art und Weise geäußert, dass ein verständiger Arbeitgeber die Klägerin schon wegen ihrer Aussagen von vornherein aus dem Bewerbungsverfahren habe ausscheiden müssen. Einen wichtigen Grund für ihr Verhalten habe die Klägerin nicht gehabt. Die Berufung wurde vom SG nicht zugelassen.
Gegen das ihrem damaligen Prozessbevollmächtigten am 04.03.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.04.2008 Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Ziel festhält. Neben umfangreichen Ausführungen zur Sache macht sie geltend, die Berufung sei entsprechend dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in eine Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten. Dies sei hier im Hinblick auf das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erforderlich. Sie selbst treffe kein Verschulden daran, dass zunächst das falsche Rechtsmittel eingelegt worden sei. Sie legt hierzu das Schreiben ihres früheren Prozessbevollmächtigten vom 29.04.2008 vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Februar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 4. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2007 aufzuheben, hilfsweise die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält die Berufung für unzulässig, da der Beschwerdewert nicht erreicht sei. Im Übrigen sei die Berufung auch unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens gem. § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die unzulässige Berufung durch Beschluss entscheiden können, denn eine mündliche Verhandlung war nach dem schriftlichen Vorbringen der Beteiligten nicht erforderlich. Auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 158 SGG ist nicht gesondert hinzuweisen, denn eine Anhörungsmitteilung ist in § 158 SGG, anders als in vergleichbaren Regelungen (§§ 105 Abs. 1 Satz 2, 153 Abs. 4 Satz 2 SGG), nicht vorgesehen und war vorliegend auch entbehrlich.
Die am 03.04.2008 frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht statthaft, weil die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht ist und die Berufung vom SG auch nicht zugelassen worden ist.
Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG a. F.). Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung der Klägerin betrifft eine Geldleistung in Höhe von 312,00 EUR. Damit ist die Berufungssumme von mehr als 500,00 EUR nicht erreicht. Die Berufung betrifft Leistungen für die Zeit vom 01.10.2007 bis 31.12.2007 und damit nicht - wie nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG erforderlich - für mehr als ein Jahr. Seit 01.04.2008 beträgt die Berufungssumme mehr als 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG n.F.). Die Berufungssumme wäre mithin bei Anwendung des neuen Rechts erst recht nicht erreicht.
Die Berufung ist vom SG auch nicht zugelassen worden. Die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil ist zutreffend. Soweit die Klägerin vorbringt, dass das SG in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2008 nicht verkündet bzw. entschieden habe, dass die Berufung nicht zugelassen werde, ist das rechtsunerheblich. Dies ändert nichts daran, dass eine - wie erforderlich - ausdrückliche Zulassung der Berufung nicht vorliegt und der Senat hieran gebunden ist.
Auch der Hilfsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg. Die geltend gemachte Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zulässig.
Soweit die Klägerin meint, das als Berufung bezeichnete Rechtsmittel sei als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln, weil bei der Auslegung von (Prozess-)Erklärungen nicht am Wortlaut festgehalten werden dürfe, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen sei, sieht sich der Senat an einer solchen Auslegung gehindert. Dem vorgelegten Schreiben des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 29.04.2008 ist der eindeutige Wille zu entnehmen, dass mit der Rechtsmittelschrift vom 31.03.2008 Berufung eingelegt werden sollte. Die das zutreffende Rechtsmittel angebende Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts sei übersehen worden. Maßgebend für die Auslegung der Erklärung ist der Wille des Erklärenden und nicht der Wille desjenigen, den er rechtsgeschäftlich vertritt. Weder ist erkennbar, dass nur eine falsche Bezeichnung des eigentlich gewollten Rechtsbehelfs gewählt wurde, noch ergeben sich sonstige Hinweise darauf, dass eine andere Prozesserklärung als die abgegebene gemeint war.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist auch eine Umdeutung der Prozesserklärung vom 31.03.2008 in eine fristwahrende Nichtzulassungsbeschwerde rechtlich ausgeschlossen. Der Begriff der Umdeutung wird im Gesetz für fehlerhafte Verwaltungsakte (vgl. § 43 SGB X, § 47 VwVfG) und für nichtige Rechtsgeschäfte verwendet (vgl. die Überschrift zu § 140 BGB in der seit 1. Januar 2002 geltenden Fassung). Von der Möglichkeit der Auslegung ist diejenige der Umdeutung zu unterscheiden: Letztere greift erst dann, wenn trotz Auslegung feststeht, dass das Rechtsgeschäft nichtig, der Verwaltungsakt fehlerhaft ist (vgl. §§ 133, 140 BGB; zum Vorrang der Auslegung auch BGH LM ZPO § 515 Nr 38 = NJW 2000, 3215; BGH LM BGB § 1361 Nr 67 = NJW 1997, 735; BGH LM Nr 3 zu § 1612 BGB = NJW 1983, 2200). Da es sich bei einem unzulässigen Rechtsmittel weder um das eine noch um das andere handelt, ist bei der Annahme von Umdeutungsmöglichkeiten Zurückhaltung geboten (vgl. auch BGH FamRZ 2000, 1565 = NJW-RR 2001, 279 m.w.N.). Dennoch ist insbesondere für den Zivilprozess anerkannt, dass in besonderen Konstellationen eine unzulässige Prozesshandlung und ausnahmsweise auch eine Rechtsmittelerklärung in ein nach Intention und rechtlicher Wirkung vergleichbares Pendant umzudeuten ist, wenn dessen Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Prozessgegners entgegensteht (vgl. insgesamt BSG, Urteil v. 20.05.2003 - B 1 KR 25/01 R -, SozR 4-1500 § 158 Nr. 1 m. w. H.)
Für das Verhältnis von Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde kann das aber schon wegen der unterschiedlichen Zielrichtung der beiden Rechtsmittel nicht gelten. Beide zielen zwar im Ergebnis auf eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch die höhere Instanz. Unmittelbar richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht gegen den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens, sondern gegen eine prozessuale Teilentscheidung – der Nichtzulassung der Berufung, die nur unter den in § 144 Abs. 2 SGG bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden kann und was auch nur erst die Durchführung des Berufungsverfahrens eröffnet - ; dementsprechend ist der Prüfungsgegenstand ein anderer als im Berufungsverfahren. Infolgedessen lässt sich die Vergleichbarkeit in Intention und rechtlicher Wirkung nicht von vornherein bejahen. Es ist auch nicht in allen Fällen als selbstverständlich anzunehmen, dass die Umdeutung dem Beteiligtenwillen entsprechen würde. Vielmehr erscheint es zumindest denkbar, dass der Rechtsmittelführer den zusätzlichen Aufwand einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf sich genommen hätte, wenn ihm die Unzulässigkeit der Berufung und der die Unzulässigkeit begründende geringe Beschwerdewert bewusst gewesen wäre ( vgl. BSG a. a. O.; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 145 Rdnr. 3a).
Diese einer Umdeutung entgegenstehenden rechtlichen Erwägungen gelten sowohl für den rechtskundig vertretenen Rechtsmittelkläger wie auch für den nicht vertretenen (vgl. BSG a. a. O.). Die Umdeutung der Prozesserklärung vom 31.03.2008 scheidet somit aus.
Sieht man zu Gunsten der Klägerin in ihrem per Fax am 11.07.2008 eingegangenen Antrag, die Berufung als Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten, auch eine selbstständige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im angefochtenen Urteil, wäre auch diese Beschwerde unzulässig. Das dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 04.03.2008 zugestellte Urteil mit zutreffend erteilter Rechtsmittelbelehrung hat die Beschwerdefrist von einem Monat in Lauf gesetzt (§§ 145 Abs. 1 Satz 2, 66 Abs. 1 SGG), weshalb eine am 11.07.2008 eingelegte Beschwerde nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingegangen ist. Eine gegebenenfalls von Amts wegen zu gewährende Wiedereinsetzung (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) in die versäumte Beschwerdefrist kommt nicht in Betracht. Nach § 67 Abs. 1 SGG kann auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§ 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i. V. m. § 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 67 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Versäumung der Beschwerdefrist beruht auf einem der Klägerin zuzurechnenden Verschulden ihres damaligen Prozessbevollmächtigten, der die ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung des Sozialgerichts übersehen und nicht binnen Frist das zulässige Rechtsmittel eingelegt hat. Darüber hinaus wäre auch die Frist für die Wiedereinsetzung versäumt, denn ausweislich des von der Klägerin selbst vorgelegten Schreibens ihres früheren Prozessbevollmächtigten vom 29.04.2008 waren ab diesem Zeitpunkt die Umstände bekannt, die zu einem unzulässigen Rechtsbehelf geführt haben. Gleichwohl wurden Gründe für ein fehlendes eigenes Verschulden – wenn auch unbeachtliche - erst nach Ablauf der Monatsfrist geltend gemacht
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde ist unanfechtbar (§§ 177, 145 Abs. 4 SGG). Im übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (vgl. § 158 Satz 3 SGG) nicht vor.
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